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Der Kaag geht an die Arbeit. An der Sitzung nahmen außer den sechs Mächten der Genfer September-Entschließung auf Grund des gestrigen Beschlusses auch die Vertreter der übrigen an der Reparationsfrage interessierten Länder Rumänien, Jugoslawien, die Tschechoslowakei, Polen, Griechenland und Portugal teil. Ferner war zum erstenmal der Be obachter der amerikanischen Regierung, Wilson, anwesend. Zu den Beratungen wurden ferner die Vertreter der englischen Dominions hinzugezogen. Von deutscher Seite nahm außer den Mi nistern Neichsbankpräsident Dr. Schacht als Mitglied der deutschen Abordnung an den Beratungen teil. Den Vorsitz dieser ersten Arbeitssitzung führte der belgische Ministerpräsident Jaspar. Da bei den wei teren Vollsitzungen die Abordnungen der Länder nach einander in der alphabetischen Reihenfolge der franzö sischen Bezeichnung den Vorsitz führen sollen, wird Deutsch land den Vorsitz der nächsten Vollsitzung führen. Die Konferenz begann nach Bildung des Büros sofort mit der politischen Aussprache. Als erster Redner ergriff der englische Schatzkanzler Snowden das Wort und legte in einer fast einstündigen Rede den Standpunkt der englischen Regierung zum Boung-Plan dar. England gegen den Boungplan. Haag. 6. August. Snowden führte in seiner Rede aus: Der Boungplan enthalte die Bestimmung, daß er ein unmittelbares und unabänderliches Ganzes sei. Wenn die Konferenz sich auf diesen Standpunkt stelle und die Vorschläge des Paunaplanes unverändert an nehme, so wäre damit ein höchst widerspruchsvolles Do kument angenommen werden. Dis englischen Sachver ständigen auf der Reparatisnskonferenz seien in keiner Weise Vertrete, der enalffchen Negierung gewesen und seien Niemals als solche angesehen wmden. Sie hätten von der englischen Regmrimg keine Anweisung erhal ten, viNmchr'jelen die Bo^chEne der Sachverständigen, wie der frühere Schatze Lord Churchill im Unter haus erklärte, auch m keiner Weiss bindende Abmachun gen fiw die englische Negierung. Die englische Regie euna habe sich auf den Standvunki gestellt. Laß dis Fest setzung der Höhe nn-r d-* ^ohreyrahl der deutschen Tri bute, so Wie sie in dem vomeWagen seien annehmbar wären und unter Berücksichtigung der deut schen 'Zahlungsfähigkeit festgesetzt worden seien. Der Boungplan gehe in einigen entscheidenden Punk ¬ ten vollständig über die Bestimmungen des Versailler Es sei zwar zu begrüßen, daß durch den Boungplan die Kontrolle der Finanzen und oie Verpfändungen in Deutschland endgültig aufgehoben würden. Jedoch enthalte der Boungplan zunächst ver schiedene Unklarheiten. Was solle z. V. mit den 308 Millionen Reichsmark geschehen, die Deutschland vom 1. März bis zum Inkrafttreten des Boungplanes zu zahlen habe? Die Vorschläge über die Schaffung der i n - ternationalen Bank nach dem Boungplan müs sen noch aufs sorgfältigste geprüft werden. Der Boung plan sehe sodann einen geschützten und einen ungeschütz ten Teil der deutschen Reparationszahlungen vor. Der ungeschützte Tei! gebe ein Recht auf Mobilisierung und Kommerzialisierung und biete somit größere Sicherhei ten als der bedingte Teil der Iahresratenzahlungen. Die englische Negierung stelle fest, daß Frankreich von dem ungeschützten Teil dsr Reparationen /o erhalte, so mit 2 Millionen Pfund jährlich mehr, als im Dawes plan vorgesehen war. Es müsse offen und mit Entschie denheit erklärt werden, daß dieser Stundpunkt über haupt nicht zu vertreten sei, und es könne auch kein Ver such gemacht werden, ihn m erläutern oder zu rechtfer tigen, Die englische Negierung lehne Lie Abänderung der festliegenden Verteilung der Tributrahlung unter Sen Wäubiqernatksnen ab. Großbritannien sei der Hauptleid tragende des neuen Verteilungs schlüssels. Auch andere kleine Nationen müßten darunter leiden. Die englische Negierung vertrete grundsätzlich den Standpunkt, daß sie mit dsr allgemeinen Festsetzung der Höhe der Tribute übereinstimme, jedoch die geplante neue Verteilung unter den Gläubigern ablehne. D i e englische Regierung erhebe daher Wi derspruch geae n d en Berte! lungsschlüs - iel des Boungplanes und auch gegen die T e i! u n g d e? Z a h l u n g'e n r n e i n s n b e d i n q - L s n u n d e i n e n u n b e d i n g t e n T e i l. Das eng lische Abgeordnetenhaus werde niemals seine Zustim mung zu irgendwelchen neuen Opfern und neuer Preis gabe englischer Interessen geben. Nach der Rede Snowdens verlangte Dr. Strese - m ann unter Hinweis am die außerordentlich weit- tragende Bedeutung der Erklärungen des englischen Schatzkanffers entgegen denk Brauch eine Ueber- setzung der Rede in die deutsche Sprache. Die weiteren Verhandlungen wurden sodann auf Mitt- wochnormittag 10 Ubr vertagt. Haag, 6. August. Die Haager Konferenz nahm am Dienstag nachmittag um 4 Uhr in geheimer Vollsitzung ihre sachlichen Arbeiten aus. Vertrages hinweg. Eine Erklärung Dr. Slresemanns. Haag, 7. Aug. Außenminister Dr. Stresemann hat in der geheimen Vollsitzung der Konferenz am Mittwoch vormittag eine schriftlich abgefaßte Erklärung Uber den Standpunkt der deutschen Regierung zu der gegenwärtigen allgemeinen Aussprache über den Boungplan abgegeben. Die Erklärung hat folgenden Wortlaut: In den verschiedenen Erklärungen, die gestern und heute hier abgegeben worden sind, sind gegensätzliche Meinungen zu wesentlichen Teilen des Boungplanes zum Ausdruck gekommen. Es handelt sich um diejeni gen Punkte des Boungplanes, die in erster Linie das Verhältnis der Gläubigerregierungen untereinander anqeht. Ich glaube daher, daß ich mich in dieser Gene raldebatte zur Kennzeichnung der Haltung der deut schen Abordnung darauf beschränken kann, mich auf die seinerzeit von der Neichsregierunq abgegebene Erklä rung zu beziehen, nach der Deutschlandbereitist.aufderGrund- lagedesBoungplaneszurLösungdes Neparationsproblems zu gelangen. Da, wie es der Präsident gestern betont hat, unsere De batte sich lediglich auf den Boungplan, nicht aber auf politisch« Fragen bezieht, kann ich davon absehen, dar auf hinzuweisen, welche politischen Fragen nach Auf fassung der deutschen Reichsregierung mit der Regelung der Reparationsfrage in Zusammenhang stehen. Dar auf wird zurückzukommen sein, sobald der wirtschaftliche und der politische Ausschuß der Konferenz gebildet sind, die ihre Arbeiten gleichzeitig aufnehmen werden. Was die Regelung des Boungplanes anbelangt, so möchte ich der dringenden Hoffnung Ausdruck geben, daß es 'dem Finanzausschuß der Konferenz gelingen wird, darüber eine Einigung unter den beteiligten Re gierungen zu erzielen. Die deutsche Regierung wird mit allen Kräften da hin wirken, eine Regelung zum Abschluß zu führen, die. wie der französische Finanzminister Cheron sagte. Lie Vergangenheit liquidiert und die Grund lagen eines dauerhaften guten Verhältnisses zwi schen den beteiligten Regierungen bilden kann. Die Kleinen wollen größere Anteile an der Beute. Haag, 7. August. Die geheime Vollsitzung der Kon ferenz am heutigen Vormittag wurde mit einer Erklä rung des griechischen Ministerpräsidenten Venizelos und des südslawischen Außenministers Manukowitsch abgeschlossen. Beide betonten, daß ihre Regierungen den Boung-Plan als solchen annähmen, jedoch eine andere Verteilung der deutschen Tributzah lungen forderten. Haag, 7. August. In der geheimen Vollsitzung am Dienstag vormittag wurde die am Montag vom engli schen Schatzkanzler Snowden eingeleitete Aussprache über den Boung-Plan weiter fortgesetzt. Als Erster sprach der R u m ä n e T i t u l e sc u, der sich auf den Standpunkt der englischen Abordnung stellte und besonders hervor hob, die Zahlungen an Rumänien auf Grund des Poung- Planes stünden in keinem Verhältnis zu den Schulden verpflichtungen Rumäniens. Die rumänische Regierung verlange daher eine weitergehende Berücksichtigung bei der Verteilung der deutschen Tributzahlungen. Den gleichen Standpunkt nahm der Vertreter von Portugal ein, der die großen Opfer Portugals hervor hob und erhöhte Ansprüche an den deutschen Tribut zahlungen anmeldete. Der italienische Finanzminister Mosconi betonte, daß der Boung-Plan ein unteilbares Ganzes sei, und als solches angenommen werden könne. Er wies auf die entsprechende Erklärung Mussolinis im Senat hin und stellte in Zweifel, ob eine Neuaufrollung des Zahlungsmodus nach dem Boungplan zweckmäßig sei. Er fragte, ob etwa Tributsachverständige von neuem zur Prüfung der ganzen Frage zusammentreten sollten. Der französische Finanzminister entwickelte sodann eingehend den Standpunkt der französischen Negierung. Frankreich antwortet England. Haag, 7. August. In der heutigen Sitzung der Kon ferenz, an der wiederum alle Abordnungen teilnahmen, hat der französische Finanzminister Cheron sogleich zu Beginn das Wort ergriffen, um zu dem gestrigen eng lischen Vorstoß ff. Ber. in heut. Beilage. D. N.) Stellung zu nehmen. Der Standpunkt der französischen Regie rung, wie er von Cheron vorgetragen wurde, läßt sich folgendermaßen zusammenfassen: Die in der gestrigen Rede Snowdens angeführten Ziffern über die Zahlungen, welche Frankreich nach dem Boung-Plan erhält, sind nicht zutreffend. Nach dem Dawes-Plan erhält Frankreich 1310 000 Millionen Mark jährlich. Nach dem Boung-Plan durchschnittlich nur 1066 Millionen jährlich. Ferner ist der im Dawes-Plan für den Wiederaufbau der zerstörten Gebiete vorgesehene französische Anteil größer als der Anteil Frankreichs an dem ungeschützten Teil der Reparationszahlungen nach dem Boung-Plan. Nach dem Dawes-Plan würde Frankreich in diesem Jahre 300 Millionen französische und im nächsten Jahre 800 Millionen französische Franken mehr erhalten als nach dem Boung-Plan. Dies sind : reine Verluste für den französischen Haus- ! halt. Von den etwa 2 Millionen englische Pfund, s welche das britische Reich nach dem Boung-Plan weniger i erhält, kommt Frankreich nichts zugute. Von diesem Be trag erhält Italien 1840 Millionen englische Pfund, während der Rest auf Belgien und die anderen kleinen Mächte verteilt wird. Frankreich ist in seinen finanziellen Opfern im Po ung-Plan bis zur äußersten Grenze gegangen. Eine weitere Einschränkung des französischen Anteils an den Repa- ! ratisnszahlungen ist für Frankreich untragbar. Von den - Unkosten für den Wiederaufbau der zerstörten Gebiete ! bekommt Frankreich tatsächlich nur 25 v. H. der hierfür j verauslagten Summen. Blutiger Kampf zwischen streikenden GrubenarbeiternHund Gendarmerie. 16 Arbeiter getötet, 200 verletzt. Nach einem Privattelegramm aus Budapest hat sich in dem Grubenbezirk Lupen»), wo augenblicklich 3000 Arbeiter im Streik stehen, am Dienstagmittag ein blütiger Zusammenstoß zwischen der Eendarinerie und den Streikenden, die die elektrischen Stciganlagen zur Grube besetzt hielten, ereignet. Als die Streikenden der Aufforderung, sich zu entfernen, nicht nachkommen wollten, eröffneten die Gendarmen das Feuer und schossen in die Menge. 16 Arbeiter wurden dabei ge tötet und gegen 200 verletzt. Erst am Spätnachmittag, gelang es, die Arbeitergruppen zu zerstreuen. Nach Londoner Meldungen aus Bukarest sind bei dem Kampf auf der Lupenq-Grube 16 Bergarbeiter ge tötet und über 100 verletzt worden. Das Feuer wurde eröffnet, als die Arbeiter sich weigerten, die von ihnen besetzte elektrische Grubenanlage und die Wasserwerke freizugeben. Zu dem blutigen Zusammenstoß im Vergwerksbe- zirk Lupeny wird noch ergänzend gemeldet, daß auf An forderung der Grubendirektion drei Kompagnien Gen darmerie und zwei Abteilungen Militär nach Lupeny beordert wurden. Vertreter der Behörden forderten die Arbeiter auf, das Elektrizitätswerk friedlich zu räu men und gaben ihnen dazu bis 12 Uhr Frist. Als die Frist abgclaufen war und die Streikenden noch immer nicht das Werk verlassen hatten, erteilte der Komman dant der Sicherungstruppen den Befehl, in die Menge zu schießen. Dabei wurden mehrere Streikende, wie es jetzt heißt 11, getötet und eine große Anzahl verletzt. Die streikenden Arbeiter der Kohlengrube von Lupen:? hatten auch versucht, die Arbeiter von Wulcan, Petro sany, Lonya und Petrila zum Mitstreiken zu ver anlassen. Dieses Ansinnen wurde jedoch abgelehnt. Es ist damit zu rechnen, daß die Ruhe am Mittwoch wie- derhergestellt sein wird. Die Erwerbslosigkeit als Beruf. Im Auto zum Stempeln. Berlin, 6. Aug. Ein umfangreiches Vetrugsver- fahren gegen den Kaufmann Christian Holtz, der sich in Untersuchungshaft befindet, beschäftigt gegenwärtig den Moabiter Untersuchungsrichter. Holtz hat in eine ungeheuerlichen Weise die Erwerbslosenfürsorge gc- brandschatzt und zwar in einem Umfange, daß er fast anderthalb Jahre hindurch in Saus und Braus leben konnte. Er war zeitweise bei zwölf und mehr Bezirks arbeitsämtern gleichzeitig als arbeitslos gemeldet. Er arbeitete mit falschen Papieren und war überall unter einem falschen Namen angegeben. Obwohl er unver heiratet ist. war er stets als verheirateter Mann mit mehreren Kindern gemeldet und bezog den Höchstsatz m>: 32 Mark wöchentlich. Auf diese Weise hatte er ein reütt ansehnliches Einkommen und seine Haupttätigkeit be stand darin, die Gelder einzurassieren. Bei den weit uuseinanderliegenden Bezirksämtern, bei denen er überall unter anderem Namen gemeldet war, hatte er Mühe, stets rechtzeitig zum Stempeln und kassieren zu kommen und mußte sogar das Auto in Anspruch neh men. Schließlich war Holtz so sorglos geworden, daß er bei den gefälschten Erwerbslosenpapieren selbständig Acnderungen vornahm, wenn einzelne Daten nicht ge nau übereinstimmten. Das wurde schließlich bemerkt, und »narr hielt ihn an. Bei einer Haussuchung fand inan noch 25 vorbereitete Anmeldungen für die Er werbslosigkeit, die alle auf die verschiedenartigsten Per sönlichkeiten lauteten. Der Untersuchungsrichter ist augenblicklich eingehend damit beschäftigt, festzustellen, ob Holtz die Fälschungen selbst vorgenommen hat oder ob er seine Papiere aus einer Fälschungswerkstatt be zogen hat. Start zum Europaflug. Paris, 7. August. Am heutigen Mittwoch vormit tag erfolgte auf dem Flughafen von Orly der Start zum Europaflug. Es hatte in den frühen Morgenstun den stark geregnet, doch klärte sich der Horizont später wieder aus. Eine große Menschenmenge hatte sich ein gesunden, um dem Statt beizuwohnen. Unter zahlreichen bekannten Persönlichkeiten sah man auch den deutschen Botschafter von Hoesch. 47 Flugzeuge sollten starten. Leider wurde jedoch im letzten Augenblick ein Junkers flugzeug, die Maschine von Risticz, vom Unglück ereilt. Auf der Fahrt zum Start brachen die Räder. Von den übrigbleibenden 46 Maschinen sind 18 deutsche, ein immer noch guter Hundertsatz, wenn man berücksichtigt, daß meist nur 50 v. H. der Anmeldungen zum Statt kamen. Der erste Statt erfolgte kurz vor 10.30 Uhr. Es waren drei deutsche Maschinen, darunter die der akademischen Fliegergruppe. In Abständen von drei Minuten folgten die übrigen Flugzeuge immer vier zu gleicher Zeit. Die Deutschen haben die Materialprüfung ausgezeichnet be standen und fast überall am besten abgeschnitten. Man kann die Hoffnung haben, daß Deutschland bei dem Europaflug gut abschneiden werde. Wie bekannt wird, ist die Ueberfliegung Polens im Rahmen des Europafluges völlig geregelt; ohne Ein schränkung für die Deutschen. Drei Flieger, die am Montag bei der Verbrauchs prüfung zu viel Brennstoff verbraucht haben, haben am Dienstag ihre Prüfung wiederholt und damit die Be rechtigung zur weiteren Teilnahme an dem Flug er worben. Vor dem Start des „Graf Zeppelin". Nenyork, 7. Aug. Die Passagiere für den Flug des „Graf Zeppelin" nach Friedrichshafen sind aufgeforderr worden, sich bis heute nachmittag 4 Uhr in Lakehurst einzufinden. Um diese Zeit schließt auch die Annahme von Post- und Frachtsendungen. Die Wetteraussichten sind nach den bis jetzt vorliegenden Berichten für den