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Rußland erneuert sein Ultimatum. Die heute vorliegenden Berichte über die Haltung Nankings und Moskaus in dem Streit in der Mand schurei sind ziemlich widersprechend. In Kreisen der ausländischen Diplomaten in Peking hat man be reits ziemlich umfangreiche Vorbereitungen für die Sicherheit der eigenen Staatsangehörigen getroffen. Eine große Zahl von Reisenden hat ihre Reisepläne nach Europa über die transsibirische Eisenbahn aufge geben, da eine Unterbrechung des Bahnbetriebes be fürchtet wird. Die Ussuri-Eisenbahn, die russische Um gehungsbahn, hat, nach Pekinger Meldungen, vorläufig ihren Betrieb eingestellt, während sie nach Tokioter Meldungen einen sehr starken Verkehr aufrechterhalt. Die Zeitungsberichterstatter haben bereits ziemliche Schwierigkeiten, da die Behörden in Charbin die An erkennung der von der Nankinger Regierung ausgestell ten Presseausweise ablehnen. In der Mandschurei isl eine Zensur eingerichtet worden. Ueber die gegenwär tige Stellung der russischen und chinesischen Truppen an der mandschurischen Grenze besagen die Pekinger Meldungen, daß entlang des Amur-Flusses immer weitere Ver st ärkungen eintreffen. China hat inzwischen an Rußland eine Antwort auf die kürzliche Note erteilt. Der chinesische Geschäfts träger in Moskau hat dem Außenkommissariat der Sow jetunion eine Note des chinesischen Außenministers Dr. Wang zugestellt, in der dieser erklärt, daß die Nankingregierung keinerlei Angriffsabsich- ten auf die Sowjetunion hege. Die chinesische Regierung habe den Wunsch, gute Be ziehungen zum russischen Volke zu unterhalten. China hoffe, daß die letzten Streitigkeiten durch guten Willen auf beiden Seiten geregelt werden könnten. Die Note kündigt an, daß der neue chinesische Gesandte für Moskau in allernächster Zeit dorthin abreisen werde, um persönlich die Verhandlungen mit der Sowjetregie- rung zu leiten. Zu den letzten Vorgängen in der Nordmandschurei erklärt die Note, daß sich die dortigen Sowjetbeamten gegen das russisch-chinesische Abkommen vom Jahre 1924 schwer verstoßen hätten. Kommunistische Wer ber hätten unter dem Deckmantel der Sowjetdiplo matie versucht, eine kommunistische Republik in China zu errichten. Die Nankinger Regierung sei daher ge zwungen gewesen, gegen die kommunistische Wühlarbeit in China scharf vorzugehen, und auch eine Haussuchung im russischen Generalkonsulat in Charbin vorzunehmen. Die Nanking-Regierung könne die Einmischung einer fremden Macht in innerchinesische Angelegenheiten nicht dulden. Sie verlange ferner, daß die in der Sowjet union verhafteten chinesischen Staatsangehörigen frei ¬ gelassen werden, und nach China zurückkehren können. Außerdem müßten die in Rußland wohnenden chinesi schen Staatsangehörigen gleichberechtigt mit ande ren Ausländern behandelt werden. China hoffe, daß die Sowjetregicrung die friedlichen Gefühle des chinesischen Volkes nicht verkennen und eine Verständigung mit der chinesischen Republik suchen werde. Die Sowjetregierung von der chinesischen Antwort nicht befriedigt. Kowno, 17. Juli. Die „Iswestija" erklärt, daß die Mitteilung des chinesischen Geschäftsträgers in Regie- runqskreisen der Sowjetunion nicht als eine Antwort note auf die letzte russische Note betrachtet wird. Die Sowjetregierung erklärt, daß sie sofort eine befriedi gende Antwort auf ihr Ultimatum vom 13. Juli ver lange, und daß die Drohungen, die in der Note enthal ten waren, weiter aufrecht erhalten bleiben. Die Sow- jetregierung werde auf die Verschleppunqsmanöver nicht hineinfallen, und verlangt eine klare Antwort auf alle gestellten Fragen. Am heutigen Mittwochmorgen fand unter Vorsitz von Rudsutak eine außerordentliche Sitzung des Rates der Volkskommissare statt, in der Außenkommissar Ka- rachan über die politischen Beziehungen zu China einen Bericht erstattete. Auf dieser Sitzung wird entschieden, welche Maßnahmen gegen China ergriffen werden sol len, falls die Nanking-Negierung bis Mittwoch, 16 Uhr, das russische Ultimatum nicht genügend beantwortet hat. Die politische Lage wird weiter als gespannt be trachtet. Tokio unbesorgt. London, 17. Juli. Nach Tokioter Meldungen sieht man in japanischen Regierungstreuen keinen Anlaß zu Besorgnissen wegen des chinesisch-russischen Streites. Im Gegenteil weisen alle darauf hin, daß auch die Sowjet regierung bereit ist, in Verhandlungen einzurreten, um alle kriegerischen Maßnahmen zu vermeiden. Die Sym pathien der Blätter sind auf der Seite Sowjeirußlands. Die Behandlung der sowjetrussischen Untertanen in der Mandschurei wird ziemlich einmütig von der Presse ver urteilt. Der Vertreter des japanischen Außenministeriums hat in einer Unterredung mit dem Korrespondenten der russischen Telegraphen-Agentur erklärt, daß die Ge rüchte, wonach die japanische Regierung beabsichtigte, den russisch-chinesischen Streit dem Völkerbund zu unter breiten, glatt erfunden sei. Vorläufig sei der Streit lediglich eine chinesisch-russische Angelegenheit, und keine dritte Macht habe sich einzumischen. Die Abfahrt der „Bremen". Glückliche Reise! Bremerhaven, 16. Juli. Bei herrlichem Sonnen schein und tiefblauem Himmel hatten sich Tausende von Menschen aus Bremen, den Unterweserorten und aus dem Binnenlande an den Kais versammelt, um der Abfahrt des Schnelldampfers „Bremen" beizuwohnen. Um 18 Uhr wurden die Anker gelichtet und bald darauf setzte sich das stolze Schiff unter den Hochrufen der Menge in Bewegung. Etwa zehn vollbesetzte Dampfer halten sich währenddessen aus der Wesermündung eingefunden, um dem Schiff eine Strecke das Geleit zu geben. Es war ein erhebender Anblick, als die „Bremen" unter den Klängen des Deutschlandliedes den Rote-Sand-Leucht- turm passierte und nun dem offenen Meere zusteuerte. Glückliche Fahrt dem deutschen Schiff, das deutsche Kunst, deutsche Technik und deutschen Ruf hinaustragen soll in die Welt. Ein erhebender Augenblick. Bremerhaven, 16. Juli. Im Laufe des Nachmit tags begann ein lebhafter Zustrom von Schaulustigen, eine wahre Völkerwanderung, nach der Umgebung der Kais, die zunächst noch für die Zuschauer gesperrt blieben. Drei Flugzeuge umkreisten die „Bremen", die immer noch von Kränen 'beladen wurde. Wenige Minuten nach 17 Uhr wurde der Kai freigegeben. Das Publikum stürzte herbei, um sich einen möglichst guten Platz in allernächster Nähe des Schiffes zu sichern. Im Nu war der Kai schwarz von Menschen. Unter ungeheurem Jubel dräng ten immer neue Massen heran. Die Polizei hatte alle Mühe, die Begeisterten zurückzuhalten, von denen alle herumstehenden leeren Eisenbahnwagen bestürmt und stie Dächer als Ausguckplätze in Besitz genommen wurden. Die Schlepper lagen bereits längsseits des Kolosses, aus dessen Schornsteinen schon schwacher Rauch emporstieg. Dann mußten die Angehörigen der Reisenden das Schiff verlassen. Die Passagiere drängten sich an den R.eeling sämtlicher Decks, einige standen sogar auf den Geländern, um das Winken und die immer lauter werdenden Jubel rufe und Grüße der Menschenmassen auf dem Kal zu erwidern. Auch mehrere Autos wurden noch in die „Bremen" verladen, die bekanntlich dafür besondere Ea- ragenräume besitzt. Die Abfahrt verzögerte sich etwas, weil die Eüterzüge noch nicht ganz entladen waren. Um 17.30 Uhr wurde der letzte Laufsteg eingezogen und die schweren Türen wurden geschlossen. Die Sirenen der „Bremen" ertönten, die Matrosen und das Schiffspersonal winkten und riefen aus den Bullaugen der Masse der Schaulustigen zu, die auch alle Dächer der umliegenden Häuser besetzt hatte. Unzählige kleine Schiffe warteten auf die Abfahrt ihres großen Bruders, um ihn noch ein Stück zu begleiten. Die ersten Taue wurden losgemacht. Gegen 17.45 Uhr war das Hinterschiff frei und wenige Minuten vor 18 Uhr, nachdem auch die Vorderdrosseln gelöst waren, setzte sich die „Bremen", von den Schleppern ge zogen, majestätisch in Bewegung. Das Winken und Rufen von Schiff zu Land, von Land zu Schiff schwoll orkanartig an, Mütter und Väter nahmen ihre Kinder auf die Schuller, damit sie das einzigartige Schauspiel beobachten konnten. Bald lag die „Bremen" in der Mitte der Weser und das Schiff lief mit eigener Kraft unter dem Tuten der Dampf pfeifen und den immer mehr anschwellenden Hurrarufen der Menge fuhr die „Bremen" langsam stromabwärts. Man konnte genau beobachten, wie die großen Schiffs schrauben das Wasser aufwirbelten, so daß es dunkel und trübe wurde. Zahllose kleine Dampfer, Segel jachten, sogar Ruderboote, die sich wie winzige Spiel zeuge neben dem Riesenleib des Ozeanschiffes ausnahmen, bildeten die Gefolgschaft der „Bremen", die fortwährend Warnungssignale ertönen ließ, um die kleinen Fahrzeuge aufmerksam zu machen. Flugzeuge umkreisten andauernd das Schiff und gaben ihm das Geleit. Nachdem das Schiff am Horizont im Nebel verschwunden war, kehrten die Schlepper und verschiedene kleine Fahrzeuge zurück, die die „Bremen" ein Stück begleitet hatten, schließlich aber den Wettlauf mit dem großen Gefährten auf geben mußten. Die „Bremen" spricht zur deutschen Rundfunk- Hörerschaft. Hamburg, 16. Juli. Die Uebertragungsversuche der Norag über den Telephoniesender des Lloyddampfers „Bremen" sind am Dienstag abend restlos gelungen. Fast alle deutschen Rundfunksender waren angeschlossen. Die Worte des Sprechers waren an allen Empfangs geräten sehr gut verständlich. Die Rundfunksendung der „Bremen" von hoher See ist in Norderney und Zehlen dorf ausgenommen und sämtlichen Sendern zugeleitet wor den. Die Uebertragungen werden jeden Abend gegen 22 Uhr bisZur Ankunft des Dampfers nach seiner Jung fernreise in Neuyork fortgesetzt. Die sogenannte „Versöhnungs- Kommission". Eine Erklärung des Reichskanzlers. Berlin, 16. Juli. Zu den Behauptungen, die noch immer einem Teil der französischen Presse unter Be rufung auf die Genfer Verhandlungen vom September vorigen Jahres über den Plan der Einsetzung einer be sonderen Kommission für die demilitarisierte Rhein- landzone aufgestellt werden, erklärt der Reichskanzler als damaliger Führer der deutschen Abordnung, daß er nur die schon verschiedentlich von amtlicher Seite abge gebenen Erklärungen über dieses Thema wiederholen könne. Insbesondere stimme er in allen Punkten den Ausführungen zu, die noch vor wenigen Tagen der Reichsminister des Auswärtigen gegenüber einem Ver treter der Frankfurter Zeitung gemacht habe. Bei den Verhandlungen im September habe er in keinem Augenblick einen Zweifel darüber gelassen, daß für Deutschland eine über das Jahr 1935 hinaus tätige Kommission der in Rede stehenden Art keinesfalls in Frage kommen könne. Keine deutsche Regierung würde sich finden, die in diesem Punkte über den Versailler Vertrag hinaus Zugeständnisse machen würde. Aus der Haltung der deutschen Abordnung in der September- lagung erkläre sich auch die Tatsache, daß über die Dauer der Kommission wie der bei Abschluß der Genfer Verhandlungen veröffentlichte Bericht zeige, keine Eini gung habe erzielt werden können. Aussprache in der französischen , Kammer. Paris, 16. Juli. In der französischen Kammer be gründete Leon Blum den sozialistischen Antrag, der n. a. besagt' „Die Kammer beschließt, vor Fortsetzung der Aussprache der Regierung ihren Willen zu bekunden, die Liquidierung der Kriegspröbleme an eine Politik der tatsächlichen Befriedung zu binden, deren erste Be kundung die Aufhebung der militärischen Besetzung des Rheinlandes alsbald nach Annahme des Poungplanes sein muß, ferner an eine energische und rasche, Anstieg gung in der Richtung des Schiedsgerichtsverfahrens und, der allgemeinen Abrüstung sowie an eine Organisation^ Europas, die ermöglicht, die Revision der Abkomme;, mit Amerika vorzubereiten." Nach einer kurzen Sitzungspause begründete Franklin Bouilldn seinen Vertagungsantrag: Die Kammer solle die Ratft fizierung aller Abkommen bis zu dem Tage aufschiebsn, an dem Deutschland und alle alliierten und assoziierten Mächte sich ausgesprochen hätten. Hierauf ergriff Außenmin i st e r Briand , das Wort. Eindringlich machte er die Kammer auf die Gefahr des Franklin Vouillonschen Antrages aufmerk sam. Man kann seine Gefühle und sein Bedauern auf / der Kammertribüne zum Ausdruck bringen und finden, daß es für Frankreich, das so viel gelitten hat, grausam ist, sich unter ungerechten Lasten zusammenbrechen zu sehen. Trotzdem muß ich das Friedenswerk fortsetzen und hervorheben, das Kriege heute kein gutes Geschäft mehr sind. (Lebhafter Beifall aus zahlreichen Bänken.) Frankreich sieht sich einem strengen Gläubiger gegen über. Wenn der Antrag Franklin Bouillons angenom men würde, verschwände alles, außer der Schuld Frank reichs. Wenn gegen Ende des Monats das Schulden abkommen nicht ratifiziert ist, werden zehn Milliarden bezahlt werden müssen, und England wird seinerseits ebenfalls Zahlungen verlangen. Auf jeden Fall wür den, wenn der Antrag Franklin Bouillons angenom men würde, andere Männer als die gegenwärtige Ne gierung ihn durchzuführen haben. (Lebhafter wieder holter Beifall aus.zahlreichen Bänken.) .. Zur Rheinlandfrage erklärte Blum: Die Sicher heit ist nicht die militärische Besetzung, sondern Locarno. (Beifall links.) Ich frage nicht'nach dem Tage derRäu- mung, sondern nur, ob sie unmittelbar der Annahme des Poungplanes durch die Mächte folgen wird. Ich habe leider Gründe, daran zu zweifeln. Ohne NheinlandränL munq gibt es aber keine wirkliche Befriedung und keine endgültige Liquidierung des Krieges. In seiner Antwort an Blum wies Außenminister Briand darauf hin, die französische Regierung habe seit dem Kriege nichts außer Acht gelassen, was zum Frieden beitragen könnte. Für die Abrüstung habe Frankreich die allergrößten Anstrengungen gemacht. Die französische Regierung wird sich auf der kommenden Konferenz auf die Bestimmungen des Friedensvertrages stützen, sie will erreichen, daß der Poungplan von allen Regierungen unverändert angenommen wird, doch be hält sich die französische Regierung im einzelnen die Handlungsfreiheit vor. Abschließend trat Briand für seine Idee der Vereinigten Staaten von Europa ein und sagte u. a.: Wir werden räumen, aber wir wollen nicht vergessen, daß wir der Sache des Friedens einen schlech ten Dienst erweisen würden, wenn Deutschland einige Zeit nach der Räumung den Poungplan zerreißen sollte. Dagegen müssen Garantien geschaffen wer den. Diese Garantien werden sich aber nicht allein auf die am Poungplan direkt beteiligten Mächte beschränken dürfen, sondern sie werden sich auf ganz Europa be schränken müssen. Darum ist der engere Zusammenschluß aller europäischen Staaten nötig. 65 Stimmen Mehrheit für die Negierung. Paris, 16. Juli. Die Nachmittagssitzung der Kam mer, in der die Aussprache über die Ratifizierung der Schuldenverträge mit England und Amerika abgeschlos sen wurde, begann sehr stürmisch. Es kam zu lebhaften Kundgebungen für und gegen Poincare. Die Mittle mit starker Unterstützung der Rechten rief Poincard Beifall zu, während die Sozialisten, die NadikalsozialisteN.-Ln einzelne Abgeordnete der Rechten sich feindlich .gegen den Ministerpräsidenten stellten. Die Sitzung eröffnete der Abgeordnete D uh ois , der einstige Vorsitzende der Reparationskommissiön, mit einem Antrag, wonach die Abkommen mit Amerika und England weder auf die außerordentlichen Leistungen Franreichs während des Weltkrieges Rücksicht nähmen, noch auf die besonderen Dienste, die Frankreich während 15 Monaten den Vereinigten Staaten erwiesen habe. Aus diesen Gründen müsse die Kammer beschließen, die Erörterung auf einen späteren Zeitpunkt zu' ver tagen. — Poincare erwiderte, daß Dubois alle Bemühungen der letzten zehn Jahre Mit , einem Federstrich erledigen wolle. Wenn man nach' Dubois' Vorschlag handeln würde, so würde Amerika antworten: „Bezahlt mir die 400 Millionen Dollar am I . August!' Marin, Reibel, Haye und der Sozialist Auriol traten ebenfalls für den Antrag Dubois' ein. .> Die Abstimm u n g war von Poincare Mit der Vertrauensfrage für die Regierung verknüpft. Der Antrag Dubois' wurde mit 239 gegen 304 Stimmen abgelehnt. Die Negierung erhielt somit eine Mehrheit von rund 65 Stimmen. Eröffnung der 7. Luftfahrtausstellung in London. London, 16. Juli. Durch den Prinzen von Wales wurde am Dienstagvormittag die siebente internatio nale Luftfahrtausstellung in der Londoner Olympia er öffnet, auf der 36 Flugzeugbauer aus England, Deutsch land, Amerika, Frankreich und Italien Proben ihrer