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Sozialdemokratie und Panzerkreuzer Magdeburg, 28. Mai. Am heutigen Montag vor mittag begannen die eigentlichen Arbeiten des sozial demokratischen Parteitages. Den Bericht des Parteivorstandes erstattete das Vorstandsmitglied Vogel. Der Redner ging aus von den Maiwahlen, deren Ergebnis eine ge samtbürgerliche Niederlage gewesen sei. Bei allen bürgerlichen Parteien habe sich im Anschluß an die Wahlen eine starke Gärung und Unzufriedenheit be merkbar gemacht. E i n e andere als eineKoa- litions regierung sei in Deutschland nicht möglich. Der Redner warf die Frage auf, ob es wirklich so sei, daß in einer Koalitionsregierung die Sozialdemokraten immer nur die Opfernden seien. Die Gestaltung des Sozialhaushaltes im Vergleich zu den Forderungen der Deutschen Volkspartei und des Hansa- bundes zeige das Gegenteil. Der Regierungs eintritt sei in der denkbar ungünstigsten Zeit er folgt. Das erste Jahr Regierungstätigkeit sei gewiß nicht geeignet, die Befriedigung für die Beteiligung an der Regierung auszulösen. Es gebe aber nur zwei Möglichkeiten: Eine rein bürgerliche Regierung oder eine Regierung in der die Sozialdemokraten möglichst stark vertreten seien. Der Klassenkampfcharakter der Partei könne durch das Zusammengehen mit den bürger lichen Parteien nicht verwischt werden. In einer Poincar« an die Kriegsteilnehmer Paris, 27. Mai. Bei dem Schlußbankett des Na tionalkongresses des Verbandes früherer Kriegsteil nehmer in Saint Emilion, hielt Ministerpräsident Poincare eine Rede, in der er auf die Forderungen und Entschließungen der Frontkämpfer und die gesetz liche Fürsorge für sie einging. In seiner Rede kam Poincare auch auf die jüngste Pariser Kundgebung des Kriegsteilnehmerverbandes zu sprechen, die zum Gang auf die Straße aufforderte, falls die Frage der deutschen Kriegsentschädigungen nicht zur Zufriedenheit des Ver bandes geregelt würde. Unter Anspielung auf die Be schlüsse des Verbandes gegen eine Ratifizierung der interalliierten Schuldenabkommen, sagte Poincare: „Es ist möglich, daß in einigen dieser ernsten Aussprachen die Negierung aus entscheidenden Gründen zu Meinungen geführt wird, die nicht durchaus denjenigen entsprechen, die Eure Kameraden bekundeten und daß es im ge gebenen Augenblick die Kammern sein würden, die sich auszusprechen haben. Aber Euer Eingreifen wird ans jeden Fall nicht wenig die Lösungen erleichtert und die französische Sache gestärkt haben." Wenn die Kriegs teilnehmer die militärische Jugend verkörperten, so seien sie doch keineswegs von kriegerischem Geiste beseelt, „Aber Ihr denkt nicht" fuhr Poincare fort, „daß der Friedenswille Frankreichs von Gedächtnisschwund be gleitet sein muß. Ihr wollt nicht, daß wir durch Gleich gültigkeit oder Entsagung die Geschichte nach und nach fälschen lassen, ihr wollt auch nicht, daß wir aus Ab neigung gegen den Krieg nur die blutigen Schrecken des letzten Krieges sehen und das prächtige Heldentum ver gessen dessen unerschöpfliche Quelle ihr vier Jahre lang wart. Die männlichen und edlen Eigenschaften, von denen Frankreich in jener tragischen Zeit einen Beweis lieferte, sind ihn nicht weniger notwendig in den langen Stunden des Wiederaufbaues und der Festigung dieses Friedens, den noch ständige Angriffe gegen die Vertrüge bedrohen. Die Annäherung der Völker vorzubereiten, ohne unklugcrweise die Augen vor den kriegerischen Leidenschaften zu verschließen, die noch hier und da entzündet sind, die zeitweise Abrüstung zu sichern, ohne blind unsere künftige Sicherheit zu ge fährden und auf den guten Glauben der fremden Mächte zu vertrauen ohne sich von vornherein nicht gegen eine offensichtliche Rückkehr schlechten Willens zu schützen, ist ein Unternehmen, das ebenso beschwerlich sein kann, wie das Wasser und Feuer zu vermählen." Das WM der beWen Brüssel, 27. Mai. Die belgischen Wahlen fanden am Sonntag ohne besondere Zwischenfälle statt. Soweit sich bisher übersehen läßt, hat die liberale Partei Er folge zu verzeichnen, während die Sozialisten leichte Verluste erlitten haben. Die katholische Partei hat in den flämischen Provinzen viele Stimmen zugunsten der flämischen Nationalisten verloren. Letztere haben überall Erfolge erzielt. Im Wahlbezirk Eupen-Mal- medy fand ein Zwischenfall statt. Im Wahlbllro Thommen fehlten 400 Wahlzettel, so daß 400 Wühler ihr Wahlrecht nicht ausüben konnten. Im Wahlkreis Verviers zu dem Eupen und Malmedy gehören, sind die Ergebnisse von 29 Wahlstellen von im Ganzen 51 be kannt. In Eupen-Malmedy hat die christliche Volks partei 4351, die Liberalen 8640, die Sozialisten 18 507. die katholische Partei 15 053 und die Kommunisten 1620 Stimmen erhalten. Das Wahlergebnis in Malmedy ergab 1386 Stimmen für die christliche Volkspartei, 690 für die Sozialisten, 792 für die Liberalen und 133 für die Kommunisten. Der Kandidat der katholischen Partei, Nuzctte, ein gewesener belgischer Minister ist gestern abend plötzlich in Brügge gestorben. Verluste der Sozialisten und Gewinne der Flämischen Nationalisten. Brüssel, 27. Mai. Nach den bisher vorliegenden Ergebnissen, haben die Sozialisten bereits vier Sitze verloren, und zwar in Thuin, Charleroi, Nivelles und Verviers, die alle die Liberalen gewonnen haben. Die katholische Partei hat schon vier Sitze an die Flämischen Nationalisten verloren, die in allen flämischen Wahl kreisen starke Fortschritte machen. Die Kommunisten haben zwei Sitze verloren, die sie bisher besaßen. Im Bezirke Eupen-Malmedy erhielt der Kandidat der Christlichen Volkspartei 7000 Stimmen, wurde aber Massenpartei könnten naturgemäß nicht alle Auf fassungen auf einen Nenner gebracht werden. Weitest gehende Meinungsfreiheit und Meinungsäußerung sei notwendig. Bei den Auseinandersetzungen über den Panzerkreuzer und das Wehrprogramm seien die Grenzen aber vielfach überschritten worden. Für die Reichstaqsfraktion liege in der Panzer kreuzerfrage bereits eine klare Entscheidung vor. Sie werde auch die zweite Rate ablehnen. Wie aber sollten sich die sozialdemokratischen Minister verhalten, nach dem sich auch im neuen Reichstag eine Mehrheit für den Weiterbau gefunden habe? Würde man sie zwingen, mit der Fraktion zu stimmen, so würde das ein Ausscheiden der Mini st er mit folgender Dauerkrise nach sich z i e h e n.Der Parteivor stand beantragte deshalb, alle Anträge bezüglich des Panzerkreuzers abzulehnen. Die große Aufgabe der kommenden Jahre sei es, denWeg desEinheiis st a a 1 e s entschlossen zu betreten. Zur besseren Propa gierung des Agrarprogrames solle eine dem Parteivor stand ungegliederte Zentralstelle geschaffen werden. Auf dem Gebiet der Veamtenorganisationen habe sich eine Entwicklung angebahnt, die eine Verständigung erhoffen lasse. nicht gewühlt. Aus den bisherigen, wenn auch unvoll stündigen Ergebnissen geht hervor, daß die bisherigen Regierungsparteien, die Liberalen und Katholiken auch weiterhin die Regierung bilden können, und daß das Kabinett Jaspar nicht zum Rücktritt gezwungen sein wird. Die Regierung wird allerdings mit dem starken Fortschritt der Flämischen Nationalisten rechnen müssen. Blutige Zusammenstöße zwischen Militär und Zivilisten in Lemberg. Warschau, 27. Mai. Wie die Blätter melden, kam es am Sonntag in Lemberg aus noch nicht geklärter Ursache zu einer schweren Schlägerei zwischen zwei Sol daten und mehreren Zivilisten, wobei die Soldaten zur blanken Waffe griffen. Eine große Menschenmenge nahm gegen die Soldaten Partei. Als ein zufällig vorüber gehender Hauptmann der Prügelei Einhalt gebieten wollte, wandte sich die Menge auch'gegen ihn. Deir Offizier zog in der Notwehr seinen Revolver und feuerte zwei Schüsse ab, die einen der Angreifer töteten. Die beiden Soldaten trugen schwere Verletzungen davon. Anwetterschä-en in der Amgegend von Kamburg. Hamburg, 27. Mai. Ueber Vierlanden und Berge dorf ging am Sonnabend nachmittag ein schweres Unwetter nieder, wie es diese Gegend in gleich starkem Ausmaße bisher nicht erlebt hat. Das Un wetter, begleitet von einem st a r k e n H a g e l s ch l a g dauerte eine halbe Stunde und richtete in dieser kurzen Zeit einen großen, Schaden an. Durch die großen Hagelkörner wurde die Obstbaumblüte vollständig ver nichtet und die Saat- und Gemüsekulturen wurden zer stört. Sämtliche Glasscheiben der Treibhäuser wurden durch den Hagelschlag zertrümmert. Die Ortschaften Neuengamme und Urflack haben besonders schwer ge litten. In Wentarf wurde ein strohbedecktes Haus vom Blitz getroffen und brannte vollständig nieder. An der Kirche von Curslack wurde ein großer Teil der kostbaren Fensterscheiben eingeschlagen. Auch in Vergedorf Hai das Unwetter schweren Schaden angerichtet. Die tiefer gelegenen Stadtteile standen bis zu einem halben Meter unter Wasser. Die Wirbelsturmkatastrophe an der Unterelbe hat, soweit sich bisher übersehen läßt, einen Schaden von an nähernd einer halben Million Reichsmark verursacht. Die zuständigen Behörden haben Vertreter in das Un wettergebiet entsandt, um die erforderlichen Feststel lungen zu machen. Schweres Unwetter auch in Ober schlesien. —EinToter. Gleiwitz, 27. Mai. In den Abend- und Nacht stunden des Sonnabend ging über dem oberschlesischen Jndustriebezirk ein mehrstündiges schweres Unwetter nieder, das weite Gebietsteile überschwemmte und viele Häuser überflutete. Die Feuerwehren hatten in allen Amtseinführung des neuen amerikanischen Vertreters im Haag. Die 16. außerordentliche Tagung des internationalen Schieds gerichtshofes im Haag wurde mit der feierlichen Amtseinführung Orten mit Pumpen lebhaft zu tun. Teilweise mußte der Straßenbahnvcrkehr eingestellt werden, da die Gleise von dem Regenwasser aus dem Erdboden her- ausgesplllt worden waren. Die Unwetterkatastrophe hat auch ein Todesopfer gefordert. Auf dem Heim wege verirrte sich ein Beamter der Castellenge-Grube und ertrank in einem Negenwasserteich. Neueste Nachrichten. Die französischen Gäste Dr. Eckeners über die Aufnahme in Deutschland. Paris, 27. Mai. Am Sonntagnachmittag trafen, im Flugzeug von Berlin kommend, die französischen Gäste Dr. Eckeners an Bord des „Graf Zeppelin" in Paris ein. Die französischen Offiziere erklärten sich äußerst befriedigt über ihre Reise nach Deutschland und die ihnen zuteil gewordene Aufnahme. Sie gedenken der Einladung zu einem weiteren Besuche Folge zu lei sten und eine längere Studienreise zu unternehmen. Der Kabinettschsf des Luftfahrtministers Kahn erklärte Ver tretern der französischen Presse, er sei zur strengsten Ver schwiegenheit verpflichtet, bis er dem Luftfahrtminister Bericht erstattet habe, und fuhr fort: „Wir können uns zu unseren Beziehungen zu den deutschen Persönlich keiten beglückwünschen, mit denen wir zusammentrafen. Wir wurden in Deutschland so gut empfangen, daß wir dahin zurückkehren werden." Im Zusammenhänge mit der Rückkehr der französischen Offiziere schreibt das „Petit Journal", die Reise der französischen Vertreter an Bord des „Graf Zeppelin" könne zu einer gemein samen guten Verständigung nur beitragen. Vergiftungstod eines Industriellen. Berlin, 27. Mai. Der Direktor der Fuldaer Filz fabrik A. E., Theodor Mann, eeiner der bekanntesten Industriellen Fuldas, wurde gestern bewußtlos und wie sich später herausstclltc, vergiftet in seinem Bade zimmer aufgefundcn worden. Der Tod trat bald ein. Die Ursache der Vergiftung steht noch nicht fest. Ein starkes Fernbeben verzeichnet. Stuttgart, 27. Mai. Die Erdbebeninstrumente in Hohenheim verzeichneten in der Nacht zum Montag ein starkes Fernbeben. Die berechnete Entfernung beträgt 8300 Kilometer. Der Herd liegt vermutlich im Golf von Alaska oder im Karibischen Meer in Zentral amerika. In Paris nichts Neues. Paris, 27. Mai. Seit Sonnabend spricht die fran zösische Presse von der bevorstehenden Uoberreichung einer deutschen Denkschrift, die die Antwort auf die Denkschrift der alliierten Sachverständigen enthalte. Ob die Feststellung des „Ercelsior" zutrifft, Dr. Schacht habe am Sonntag gegenüber den amerikanischen Sach verständigen geäußert, jede geschriebene Dokumentation sei bei dem gegenwärtigen Stande der Verhandlungen zwecklos und seine mündlichen Erklärungen seien hinrei chend klar und deutlich, daß sich die Gläubiger ein Bild machen können, läßt sich im Augenblick nicht nachprüfen. Dem gleichen Blatte zufolge, hat Dr. Schacht erklärt, er sei nach wie vor bereit, die Beratungen wieder aufzu nehmen und alle Vermittlungsvorschläge zu prüfen, die ihm die Gläubiger überreichen würden. General Feng läßt seinen Stabschef erschießen. Peking, 27. Mai. Der Stabschef des Generals Feng, General Lisungoi, ist am Sonntag auf Befehl Fengs im Hauptquartier verhaftet und sofort erschossen worden. Er stand unter der Anklage die Truppen des Generals Feng zugunsten der Nankingregierung zur Meuterei veranlaßt zu haben. — General Feng hielt an seine Soldaten eine Ansprache, in der er erklärte, bestrebt zu sein, ein militärisches Bündnis mit der Sowjetunion und der Mongolei abzuschließen, um die Diktatur des Marschalls Tschiangkaischek zu bekämpfen. Er wolle in China eine Arbeiterdiktatur errichten. Auf Veranlassung Fengs ist ein neues Politbüro der Kuo mintang gebildet worden, das den Kampf gegen die Nankingregierung führen soll. Kampf der Nankingtruppen mit Räuberbanden. London, 27. Mai. Am Freitag kam es in der Nähe von Wusung an der Mündung des Whangpuflusses zwi schen Streitkräften der Nankinger Regierung und einer Piratenflotte zu einem heftigen Kampfe. Die Banditen waren gut bewaffnet und verfügten über eine sehr große Zahl kleinerer Boote. Sie hatten seit Monaten das Jangtse-Gebiet unsicher gemacht und die reichen Kauf leute dieses Gebietes ausgeraubt oder entführt, um Löse gelder zu erpressen. Zwanzig Piratenboote wurden ver senkt; mehr als 1000 Piraten find ertrunken oder er schossen und 250 gefangengenommen worden. des neuen Richters der Vereinigten Staaten, des ehemaligen Außenstaatssekretärs Hughes, eröffnet. Unser Bild zeigt den Senat des Gerichtshofes in Amtstracht. Der vierte von links ist Mr. Hughes. .