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Amerika fühlt sich bedroht. Im Weitzen Hause wird nach Berichten aus Washington bestätigt, datz Präsident Coolidge die durch den kürzlichen Abschluss des französisch-englischen Flot- tenabkommens geschaffene Lage als ernst a n s i e h t. Der Präsident hält die Möglichkeit für ge geben, datz das Abkommen die amerikanische Stellung zur See berührt, indem es die amerikanische Flotte in eine untergeordnete Stellung gegenüber den vereinig ten britisch-französischen Flotten bringt. Weiter wird bestätigt, datz in amerikanischen Regierungskreisen er wogen wird, für die nächste Tagung der vorbereitenden Abrüstungskonferenz in Genf keine amerikanische Ab ordnung zu entsenden. Das Staatsdepartement kam aber zu der Ueberzeugung, datz die Anwesenheit einer amerikanischen Abordnung Frankreich und Erotzbritan- nien zwingen könnte, die Flottenfrage aufzurollen. Von privater, aber wohlunterrichteter Seite wird erklärt, datz — wenn Erotzbritannien und Frankreich auf den eben abgeschlossenen Abkommen bestehen sollten — ein« weitere Begrenzung der Flottenrüstung unmöglich ser^ würde. Der Nachfolger Coolidges werde in diesem Falle den Kongretz zu ersuchen haben, einem ausge dehnten amerikanischen Bauprogramm zuzustimmen, um der Bedrohung einer vereinigten britisch-französi schen Flotte zu begegnen. Die Angst vor der U-Vootwaffe. London, 20. August. In amerikanischen Berichten der englischen Blätter macht sich in stärkerein Matze als bisher Sorge über die amerikanische Verstimmung über das englisch-französische Flottenabkommen geltend. Nach Angaben des Chefs der Operationsabteilung des Marinedepartements neige Präsident Coolidge stärker der Ansicht zu, datz Erotzbritannien durch das Abkommen mit Frankreich seinen früheren Widerstand gegen Unterseeboote aufgegeben und sich auf eine Be schränkung des gerade für die Vereinigten Staaten wichtigen Kreuzertyps festgelegt habe. Die amerika nische Verstimmung sei noch durch einen britischen Kom mentar verschärft worden, in dem der Vermutung Aus druck gegeben wurde, datz die englische und französische Regierung sogar llbereingekommen sein könnten, ihre Flotten unter gewissen Umständen zusammenarbeiten zu lassen. Die Flottengruppe in den Vereinigten Staa ten habe unter diesen Umständen wieder stärkeren Ein- flutz erlangt. Zu gleicher Zeit haben in der englischen Presse die deutschen Auseinandersetzungen über den Panzerkreuzer grotze Beachtung gefunden. Die Blätter beschränken sich allerdings auf die Wiedergabe der Blätterstimmcn, ohne redaktionell dazu Stellung zu nehmen. Oberschlesien sorberl Gutmachung sür erlittenes Unrecht. Lauban, 19. August. Der deutsche Oberschlesiertag in Lauban fand am Sonntag nachmittag mit einer- eindrucksvollen Kundgebung auf dem Steinberg, an der sich über 100 Vereine mit ihren Fahnen und Bannern beteiligten, seinen Höhepunkt. In einer Ansprache er innerte Oberbürgermeister Kaschny-Ratibor an die schweren Zeiten vor der Abstimmung, mit ihren zahl reichen Drangsalierungen und Terrorakten. Das Ver trauen auf das glänzende Abstimmungsergebnis, das mit 700 000 Deutschen gegen 470 000 polnischen Stim- tnen einen einwandfreien deutschen Sieg ergeben habe, sei durch den Genfer Fehlspruch schwer enttäuscht wor den. So wie bei der Unterzeichnung des Genfer Ab kommens am 15. Mai 1922 der deutsche Vertreter vor aller Welt Nechtsverwahrung eingelegt Habs, müsse immer wieder dem Weltgewissen die Erinnerung an das Deutschland und Oberschlesien angetane Unrecht eingehämmert werden. Die von englischen Staats männern begonnene internationale Aussprache über diese Frage dürfe nicht wieder ins Stocken geraten. An das Auswärtige Amt und den Reichstag wurde eine Entschlietzung gesandt, in der es heitzt: Nie werden wir die praktisch schon so oft als unsinnig erwiesene Teilung zu recht anerkennen. Ueber die Erenzpfühle hinweg reichen wir unseren Brüdern und Schwestern die Hand und schwören ihnen auch weiterhin in innigem l Mitgefühl nach Kräften die ungezählten Leiden und ! Bedrückungen aller Art tragen zu helfen. Von den matz gebenden Stellen des Deutschen Reiches endlich erwar ten wir, datz sie lein Mittel ungenützt lassen» um den Genfer Spruch nmzustotzen. Von einem Ostlocarno kann keine Rede sein: vielmehr ist die Ostgrenze so zu ändern, datz natürliche tragbare Verhältnisse entstehen, wie das sehr wohl möglich ist. Erst dann kann zwischen Deutschland und Polen wirtlicher Friede einkehren, und damit einer der für. den allgemeinen Frieden gefähr lichsten Brandherde gelöscht werden. An den Völkerbund in Genf wurde eine Entschlie tzung gerichtet, in der es heitzt: Wie am 20. März 1921 bei der Abstimmung sehen wir auch heute noch in ganz Oberschlesien ein nach Geschichte, Kultur und Volks zugehörigkeit in überwiegender Mehrheit einheitlich deutsches Land. Zu welchen Nöten und Widersprüchen die derzeitige dieser Tatsache widersprechende Grenz ziehung geführt hat, hat in diesen Jahren der Völker bund aus den zahlreichen immer wiederkehrenden und oft genug von ihm als berechtigt anerkannten Be schwerden der Deutschen in den Polen unterstellten Ge bieten von Oberschlesien in Schul- und anderen Fragen entnehmen können. Möge der Völkerbund seiner hohen Aufgabe entsprechen, dem Selbstbestimmungsrecht der Völker auch hier zum Siege verhelfen und die einst ge machten Fehler nach besserer Erkenntnis und Erfah rung zu beseitigen. Die Reihenfolge bei der Anler- zeichnung des Kelloggpakles. Paris, 20 .August. Nach einer Funkmeldung der „Chikago Tribune" vom Bord der „Isle de France" empfing Kellogg am Sonntag Mitteilungen über die Unterzeichnung des Kriegsächtungspaktes. Er teilte der französischen Botschaft in Washington mit, datz er mit der von Frankreich vorgeschlagenen Reihenfolge der Unter zeichner einverstanden sei, nach der Deutschland zuerst unterzeichne. Der Staatssekretär erhielt Sonntag ein Telegramm von Chamberlain, der Kellogg zu seiner Reise beglückwünscht. Die „Isle de France" wird am Freitag in Le Havre erwartet, von wo Kellogg sich so fort nach Paris begeben wird. Nach dem gleichen Blatte wird die Unterzeichnungsfeier im Uhrensaale am Montag, dem 27. August, 4 Uhr nachmittags beginnen. Soldaten der republikanischen Garde werden autzerhalb des Tores den Diplomaten die militärischen Ehren er weisen. Außenminister Briand und andere offizielle Vertreter der französischen Regierung werden die Abord nungen begrüßen. Der Vertrag wird in französischer und in englischer Sprache verlesen werden. Anschließend werden die französischen Interpretierungen mit den Vor behalten bezüglich des Rechts der Verteidigung, der Verpflichtungen gegenüber dem Völkerbund und Locarno und die verschiedenen Neutralitätsverträge zur Verlesung kommen. Mieder eine englische Glimme sür Rheinlandrüumung. London, 20. August. Der sozialistische „Daily Herald" setzt sich in einem Leitartikel für eine Räumung des Rheinlandes ein. Wenn die Meldungen, wonach Deutschland auf der Septembertagung des Völkerbundes die Rheinlandräumung anschneiden wolle, zuträfen, werde sich eine Gelegenheit bieten, ein schandvolles Kapitel der Nachkriegsgeschichte abzuschließen. Jedermann wisse, daß die Anwesenheit französischer und englischer Truppen in Deutschland den Anlaß zu schweren Reibungen biete, den Revanchegeist erzeuge und den Fortschritt in der ange strengten Versöhnung verhindere. Die Besatzung sei ein Vergehen nicht nur gegen Deutschland, sondern gegen den Frieden und die internationalen Uebereinkommen. Wenn die englische Regierung Frankreich weiter in dieser Weise unterstütze, dann mache sie sich eines Verbrechens schuldig. Erotzbritannien habe lange genug eine un klare Politik in dieser Frage betrieben. Ihre Erlaubnis zur Teilnahme englischer Truppen an den Besatzungs- manövern sei unbedingt zu bedauern. In Genf sollte das ganze Gewicht der englischen Politik zugunsten Deutschlands eingesetzt werden. Beilegung Ses Konflikts in der Sozialdemokratie. Keine Notwendigkeit zum Rücktritt der sozial demokratischen Minister. Die Tagung der sozialdemokratischen Parteiinstan zen ist am Sonnabend erst in den Abendstunden zu Ende gegangen. Unter Ablehnung aller anderen An träge fand mit großer Mehrheit die folgende Entschlie tzung Annahme: „Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion und der sozialdemokratische Parteiausschutz treten dem am l5. August gefaßten Beschluß des Partei- und Frak tionsvorstandes über die Haltung der der Reichsregie rung angehörigen Parteigeirossen zu der Inangriff nahme des eigentlichen Baues des Panzerkreuzers X bei. Sie bedauern, daß die sozialdemokratischen Minister dem Beschluß des Kabinetts unter Verzicht auf vorherige Befragung der Fraktion und des Partei ausschusses zugestimmt haben. Fraktion und Partei ausschuß halten die engste Fühlungnahme zwischen ihnen und den der Regierung angehörenden Genossen in allen politischen Fragen für eine unabweisbare Not wendigkeit. Fraktion und Parteiansschutz halten die Beteiligung an der Regierung mit Rücksicht auf das Gesamtinteresse der Arbeiterschaft für außerordentlich wichtig. Sie leiten daher aus der Entscheidung des Kabinetts, die die Ausführung eines vom letzten Reichstag beschlossenen Gesetzes betraf, trotz ihrer grund sätzlich abweichenden Auffassung über den Ersatzbau des Panzerkreuzers nicht die Notwendigkeit ab, unsere Genossen zum Rücktritt aus dem Kabinett aufzuforder n." Noch immer französische Erörterungen. Paris, 20. August. Die Pariser Presse beschäftigt sich immer noch eingehend mit der Haltung der Sozial demokraten gegenüber dem Beschluß des Reichskabinetts über den Bau des Panzerkreuzers K. Ein Teil der Blätter scheint in dem gegenwärtigen Augenblick einem Kabinett Marr gegenüber einem Kabinett Müller den Vorzug zu geben. So meint der gewerkschaftliche „Peuple". daß man es in diesem Augenblicke, wo man vor der Erörterung der deutsch-französischen Fragen nicht mehr zurückweichen könne, lieber gehabt hätte, es mit einem Kabinett Marx zu tun zu haben. Der natio nalistische „Gaulois" ist der Auffassung, der Sozialis mus an der Führung der Reichsgeschäfte sei für Frank reich mehr zu fürchten als eine rein konservative Re gierung. Der ebenfalls streng nationalistische „Ami de Peuple" glaubt von der Unehrlichkeit der deutschen So- zialdemokratie und von „Hindenburg-Sozialisten" spre chen zu können. Die „Victoirc" gibt zu, datz Hermann Müller nicht anders habe handeln können, als dem vom vergangenen Reichstag genehmigten Kredit znzu- stimmen, doch hätten die Sozialdemokraten ihre Grund sätze billig preisgegeben. Um Frankreich Vertrauen in ihren Pazifismus zu geben, müsse die deutsche Sozial demokratie etwas anderes erfinden als nichtigen Tadel für diejenigen, die die kriegerische Tradition fortsetzen. Der radikalsozialistische „Homme libre" mutz einge stehen, datz Deutschland nur von einem ihm vertraglich zugestandenen Rechte Gebrauch mache. Wenn aber Deutschland behaupte, die Vertrüge innezuhalten, so sei die Frage am Platze, wie es seinen Eifer für seine Flotte mit seinen Verpflichtungen aus dem Dawesplan in Einklang bringen wolle. FSaggenzwifchenfall in Brixlen. Die italienische Hetze gegen den siidtiroler Klerus. Innsbruck, 20. August. Nach Meldungen aus Brit ten wurde dort in der Nacht vom 16. auf den 17. August zwischen den beiden Türmen des Domes eine große Fahne in den in Südtirol verbotenen Farben rot-weiß aufgezogen. In den Morgenstunden wurde die Fahne sofort von Militär heruntergeholt. Noch in den Vor mittagsstunden begannen Verhöre und Haussuchungen. Dabei wurde zuerst der Metzner des Domes nach einem peinlichen Verhör in Gewahrsam genommen, woraus auch der Stellvertreter des auf Urlaub befindlichen Dompfarrers Benedikt Pertramer verhaftet wurde. Es wurde noch der Domkapellmeister Pius Goller sowie die Wirtschafterin des abwesenden Dompfarrers ver hört. Schlietzlich beschlagnahmten die Behörden noch die Schlüssel des Domes. Im Laufe des 17. August begab sich eine Abordnung des Klerus zum Präfektur kommissar und verlangte die Herausgabe der Dom- schlllssel mit der Erklärung, datz sie sonst für nichts garantieren könnten. Ferner forderte die Abordnung die Freilassung des verhafteten Domgeistlichen. Wenn man diesen in Haft behalte, dann würden die übrigen Geistlichen ihre eigene Festnahme fordern. Die ita lienischen Behörden gaben zwar die Domschlüssel her aus, erklärten jedoch, daß wegen der Enthaftung erst eine Weisung von Bozen vorliegen müsse. Die Vorfälle haben in Brixten eine ungeheure Er regung ausgelöst. Man ist hier einhellig der Meinung, daß der Fahnenzwischenfall von den Faschisten selbst inszeniert worden sei. Man verweist darauf, datz in der letzten Zeit eine Hetze gegen den deutschen Klerus eingeleitet wurde, der als das letzte Bollwerk des Deutschtums in Südtirol bzeichnct wird. Der deutsche Oberschlesierlag an den Reichsprä idealen. Lauban, 19. August. Der hier tagende Oberschle- sicrtag richtete an den Reichspräsidenten ein Begrü ßungstelegramm, in dem es heißt: Wir wissen, daß der Mann, der vor kaum Jahresfrist auf dem Schlachtselde von Tannenberg vor aller Welt so machtvoll die Lüge der dentschen Kriegsschuld zurückwies, auch keine Mög lichkeit ungenützt lassen wird, dem wider aller Vernunft zerrissenen Oberschlesien zu seinem Rechte der völlige» Wiedervereinigung mit Deutschland zu verhelfen. Wie einst bei der Rettung aus russischer Kriegsgefahr, wer den dann wieder unzählige Herzen Eurer Exzellenz dankbar entgegen jubeln." Schwerer Automobilunfall. Wartenberg (Erzgebirge), 20. Angust. I» der Nacht zu heute fuhr ein Personenauto am Bahnhss Wartenberg gegen die geschlossene Schranke des Staats- stratzenüberganges und durchbrach sie. Ein einführender Perssnenzng erfaßte und zertrümmerte das Auto. Da bei wurden dessen Führer und Besitzer Kaufmann Hell mut Zimmermann getötet und drei andere mitfahrende Personen leicht verletzt. Noch immer Ausdehnung der Typhusfälle in und um Potsdam. Berlin. 20. August. Trotz der Bemühungen der Sanitätsbehörden konnte der Ausbreitung de» Typhus in Potsdam und der weiteren Umgebung uo-h nicht endgültig Halt geboten werden. Jin Laufe des Sonnabend abend und des gestrigen Sonntags sind sechs bis sieben neue Fälle, darunter zwei in Potsdam, hinzugekommen, so datz im städtischen Krankenhaus und im Josephspitttl jetzt 31 Typhnskranke liegen. Es han delt sich dabei um Fälle, die durch Bazillenträger her vorgerufen sind, da nach Ansicht der Medizinalbehörde» der Herd der Erkrankungen in Beelitz endgültig abge- grenzt ist. Immerhin rechnet man jedoch mit der Mög lichkeit einer weiteren geringen Ausdehnung, ehe du' Krankheitsausbreitung ihren Höhepunkt überschritte» hat. Rennfahrer Hensser gestorben. Berlin, 20. August. Dev gestern im Buckower Drei eckrennen verunglückte bekannte Automobilrennsahu'' Huldreich Hensser (Kleinschmalkalden) ist heute vw mittag seinen Verletzungen im Krankenhaus Müncheberg erlegen. Nanking erwägt Abberufung des chinesischen Ge sandten in Tokio. Neuyorl, 20. Aug. Nach einer Meldung de- „Neuyork Herald" aus Schanghai soll die Nanking' regierung ernsthaft die Abberufung des chinesischen Ec- sandten und sämtlicher Konsuln aus Japan erwäge», Japan soll ausgefordert werden, das gleiche zu tu», Sollte Japan dies ablehnen, so würde sich Nanking »»^ Umständen an die Unterzeichner des Washingtoner M' kommens oder an den Völkerbund wenden. Ruhige Wahlen in Griechenland. London, 20. Aug. In Athen rechnet man allge mein damit, daß die Venizelisten bei den Wahlen w» Sonntag eine starke Mehrheit erhalten haben. JN-Athew Saloniki, Jonniwa und verschiedenen anderen Städte» wurden die Kandidaten der Venizelisten gewählt. Gesamtstärke wird mit etwa 180 von insgesamt Mitgliedern der neuen Kammer angenommen. D» Wahlen sind im allgemeinen ruhig verlaufen und ' Athen kam es zu einer einzigen Mißhandlung eine- Kandidaten der Partei von Kaphandaris durch M Flüchtlinge. Venizelos hatte durch die Presse sein tiefste Bedauern über den Zwischenfall ausdrücken lassen.