Volltext Seite (XML)
Der Stapellauf der „Bremen". Bremen, 17. Aug. Als Zweiter der neuen Schnell dampfer des Norddeutschen Lloyd ist gestern nachmittag auf der Weser-Werft Eöpelingen die „Bremen" vom Stapel gelassen worden. Dieses Ereignis erhielt seine besondere Bedeutung durch die Anwesenheit desR e i ch s- präsidenten v. Hindenburg. Schon lange vor Be ginn des Taufakts hatten sich Zehntausende vonMenschen trotz regnerischen Wetters eingefunden, um Zeuge die ses Schauspiels zu fein. Auf den zu beiden Seiten des Täuflings errichteten weiten Tribünen hatten etwa 3000 Ehrengäste Aufstellung genommen. Als der Reichsprä sident auf dem Werftgelände eintraf, wurde auf dem Verwaltungsgebäude der Deschimag die Reichspräsiden tenflagge gehißt, die von dem im Hafen liegenden klei nen Kreuzer „Emden" mit 21 Schuß salutiert wurde. Nachdem der Reichspräsident am Eingänge der Werft durch den Aufsichtsrat und den Vorstand der Deschimag begrüßt worden war, fuhr er, mit lebhaften Hochrufen begrüßt, zur Taufkanzel. Kurz nach 15,40 Uhr ergriff der Reichspräsident das Wort zur Taufrede. Er sagte unter anderem: Als die harten Bestimmungen des Vertrags von Versailles Deutschland seiner gesamten Ueberseeflotte beraubten, ging die deutsche Schiffahrt, vom Reiche opferwillig unterstützt, mit ungebrochenem Mut und im festen Glauben an die Zukunft, an den Wie deraufbau dessen, was hier zerstört und genommen war. Trotz schwersten Druckes von außen, trotz wirt schaftlicher Nöte und Schwierigkeiten im Innern ist es dieser gläubigen Zuversicht und diesem ungebrochenen Arbeitswillen gelungen, in wenigen Jahren eine neue Handelsflotte erstehen zu lassen, die auf leistungsfähigen, mustergültigen Fahrzeugen wieder die deutsche Flagge auf den Meeren zeigt. Die deutsche Schiffahrt hat auch in den schwersten Tagen den Glau ben an eine neue deutsche Zukunft auf See nicht verloren; zähe deutsche Kraft, hansea tischer Unternehmungsgeist und treue Ausdauer haben festgehalten und wieder erneuert, was einst unser war am Seeverkehr. Im Wiederaufbau unseres zusammen gebrochenen Vaterlandes nach dem unglücklichen Kriegs ende war die Schaffung der neuen Handelsmarine eine wirtschaftlich wie politisch besonders wichtige Leistung, auf die alle, die an ihr mitgewirkt haben, Reeder, In genieure und Arbeiter, mit ehrlicher Befriedigung zu- rückblicken können. Der heutige Tag ist für den deutschen Schiffsbau wie für die deutsche Seeschiffahrt von besonderer Be deutung. Wir wollen heute als neuestes und größtes Fahrzeug der wiedererstandenen deutschen Handelsflotte dieses stolze Schiff seinem Element übergeben. Es ist mir in dieser Stunde ein aufrichtiges Bedürfnis, allen denen, die mit Kopf und Hand an diesem Werke mit gewirkt haben und noch weiter arbeiten werden, aber darüber hinaus zugleich auch allen, die seit dem Kriege j wieder eine deutsche Handelsflotte geschaffen haben, namens des Reiches wie eigenen Namens, warme An- : erkennung und herzlichen Dank zu sagen. Sie alle haben ' zur Wiederaufrichtung der deutschen Wirtschaft, zur Wiedererlangung deutscher Geltung im Auslande ein wertvolles Stück beigetragen. i Dir aber, du stolzes Schiff, geben wir den Namen, den vor siebzig Jahren der erste transatlantische Lloyd- dampfer erhielt, den Namen „Bremen", und mit ihm das Wappen, das die Hoffnung und die Treue wie den Willen, die Wege zwischen den Völkern zu erschließen, verkörpert. Möge dies Schiff, in stets glücklichen Fahrten die See durcheilend, den deutschen Willen zur friedlichen Mitarbeit unter den Völkern über die Meere bringen, möge es ein Glied mehr sein, das uns mit den Ländern jenseits des Ozeans verbindet, und möge es uns mah- : nen, daß nur zusammengefaßte Kraft und einiges Wol- ! len uns den Wiederaufstieg und die Selbstbehauptung in der Welt verbürgen! Mit diesem Wunsche taufe ich dich: „Bremen"! Im Anschluß an diese Worte vollzog der Reichs präsident den Taufakt. Klirrend zerbarst eine Flasche Schaumwein am Bug der „Bremen", worauf spontan das Deutschlandlied angestimmt wurde. Inzwischen hatte sich der Riesenbau des Schiffes langsam in Be wegung gesetzt und glitt mit immer schneller werdender Fahrt unter dem Jubel der Menschenmassen ins Was ser hinab. Das Echo aus England. London, 16. August. Der Stapellauf der beiden 46 000-Tonnen-Dampfer des Norddeutschen Lloyd findet in England g r o ß e B e a ch t u n g. In ausführlichen Sonderberichten wird auf die luxuriösen und allen An forderungen der Neuzeit entsprechenden Einrichtungen der beiden Schiffe hingewiesen. Der „Eoening Stan dard" sagt u. a.: Dadurch, daß man Deutschland seine Handelsflotte weggenommen habe, habe man es gezwun gen, eine neue zu bauen. Die Alliierten hätten geglaubt, die deutschen Schiffswerften lahmzulegen, mährend sie sie in Wirklichkeit gerettet hätten. Als England die bri tische Schiffsbauindustrie zu schützen geglaubt habe, hätte es ihr in Wirklichkeit den Todesstoß gegeben. Die heutige deutsche Handelsmarine, obwohl noch weit hin ter der der Vorkriegszeit zurückstehend, sei die jüngste und modernste der Welt und sicherlich nicht die am wenig sten erfolgreiche. Der ZwiMngs-Stapellauf in Bremen und Hamburg. Die „Europa" glücklich vom Ltapel gelaufen. Der Koloß nach dem Slapellauf im Wasser. Davor die Unmenge der kleinen Dampfer und Motorboote, die das Schauspiel aus nächster Nähe genießen wollten, und deren Sirenen und Hupen das Ins-Wasser-Gleiten der neuen großen Schwester begeistert be gleiteten. Darüber zwei Flieger, die während des Taufaktes ihre Kreise zogen und die „Konkurrenz" des Ozeans begrüßten. Dr. Stresemanns Pariser Meise. Frage- und Anlwortspiel zwischen Frankreich und Deulschiand. Da stritten sich die Leut' herum, ob Stresemann nach Paris fahren werde oder nicht. Jedem, der Strese mann kennt, war es von vornherein klar, daß er auf alle Fälle reisen werde. Man sah aus dem Streit jeden falls, daß nur sehr wenige unseren Außenminister rich tig einzuschätzen verstehen. Es darf freilich nicht über setzen werden, daß das Frage- und Antwortspiel auch als diplomatischer ^chachzug gewertet werden konnte, denn unzweifelhaft liegt Frankreich sehr viel daran, Deutschland durch den Außenminister bei dem offiziellen Kel log gpakt vertreten zu sehen. Aus diesem Gründe wahrscheinlich ist auch der Zweibrückener Zwi schenfall — das erste Hindernis der Stresemann-Reise — so friedlich beigelegt worden, ohne daß die Franzosen auf dem Paragraphen hockten. Man darf nun auch erwarten, daß der zweite Zwischenfall, das seltsame französisch-englische Manöver im besetzten Gebiet eine zufriedenstellende Lösung oder Erklärung erfährt. Für Stresemann liegt es allein daran, alles, was seine Reise hindern könnte, zu beseitigen, zu glätten oder zu mildern. In zwischen ist außerdem, noch ehe die Manöverangelegen heit die befriedigende Erklärung gefunden hat, die offi zielle Zusage Stresemanns gegeben worden. Er reist, nicht lediglich deshalb, um wieder einmal eine Unter schrift zu leisten unter einen Vertrag, der, wie immer wieder betont wird, belanglos erscheint, sondern um gesponnene Fäden weiter zu spinnen, um mit neuen Kräften zu versuchen, ein altes Ziel zu erreichen. Das ist die Räumung der Rheinlands, die End- festsetzung der Reparationszahlungen. Diese beiden Probleme, kann inan sagen, beherrschen allein die deutsche Außenpolitik. Von ihnen aus glie dern sich viele andere Fragen. Sie sind die Kernpunkte, denen aber nur bei,zukommen ist.wenn viele Nebensäch lichkeiten beseitigt werden. Und so ist es erklärlich, daß die vielen Besprechungen, die Stresemann mit Briano und Chamberlain hatte, die in zahlreichen Konferenzen viele Stunden ausfülltcn, oft kleiner Natur, wenig wichtig schienen, aber doch zusammenhingen mit den großen Forderungen, die von Deutschland einheitlich und nachdrücklich gestellt werden. Unzweifelhaft rechnet Stresemann diesmal be stimmt damit — und Las hat ihn in der Hauptsache veranlaßt, von vornherein innerlich der Pariser Reise sympathisch gegenüber zu stehen — die günstige Ge legenheit zu finden, in Paris mit Poincare per sönlich zu verhandeln und diesem Verneiner weitgehender Verständigung beweisen zu können, wie verfehlt seine Einwände bisher waren, daß auch im Interesse Frankreichs lüge, die e n d g ü l t i g e Regu lierung der Reparationszahlungen, für Frankreich eine Beruhigung geben müßte, die Räu mung des besetzten deutschen Gebietes. Abreise am 25. August. Wie wir von unterrichteter Seite erfahren, wird Neichsaußenminister Dr. Stresemann in BeglA- tunq des Staatssekretärs von Schubert am 25. August Berlin verlassen, um nach Paris zur Unterzeichnung des Kellogqpaktes zu fahren. Nach den bisherigen Vorbereitungen der diplomatischen Stellen ist eine ausführliche Besprechung sowohl mit dem Ministerpräsidenten Poincare als auch mit dem Außenminister Briand vorgesehen. Von Paris ans wird Dr. Stresemann zu rTagungdesVöl- kerbundsrates nach Genf weiterfahren. Da die Besprechungen der Staatsmänner in Genf nur wenige Tage dauern sollen, würde Dr. Stresemann spätestens am 8. September die Heimreise nach Berlin antreten können. Unter der Ueberschrift „Strösemann reist nach Paris" schreibt am heutigen Freitag die „National- liberale Korrespondenz" u. a.: Wir haben die Ein ladung aus guten Gründen angenommen und der deut sche Reichsaußenminister kann jetzt der feierlichen Un terzeichnung nicht fern bleiben, weil sie zufällig in Pa ris, der Hauptstadt Frankreichs, erfolgt. Der genesene Stresemann könnte es um so weniger, als Staatssekre tär Kellogg die unvergleichlich größere und beschwer liche Reise über den Ozean nicht scheut. Stresemanns Reise nach Paris, mit der ja nun wohl gerechnet wer den muß, bedeutet mit Nichten eine Verbeugung vor Paris und Frankreich, noch weniger eine Preisgabe deutscher Würde, sondern nur e i n e n A k t s e l b st ä u - diger und politisch kluger Höflichkeit gegenüber den Vereinigten Staaten. Eine Politik fester Führung, die sich ihre Ziele geltet hat, kann sie nicht nach jedem Nadelstich ändern oder preisgeben, mögen diese Nadelstiche noch so boshaft ge führt sein und noch so empfindliche Teile treffen. Die deutsche Forderung bleibt: Abbau und Abzug der Be satzung. Miniskerral in Paris. Paris, 17. August. Entgegen dem bisherigen Plane wurden, wie der „Matin" meldet, die Mitglieder des Kabinetts benachrichtigt, daß am 2 3 August ein Minister rat stattfinde und die Anwesenheil eines jeden unerläßlich sei. Der „Matin" schließt dar aus, daß Poincare die Kabinettsmitglieder über be sonders eilige und wichtige Fragen zu unter richten habe. Man wird annehmen können, daß die plötzliche Einberufung des Ministerrates in erster Linie mit der Unterzeichnung des Kellogg-Paktes und dem Zusammentritt des Völkerbunds rates im Zusammenhang steht. Zur Beilegung -es Landauer Zwischenfalles. Paris, 17. August. Die „Action fraucaise" setzt Mi am Freitag mit den deutschen Meldungen über die Bei legung des Landauer Zwischenfalles und des Falle:' Bauers auseinander und erklärt, man sehe wohl ein. daß diese Lösung bei den Deutschen zwar Genugtuung erwecke, es sei aber schwer zu erkennen, inwiefern sie den Franzosen eine Wiedergutmachung für die ihrer Fahne zugefügte Beleidigung gebe. Vor noch i'icA langer Zeit sei man der Ansicht gewesen, daß in der artigen Dingen die franzsischen Behörden allein M stündig seien. Seit Locarno habe die französrhe Ac gicrung aber derartige Angelegenheiten aus der Hand gegeben. Dieses - neue Zurilckweichen des Quai d'Orsey würde keine besondere Bedeutung haben wenn es unter anderen Umständen erfolgt sei. Die Regelung der Landauer Angelegenheit sei jedoch gerate in dem Ailgenblick erfolgt, wo Stresemann verkünden lasse, daß er die vorzeitige Räumung des Rheinländer- verlangen werde Stresemann werde nicht unterlassen zu bemerken, daß die Besatzungstruppen derartige Aus- schreitungen begehen, daß ihre Regierung selbst daran! verzichtet, sie zu decken und gezwungen sei, sich vor den gerechten Forderungen Deutschlands zu beugen. Es sei daher notwendig; daß man der Besatzung ein Ende mache. Zweifellos werde er den Landaus Zwischenfall und die tzerbcigeführte Lösung ausschlach ten. Dies sei offensichtlich sein Recht und er werde als guter Deutscher im Interesse seines Landes handeln. Aber, so schließt das Blatt, was soll ma» von der französischen Regierung sagen, die sich bemüh- ihm die Wege zu bereiten, und ihm seine Aufgabe A erleichtern? . Vor Abschluß eines amerikanisch-ägypjischen Schieds gerichtsvertrages. London, 17. August. Staatssekretär Kellogg Hal am Donnerstag nachmittag der ägyptischen GesaBA schäft den Entwurf für einen Schiedsgerichts- M'u Freundschaftsvertrag mit der ägyptischen Regler»^ überreicht. Wie der Washingtoner „Times"-Kw're spondent hierzu hört, ist dieser Schritt Kelloggs auf den Wunsch des Staatsdepartements zurückzufUhren, Serie dieser Schiedsgerichts- und Freundschastsvertnup möglichst noch vor der Abreise Kelloggs abzuschließen- Die Einleitung von Vertragsverhandlungcn M Aegypten wird vom Staatsdepartement damit beg-u-' det, daß Aegypten ein souveräner Staat sei und uü> die ausdrückliche Herausnahme aller Punkte aus schiedsgerichtlichen Regelung, in die eine dritte Pau-' irgendwie verwickelt ist, alle Schwierigkeiten vcrhn dere. Der „Times"-Korrespondent meint, hinter mcb Versicherung stehe unzweifelhaft das Gefühl, englische Regierung mit dem amerikanischen VorcM nicht voll übereinstimmen könne. Abreise des Staatssekretärs Kellogg nach Europa. Neuyork, 17. August. Staatssekretär Kellogg re am heutigen Freitag auf dem französischen Damp „Isle de France" nach Europa ab. Gleichzeitig beg sich Botschafter Houghton auf seinen Posten nach don zurück.