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Kurze Mitteilungen. 6. Januar >928 Die AufrüumungsarbeitenanderUn- gliicks starte in der Landserger Allee in Berlin wurden auch in der Nacht ohne Unterbrechung fortgesetzt Die Zahl der Toten hat sich auf 17 erhöht. Die gestern vom Quai d'Orsay dem französischen Botschafter in Washington übermittelte Antwort Briands auf den Brief Kelloggs soll heute ver öffentlicht werden. Der amerikanische Friedenspaktvorschlag findet in englischen politischen Kreisen auch weiter hin stärkste Beachtung. Nach einer Erklärung der „Times" ist die britischen Regierung der Ansicht, das; es sich vorläufig nur um eine Diskussion zwi schen Washington und Paris handle. Die Kellogg-Note sei bisher in London nur zur Kenntnisnahme unter breitet worden. Wie Havas von zuständiger Washingtoner Stelle erfährt, hat die amerikanische Regierung keineswegs die Absicht, die französische Regierung zu einer endgültigen Antwort auf das amerikanische Pak tangebot zu drängen. Im brasilianischen Staate Sao Paulo sind 25 Fälle von Bculenpest festgestellt worden. Aus aller Wett. 6. Januar l928 * Das Berschwinden der drei Leipziger Touristen im Riesengebirge hat seine Aufklärung gefunden. Die drei Vermißten wurden in der abgelegenen Adolfs baude entdeckt, wo sie sich seit einigen Tagen aufhielten. Das Gerücht über ihr Verschwinden war entstanden, weil sich die über das Ausbleiben jedes Lebenszeichens seit vergangenem Mittwoch beunruhigten Angehörigen um Aufklärung an das Gemeindeamt in Oberschreiber- Hau wandten. Es wurden sofort Nachforschungen an gestellt, die zunächst aber ergebnislos verliefen, da in der Schneegrubenbaude, von wo aus die letzte Karte der drei Wanderer abgeschickt worden war, keine Spur ge sunden werden konnte. * Schwere Gasexplosion in Crossen. Vorgestern nachmittag wurden am Marktplatz zwei Häuser durch eine Gasexplosion schwer beschädigt. Mehrere Woh nungen mutzten vorübergehend geräumt werden. Die Brände, die infolge der Gasrohrbrüche entstanden waren, konnten zum Glück rechtzeitig gelöscht werden. Das Gaswerk hat für einen Teil der Stadt die Zufuhr gesperrt. * Aufdeckung einer Riesendiebstahlsafsäre. Die Kriminalpolizei in Apoldy arbeitet gegenwärtig im Verein mit Leipziger Kriminalbeamten an einer Riesendiebstahlsaffäre. Bei der Kristall- und Por- zeüanwarenfirma Buhlmann in Leipzig waren für zirka 100 000 Mark Waren nach und nach gestohlen worden. Die Kriminalpolizei konnte als Haupttäterin eine Frau aus Apolda, die im Geschäft eine Ver trauensstellung inne hatte, entlarven Während in Leipzig veruntreute und an Private verkaufte Gegen stände, die fast zweieinhalb Lastwagen füllten, zusam mengeholt wurden, konnten in Apolda für 6000 Mark Kristall- und Porzellangegenstände ermittelt und sicher gestellt werden. Die Krimnalpolizei hat bisher zirka 80 Verhaftungen von Dieben und Hehlern vorgenom- men. * Wildwest am Kurfürstendamm in Berlin. Wie die Berliner Blätter berichten, spielte sich am Donners tag im Weinhaus Kempinski am Kurfürstendamm ein Wildweststück ab. Ein junger Bursche, der im Vestibül zunächst mit vorgehaltenem Revolver die Taschen eines Pagen nach Geld durchsucht hatte, drang in das Lokal ein und forderte die Gäste mit erhobenem Revolver zur Hergabe ihrer Wertsachen auf. Der geistesgegen wärtige Geschäftsführer schlug den Täter jedoch zu Boden und übergab ihn der Polizei. Während des Ringens fielen einige Schüsse, von denen einer den Ge schäftsführer an der rechten Hand verletzte. * Explosionsunglück im Rotterdamer Hafen. Auf dem im Rotterdamer Hafen liegenden Fleischtransport schiff der Königlich Holländischen Dampfschiffahrts gesellschaft ist gestern abend die Amoniakleitung der j Kühlvorrichtung infolge einer Beschädigung explodiert, i Zwei Personen wurden getötet. * Ein eigenartiges Duell in Wilna. Nach Mel düngen aus Wilna fand gestern dort zwischen einem ! Oberleutnant und einem Studenten ein eigenartiges j Duell statt. Die beiden Duellanten schlossen sich ohne ! Zeugen in ein Zimmer ein. verbanden sich die Augen, löschten das Licht aus und schossen aufeinander. Nach i füni Minuten riefen beide nach ärztlicher Hilfe. Mit ! Kopf- und Lungenschüssen wurden sie schwer verletzt in ! ein Krankenhaus gebracht. * Explosion in einer russischen Munitionsfabrik, j Am Mittwoch ereignete sich in der Munitionsfabrik I Skarzysko bei Radom eine Explosion, wobei ein Eranatenlager und einige Laboratorien in die Luft - flogen. Vier Personen wurden schwer verletzt. * Ter Ausbruch des Krakatau. Der Leiter der ! Krakatauexpedition erklärte nach seiner Rückkehr von Batavia, datz die neuen Eruptionen des Krakatau noch von dem alten, im Jahre 1883 entstandenen Krater herrühren, der sich unter dem Meeresspiegel befinde und in Abständen von etwa einer Minute Lavamengen und Wasser auswerfe. Die Ausbrüche seien von Dampf säulen begleitet, die eine Höhe bis zu 200 Metern er reichten. Die Eruptionen hätten sich in den letzten 24 Stunden verstärkt. * 27 Personen an Fleischvergiftung gestorben. Nach Meldungen aus Taiku auf Korea sind dort 27 Personen nach der Teilnahme an dem Hochzeitsmahl eines Mis sionars an Fleischvergiftung gestorben. 17 weitere Per sonen liegen in hoffnungslosem Zustande darnieder, während 162 andere leichter erkrankt sind. * Bisher 1K Todesopfer des Explosions- unglüeks in der Landsberger Allee. 6. Januar 1928 Bei den Ausräumungsnrbeiten in der Landsberger Allee sind bisher 15 Tote geborgen worden. Man rech not aber damit, datz sich unter den Trümmern noch weitere Leichen befinden. Von den 17 verletzten Per sonen ist inzwischen eine gestorben, so datz die Zahl der Todesopfer des Explosionsunglücks bis zur Stunde 16 beträgt. Man hofft, die Aufräumungsarbeiten bis heute abend zu Ende führen zu können. Die Staatsanwaltschaft hat die Leichen der bei dem Unglück ums Leben gekommen Personen beschlag nahmt, um ourch Obduktion festzu stellen, ob die Ver unglückten kurz vor ihrem Tode Leuchtgas oder Amoniakdämpfe eingeatmet haben. Auf diese Weise will man versuchen, Aufschluß über die Ursachen des Explosionsunglücks zu erhalten. Lohnbewegungen und Streiks. Der Konflikt in der sächsischen Hüttenindustrie. Wie wir erfahren, sind die Einigungsverhandlungen im Reichs arbeitsministerium, die zur Beilegung des Konflikts in der sächsischen Hüttenindustrie dienen sollten, nach länge rer Dauer am Donnerstag früh V2I Uhr ergebnislos abgebrochen worden. Voraussichtlich wird der Reichs arbeitsminister die Schiedssprüche des sächsischen Schlich ters für verbindlich erklären. Nach Mitteilung der Ar beiterpresse sind im Gröditzer Betrieb der Mitteldeutschen Stahlwerke A.-G. rund 2000 Arbeiter wegen eigen mächtiger Einführung des Achtstundentages ausgesperrt worden. Im Riesaer Werk dagegen nur 250, da sich dort der größte Teil der Arbeiterschaft an die bisherige Arbeitszeit hielt. In den übrigen sächsischen Hütten werken haben sich keine Zwischenfälle ereignet. Vor der Verbindlichkeitserklärung des Schieds spruches in der Hüttenindustrie? Wie dem Telunion- Sachsendienst aus Berlin gemeldet wird, sind die Nach verhandlungen, die Mittwoch mittag im Reichsarbeits ministerium zur Beilegung des Arbeitszeit- und Lohn konfliktes in der sächsischen Hüttenindustrie begannen und die infolge der beiderseitigen Ablehnung des Schiedsspruches nötig geworden waren, um 1 Uhr nachts ergebnislos abgebrochen worden. Der Neichsarbeits- minister hat bisher noch nicht Stellung genommen, je doch dürfte damit zu rechnen sein, daß er nunmehr, da alle Verhandlungsmöglichkeiten erschöpft sind, von Amts wegen den Schiedsspruch für verbindlich erklärt. Aus dem Gerichtsfaal. Ein Presseprozeß. Der Betriebsleiter der Buchdrucke rei Kaden L Co. (Dresdner Volkszeitung) Paul Wil helm Schalle, wurde vom Dresdner Schöffengericht wegen Vergehens nach ß 21 des Reichspressegesetzes zu 2000 M. Geldstrafe oder 100 Tagen Gefängnis verurteilt. Die Verhandlung wurde wegen Gefährdung der Staats sicherheit unter Ausschluß der Oeffentlichkeit geführt, auch die Begründung des Urteils erfolgte in geheimer Sitzung. Als Sachverständiger war Hauptmann Ott vom Reichs wehrministerium Berlin gelanden. Kandel und Industrie. Verein Deutscher Tafekglashütten m. b. H., Frank furt a. M. Mit dem 1. Januar hat der Verein der Rheinischen und Westfälischen Tafelglashlltten seinen Sitz von Bonn nach Frankfurt a. M. verlegt. Der Ver band wird künftig als Verein Deutscher Tafelglashüt ten m. b. H., Frankfurt a. M., firmieren. Dem Ver ein sind Betriebe angegliedert, die maschinell Fenster glas Herstellen und keine Mundbläserei betreiben. U. a. gehören der Vereinigung an: Lautzental Glas hütten, St. Ingbert, Gebr. Müllensiefen, Witten-Eren zeldanz, Richard-Hütte für Elasfabrikation A.-E., Sulz bach (Saar), Tafel-, Salin- und Spiegelglasfabriken, Fürth, Torgauer Glashütten A.-G., Torgau, Vereinigte Vopelius'sche L Wenzel'sche Glashütten, Sulzbach (Saar). Ein Veteran der Technik abgebrannt In der Dresdener Vorstadt Löbtau befand sich eines der ältesten Kanonen - Bohrwerke, das allerdings, nachdem die Technik des Kanonen gießens auskam, vor rund hundert Jahren schon stillgelegt wurde. Dieser Veteran der Technik ist jetzt durch einen Brand zerstört worden. IMMM vOri l_ S ri S . 3 Fortsetzung Nachdruck verboten. Gemütlich saßen die drei dann bei Tische. Gerda plau derte in einem fort und aß mit gutem Appetit „Mädel, was kannst du essen, das sieht man dir eigent lich nicht an — bist ja zum Umblasen!" „Versuche es nur, Pa' Du glaubst wohl, ich habe keine Kräfte? Bitte — du wirst staunen!" Lächelnd blickten die Eltern aus ihr Kind, das so ju- e.endfrisch und schön vor ihnen saß. Sie glich ganz der Mutter, die auch heute noch, mit ihren fünfzig Jahren, eine schöne Frau zu nennen wäre, wenn nicht ein flackern der Blick der dunklen Augen und ein nervöses Zucken im Gesicht dies etwas beeinträchtigt hätte. Sie war in ihrer Jugend Hofdame am Z schen Hofe gewesen Jedermann hatte sich damals gewundert, als sie dem etwas derben, urwüchsigen, aber sehr reichen Baron von Freesen, den sie aus einer Reise kennengelernt, die Hand gereicht hatte. Diese elegante Modedame als Land edelfrau — undenkbar! Und wie man richtig geahnt — sie konnte sich nicht einleben und war meistens aus Reisen Aber nie wieder war sie in Z. zu sehen gewesen, trotz ver dringendsten Einladungen ihrer Freunde und Bekann» len Es war, als ob eine innere Unrast sie nicht zur Ruhe kommen ließ, sie in die Welt Hinaustrieb. Joachim Freesen, der sein schönes Weib abgöttisch liebte, war darüber sehr traurig, aber zu schwach, ihr das vorzu- nthalten, wonach sie verlangte. Dunkel fühlte er wohl, daß er dann auch noch das letzte bißchen Zuneigung ver lieren würde, das sie ihm nach der Geburt Gerdas gelassen 'ratte Diese blieb das einzige Kind, nachdem ein vor ihr geborener Knabe im zartesten Alter einer tückischen Diph» theritis erlegen war. Ueber Gerdas Erziehung bestimmte sie allein: sie schickte sie, nachdem sie dem Kindesalter ent wachsen, nach der Schweiz in Pension und ging dann viel mit ihr auf Reisen Im vergangenen Sommer war Gerda einige Monate in England bei einer Pensionsfreundin zu Besuch gewesen Nach kurzem Aufenthalte im Elternhause reiste sie dann mit ihrer Mutter nach Kassel zur Gräfin Brühl, deren ein ziger Schwester. Bis Weihnachten blieb Frau von Freesen ebenfalls dort und reiste dann allein wieder zurück „in die Verbannung", wie sie bemerkte So war Gerda niemals recht heimisch zu Haus gewor den Aber jetzt sollte es anders werden, hatte sich ihr Vater gelobt — er wollte endlich auch etwas von seinem Kinde haben, und wenn seine Frau wieder Pläne haben würde wegen eines Sommeraufenthaltes, sollte diesmal nichts daraus werden Hatte er ihr auch sonst immer nach gegeben — jetzt wollte er fest bleiben wie in dem einen: Bressenhos nicht zu verkaufen, wie seine Frau ihm oor- geschlagen, da sie doch keinen Nachfolger hätten. Ein Be sitztums das seit dreihundert Jahren in derselben Familie ist, gibt man nicht so ohne weiteres auf; daran hängt man mit seiner ganzen Seele Aber dafür hatte seine Frau gar keinen Sinn: sie stammte aus einer Offiziersfamille, die ja keinen dauernden Wohnsitz haben und infolgedessen auch nicht das ausgeprägte Heimatgefühl, mit dem ein Land mann an seiner Scholle hängt. „Nun erzähle weiter, mein Liebling — „Was soll ich alles noch erzählen, hab' doch schon soviel geschrieben! Es war sehr, sehr amüsant — „— und Hellmut?" „Galant wie immer: du kennst doch den Schwerenöter." „Hast du mir wirklich weiter nichts zu sagen, Kind?" „Nichts. Mama, gar nicht»! Was sollt ich wohl — „Aber Tante Isa deutete doch in ihrem Briese an, daß sie meinte, du und Hellmut, ihr beide wäret so ziemlich einig — „Dann hat sie eben falsch gemeint, Mama! — Hellmul ist ein ganz gefährlicher Courschneider, aus besten schöne Worte ich gar nichts gebe — „tsos eni-s" muß man in Hinsicht aus ihn sagen! — Uebrigens wollte er im Sommer Urlaub nehmen und uns hier mit seiner Anwesenheit be glücken!" „Ah, wirklich! Denkst du, daß er kommen wird?" „Sicher, du hattest ihn ja auch selbst eingeladen, liebe Mama! Er wird schon nicht verfehlen, zu erscheinen! Da sollte ich ihn nicht kennen! — Vorläufig aber sage ich oir gleich, falls Tante schreiben sollte: ich bin ihrem zarten Vorsehungspielen immer sehr diplomatisch ausgewichen — zu ihrer größten Verzweiflung — so oft sie auch von Hell mut anfing, wie er mich verehrte usw. ich war aber ganz Unschuld vom Lande" „Was könntest du gegen ihn haben? Er schien dir doch ganz sympathisch''" „Gewiß, ich habe nichts gegen ihn, im Gegenteil, er gefällt mir gut, bester als all die anderen — die Uniform steht ihm ganz vortrefflich, ein schneidiger Reiter, aber bis hierher" - sie machte eine Bewegung nach dem Halse „bis hierher in Schulden, macht aber nichts! Gerda von Freesen wird sie bezahlen oder so ähnlich! Gerda von Freesen bedankt sich aber vorläufig dafür!" Das junge Mädchen hatte eine ungemein fesselnde An zu sprechen und zu erzählen, aber alles, was sie sagte, wie sie urteilte, hatte einen spöttischen Unterton — sie machte sich über alles lustig, vor nichts hatte sie Respekt. „Bravo, Mädel, bravo!" ries ihr Vater, „dazu ist unser sauer verdientes Geld zu schade, um solchen Leichtsinn zn unterstützen — " „Papa, ich jagte „vorläufig" — vielleicht, vielleicht Hellmut ist ein hübscher Junge — und ist es nicht ehren wert, jemand zu helfen ' Denke an Käthe oder, wie h> hier sagt, Kathrin Buchwald!! Auch eine seltsame Abkin zung von dem majestätischen Katharina!" Etwas boshaii sagte sie das. (Fortsetzung folgt.)