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Kurze Mitteilungen. 14. November 1927 Die politische Polizei in Wilna entdeckte eine weitere kommunistische Spionage- Organisation und verhastete fünf Weißrussen und zwei Juden. Die vier englischen Marineflugboote, die von England nach Australien fliegen, sind gestern in Busiro angekommen. Die Dergbaubesitzer in Durham (Eng land) haben einer Verlängerung des letzten Lohn abkommens zugestimmt. Bei einein Hotelbrand in Chikago kamen acht Frauen und Kinder ums Leben. 13 Personen wurden verletzt Wie aus Bombay gemeldet wird, hat die Rund reise des britischen Gouverneurs Aenderungen erfahren müssen, da Anschläge gegen sein Leben vorbereitet waren. Aus Peking wird berichtet, daß 18 Chinesen ohne Gerichtsverhandlung hingerichtet worden sind. Eine Rese Dr. Slresemanns. l4. November 1927 In einer anläßlich des Landesparteitages des (Wahlkreisverbandes Halle-Merseburg der Deutschen Volkspartei in Halle a. d. S. im Walhalla-Theater ver anstalteten, von Tausenden besuchten Versammlung sprach am Sonnabend Reichsminister des Aeußeren Dr. Strese m a n n. Hinsichtlich der Wirtschaftslage wiederholte Dr. Stresemann die Grundgedanken seiner letzten Reden in Liegnitz und in Dresden und vertrat in ausführlichen Darlegungen die Entschließungen des Reichsausschusses der Deutschen Volkspartei unter Be tonung des Grundsatzes, daß wir trotz unserer augen blicklich durch eine gute Konjunktur günstigen Wirt schaftslage zu größter Sparsamkeit gezwungen seien. Erne Vielseitigkeit der Verwaltungen, wie sie das Deutsche Reich sowie die Länder und Gemeinden sich jetzt leisteten, entspräche nicht unserer tatsächlichen finanziellen Lage. Angesichts der Rationalisierung, die wir in unserer Wirtschaft durchführten, müßten auch auf dem Gebiete der Verwaltungsreform entscheidende Schritte getan werden. Dr. Stresemann erklärte, daß er in bezug auf die Frage Reich und Länder sich nicht auf den Standpunkt stellen wolle, daß man die Länder zwingen sollte, im Reiche aufzugehen. Man dürfe aber Länder, die die Absichten hätten, als Reichs länder in dem Reiche aufzugehen, und nicht mit ande ren Ländern sich verschmelzen wollten, daran nicht hin dern. In dieser Frage werde durch das Fehlen von entsprechenden Bestimmungen in der Reichsverfassung einer Entwicklung, die in manchen Ländern nicht auf zuhalten sei entgegengearbeitet. Hinsichtlich des Reichsschulgssetzes führte Dr. Stresemann aus, daß die Deutsche Volkspartei gegen über diesem Gesetz durchaus positiv eingestellt sei, aber nichts wirke weniger auf sie als die ausgesprochene Drohung, daß mit dem Richtzujtandekommen des Reichsschulgesetzes auch die Koalition fiele. Denn ein mal sei in dieser Frage kein Kompromiß wie bei wirt schaftlichen Dingen vorgeschcieben und weiter habe es die Deutsche Volkspartei nicht vergessen, daß bei dieser Koalition die Deutsche Volkspartei nicht die Nehmende, sondern die Gebende gewesen ist. Ein besonderes Kapitel seiner Rede widmete Dr. Stresemann der L a g e d e r L a n d w i r t s ch a f t, die im Gegensatz zu unserer gegenwärtig günstigen indu striellen Lage mit Verlust arbeitet, und deren Situation durch ihre starke Verschuldung besonders unerfreulich sei. Gerade weil wir die Kaufkraft und die Produktion der Landwirtschaft dringend benötigen, ist es Pflicht, aus sie Rücksicht zu nebmcn bei denjenigen Handelsver- tragsverhandlungcn. bei denen wir in der schweren Lage und. für unseren Erport die erforderlichen Mög lichkeiten zu schaffen, zumal wir nicht nur die Aufrecht erhaltung, sondern die Steigerung des Exportes ( brauchen und dabei gegen die Absperrungspolitit ande rer Länder zu kämpfen haben. Interessenausgleich auf ' dem Gebiet der Handelsvertragspolitik sei ein schweres Kapitel deutscher Regierungsarbeit und es sei ohne ge- wisse Konzessionen an Agrarländer nicht möglich, eine ersprießliche Handelsvertragspolitik zu treiben, llm so ! mehr sei es Pflicht der Reichsregierung, dem Pro blem der Entschuldung der Landwirt schaft besondere Aufmerksamkeit zu widmen, denn es komme vor allem darauf an, auf landwirtschaftlichem ! Gebiete dafür zu sorgen, daß unsere Produktion eine z steigende wird, und daß auch die starken Persönlichkeits- ! werte, die in einer bodenständigen Landwirtschaft mur- zeln, erhalten bleiben. 1220" heim Start Verunglückt. ! 14. November 1927 Aus Horta wird gemeldet: Das Heinkel-Flugzeug > v 1220 ist gestern früh 5 Uhr 30 Min. fmitteleurop. i Zeit) gestartet. Nach dreimaligem Anlauf überschlug j sich das Flugzeug beim Springen über eine Dünung, wobei die Maschine schwer beschädigt wurde. Das Flug- : zeug wurde wieder eingeschlept und im Hafen an der Boje festgemacht. Die Besatzung ist unverletzt. Das Flugzeug wollte bei klarem Mondlicht um 2 Uhr nachts den Hafen verlassen, um nach Amerika zu fliegen. In dem Augenblick, als es sich vom Wasser abhob, wurde der Benzintank an der rechten Tragfläche von einer Welle erfaßt, wodurch sich das Flugzeug überschlug. Die Besatzung wurde durch ein sofort herbeigeeiltes Motor boot gerettet. Das Flugzeug ist völlig fluqunfähig. Das zweite deutsche Flugzeug, das gleichfalls nach Amerika starten sollte, gab nach diesem Unglück den Start auf. Weitere Einzelheiten über das Unglück stehen zurzeit noch aus. Aus atter Wett. 14. November 1927 * Ein deutscher Dampfer in Brand geraten. Der auf der Reise von Finnland nach Lübeck befindliche Dampfer Nordland geriet unterwegs in Brand. Auf seine Notsignale eilte der Bergungsdampfer Herkules her bei, dem cs gelang, das Feuer zu löschen. Der Schaden ist beträchtlich. * Vereitelter Fluchtversuch eines Gefangenen. Der wegen Raubmordes an dem Kaufmann Lohmeyer in Germendorf zum Tode verurteilte und später zu lebens länglichem Zuchthaus begnadigte 23jährige Arbeiter Kurt Gose entwich aus der Jrrenabteilung des Zellengefäng nisses Moabit, wo er kürzlich zur Beobachtung unter gebracht worden mar, indem er während einer Frei stunde der Gefangenen auf dem Eefängnishofe mit Hilfe eines Mitgefangenen über die Gefängnismauer kletterte. Gose wurde von mehreren Beamten der Gefängnisver waltung sofort verfolgt und auch alsbald wieder fcst- genommen. * Ein Raubüberfall auf die Allgemeine Ortskranken kasse Berlin vereitelt. Durch die Aufmerksamkeit der Kriminalpolizei konnte ein für diese Tage geplanter Raubüberfall auf die Kassenschalter der Allgemeinen Ortskrankenkasse in der Köpenicker Straße vereitelt wer den. Die vier Täter, die alle Vorbereitungen für den Ueberfall getroffen haften .konnten ermittelt und ver haftet werden. * Ein Kraftwagen in die Oertze gestürzt. — Alle Insassen ertrunken. Ein entsetzliches Autounglück ereignete sich zwischen Winsen und Celle. Von einer Brücke, die über die Oertze führt, stürzte ein mit vier Personen be setztes Auto in den Fluß. Alle Insassen ertranken. Das Auto war anscheinend infolge Reifenschadens gegen das Brückengeländer geschleudert worden. Dieses zerbrach, und der Kraftwagen stürzte in die Hochwasser führende Oertze, einen Nebenfluß der Aller. Die Insassen wie man hört, zwei Ehepaare kamen dabei unter den Wagen zu liegen und wurden unter das Wasser gedrückt. Nur eine Person wurde, wie Augenzeugen be richteten, abgetrieben, versank aber auch in wenigen Sekunden, ehe Rettungsversuche unternommen werden konnten. * Tod durch Vergiftung. Auf der Zeche Friedrich der Große bei Herne Schacht ill und I V sind Sonnabend vor mittag gegen 9 Uhr ein Laborant und ein Schlosser, die in der Kokerei einer Benzolfabrik beschäftigt waren, durch Einatmen giftiger Gase tödlich verunglückt. * 17 Wirtschaftsgebäude nirdergebrannt. In dem Westerwalddorfe Hörback zerstörte ein Großfeuer 17 Wirtschaftsgebäude. Die Ursache des Feuers, das mit rasender Schnelligkeit um sich griff, ist noch nicht be kannt. Die Geschädigten sind zum größten Teil nicht versichert. Sie haben neben den Gebäuden große Ernte- vorräte und Maschinen eingebüßt. * Bei lebendigem Leibe verbrannt. Aus Königs hütte wird gemeldet: Als in dem Maschinenbetrieb der Königshütte der 45jährige Arbeiter Thomalla an einer mit glühenden ausgewalzten Riegelblöcken beladenen Lokomotive vorbeiging, rutschten diese wohl infolge der Erschütterung während der Fahrt ab und fielen dem Ar beiter auf die Füße. Durch den außerordentlichen Schmerz verlor er die Besinnung und fiel vornüber in die glühende Masse. Erst später gelang es, die vollständig verkohlte Leiche aus dem inzwischen erkalteten Eisenblock zu bergen. * Grubenunglück bei Lüttich. In einer größeren Grubenanlage bei Lüttich fuhr ein auswärtsfahrender Förderkorb aus unbekannter Ursache über das Ziel hin aus und stürzte dann in die Tiefe. Glücklicherweise blieb der Korb jedoch auf halbem Wege im Schacht stecken. Zwei Arbeiter wurden getötet, 20 schwer verletzt. * Miß Elders wieder in Neuyork. Die Fliegerin Ruth Elders wurde bei ihrer Rückkehr in Neuyork in feierlichster Weise empfangen Präsident Coolidge gibt Montag allen amerikanischen Ozeanfliegern ein Fest essen. WMiiA der MeMMmg? Der rotierende Pflug Die wissenschaftliche Forschung in der Land- wirtichaft ist sich seit langem darüber klar ge. wwden, das; neben einer «achoemäßen Dünaung und einem folgerichtigen Wechsel in der Bestellung des Acker- auch eine zweckmäßige Bodenbearbeitung er orderlich ist, um die Erträgnisse zu steigern und die Rentabilität zu erhöben. Beionders durch den Kriea sind alle Bestrebungen, die darauf Hinzielen, die Versorgung Deutschlands mit eigenen land« wirttchastlichen Produkten nach Möglichkeit zu erdöhen, verstärkt worden. Es wird daher alle InndwirUchaftliche» Urei e interessieren, zu er fahren, daß eine der bekannten englischen Land- wiitichaftsmaschinensabriken einen Motorpflug herausgebracht hat, den wir hier im Bilde wieder- geben. Er sieht äußerlich wie ein Polyp aus duich die beiden großen Schau'elräder, die sich um idre Ach e drehen und den Boden also nicht nur in einer Längsrichtung ausreißen und um- le. en, sondern die ganze berührte Bodeufläche auf ¬ wühlen. Die beides Schauselcäder siiw so emeenchlet, daß sie boch reklappt und während der Arbeit tieler oder höher eingestellt werden können, um den Boden je nach der zu bestellenden Frucht bearbeiten zu können. Die Landwirtschaft, die in den letzten Jahren mebr und mehr dazu übergeaanqen ist, die ihr fehlenden Arbeitskräfte durch Maschinen zu ersetzen, ist damit um eine neue Majchine reicher geworden, der vielleicht eine große Zukunft be chieden ist. Amores Hochzeitsreisen. Noman von Ulrik Uh land. Berechtigte übersehung aut» dem Schwedischen von Rhea Sternberg. 4S> (Nachdruck verboten.) „Ja," sagte sie zögernd, „ich finde, daß Sie eigentlich keinen Ruhen mehr von mir haben. Ich meine, daß die Arbcu, die ich leiste, nicht so schrecklich viel Geld wert ist." „Nicht?" fragte er kurz. „Nein. Und ich schäme mich jedesmal, wenn ich mein Honorar bekomme." ^er Doktor sagte nichts, aber hätte sie aufgeblickt, so statte sic gemerkt, daß er fast erfreut schien über ihre Worte. Er legte die Zigarette aus der Hand und trommelte mit den Fingern auf den Tisch. „Wenn Sie nichts weiter für mich zu tun haben," fuhr ne fort, „dann bin ich eigentlich vollkommen überflüssig ur Ihrem Hause." Ihr Gesicht war totenbleich. Sie ver mochte kaum zu atmen, das Herz schlug ihr bis in den Hals hinauf. „Wollen Sie nicht mehr kommen?" fragte er trocken. Sie konnte nicht antworten. Die Tränen traten ihr in die Augen und eine unerklärliche Angst packte sie. „Wollen Sie nicht?" Er beugte sich zu ihr vor, so daß sie seinen Hanch an ihrer Wange fühlte. „Sehen Sie mich an," sagte er und faßte ihre beiden Hände. Und im nächsten Augenblick hatte er sie an sich ge zogen. Sie lag aus den Knien neben seinem Stuhle, er bog ihren Kopf zurück und küßte ihren Mund. Sechzehntes Kapitel. Die Vergangenheit. Agneta hat nie erzählen können, wie dieser Tag ver gangen war. Er war ihr kurz erschienen wie eine Minute und lang wie eine Ewigkeit. All ihre Eindrücke waren verworren und sie befand sich beständig in der Furcht, daß sie aus ihrem Traume zur Wirklichkeit erwachen könnte. Abends um zehn Uhr erst kam sie nach Hause. Frau Stolpe, die den ganzen Tag voll Angst und Sorge auf sb gewartet hatte, erkannte sofort, baß sich etwas Besonderes ereignet haben mußte. Noch nie hatte sie bei Agneta einen so strahlend glücklichen Gesichtsausdruck wahrgenommen. Doch auch sie war im Laufe des Tages durch ein merkwürdiges Erlebnis in Unruhe versetzt worden. Als gegen Mittag Frau Stolpe ausgegangen war, nm einen Einkauf zu machen, hatte sie an der Ecke der Kardnansmakaregata fast einen Zusammenstoß mit einem großen, dunkeln, eleganten Herrn. Er lüftete den Hut, um sich zu entschuldigen, und sah dabei Frau Stolpe flüchtig an. Doch da blieb er verblüfft stehen. Auch Frau Stolpe war erstaunt. Was war das für ein Mensch, der eine ältere Frauensperson am Hellen Tage anrempelte? Sie sah ibn an. Er hatte graue, scharfe Augen, in denen sie eine erstaunte Frage las. „Verzeihung," sagte er dann mit ausländischem Ak zent, was nach ihrer Meinung vornehm wirkte, denn sie hielt alle Ausländer für feine Leute. „Sind Sie nicht..." er suchte nach Worten und betrachtete ihre einfache Klei dung, „sind Sie nicht Fräulein Maria .... Maria ..." Er kam offenbar nicht auf den Namen. „Maria Bergström, ja," antwortete Frau Stolpe ver wundert. „So hieß ich als Mädchen. Jetzt heiße ich Stolpe." Was wollte er nur? „Und Sie waren bei Leutnant Reis in Stellung?" fuhr er fort. „Ja," antwortete sie mit wachsender Überraschung. Sie ging langsam weiter und der Unbekannte schloß sich ihr an. „Woher kennen Sie mich?" fragte sie. „Ich sah Sie damals häufig," erklärte er, ohne direkt auf ihre Frage zu antworten. „Lebt Frau Reis noch?" „Nein, sie starb vor einigen Monaten." Neugierig betrachtete sie den jungen Mann von der Seite, doch sie konnte nicht herausbekommen, wer er sei. „Aber Fräulein Agneta Neis lebt und sie wohnt bei mir." „Fräulein Agneta?" fragte der Unbekannte und sah sie stutzig an. „Ja, ihr« Tochter." „Ihre Tochter? Wegen Tochrerift „Nun, Herrn und Frau Reifs Tochter natürlich." Der Fremde blieb wieder stehen. Seine grauen Augen bohrten sich in die der Frau Stolpe und sein Gesicht drückte die höchste Bestürzung aus. „Sie hatten ja kein Kind," sagte er nur. „Ja, sie hatten ein Mädchen," antwortete Frau Stolpe. „Es kam sieben Monate, nachdem der Leut nant .... ja, der Herr weiß vielleicht nichts von dieser traurigen Geschichte?" Sie unterbrach sich jäb. denn sie sagte sich, daß sie natürlich einem wildfremden Menschen keine vertraulichen Mitteilungen machen dürfe. „Er wurde wegen begangener Fälschung verurteilt, ja, ich weiß," sagte er. „Aber ist es denn wirklich wahr?" »Daß Frau Reif eine Tochter bekam? Ja." Frau Stolpe seufzte und Tränen der Rührung traten ihr in die Augen. „Und dieses Mädchen war in jeder Beziehung ein wahrer Segen für sie. Hätte Frau Neis sie nicht gehabt, so wäre sie wohl noch früher gemütskrank geworden, als so." „Gemütskrank war sie?" Des Fremden Staunen schien bei jedem ihrer Worte zu wachsen. „Ja, sie wurde es vor drei Jahren. Und da war Fräulein Agneta der einzige Mensch, den sie um sich litt. Aber fröhliche Tage waren es nicht, die das arme Kind in diesen drei Jahren erlebt hat." „Und Fräulein Reif wohnt bei Ihnen?" „Ja." „Kann ich sie dort sprechen?" Er schien sich in höchste, Erregung zu befinden. „Dars ich heute nachmittag uw sechs Uhr einen Besuch bei Ihnen machen?" „Ja, das können Sie schon. Aber, mit wem bade ich die Ehre?" fragte Frau Stolpe verwunden „Das werde ich Ihnen dann sagen," antwortete er kurz. „Wo wohnen Sie?" Er zog ein Notizbuch aus der Tasche und schrieb ihre Adresse aus, lüstete dann den Hut und ging weiter. tKottseyuna wtgl.)