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Briands erneute 14. November 1927 Der französische Außenminister hielt gestern auf einem Bankett der Republikanischen Parteien eines Wahlbezirkes in Nantes eine Rede. Zu Beginn seiner Ausführungen wies Briand auf seine Bemühun gen für den Frieden während seiner kurzen Regierungs zeit im Jahre 1921 hin. Bereits damals habe er die ersten Versuche gemacht, der Welt einen dauerhaften Frieden zu sichern. Die damalige Geistesströmung sei aber für den Frieden noch nicht genügend vorbereitet gewesen. Als ihm die Leitung des Auswärtigen Amtes erneut übertragen worden sei, habe er seine Bemühun gen fortgesetzt. Man könne von seiner Politik sagen was man wolle, sicher sei jedenfalls, daß sie dem noch sehr unruhigen Europa den Frieden erhalten habe. Man müsse sich fragen, ob, wenn der Völkerbund nicht bestehen würde, und an Stelle der von ihm, Briand, geführten Friedenspolitik eine andere Politik befolgt worden wäre, nicht gewisse Ereignisse die Völker bereits erneut in einen blutigen Zusammenstoß geworfen hätten. Er habe, so fuhr Briand fort, alle Vorsichtsmaß nahmen für seine Politik ergriffen. Wenn man alle seit zwei bis drei Jahren abgeschlossenen Verträge prüfe, so werde man sehen, daß die Sicherheits garantien solide seien. Es bedeute einen großen Unterschied, Garantien im Geiste des Friedens oder in der Voraussicht eines unvermeidlichen Krieges zu schaffen, in welchem Falle die Garantien gebrechlich sein müßten. Jahrhunderte hindurch habe das deutsche und das französische Volk einander bekämpft und Blätter , der Weltgeschichte mit Blut getränkt. Hätte man diesen Weg fortschreiten wollen? Sucht juristische Lösungen! Vermeidet den Krieg unter zivilisierten Völkern! Wenn Differenzen zwischen zwei Men schen gerichtlich geregelt werden kön nen, warum soll dies nicht unter Natio nenmöglichsein? Er habe daher Deutschland eingeladen, in den Völkerbund einzutreten und es im Namen des Völkerbunds begrüßt. Er habe nichts gegen Männer wie Luther und Stresemann zu sagen, mit denen er den Pakt von Locarno geschlossen habe. Natürlich hat diese die Liebe zu ihrem Vaterlande be seelt und sie verteidigen dessen Interessen mit großem Eifer und Hartnäckigkeit. Das wäre aber nur selbstver ständlich und war vorauszusehen. Sie müßten, wenn sie als die Vertreter der besiegten Nation von Frieden sprechen, einen besonderen Mut gegenüber ihrem Lande aufbringen und er, Briand, sei dieser Geste des Mutes gegenüber auch nicht unempfindlich geblieben. Briand erinnert an dieser Stelle an seine Rede, mit der er Deutschlands Eintritt in den Völkerbund be- Friedensbotschaft, grüßt habe. Er glaube nun das Recht zu haben, zu sagen, daß es nunmehr mitdemKriegeaussei. Er hätte auch von Mißtrauen und von hochtönenden Worten sprechen können, aber er habe es vorgezogen, zum Herzen des deutschen Volkes zu sprechen. Er habe schließlich Deutschland eingeladen, im Gedanken der gegenseitigen Loyalität für den Frie den zusammen zu arbeiten. Die friedlichen Abmachun gen müßten durch wirtschaftliche Abmachun gen ergänzt werden. Es war keine leichte Aufgabe, doch scbließlich gelang es, einen Handelsvertrag zu unterzeichnen, der anderen Nationen zum Vorbild dienen möge. Auf den französisch-jugoslawischen Vertrag übergehend betonte Briand dessen friedlichen Charakter. Auf seinen Eintritt in die Regierung der nationalen Einigkeit zu sprechen kom mend, bemerkte Briand, daß er stolz sei, einer der eifrigsten Anhänger dieser Politik ge wesen zu sein. Er glaube nicht, daß er durch eine loyale, so selbst freundschaftliche Zusammen arbeit mit Poincare das ihm bewiesene Ver trauen vermindert hätte. Der Widerhall in Frankreich. 14. November 1927 Die gestrige Rede Briands in Nantes hat in der gesamten französischen Presse eine gute Aufnahme ge funden. Für die Rechte macht Briand seine Aus führungen über die Zusammenarbeit mit Deutschland durch seine Worte über die Notwendigkeit der Erhal tung der Regierung der nationalen Einigkeit schmack haft. „Der große Staatsmann von Genf und Locarno wurde von schier endlosem Beifall begrüßt" schreibt das „Petit Journal", „als er an das Friedenswerk erinnert, mit dem sein Name verbunden ist". Der „Matin" legt auf die Aeußerungen Briands über die Regierung der nationalen Einigkeit den Hauptwert. — Petit Parisien meint, daß Briand seiner Friedenspolitik und der Politik der Regierung der nationalen Einigkeit durch seine Wähler Beifall klatschen ließ. — Das „Echo de Paris", das die Rede Briands ungekürzt bringt, spricht von einer neuen Apologie des Friedens. — Der „Gaulois" be zweifelt die Aufrichtigkeit des deutschen Friedens willens und spricht von geheimen Rüstungen Deutsch lands, von Revanchegeist, den das Reich unter seiner Jugend verbreite und von den Absichten, die Revision der bestehenden Verträge herbeizuführen. Die Links presse hebt als den besten Gedanken Briands die Ver neinung des Krieges hervor, von dem Frank reich, selbst wenn es neuerdings Sieger bleiben sollte, keinerlei Vorteile zu erwarten hätte. Zum französisch-jugoslawischen Freundschaftspakt. 14. November I9.7 Der diplomatische Korrespondent des „Daily Tele graph" mißt den Athener Kommentaren zu dem fran zösisch-jugoslawischen Vertrag besondere Bedeutung bei. Die Erneuerung der Allianz Griechenlands mit Jugoslawien werde nach dem Abschluß des französisch-jugoslawischen Vertrags verzögert, wenn nicht überhaupt aufgehoben werden. Die An hänger einer Revision der Friedens verträge in Deutschland, Ungarn und der Tschechoslowakei erblickten in dem Vertrag eine Er mutigung ihrer Ziele. In linksgerichteten Kreisen Deutschlands werde die Klausel, diesichgegenden Anschluß Oesterreichs richte, geflissentlich über sehen, während die deutschen Nationalisten die ent gegengesetzte Haltung einnähmen. Der Abschluß des Vertrags scheine die Wirtschaftsverhand lungen zwischen Italien und Jugo-i slawien erheblich zu beeinträchtigen, da die letzten - Besprechungen zwischen Mussolini und dem jugo- j slawischen Gesandten in Rom ergebnislos geblieben seien. An leitender Stelle weist der Daily Telegraph dar- ! auf hin, daß Italien durch den Vertrag zweifellos , ermutigt werde, durch Abkommen mit Staaten, die > noch nicht in das französische Allianzsystem einbezogen j seien, seinen eigenen Einfluß zu stärken. Das Ergebnis -er Danziger Volkstagswahlen. 14 November 1927 f Die Wahlen für den Danziger Volkstag haben fol- ! gendes vorläufige Gesamtergebnis: Allg. Rentnerp. § 573 St., keinen Sitz: Arbeitnehmergruppe 68 St., keinen ! Sitz: Bürgerliche Arbeitsgemeinsch. 4227 St., 2 Sitze: ' Danziger Hausbes. 1390 St., 1 Sitz: Danziger Wirtsch. f Block 583 St., keinen Sitz: Deutsche Danziger ! Volk sp. 8008 St., (1923: 7406) 5 (6) Sitze: ! Deutsche Liberale Partei 6200 St., 4 Sitze: Deutsche Mittelst.- u. Arbeiterp. 1005 St., keinen Sitz: f Deutschn. Volksp. 35816 St., (1923: 44495) 25 i (33) Sitze: Deut sch soziale P. 2116 St., (1923: i 10 301) 1 (7) Sitz: Berufsfischer 1873 St., 1 Sitz: > Kommunistische Partei 11695 St., (1923: 14 982) 8 (11) Sitze: Mieter u. Gläubiger 3767 St., (1686) 3 (1) Sitze: Nationalliberale Bür ger Partei 8329 St., (11009) 5 (8) Sitze: Ver einigte Liste der Nationalsoz. Arbeiterpartei und der Aufwertungs- und Volksrechtspartei 1483 St., 1 Sitz: Polnische Liste 5665 St., (7216) 3 (5) Sitze; Sozialdemokraten 61 677 St., (39 755) 42 (30) Sitze; Wirtschaft!. Liste 2236 St., 1 Sitz; Zentrum 26 090 St., (21140) 18 (15) Sitze. ' Die liberale „Danziger Zeitung" schreibt zu dem Wahlergebnis: Das erfreulichste an der Wahl ist trotz der geschlossenen polnischen Front und trotz der erhöhten polnischen Propaganda eine weitere Abnahme der polnischen Stim men. Das Ergebnis rede eine deutliche Sprache der Wählerschaft gegen unberechtigte polnische Ansprüche. Das symptomatische ist das starke Anwachsen der sozialdemokratischen Stimmen und gleichzeitig ein gewaltiger Stimmenverlust der Deutsch nationalen. Das Volkstum der Wählerschaft sollte aber auch dem Senat zu denken geben, ob seine Methode zu regieren in allen Fällen die richtige war. Am -en Bau -es Nil-ammes. Deutschland soll seine Hand im Spiele haben. 14. November 1921 Die Meldung über das angebliche Angebot einer de u t schen Firma sür den Bau eines Nil- dammes am Tsana-See benutzt der diplomatische Korre spondent des Daily Telegraph zu einer Stimmungs mache gegen Deutschland. Das deutsche Interesse in Abessinien und Aegypten sei sicherlich sehr beträchtlich, in erster Linie, wenn auch nicht ausschließlich, aus wirt schaftlichen Gründen. Die deutsche Diplomatie sei über die Vorgänge in Aegypten und Abessinien sehr gut informiert. Berlin habe im vergangenen Iahte von den englisch-italienischen Verhandlungen über die Aufteilung der beiderseitigen Wirtschaftssphären eher Kenntnis gehabt als Paris. In Paris habe man da mals sogar seine Informationen in erster Linie aus Berlin bezogen. Die an den Haaren herbeigezogene Hetze des Daily Telegraph gegen Deutschland ist zu durchsichtig, als daß sie ernst genommen werden könnte. Abgesehen davon, daß von einem deutschen Bau-Angebot gar nichts be kannt ist, läßt das Blatt durchblicken, daß Deutsch land politische Interessen in Abessinien und Aegypten verfolge. Bei den Ausführungen des Daily Telegraph handelt es sich um nichts anderes als um ein Manöver, das von den scharfen englisch-amerikanischen Interessengegensätzen in Abessinien ablenken soll. Starke Schneefälle sind seit Sonnabend in der Sächsisch-Böhmischen Schweiz und im Erz gebirge zu verzeichnen. In Sebnitz und Lauenstein waren am Sonntag abend 5 Grad Kälte. Die Schneedecke betrug bereits 5 bis 10 Zentimeter. Die Sportler, die die Gegend des Fichtelberges aus erwählt hatten, dürften schon einigermaßen auf ihre Kosten gekommen sein. Im Elstertal besteht wieder Hochwassergefahr. Durch die starken Niederschläge der letzten Tage ist die Elster wieder beträchtlich gestiegen. Die Elster- regulierung bei Plauen hat bereits schwere Beschä digungen erlitten. Dagegen zeigte sich in allen Teilen des Ri es en ge birg es, nachdem am Sonnabend bei etwa 7 Grad Kälte stärkerer Schneefall eingesetzt hatte, regsamster Sportbetrieb. Durch den seit Sonnabend in West- und Ost oberschlesien niedergehenden außerordentlich starken Schneefall ist der größte Teil der Fern sprechleitungen nach den ostoberschlesischen Industrie städten Kattowitz, Könighütte, Myslowitz und Lublinitz unterbrochen worden. Auch in Süddeutschland hat Schneefall ein gesetzt. Es schneit besonders auf den Höhen des Schwarz waldes, wo die Schneedecke bereits eine Stärke von 10 Zentimeter erreicht hat. Auch in den Tälern hat es leicht geschneit. Die Temperaturen liegen hier um den Gefrierpunkt herum. Eine Hochwassergefahr durch die starken Regenfälle der jüngsten Zeit ist infolge Ein setzens der Kälte und der Schneefälle nicht mehr zu er warten. Ganz Nord-Jütland ist von einem orkan artigen Sturm, verbunden mit starkem Schneefall, heimgesucht worden. Der Schnee liegt stellenweise aus, den Wegen einen Meter hoch. Der Erportdampfcr „Diana" ist an der Mündung des Limfjord im Schnee gestöber auf Grund gelaufen. Das zwischen Prag und Warschau verkehrende Postflugzeug mußte, da starkes Schneetreiben die Orientierung unmöglich machte, bei Niedersalzbrunn auf freiem Felde eine Notlandung vornehmen. Der Anprall auf den Boden war so stark, daß der Propeller abbrach, der Hintere Teil der Maschine, die sich überschlug, voll kommen zerstört und das Fahrgestell abgerissen wurde. Der Pilot erlitt Verletzungen im Gesicht. Allerlei Wahle«. 14 November t927 Landtagswahlen in Hessen. In Hessen fanden gestern die Landtagswahlen statt. Sic zeitigten folgendes amtliche Ergebnis Sozialdemokraten 157 289 (220108), Zentrum 85443 (100 384), Demokraten 37 750 (53 301), Landbund 61087 (82 742), Deutschnationale 24 013 (43 717h Kommunisten 41 160 (33 689), Deutsche Volkspartci 51 638 (73 930), Volksrechtspartei 24 166 (0). Die Ge samtzahl der abgegebenen Stimmen betrügt 482531, die Wahlbeteiligung 50 bis 52 Prozem. Die Wahlen zum Hessischen Landtag verliefen äußerst ruhig. Straßenverkehr merkte man kaum etwas davon. Ledig lieh die Kommunisten veranstalteten Demonstrationen. Bremer Bürgerschaftswahlen. Vorläufiges Gesamtergebnis der bremischen Vür- aerschaftswahlen: Es wurden für die einzelnen Pch teien folgende Stimmen abgegeben: Stadtgebiet Bremen: Sozialdemokraten 70 201 (56 815); Bürger liche Einheitsliste (Deutschnationale, Deutsche Volks Partei, Wirtschaftsparlei, Völkische) 48 540 (5l61o)i Demokraten 17 291 (18 779); Kommunisten 17 773 (14 426); Haus- und Grundbesitzer 15 344 (l2 560ft Zentrum 4039 (3612); Heim und Scholle 1864 (Ms, Volksrechtspartei 1062. Bremen-Landgebiet: Soz. 47dl (3702): Einheitsliste 2668 (2318); Demokraten M-' (1168): Komm. 279 (403). Vegesack: Einheitslich' 1545 (1411), Soz. 1009 (899); Kommunisten 128 (161 - Bremerhaven: Soz. 4866 (4626): Einheitsliste 49oll (5151); Demokraten und Zentrum 1932 (1579); Kow munisten 1076 (999). Nach dem amtlichen WahleW'b nis setzt sich die neue Bremische Bürgerschaft folgender maßen zusammen: Sozialdemokraten 41 Sitze (37), Ein heitsliste 29 Sitze (33), Demokraten 10 Sitze (12), Kb munisten 10 Sitze (9), Haus- und Grundbesitzer 9 Liw (8), Zentrum 2 Sitze (2), Heim und Scholle 1 Sitz Volksrechtspartei 0 Sitze (0). Eemeindewahlen in Rostock und Warnemünde Wirtschaftliche Arbeitsgemeinschaft 7245 — 13 TA (1924: 10 985 — 20), Soz. 15 124 --- 26 (10 338 -- M Gruppe sür Volkswohlfahrt 2869 - 5 (4863 -- 8), Vob kische 1426 -- 2 (3471 — 6), Kommunisten 2108 -st (2906 5), Demokraten 1081 1 (1413 2), schaftsgruppe des deutschen Mittelstandes 3304 -A (— 00), Haus- und Grundbesitzer 2999 — 5 (- OOst Warnemünde: Wirtschaftliche Einheitsliste (1924: 1072), Soz. 1034 (882), Beamtenliste 584 (5/ U; Die Sitze werden sich voraussichtlich wie folgt verteilen Wirtschaftliche Einheitsliste 3 (3), Soz 2 (2), BeaiM' liste 1 (1). Die Wahlen zur AngefteMenveesicheru^ Unter stärkster Beteiligung wurde gestern in VA lin zur A n g e st e l l t e n v e r s i ch e r u n g gewav ' Gegenüber 1922, wo nur 53 000 Stimmen abgegA wurden, zählte man 138 985. Diese ganz uncrwarn stärke Wahlbeteiligung hat vielfach zu großen least schen Schwierigkeiten geführt. U. a. stellte sich view heraus, daß die bis 3 Uhr befristete Mahlzeit nicht »ns, reichte oder die Wahlumschlüge nicht zureichten, ist? ° viele Wühler unter Protest die Wahlstelle verliest^ da sie unabgefertigt blieben. Die Auszählung der st 13 Wahllisten verteilten Stimmen findet erst in nächsten Tagen statt. Wie in Berlin, war auch übrigen Reich die Wahlbeteiligung über alle ErwarN gen stark. Um Mitternacht lagen zu den Wahlen 3 Hauptausschuß für soziale Versicherung die ErgeA. aus 121 von insgesamt 400 Bezirken vor. Danachl „ 318 Vertrauensmänner und 587 Ersatzmänner gew-'^ worden, die sich auf die einzelnen Listen wie folgA teilen: Deutschnationaler Handlungsgehilfenven" 171 Vertrauensmänner und 293 Ersatzmänner, Gest liste der Afa 39 Vertrauensmänner und 113 E>! , männer, Wilde 6 Vertrauensmänner und 19 EA- müuner. Die vorstehenden Ergebnisse stammen saA- aus Mittelstädten von 50 000 bis 80 000 EinwolM ,, In den Großstädten wird das Wahlergebnis erst Montag früh ausgezählt.