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Kurze Mitteilungen. 83. November 1927 Reichskanzler Dr. Marx hat an Reichsminister a. D. Groener zur Vollendung seines 60. Lebens- iahres ein Glückwunschtelegramm gerichtet, in dem er der großen Dienste, die Groener dem alten Deutschland und dem neuen Reiche geleistet hat, gedenkt. Der polnische Minister Dr. Twardowski ist gestern aus Wien in Warschau eingetroffen. Man rech net mit seiner Ernennung zum Führer der polni schen Delegation für die deutsch-polnischen Han delsvertragsverhandlungen in Berlin. Nach einer Meldung des „Matin" aus Jokohama ist an Bord des englischen Dampfers „Madras City" Feuer ausgebrochen. Man befürchtet, daß der Dampfer völlig zerstört wird. Das neue belgische Kabinett. 23 November 1927 Das neue belgische Kabinett unter der Leitung Jaspars mit Beteiligung der katholischen Liberalen und der christlichen Demokraten ist gebildet worden. Der Verbandsausschuß der christlichen Arbeitersthast, der heute in Brüssel zu einer Sitzung zusammengetreten war, hat der Teilnahme an der Regierung Jaspar zu- gestimmt. Auch von liberaler Seite ist der Beteiligung am Kabinett Jaspar zugestimmt worden. Die neue Re gierung setzt sich wie folgt zusammen: Jaspar, Mi nisterpräsident ;J anson, Justizminister (liberal), De legierter beim Völkerbund: Wauthers, Kultus minister (liberal): Hymans, Außenminister (libe ral): Lippens, Eisenbahnminister (liberal), ehe maliger Gouverneur von Belgisch-Kongo: De Bro- que ville, Kriegsminister: Baels, Landwirt schaftsminister (kath. Flame): Carnoy, Innen minister (christl. flämischer Demokrat): Heyman, Arbeitsminister (christl. Demokrat). Die Folgen -es Sturmwetters. 23. November 19L.7 35 Fischer ertrunken. Di« schweren Stürm« der letzten Tage haben der Schiffahrt großen Schade» zugefügt. Bei dem Unter gang von Fischerbooten in der Nähe von Malaga und Cadir sind 35 Personen ertrunken. Wie weiter gemeldet wird, ist der deutsche Dampfer „lleberjed" (?) an der span schen Küste gesunken. Die Besatzung soll gerettet worden sein. An der englischen Küste in der Nähe von Parmouth befindet sich der Oeldampfer „Georgia" aus Holland mit 15köpfiger Besatzung in sinkendem Zu stand. Die Rettungsboote können wegen der schweren See nicht an den Oeldampfer herankommen. Von Lon don aus sind besondere Hilfsmaßnahmen eingeleitet worden. Verhängnisvolle Folgen des Niedrigwassers der Elbe und Weser. Der Wasserstand der Elbe ist infolge des anhalten den Ostwindes noch immer außergewöhnlich niedrig, wo durch die Schiffahrt sehr behindert wird. Größere Schiffe können bei Ebbe den Hafen nicht erreichen, während Hafenschlepper und kleine Barkassen teils mitten im Fahrwasser auf Grund sitzen. Das Elektrizitätswerk Niederelbe in Altona hat mitgeteilt, daß ein geordneter Betrieb infolge des Niedrigwassers nicht möglich ist. Die Beleuchtung in Gaststätten und Geschäften muß auf das unbedingt notwendige Maß eingeschränkt werden. In allen Städten und Gemeinden, die bei der Ueber- landzentrale angeschlossen sind, ruhen die Betriebe. Das Wasserwerk in Uetersen kann nicht genügend Wasser för dern und mahnt die Einwohner zur Sparsamkeit. Gestern mittag hatte sich die Lage infolge Abflauen des Ost windes etwas gebessert. Die Elbe führt leichtes Treibeis. Arn Dienstag wurde ein Pegelstand von 3,98 Meter unter Bremer Null verzeichnet, während der nor male Wasserstand 2,80 Meter beträgt. Großen Schiffen ist es unmöglich, Bremen zu erreichen. In Bremen selbst ist größtenteils eine Unterbrechung der Wasser versorgung eingetreten. In Vegesack mußte die Fähre ihren Betrieb einstellen, da sie das Ufer nicht erreichen konnte. Zugverspätungen durch Schneeverwehungen. Auch am gestrigen Tage wurde der deutsche Eisen bahnverkehr durch Schneeverwehungen erheblich gestört. Verspätungen von über 30 Minuten waren nichts sel tenes. Dies galt für die aus Dresden und Köln kom menden Züge, aber auch für den Holland-Erpreß und den Erpreß Paris—Warschau. Ans aller Welt. 23. November 1927 " Stach Unterschlagung von Lohngeldern flüchtig. Der 33jährige Angestellte des Dillinger Hüttenwerkes Eugen Meyer ist nach Unterschlagung von 21 000 Franken Lohngeldern flüchtig geworden. * Großfeuer in einem märkischen Dorf. Wie die Morgenblätter berichten, ist das Dorf Linum bei Fehr bellin gestern von einer schweren Brandkatastrophe heim gesucht worden. In der Scheune eines Gutsbesitzers brach aus bisher ungeklärter Ursache Feuer aus, das infolge des heftigen Windes mit großer Geschwindigkeit auf be nachbarte Scheunen und Stallungen Übergriff. Nach ! mehrstündigen Löscharbeiten, zu denen die Feuerwehren aus den Nachbarorten zu Hilfe gerufen worden waren, gelang es, ein weiteres Umsichgreifen des Brandes zu verhüten. Im ganzen sind neun Gebäude eingeäschert worden. * Zu den Tscherwonez-Fälschungen. Entgegen den Meldungen zur Tscherwonezfälscheraffäre, die von Fäden sprechen, die von Georgien zum nationalistischen Lager in München und zu einer anderen gemäßigten Gruppe gegan gen seien, wird auf eine Anfrage bei der politischen Abtei lung der Polizeidirektion München mitgeteilt, daß von diesen angeblichen Verbindungen zu bestimmten Kreisen in München nichts bekannt sei. Im übrigen wird darauf hingewiesen, daß die Untersuchung in der Angelegenheit der Tscherwonez-Fälschungen in Berlin geführt wird und daß die Münchener Polizei lediglich Aufträge des Ber liner Untersuchungsrichters ausführt. * Ein neuer Stern von d«r Hamburger Sternwarte entdeckt. Professor Schwaßmann und Wachmann von der Hamburger Sternwarte in Bergedorf, die bekanntlich am 15. November einen neuen Kometen im Sternbild der Fische entdeckten, haben am 18. November einen Stern zehnter Größe an der Grenze der Sternbilder Orion und Taurus auf photographischem Wege entdeckt. * 100000 Flugkilometer in Persien. Der Pilot Malter Wasserthal ist seit dem Jahre 1924 als Flug- MtM -Mix zeugführer der Junkerswerke in Persien tätig und hat in dieser Verwendung den 100 000sten Flugkilometer zu rückgelegt. Als Auslandspionier deutscher Luftfahrt hat er sich um die Entstehung und Entwicklung des modern sten Verkehrszweiges in dem eisenbahnlosen Staate Per sien große Verdienste erworben. In Anbetracht der selten schwierigen geographischen und technischen Verhält nisse in Persien stellt der 100 000ste Flugkilometer eine ausgezeichnete Leistung dar. " Start zum Flug San Franzisko—Honolulu. In San Franzisko ist der englische Flieger Fredric Giles zum Flug nach Honolulu gestartet. Er will von Hono lulu nach Australien weiter fliegen. * Bau eines Riefrnwasserflugzeugs in Amerika. Das amerikanische Flottendepartement läßt ein Riesenwasser flugzeug bauen, mit dem Anfang 1928 der gesamte Stille Ozean ohne Unterbrechung überflogen werden soll. Das Flugzeug soll nach diesem Flug einen Flug rund um die Welt unternehmen. Als Piloten kommen Lind bergh und Byrd in Frage. Aus dem Gerichtssaal. 23. November 1927 X. Mit ekelerregenden Dingen hatten sich bereits in zwei Terminen das Dresdner Schöffengericht und die vierte Strafkammer als Berufungsinstanz zu befassen. Es betraf dies den 59 Jahre alten Fleischermeister Gustav Adolf Uhlig, der in der Hackanstalt des Dresdnew Schlachthofes durch seinen Gehilfen völlig verdorbene Leberwurstmasse hatte durchdrchen lassen. Die beschlag nahmte Wurstmasse hatte ungereinigte Schöpsdärme zum Teil noch mit After behaftet usw., enthalten. Uhlig wurde wegen eines Verstoßes gegen das Nahrungs mittelgesetz zu 600 Reichsmark Geldstrafe verurteilt. In beiden Terminen schob er die Hauptschuld aus seinen Gehilfen, den 1900 in Müllergrün in der Tschechoslo wakei geborenen Fleischer Richard Alfred Schürer, der damals nicht zu ermitteln war, jetzt aber nachträglich noch vor dem Schöffengericht verhandelt wurde. Dieser bezeichnete seinen Meister Uhlig als den wirklichen Haupt schuldigen, er habe auf Vorhalte gesagt: „Gott bewahre, das ist alles lauter guter Kram, da würden von manchen Fleischern noch ganz andere Sachen in die Wurst ver arbeitet." Das Schöffengericht hielt Schürer gleichfalls für mitschuldig und verurteilte ihn wegen Vergehens nach dem Nahrungsmittelgesetz an Stelle einer an sich ver wirkten Gefängnisstrafe von sechs Wochen zu 300 Reichs mark Geldstrafe. *7 'ft MftM MX—. Me PMHmz der WM SWmz. Eine politische Geldfälscher-Geschichte großen Stile». Während die UnIerMliung über die Fälschung?« manöoer ungarischer Papiere in Paris noch nicht zu Ende ist, bat man in Deutschland eine zweite Falichmünzer-Affäre aufgedeckt, die in ihren Aus maßen — wenn sie geglückt wäre — eine schwere Erschütterung nicht nur des russischen S'aates, sondern vielleicht auck der damit zusammenhängen den europäiichen Staaten hervoraerusen hätte. Rußland hat im Iakre 1923 seine Währung, die eben o, wie die deutsche, völlig ins Bodenlose ge sunken war, stabilisiert und als Zwangszahlunqs- mittel süc Steuern und Zölle die Tiche won-en ein- gesührt (Einzahl: Tscherwonez), gologedeckte Noten der russischen Regierung, die einen Wert von 10 Rubel Gold besaßen, also etwa 20 bis 21 Mark. Der Kurs dieser Ticherwonzen unterlag im Lau'e der letzten Jahre deftigen Schwankungen, doch verstand es d'e russische Regierung, unter Auf bietung aller Kräfte, ihn einigermaßen stabil zu batten. Das Ausland verlor das Mißtrauen gegen die Tscherwonzen jedoch nie; iniolaedefsen suchte Rußland den Verkehr dieser Noten in fremden Staaten nach Möglichkeit einzu chränken. Diesen Umstand, daß ein Austauchen zahlreicher Tscherwonzen an einer Stelle sofort ausiallen mußte, haben die Fälscher überleben; so kam es, daß nach den ersten hundert Noten, die in Berlin auftauchten, die Faisckgeldabteiluna sofort eingriff und nach mehrwöchiger Beobachtung die Haupträdelssührer sestnehmen konnte. Wer alles in diesen Skanoal, der sich zur größten Fälscheraffäre auswachren w rd, die man je Kanute, verwackelt ist, wird erst die Untersuchung er geben. Hätten die Fälscher auch nur einen Teil ihrer Vorräte, die angeblich 100 Millionen darstellen sollen, zur Ausgabe bringen können, so hätte dies genügt, den ru fischen Kurs zu erschüttern, gegebenenfalls vielleicht sogar Rußland zur Einziehung der Tscher wonzen und Ausgabe anderer Noten gezwungen. WZ18357 —— . ...» § —„«.z ..... Unser Bild zeigt eine russische Note über eine Tscherwonez, wie sie von den Fälschern nachgeahmt wurde. Aurores Hochzeitsreise«. «»man von Ulrit Uhland. Berechtigte übersetz««» ««t» v«m Schwedischen von Rhea Sternberg. 4P (Nachdruck verbot««.) „Er liebte Mama wohl nicht genug, um ihr ein Leid ersparen zu wollen/ sagte sie leise. Nelson blickte ins Leere, dann sah er Agneta an. Doch jein Gesicht hatte einen abwesenden Ausdruck und er schien an etwas lange Vergangenes zu denken, als er sagte: „Er liebte sie bis zum Wahnsinn und eben deshalb wollte er sie vielleicht quälen.* „Das Gefühl verstehe ich nicht," erklärte Agneta. „Nein, das ist natürlich. Doch wenn du das Ver hältnis deiner Eltern kennen würdest, wäre dir auch daS begreiflich." Agneta fragte nicht mehr und Nelson erzählte weiter. Er berichtete über das Leben und die Daseinskämpfe draußen in dem großen Amerika, dem Lande, das so viele Existenzen vernichtet, doch auch so viele Glückliche schasst. In Australien hatten sie eine Farm und große Schafher den gehabt, waren dann aber nach Amerika gegangen, wo sie fast zwölf Jahre zugebracht hatten. Auch da waren sie erst Landwirte gewesen, hatten dann jedoch, von dem an steckenden Goldfieber ergriffen, abenteuerliche Fahrten nach Kalifornien, Alaska und Klondyke unternommen. Bald waren sie von fabelhaftem Glück begleitet, bald ver loren sie ihr Vermögen ebenso rasch, wie sie es gewonnen hatten. Ihr letzter Fund war dann entscheidend geworden für ihre ganze Zukunft. Durch einen Zufall waren sie in den Besitz einer Diamantgrube gekommen, die ihr voriger Inhaber ihnen für ein Spottgeld überlassen, nachdem er vergeblich seine Mühe daran gewandt hatte. Bei einer kurzen Bearbeitung nach einer neuen Methode aber er- wies sie sich als außerordentlich ergiebig; die Steine waren, wenn auch nicht groß, so doch von besonderer Schönheit. Die beiden Brüder wußte« selbst kauqi, wie reich sie waren, well pch der Ertrag der Grube nicht be rechnen ließ. Mit weitgeösfnetem Monde lanschte Frau Stolpe. Und Agneta fragte sich immer wieder, ob das denn Wirk lichkeit sein könne. Ob sie, gestern noch eine arme Waise, heute einen Vater hatte und ein reiches Mädchen war. Wie hatte sie sich nach Reichtum gesehnt, so lange sie zurückzu denken vermochte. Sich alles Schöne kausen und alle Not lindern zu können! War eS nicht eine Einbildung? Eine Halluzination? Aber nein, sie saß ja hier und ihr gegen über dieser ihr eben noch völlig unbekannte Verwandte, ruhig und elegant, eine lebendige Bestätigung für seine Worte. Agneta hatte die Zett vollkommen vergessen und er schrocken fuhr sie auf, als sie die Uhr zwei schlagen hörte. „Ich sollte vor zwei Uhr bet dem Doktor sein," sagte sie erschrocken. „Heute, am 1. Maik* fragte Frau Stolpe erstaunt. „Was ist daS für ein Doktor?* fragte Nelson. „Doktor Stenberg, bei dem ich in Stellung bin.* Sie errötete bis in de« Hals hinein und fühlte Nelsons for schenden Blick. „Du bist in Stellung?*' fragte er. „Ja, Fräulein Agneta muß sich selbst versorgen,* ant wortete Frau Stolpe statt ihrer. „Sie ist Sekretärin bei Herrn Doktor Stenberg und verdient monatlich hundert Kronen.* „Er ist Varon BenckenS Schwager,' sagte Agneta langsam. Es berührte sie seltsam, daß gerade dieser Name in so verhängnisvoller Weise mit ihrem eigenen verknüpft war. Nelson sah sie erstaunt an. „Doktor Stenberg? Der mit deiner Mutter verlobt war? Das ist ja ein merkwürdiges Zusammentreffen.* „Verlobt? . . . Was sagst du da?* Agneta wurde totenbleich, eine eisige Hand schien ihr aoS Herz -u greisen Aber sie hatte sich wohl verhört! „Wußtest du das nicht?" fragte Nelson. Er bemerkte ihre Erregung, hatte jedoch keine Ahnung von deren tat sächlicher Ursache. „Ich weiß nicht," sagte Agneta. Und sie fühlte sich plötzlich so matt, daß sie in einen Stuhl sank. Die Füße wollten sie nicht tragen. Mit ängstlich fragendem Blick sah sie Frau Stolpe an. „Ja, sie waren verlobt, jedoch nicht öffentlich," er klärte diese. Das ist aber ein Tag voller Überraschungen für Fräulein Agneta, vachte sie bei sich. „Ist das wirklich wahr?" (ragte Agneta tonlos. „Gewiß ist es wahr!" bestätigte Frau Stolpe. „Aber da der Doktor Fräulein Agneta nichts erzählt hat, dachte ich, es ist bester, wenn auch ich darüber schweige." Was nun weiter gesprochen wurde, vernahm Agneta wie aus weiter Ferne. Es sauste ihr in den Ohren und sie hatte das quälende Gefühl, als sei sie einer Ohnmacht nahe. Still saß sie do und hörte, wie Nelson erzählte, daß ihr Vater Graf Breunings alten Stammsitz gekauft habe und daß er nun schon seit Wochen krank in Vifsta liege. Er wollte sofort hinansfahren, um seinen, Bruder von seiner merkwürdigen Entdeckung zu berichten und ihn darauf vor zubereiten, daß er eine Tochter habe. Und morgen sollte Agneta mit Frau Stolpe nach Vifsta hinauskommen. Sie antwortete in leisem, apathischem Ton und Nelson sah sie erstaunt an. Ihre Augen waren wie erloschen und ein Schmerzenszug lag um ihren Mund. Sie muß äußerst empfindsam sein, dachte er, wenn die Ereignisse dieses Tages sie so angreifen. Aber empfindsam war ja auch ihr Vater. x „Was ist dir, Agneta, du siehst ja ganz erschüttert aus?" fragte er. „Ja," antwortete sie und faßte sich an die Stirn, „ich fühle mich ein wenig seltsam.* „Das ist wirklich nicht zu verwundern," meinte Frau Stolpe. „Man muß ja auch stark sein wie ein Pferd, um das alles in Ruhe mit anhören zu können. Aber wenn Fräulein Agneta zum Herrn Doktor will, ist es nun höchste Zeit, die Uhr ist halb drei.* (Fortsetzuna total.)