Volltext Seite (XML)
Kurze Mitteilungen. 30. November 1927 Reichsminister a. D. Hermes ist vom Reichs präsidenten zum Führer in den deutsch-polni schen Verhandlungen ernannt worden. Der Danziger Lölkerbundskommissar von Hameln hatte gestern eine Besprechung im polnischen Außenministerium. Der litauische Gesandte in Paris teilte der französischen Presse gegenüber mit, das; Litauen mit Polen normale Beziehungen nicht auf nehmen könne, solange sich Polen weigere das Wilna-Gebiet zu räumen. Deralungen im Kaushattausschutz. 30 November 1927 Die Beamtenbeioldungsreform. Der Haushaltausschutz des Reichstages setzte gestern die abgebrochenen Besprechungen zum Abschnitt V des Besoldungsgesetzes, Wartegelder, Ruhegehälter usw. be treffend, fort. Ein gemeinsamer Antrag des Zentrums und der Bayrischen Voltspartei fordert, nur bis zu einem Grundgehalt von 12 000 RM., welches der Pensions berechnung zugrunde gelegt worden war, eine Pensions erhöhung eintreten zu lassen, und zwar bei mehr als 6000 RM. bis 12 000 NM. um 6 v. H. Ein Regierungsoertreter legte noch einmal die Schwierigkeiten dar, die Altpensionäre in die neue Be soldung einzureihen. Die Pensionäre seien tatsächlich in demselben Ausmatze wie die aktiven Beamten bedacht. Der Reichsfinanzminister habe in Magdeburg nicht mehr versprochen, und sein Wort sei durchaus eingelöst wor den. Bei den Abstimmungen wurde u. a. der Zentrums antrag abgelehnt. Angenommen wurde ein gemeinsamer Antrag der Deutschnationalen und der Deutschen Volks partei, wonach die ZK 24 bis 33 des Regierungsentwurfs gestrichen werden und an ihrer Stelle die Vorschrift Gesetz wird, datz die Bezüge der in den einstweiligen und der seit dem 1. April 1920 in den dauernden Ruhe stand versetzten Beamten, sowie die Bezüge der Hinter bliebenen dieser Personen und der seit dem 1. April 1920 im Dienst verstorbenen Beamten mit Wirkung vom 1. Oktober 1927 neu festgesetzt werden. K 25 dieses Antrages wird wegen Annahme eines sozialdemokratischen Zusatzantrages, der bei einem Grund gehalt von mehr als 6000 RM. bis ausschließlich 12 000 RM. nur 12 v. H. Pensionsaufbesserung zubilligt, ab gelehnt, da auch die Antragsteller nun dagegen stimmen. Damit entsteht eine Lücke im Gesetz, da auch K 25 der Regierungsvorlage nicht aufrechterhalten ist. K 26 dieses Antrages wird genehmigt, desgleichen die KZ 27 bis 33 a. Auf Antrag der Regierungsparteien wurde be schlossen, möglichst bald den Finanzminister Köhler her beizubitten, damit er die Stellungnahme der Reichsregie rung zu der so wesentlich veränderten Regierungsvor lage und zu den Auswirkungen dieser Beschlüsse bekannt gebe. Ministerialdirektor Dr. Lotholz erklärte, datz er den Minister sofort benachrichtigen werde, und wies dar auf hin, datz die Vorlage von Regierungsseite in allen Einzelheiten begründet sei, und datz danach die beschlos senen Aenderungen nicht tragbar seien. Die Beratung wandte sich dann der Anlage 5 (Wohnungsgeldzuschutz) zu. Die Regierungsvorlage wurde hier genehmigt. Es folgte die Diätenordnung für die außerplanmäßigen Beamten, die mit einem An trag der Regierungsparteien angenommen wurde, der eine Abstufung der Versorgungsanwärter dahin vornimmt, je nachdem sie im ersten, im zweiten und dritten oder im vierten Diätendienstjahre stehen. Erledigt wurden dann noch die Abschnitte über die Einstufung der Beamten des Reichstages und des Reichswirtschaftsrates. Am Schluß der Sitzung erschien Reichssinanpniniiter Dr. Köhler, Niu folgende Erklärung abzugcben: Ich bin davon unter richtet worden, datz in weiterem Umfange die Vorlage der Regierung verändert worden ist. Ich halte mich für verpflichtet, darauf hinzuweisen, datz die Einstufung der Pensionäre und Altpensionäre Gegenstand besonderer Sorge und Prüfung der Reichsregierung gewesen ist. Wir haben insbesondere genau Fühlung mit dem grötzten Lande darüber genommen. Wir waren gewiß bereit, den Wünschen im Rahmen des finanziell Möglichen so weit entgegenzuiommen, wie es irgendwie tragbar ist. Ueber den gegebenen finanziellen Gesamtrahmen aber hinauszugehen, ist der Reichsregierung seinerzeit nicht möglich gewesen, weil die finanziellen Aufwendungen nicht bloß für die Reichshoheitsbehörden, sondern auch für die Betriebsverwaltungen und auch für die Länder und Gemeinden hier ihre Grenze finden. Ich möchte des halb dringend darauf Hinweisen, daß es uns Mcht mög lich ist, über den Tesamirahmen der Kosten hinauszu gehen. Ich will entgegenkommend versuchen, mit dem Ausschuß, wie bisher, über Wege zu beraten, ob in diesem Gesamtrahmen Verschiebungen möglich sind, aber ich mutz heute laut erklären, datz dies über das finanzielle Gc- samtmatz h naus, das der Vorlage zugrunde liegt, nicht möglich ist. Gin MLMsKbNbbZrug m öen LeunKwerksn. 30 November !927 Die Kriminalpolizei in Halle beschäftigt sich schon seit längerer Zeit mit der Aufklärung eines Millionen betruges, der in den Leunawerken von Ingenieuren und leitenden kaufmännischen Angestellten durchgeführt worden ist. Die Betrügereien gehen auf viele Jahre zurück, und ein Teil der an den Machenschaften beteiligten Ange stellten ist bei den Leunawerken heute nicht mehr beschäf tigt. Die Untersuchung dieser Schiebungen wurde in aller Stille von der Kriminalpolizei eingeleitet und hat jetzt zu der ersten Verhaftung geführt, und zwar wurde auf Anweisung der Halleschen Kriminalpolizei der Inge nieur Stock in Kiel, der dort in Stellung ist, verhaftet. Stock war bis zum Jahre 1925 bei den Leunawerken tätig, ist dann ausgeschieden, blieb aber allem Anschein nach mit den betrügerischen Angestellten der Werke in ständiger Verbindung. Stock hat bereits eingestanden, an den Betrügereien beteiligt zu sein. Nach den bis herigen Feststellungen der Kriminalpolizei hatte sich in den Werken ein Betrügerkonzern von Ingenieuren und kaufmännischen Angestellten gebildet, der umfangreiche Durchstechereien vornahm. Die Leunawerke bauen ständig und haben daher fortlaufend große Anstrichaufträge. Es handelt sich darum, diese Bauten, die meist in Eisen ausgeführt werden, mit einem wetterfesten Farbanstrich zu versehen, und dabei kommen Millionenaufträge in Frage. Da hat nun der Malermeister Albert Schönfeld, der seit Mai d. I. in Untersuchungshaft sich befindet, in Leipzig jahre lang für die Leunawerke gearbeitet und hat Arbeiten be rechnet, die er nicht ausgeführt hat. So hat die Firma z. B. 2000 Quadratmeter Anstrich ausgeführt und 100 000 Quadratmeter berechnet. Auf diese Weise sind Millionenbeträge von ihr eingezogen worden, für die Gegenwerte durch Arbeit nicht geleistet sind. Stock war kaufmännischer Angestellter bei der Konstruktionsabtei lung und hatte mit dem Rechnungswesen zu tun. Er hat die Bezahlung dieser Rechnungen'veranlaßt. Albert Schönfeld betrieb außer seiner Malerwerk statt noch zwei andere Firmen, und zwar eine „Strauß- federn- und Rauchwarenverwertungsfabrik" und ein Ziegeleiwerk. Ob diese Firmen'mit dem aus die oben geschilderte Weise „erworbenen Kapital" gegründet wor den sind, mutz die Untersuchung ergeben. Es wurde weiter in Leipzig eine Firma gebildet, der von den Angestellten Lieferungen und Arbeits leistungen für die Leunawerke übertragen wurden. In Wirklichkeit bestand die Firma nur auf dem Pa piere und hatte die Aufgabe, Rechnungen bei den Leunawerken einzureichen, die von den Angestellten zur Zahlung angewiesen wurden. Auf diese Weise wurden die Leunawerke um ungeheure Summen ge schädigt. Der Gesamtbetrag der erschwindelten Gelder dürste eine Million betragen. Die Erträgnisse aus den Betrügereien wurden in Aktien der Leunawerke angelegt. Nus KttLr Wett. 30. November I9L7 - Zn seiner Gastwirtschaft ermordet. In der Erii nauer Straße in Berlin wurde der Gastwirt Theodor Rogowski in seiner Gastwirtschaft überfallen, beraubt und ermordet. Das Ueberfallkommando war schnell zur Stelle und hat sofort die Untersuchung eingeleitet. Zahlreiche dort verkehrende Gäste wurden vernommen. Bis fetzt hat man aber noch keine Spur von dem Täter. Leichenfund ans freiem Feld. In der Nähe des Taunv.sstüdtchens Cronberg wurde auf freiem Felde die Leiche der 27jährigsn Auguste Gerber aus Frank furt a. M. mit mehreren Stichverletzungen am Halse und einer schweren Gesichtsverletzung tot aufgesunden. Als Täter kommt ohne Zweifel der Verlobte der Gerber in Frage, der 26jährige Arbeiter Peter Müller. Der derzeitige Aufenthalt des Müller ist nicht bekannt. Die Möglichkeit, daß er Selbstmord verübt hat, ist nicht ausgeschlossen. Elf Bahnarbeiter verschüttet. Das Grazer Volks- blatt meldet: Beim Bahndammbau Feldbach—Eleichen- berg ereignete sich gestern um Ve3 Uhr nachmittags ein furchtbares Unglück. In der Nähe des Gasthofes „Taferl" waren Arbeiter mit dem Ausbau der Funda mente für eine Betonstützmauer beschäftigt. Plötzlich löste sich eine Erdmasse von 30 Kubikmeter los und ver schüttete elf Arbeiter. Nach zweistündigen Rettungs arbeiten konnten die Verschütteten befreit werden. Ächt von ihnen waren bereits erstickt und hattest mehr oder weniger schwere Verletzungen erlitten, zwei weitere wurden schwer und einer leicht verletzt. Die Toten stammen alle aus der Umgebung des Kurortes Gleichen berg. Mangelhafte Bölzung soll die Ursache des Un glücks sein. Die Toten wurden in die Totenhalle nach s Trautmannsdorf gebracht. Im Laufe der heutigen ! Nacht wird eine Eerichtskvmmission an Ort und Stelle Erhebungen a»stellen. Ein Gesallenen-Denkmal in einer Kirchen-Ruine. In Dem Dorfe N etleben bei Halle wurde das GewUcnen-Denkmal in einer alten Kirchen-Ruine errichtet, die dem Gedenkstein, der sich in seiner Formen der klmcubnng anpaßl, gleichzeitig einer würdigen Rahmen gibt. »D «M lll »»MD Aurores Hochzeitsreisen. Koman von Ulrik Uhland. Berechtigte Übersetzung au? dem Schwedischen von Rhea Sternberg. S2> (Nachdruck verboten.) Unbeweglich saß Aurore und starrte auf den Brie >n ihrer Hand. War eS wahr, was sie hier las? Si fühlte sich wie im Fieber. War es wahr?! War es wahr? Ja, gewiß war es das! Dieser Brief log nicht. Es wa keine Einbildung, keine Halluzination, dieses vergilbt Papier. Und sie atmete plötzlich leichter und ihr ganzes Wese schien aus einem langen Banne zu erwachen. Hier hat! üe ja das Mittel in der Hand, um die Gefahr abzuwei den, das Zaubermittel, auf das sie all die Zeit gewarü batte. Ihr Vater hatte also gar nicht falsch geschworen Er hatte diesen Wechsel tatsächlich nicht unterschrieben sondern einen anderen, dieser aber war ein gefälschter einer, den Frau Reif selbst unterschrieben an Stelle des ursprünglichen, den sie vernichtet hatte, wie sie schrieb vermutlich batte sie ihn durch ein Versehen irgendwie zer hört, so daß er unbrauchbar geworden war, und sie hatte sich gescheut, eS ihrem Mann zu gestehen. Vielleicht aus Furcht, daß die beiden anderen sich nicht bereit finden Würden, einen neuen zu unterschreiben. Und so hatte sn w ihrem Unverstand deren Namen nachgezeichnet unr tzlbst einen neuen ausgestellt. Welch ein einfältiges, wahn bnniges Unterfangen! Und sicher hat sie hinterher Furch bekommen und dann mit dem Grafen von der Sache ge wrochen. Und er — er hat sich ganz gemein benommen batürlich. Er war offenbar verliebt in sie und scheint für leine Diskretion mehr gefordert zu haben, als sie ihm — fie Fran eines anderen — zu geben vermochte. Und da be das nicht konnte oder wollte, opferte er ihren Mann, ber von der wirklichen Sachlage betreffs des Wechsels bichts wußte, sondern glaubte, es sei der ursprüngliche Aurore errötete vor Scham, als sie an ihren Vatc Machte, und sie ballte unwillkürlich die Hand um den Brie? haue er nur so ruchlos handeln können! Wie halt er sich von der Leidenschaft zu einer Frau so beherrschen lassen können, daß er eine solche Lumperei beging. Das war nicht Liebe, das Gefühl, aus dem heraus er eine solche Rache übte. Wie tief mußte er gesunken sein. Und skrupellos hatte er noch seinen Freund, den Baron Benk- ken, in diese Schurkerei hineingezogen. Aurore gedachte des Papiers, das Nelson ihr an dem Tage, da er seine merkwürdige Werbung vorbrachte, gezeigt hatte. Es war Baron Otto Benckens Geständnis. Er hatte offenbar bensowenig wie Leutnant Reif gewußt, daß der Wechsel ourch einen anderen ersetzt worden war, hatte aber den- «och Graf Brennings Beispiel befolgt und geleugnet. Er var in verzweifelter ökonomischer Lage gewesen und der Äraf hatte seine Aussage vor Gericht für fünfzehntausend krönen erkauft. Welcher Handel! Aber mit diesem Gelds >at er doch nie seine Ehre und Gewissensruhe zurückkaufen önnen. O, wenn das Axel wüßte! Aurore stand auf und ging unruhig im Zimmer auf und ab. Sie empfand trotz rllem eine merkwürdige, triumphierende Freude. Und sie begann zu erwägen, wie sie den Brief benutzen sollte. Nun, vor allem hatte ihr Vater juristisch kein Ver brechen begangen. Er hatte nur geleugnet, daß es seine Namensunterschrtft sei, und das war sie ja auch tatsächlich licht. Er könnte also Clarence Nelsons geplante Rache mfach mit der Erklärung zurückweisen, daß kein anderer ils Frau Agneta Reif ein Verbrechen begangen habe. Sie mite nicht nur den Wechsel gefälscht, sondern auch ihren Rann verurteilen lassen, ohne die Schuld auf sich zu neh men. Ihre grenzenlose Feigheit war ihr Verbrechen. Aber aaran war vielleicht ihr damaliger Zustand schuld. Zu solchen Zeiten sind ja die Frauen zuweilen gar nicht zu rechnungsfähig. Nun hatte Aurore also die Oberhand über Nelson. Sie brauchte ihm nur diesen Brief zu zeigen und all seine Pläne würden zusammenbrechen, sein ganzer Stolz wäre ' zertrümmert. S-e brauchte nur ein einziges Wort zu sagen und er wäre der Gedemütigte. Bei seiner grenzen losen Liebe zu seinem Bruder würde er ja um nichts in oer Welt zulassen, ratz Reser je eine Ahnung von dem Inhalt des Brieses erhielte, ver klar bewies, daß seine eigene Frau es war, die ihn ins Gefängnis, in Entehrung und Landesflucht getrieben, die er so sehr geliebt hatte. Morgen würde ihr Mann kommen und dann . . . In dieser Nacht schlies Aurore ruhig und tief, wie sie es seit Monaten nicht getan hatte. Am Abend des nächsten Tages wurde Ingenieur Nelson zurückerwartet. Je näher die Stunde seiner Heim kehr rückte, desto unruhiger wurde Aurore. Sie verließ das Haus, uni einen Spaziergang zu machen. Langsam schritt sie der Landzunge zu. Was würde nun werden? Würden sie sich gleich voneinander trennen? Scheidung, ja, das wäre wohl das beste. Sie sah sich an all den wohlbekannten, ihr so vertrauten Plätzen hier um. Wer Weitz, wie lange sie noch Gelegenheit haben würde, hier zu wandern. Trennte sie sich von Nelson, so käme sie natürlich nie wieder her. Was würde sie dann eigentlich beginnen? Wohin gehen? Nach Hause natürlich, zu den Eltern. Das lockte sie allerdings nicht sehr. Und dann der Skandal! Die Eltern, Gustav, die Bekannten alle, was würden sie sagen? Sie könnte vielleicht besser ins Ausland gehen. Doch nein, sie hatte ja kein Geld, und von ihrem einstigen Manne würde sic keinen Or an nehmen. O Gott, was hatte dieser Mensch ihr angetan! Selbst unter diesen Umständen war sie es ja, die alles zu tragen hatte. Er hatte ihr Leben zerstört, wie es auch kommen würde. Welche Aussichten hatte sie als unver mögende geschiedene Frau? Sie ballte die Faust um den vergilbten Bries, den sie in der Tasche trug. Es war dennoch schön, der Stunde des Triumphes nahe zu sein, es koste, was es wolle. Sie machte kehrt und ging rasch nach Hause Vor vem Stall stand der Kutscher Karlsson, im Begriff, zur Bahn zu fahren, um Nelson abzuholen. Aurore hatte einen plötzlichen Einfall. „Warten Sie/' sagte sie, „ich komme mit. Einen Augenblick." ' s i. ' . , (Fortsetzung folgt.) > .