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Mitteldeutscher Bergarbetterslreik. 17. Oktober 1927 Nach Mitteilungen von der Zentralstreikleitung streiken im Zeitz-Weißenfelser Revier 16- bis 17 000 Mann, was einer Streikbeteiligung von etwa 80 Prozent entsprechen würde. Im Bezirk Ober röblingen ist der Streikparole nahezu restlos Folge ge leistet worden. Nur auf 10 bis 15 Werken sei ein Teil der alten Leute an der Arbeit. Beim Deutschen Vraunkohlen-Jndustrieverein lie gen noch immer nicht sämtliche Meldungen aus den zwölf Unterverbänden vor. Die bisher vorliegenden Mitteilungen lauten durchaus uneinheitlich und geben selbst innerhalb der einzelnen Reviere ein von Grube zu Grube durchaus verschiedenes Bild. Gleichmäßig wird nur über einen überaus starken Streikterror berichtet. Die Streikenden halten die Zugangswege zu den Betrieben überall besetzt und hindern, wie von der erwähnten Stelle mitgeteilt wird, die Arbeitswilligen an dem Zutritt zu den Gruben. Auf den Gruben der A. Riebeckschen Mon tanwerke ist ein Teil des Betriebes vollständig still gelegt, während auf anderen fortgearbeitet wird. Auf den Gruben des Michel-Konzerns wird der Grubenbetrieb, wenn auch eingeschränkt, aufrecht er halten. Auf den Gruben der Stadt Halle wird ebenfalls fortgearbeitet, doch ist die Einsetzung eines Teiles der Beamtenschaft notwendig geworden. Nach den aus dem Bitterfelder Revier vorliegenden Meldun gen ist -te Kohlenversorgung des Großkraftwerkes Zschornewitz, die durch die Grube Golpa erfolgt, gesichert. Auch die Grube Theodor, die die Kohlenversorgung der Kraftwerke der großen chemi schen Betriebe im Bitterfelder Revier hat, ist weiter in Betrieb, ebenso Grube Hermine. Dagegen liegen still die Grube Leopold, die deutsche Grube, die Gruben Friedrich, Luise, Richard und Greppin. Auch aus dem Bitterfelder Revier wird von starkem Streik terror berichtet. An vereinzelten Stellen sollen die Streikenden Kommandos in den Dorfaus gängen postiert haben, die die Arbeitswil ligen mit Gewalt an dem Verlassen der Ortschaft hindern. Die Sicherung der Arbeits willigen ist dadurch erschwert, daß die Bitterfelder Schutzpolizei nur für den Stadtbezirk Bitterfeld zustän dig ist und der Schutz der Arbeitswilligen nur durch die Landjägerei erfolgen kann. Aus dem Zeitz-Weißenfelser Gebiet läßt sich nach den letzten Nachrichten mitteilen, daß die Lage zwar gespannt ist, das es jedoch bis- , her zu gefährlichen Zwischenfällen nicht gekommen ist. Die Auskünfte von den einzelnen Werksleitungen sind vorsichtig gehalten. Einzelne Be legschaften streiken bis zu 50 Prozent. Die Betriebe wer den also in eingeschränktem Umfange aufrecht erhalten. Die Elektrizitätsversorgung der Stadt Zeitz ist gesichert. In den Betrieben sind überall Streikposten aufgestellt, die auch die Papiere der Arbeitswilligen kontrollieren. Man rechnet stark damit, daß sich morgen die Lage noch verschärfen wird. Ans dem östlichen Teil des mitteldeutschen Braun- kohlenqebiets wird eine geringere Anteilnahme am Streik gemeldet. Selbst die Grube Ilse ist in vollem Betrieb. Von den übrigen Grubenbetrieben des Reviers sind die Werke der Bubiag vollständig in Betrieb, eben so die Grube Eintracht. Von den Gruben im Oberröblinger Bezirk liegen vollständig still: der Cresner-Schacht und die Grube Kupferhammer, nur die Handwerker sind zur Arbeit erschienen. Im Magdeburger und Helmstedter Revier sind nach Mitteilung von Arbeitnehmer-Seite die Gruben restlos stillgelegt; nur die Notstandsarbeiten werden verrichtet. Im Gebiete von M e u s e l w i tz ist vor allem die Grube Phönix als stillgelegt zu melden. Die Kohlenbasis der Leuna-Werke ist gesichert. Die haupt sächlich in Betracht kommende Grube Else II arbeitet in vollkommenem Umfang. Nach Meldungen von Arbeitnehmer-Seite streiken im Geiseltal auf der Grube Cäcilie 80 Prozent, auf der Grube Elisabeth 60 Prozent und auf der Grube Emma 50 Prozent. Auf einer anhaltinischen Grube soll es zu einem Zwischenfall gekommen sein. Dort seien 6 0 Ar - beitswillige durch ein „Rollkom mando" ausderGrubegeholt und verprügelt morden. Man hofft, daß sich die Streikziffer nach dem Eingreifen der anhaltischen Regierung erheblich ver mindern wird. ttbergreifen -er Streikbewegung auf die Lausitz. 17. Oktober 1927 Die Streikbewegung im mitteldeutschen Vraun- kohlengebiet hat auf die Braunkohlenwerke der Ober- und Nieder-Lausitz übergegriffen. Auf verschiedenen Gruben sind die Bergarbeiter heute früh n i ch t z u r A r b e i t e r s ch i e n e n. In der Ge samtbelegschaft in Stärke von rund 26 000 Mann stehen auf einzelnen Gruben 30 bis 40 Prozent im Streit. Poincares neueste Denkmalsre-e. 17 Oktober 1927 Ministerpräsident Poincare hielt gestern bei der Einweihung des Kriegerdenkmals in seiner Ge burtsstadt in Bar le Duc eine Ansprache, die im Ton und Inhalt im Vergleich zu seinen bisherigen Reden bei ähnlichen Gelegenheiten als gemüßigt bezeich net werden kann. Poincare erklärte u. a. die fried lichen Absichten der Franzosen sollten von allen Völkern geteilt werden, vor allem von denen, die diese Absichten bisweilen in Abrede stellten. Alle Staaten sollten ihre Friedensabsichten durch offizielle und unbestreitbare Beweise bekunden. Frankreich habe seit dem Kriege die Militürzeit vermindert und den Stand seines Militärs herabgesetzt. Eine neue Ver minderung der Dienstzeit sei in Vorbereitung, womit die gesamte Dienstzeit auf ein Drittel der Vorkriegs zeit herabgesetzt werden solle. Frankreich habe da mit ein Beispiel für eine Abrüstung aus freiem Willen gegeben, soweit dies mit seiner Sicherheit vereinbar wäre. Man solle diesen Akt Frankreichs anerkennen und ihn nachahmen, statt es anzuklagen. Was Frankreich weiter wünsche sei, daß der Status Europas, wie er durch den Krieg geschaffen wurde, nicht ständig durch allerlei Vorwände in Frage gestellt werde und Laß man sich darüber klar sein möge, daß der geringste Funke, der an irgend einer Stelle des Kontinents aufflamme, ein allgemeines Feuer ver ursachen könne, in dem nacheinander alle Verträge zer rissen und die Grundlagen des Friedens zerstört würden. Die durch den Krieg verursachten Schäden müßten endgültig gutgemacht werden, ohne daß Frankreich noch länger die Lasten hierfür zu tragen habe und ohne daß das Programm für die Zahlungen, die gegenwärtig regelmäßig vor sich gingen, morgen oder später durch künstliche Krisen oder sonstige Manöver gefährdet wür den, wie es gewisse Anzeichen befürchten ließen. „Frankreichs Wille zum Frieden". Der französische Kriegsminister Painleve schreibt in einem Artikel in der Sunday Times unter der Ueber- schrist „Frankreichs Wille zum Frieden" unter anderen!, der Wille zum Frieden habe genau soseine Gefahren wie der Wille zum Krieg. Er sei nicht die Frage blinden sondern wachsamen Ver trauens. Frankreich könne seine Augen nicht verschließen vor den Hindernissen, die heute noch in der alten Welt bestünden. In Deutschland gebe es Kasten, die früher oder später Revanche suchten. Wenn aber diese Kasten die Republik zu überrennen versuchten, so wür den sie sich nur eine Niederlage holen. Painleve be tonte die Treue Hindenburgs zu seinem Eid auf die Verfassung und erklärt weiter, Dr. Stresemann bilde eine Garantie für denVestandvonLocarno. Das größte Hinder nis für die internationale Sicherheit, größer selbst als Interessengegensätze, sei das allgemeine Mißtrauen. Wenn dieses Mißtrauen beseitigt und jede Nation zu der Ueberzeugung gebracht werden könne, daß kein ande res Land einen unprovozierten Angriff unternehmen könne, werde es kein Volk geben, das seine Negierung in den Krieg führen könnte. Die Kämpfe vor Peking. r7. Oktober 1927 Wie Chikago-Tribune aus Peking berichtet, wur den die auf Peking vorrückenden Schau sitruppen wieder neun Meilen z u r ü ck g e t r i e b e n. Die in zwei Richtungen aus die Bergkessel zurückgetriebenen und angeblich dezimierten Schansitruppen haben nach Mitteilung des Pekinger Kriegsministeriums Ge-^ birgsartillerie über die Pässe südlich vor Peking in Stellung gebracht. Verschiedene Anzeichen deuteten auf einen erneuten Vorstoß auf Peking hiy. Die Tschili- und Schantungtruppen hätten die Armee des Generals Feng im östlichen Honan in schwere Kämpfe verwickelt. Der amtlichen japanischen Telegraphenagentur zu folge wurde in Peking der Belagerungszustand verkün det. Die Flugzeuge der Schansitruppen haben eine Eisenbahnstrecke 18 Meilen von Peking entfernt, zer stört. Tschiangkaischek soll zurückkehren. Nach einer chinesischen Agentur-Meldung soll die Zentral-Exekutive der Kuomingtaug-Partei einstimmig beschlossen haben, General Tschiangkaischek und zwei frühere Politiker telegraphisch aufzufordern, nach Han kau zurückzukehren und ihre Posten als Mitglieder des Zentral-Komitees wieder zu übernehmen. Zehn Fahre Sowjet-Ruhland. 17. Oktober 1927 Am Sonnabend abend wurde in Leningrad die zweite Tagung des Zentral-Erekutivkomitees der Sow jetunion eröffnet. Die Einberufung der Session nach Leningrad kurz vor der zehnten Jahresfeier der Oktoberrevolution wird mit der hervorragenden Bedeu tung dieser Stadt in der Revolution in Verbindung gebracht. Die eintreffenden Mitglieder der Erekutive und des Rates der Volkskommissare wurden durch eine nach Tausenden zählende Menschenmenge begrüßt. Die Eröffnung der Session im historischen Gebäude des Uritzkipalais, dem ehemaligen Taurischen Palais, in An wesenheit von 632 Mitgliedern des Zentral-Erekutiv- komitees und beinahe aller Volkskommissare trug außer ordentlich feierlichen Charakter. Die Straßen um das Palais waren von Menschen dicht gefüllt. Nach der Eröffnungsrede des Vorsitzenden des 'Zentral-Erekutiv- komitees Kalinin wird ein Bericht Rykows, des Vor sitzenden des Rates der Volkskommissare, über die autzen- und innenpolitische Lage der Sowjetunion im ersten Jahrzehnt der Sowjetmacht erwartet. Daran werden sich ein Bericht Kuibyschews, des Vorsitzenden des Obersten Volkswirtschaftsrates, über die Ergebnisse der wirtschaftlichen Entwicklung im ersten Jahrzehnt und die Perspektiven für die weitere Entwicklung der Sowjet wirtschaft und ein Bericht Lunatscharskis, des Volkskom missars für Unterricht, über die Ergebnisse des Kultur aufbaues seit zehn Jahren anschließen. Die Tagung wird voraussichtlich fünf Tage dauern. Ein Sowjet-Manifest. 17. Oktober 1927 Die Jubiläumstagung des Zentral-Erekutivkomitees nahm einstimmig ein umfangreiches Manifest an die Werktätigen der Sowjetunion, die Proletarier aller Län der und die unterdrückten Völker der Welt an. Das Manifest nennt das Dezennium der Sowjetmacht die größte Errungenschaft der revolutionären Bewegung des Proletariats. Der Oktober 1917, heißt es in dem Manifest, schuf den Arbeiterstaat, der das Volk zum Sozialismus führte, befreite die Jahrhunderte lang ge knechtete Bauernschaft vom Joch der Gutsbesitzer, sicherte den durch den Zarismus geknechteten Nationen volle Völkergleichheit, machte Rußland zu einer Hochburg aller Unterdrückten und zum Verkünder des Friedens und Sieges über die Ausbeuter. Das Manifest gibt einen Rückblick über den Kampf des Sowjetlandes, die innere Gegenrevolution der ausländischen Jnterventionsarmeen, die Not und Leiden des Volkes in dieser Periode, den späteren Uebergang nach Besiegung der Feinde zu fried lichem Aufbauwerk auf der unerschütterlichen Grundlage der Nationalisierung des Bodens und der Fabriken, des Außenhandelsmonopols, des Bundes der Arbeiterklasse und Bauernschaft. Die erfolgreichste Lösung der schwierigsten wirt schaftspolitischen Probleme, heißt es in dem Manifest weiter, ist dadurch möglich gewesen, daß die Revo lution die Voraussetzungen für eine planmäßige Wirt schaftsführung schuf, das Land von der Invasion auslän discher Kapitalisten durch das Außenhandelsmonopol schützte und es von der Riesenlast der Zaren- und Kerenskischulden befreite. Weiter heißt es: Unsere Ar mut muß endgültig überwunden und eine mächtige Jn- dustrietechnik neugeschaffen werden, das Dorf muß aus der Grundlage der Kollektivwirtschaft umgebaut, das Privatkapital verdrängt und der Bureaukratismus ver nichtet werden. Analphabetentum, Trunksucht und Kul turlosigkeit müssen den tödlichen Stotz erhalten. Unser Wachstum und die Haltlosigkeit der Hoffnungen auf Degeneration des Sowjetstaates rufen eine neue Wen dung in der Politik der Bourgeoisie hervor und damit neue Angriffe auf den Sowjetstaat, neue Kriegsgefahr und die Notwendigkeit der Festigkeit der Wehrkraft der Sowjetunion. Zum 10. Jahrestag der Oktoberrevolution beschließt das Zentralerekutivkomitee der Sowjetunion: den In dustriearbeitern im Verlaufe der nächsten Jahre den Uebergang vom Achtstundenarbeitstag zum Siebenstun denarbeitstag zu sichern, die Staatszuschüsse für den Ar beiterwohnungsbau um 50 Millionen Rubel gegenüber dem Vorjahr zu erhöhen, von der landwirtschaftlichen Einheitssteuer weitere 10 v. H. wirtschaftsschwacher Bauernhöfe zu befreien, die Schulden derjenigen Bauern schaften, die im Mißerntejahr 192tz/25 vom Staat An leihen erhielten, ebenso wie die Steuerrückstände der ärmeren Bauernschaften zu anullieren, diejenigen der mitt leren Bauern abzubauen, gleichfalls Steuer- und andere Zahlungsrückstände der wenig bemittelten Stadt- und Landbevölkerung abzubauen, einen Gesetzentwurf über die allmähliche Einführung einer allgemeinen Staats pension für Personen hohen Altern aus der ärmeren Bauernschaft in Angriff zu nehmen, im Staatsbudget 1927/28 weitere 15 Millionen für den Schulbau und für Arbeitersiedlungen bereitzustellen, den Versicherungsfonds für Kriegsinvaliden zu verdoppeln, aus den Straf gesetzen der Sowjetrepubliken die Todesstrafe für M? brechen, autzer für Staats- und Militärverbrechen, aus- zuschliehen und Strafkürzungen, außer für aktive Mit glieder politischer Parteien, die den Sturz der Sowjet ordnung anstreben, und böswillige Defraudanten und Be stochene vorzunehmen. o 122V sliegt von Amsler-am nach S1. Vigo. 17. Oktober 1927 Das deutsche Flugzeug v 1220 ist am gestriges Sonntag vormittag um 8.57 Uhr glatt gestartet. Da§ Flugzeug verschwand bald nach dem Start in südliche Richtung. Die Heinkelflugzeugwerke erhalten von Teneriffa folgende Meldung: „Flugzeug l) 1220 um 6 Uhr Vigo latt gelandet". (Anscheinend handelt es sich hi^' bei um Greenwicher Zeit.) Das amerikanische Wetterbüro warnt vor Ozeanflügen- Das amerikanische Wetterbüro hat durch Fu"k spruch allen Schiffen die Mitteilung zugehen lassen, d^i nach Ansicht seiner Sachverständigen die augenblickliche Wetterlage über dem Atlantik jeden Ozeanflug bis Ml Frühjahr unmöglich mache. Die Schiffe werden ersuäm diesen Bericht schnellstens weiter zu geben und ihn besondere den Transozeanfliegern zuzuweisen mit de" Hinweis, den Versuch der Ueberfliegung des Atlam' aufzugeben. Das Flugzeug Coste nach Nio de Janeiro gestartet. Nach einer Meldung der Associated Preß aus Natan ist das Flugzeug Loste mit dem Piloten Le VN um 7.40 Uhr dortiger Zeit nach Rio de Janeiro startet. Rettung eines Flugzeuges aus Seenot. Hamburg, 17. Oktober 1927. Der Dampfte „Ramses" der Hamburg—Amerika-Linie hat M meer in der Nähe der Insel Sardinien die drei starke Besatzung eines französischen Flugzeuges aus not gerettet. Das Flugzeug wurde geborgen, Dampfer wird die Schiffbrüchigen in Neapel landen, soll sich um ein französisches Militärflugzeug HM^ ' das aus Afrika kam.