Volltext Seite (XML)
KiWnifferMeblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Lar »Wilsdruffer Tageblatt" erscheint an allen Werktagen nachmittags S Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in der Geschäftsstelle und den Ausgabestellen 2 AM. im Monat, bei Zustellung durch die Boten LM RM., bei Postbcftellung 2 «W. zuzüglich Abtrag. ,, .. . gebühr. Einzelnummern ISRpsg. AllePostanstalten 28ück>LNhla11 für LBjlödrusf u. IlMgLgLUo Postboten und unsereAns. trägerund Geschäftsstellen nehmen zu jeder Zeit Be ¬ stellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung Les Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. für Lürgertuni/ Beamte/ Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die Zerspaltene Raumzeile 20 Rpfg., die 4 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs Pfennig, die 3 gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 Reichsmark. Rachweijungsgebuhr 20 Reichspsennige. Vor. geschriebeneLrscheinungs- tage und Platzv^rschriften werden nach Möglichkeit Kernsprelhev: Amt Wilsdruff Nr. 6 berücksichtigt. Anzeigen annahme bis vorm.10 Uhr. Für die Richtigkeit der durch FernrufübermitteltenAnzeigen übernehmen wir keine Garantie. Wieder Radattanspruch erlischt, wenn der Beira g durch Klage eingezogen werden muß oder derAuftraggeberin Konkurs gerät. Anzeigen nehmen alle Vermittlungsstellen entgegen. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nr. 303 — 89. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Dienstag, den 30. Dezember 1930 Wise der Reichskanzlers Ir. Brüning Am Beobachtungsstand. Wenn in den ersten Tagen des Januars gleich drei Minister, an ihrer Spitze der Reichskanzler selbst, eine große „Inspektionsreise- durch den gesamten »eutschen Osten machen, Ostpommern und Ostpreußen be suchen, dann die Grenzgebiete bis nach Oberschlsien be- ceisen und sich dabei von den zuständigen höheren Ver- valtungsbeamten begleiten lassen, dann weiß man ohne weiteres, daß diese Reise vor allem dem wirtschaft lich-finanziellen Aufbauprogramm zu Kienen hat. Für die Osthilfe sind der Reichsminister Lreviranus und ihm zur Seite der preußische Wohl- f'ahrtsminister Hirtsiefer eingesetzt worden. Und daß sie mit einer außerordentlich schwierigen Aufgabe betraut wurden, kann selbst ihr ärgster politischer Gegner nicht leugnen; zu beneiden ist niemand darum. Denn der vor wiegend agrarische deutsche Osten leidet ja unter den nicht zuletzt auch wirtschaftlichen Unmöglichkeiten der Grenzziehung, die so ziemlich alles auf den Kopf stellte, was allmähliche wirtschaftliche Entwicklungen ge schaffen hatten. Viel ist geschehen, um die tiefen Wunden zu heilen, die hier der Wirtschaft eines Drittels des seutschen Bodens geschlagen wurde; aber das, was noch zu tun übrigbleibt und in harter Arbeit erst wieder ge schaffen werden muß, ist noch weit mehr, und über das noch nicht Erreichte wird allzu schnell vergessen, was doch tatsächlich schon geleistet worden ist. Der Osten muß ja auch noch kämpfen gegen die W e l t a g r a r k r is e von »nein Ausmaß, wie selbst der ärgste Pessimist sie nie für möglich gehalten hätte und die auch die deutsche Land wirtschaft des Ostens zu gewaltigen Strukturänderungen zwingt, — soll sie nicht doch unter die Räder kommen! Diese Krise zerschlug oft und schnell so manches, was wieder im Aufbau begriffen war. Und stärker als selbst der beste Wille sprechen doch die finanziellen Möglichkeiten and die damit leider nur viel zu eng gezogenen Grenzen. Weitere Erschwerungen für die ostdeutsche Wirtschaft kommen hinzu, die aus dem gespannten Po litischeu Verhältnis zu Polen entspringen; denn das Ent scheidende bei der wirtschaftlichen Seite dieser Beziehun gen ist eben dies, daß Polen über den Korridor und seinen neuen Hafen Gdingen hinausdrängt zum Meer, zur unmittelbaren Verbindung mit dem Weltmarkt. Die Jüd-Nord-Bahn von Oberschlesien zum Meer ist leider nicht bloß symbolisch für diese Umlagerung des Ver hältnisses zwischen der Wirtschaft des deutschen Ostens and der des neuen Polnischen Staates. An dieser Tat sache und der zweiten, die in den völlig ungeklärten deutsch-polnischen Handelsbeziehungen zu erblicken ist, kann man bei einem Wiederaufbau der deutschen Wirt schaft des Ostens nicht vorbei; sie lasten schwer über diesem ganzen Gebiet bis tief in das persönlichste Dasein seiner Bewohner hinein. -r: Daß sich wirtschaftliche Enttäuschungen — über deren Berechtigung endlos gestritten werden kann — ein Ventil durch politische Stimmabgabe suchen, haben wir in dem Fahre 1930 oft genug erlebt und auch für das neue Jahr wird ein solches Ventil wieder vorbereitet. Nachdem es den Oppositionsparteien im Preußischen Landtag trotz mehrfacher Versuche nicht gelungen ist, dort die politische Zusammensetzung der Regierung zu ändern bzw. diese zu stürzen, nachdem auch der Weg über den Reichstag, den Reichskanzler nicht zum Ziele geführt hatte, soll nun das Volksbegehren und dann der Volksentscheid die Auflösung des Preußischen Land tages erzwingen. Dieser ist zusammen mit dem inzwischen ausgelösten Reichstag im Mai 1928 gewählt worden, hat also normalerweise noch eine Lebenszeit von anderthalb Jahren vor sich. Die gleichen Parteien bzw. Organisationen, die vor einem Jahre die Ablehnung des Uoung-Plans durch einen Volksentscheid herbeizuführen suchten, vor allem also Nationalsozialisten, Deutsch nationale, „Stahlhelm" usw., sind auch jetzt die Träger dieser Absicht, den Preußischen Landtag zur Auflösung zu bringen, Neuwahlen zu veranlassen, weil ste davon eine Zertrümmerung der bisherigen Mehrheit erhoffen. Wie weit andere Parteien mitmachen werden, die rm Landtag mit der Rcchtsopposition zusammenzugehen pflegen, ist noch unbestimmt; doch spricht man von Verhandlungen hierüber auch mit der Deutschen Volkspartei. Ähnliche Versuche sind übrigens auch in anderen deutschen Ländern im Gange. * So wird auch im künftigen Jahre die deutsche Innen politik nicht minder hohe Wellen schlagen, als sie es sonst bis in die letzten Stunden des alten, müde gewordenen Jahres hinein getan hat. Weichen doch auch mit dem Jahreswechsel keineswegs die wirtschaftlichen Spannun gen; vielleicht werden sie noch schärfer, noch bedrohlicher. Wenn sie aber das Ventil eines Volksentscheides oder einer anderen Form politischer Art suchen, so ist das immer noch besser, als wenn der Kessel sich zu überhitzen gezwungen ist. Denn jedes Volk und gerade das deutsche in seinen Sorgen nnd Nöten muß sich selbst sein Schicksal bestimmen. Und vor solche Entscheidungsfragen werden wir alle wohl auch im kommende» Jahre nicht weniger oft gestellt werden, als dies im vergangenen Jahre ge schehen ist. Neue Hilfe für den Osten. Erweiterte Maßnahmen. Reichskanzler Dr. Brüning ist zu einem auf einige Tage berechneten Erholungsaufenthalt nach Badenweiler abgereist. Am 4. Januar will er nach Berlin zurückkehren, sich dort aber nur einen Tag aufhalten und dann seine vor einiger Zeit angekündtgte Reise nach Pommern, Ost preußen und Schlesien antreten. Auf dieser Fahrt werden den Kanzler der Leiter der Oststelle, Reichsminister Trevi- ranus, und als Vertreter der preußischen Regierung der Wohlfahtsminister Hirtsiefer begleiten. Die Erfassung der Grundlagen für erweiterte Hilfsmaßnahmen im Osten soll den Zweck der Reise bilden. Am 11. Januar soll die Rückreise von Breslau aus nach Berlin erfolgen. Nach anderen Mitteilungen soll auch die Teilnahme des Generaldirektors der Reichsbahst Dr. Dorpmüller und des Reichsbankpräsidenten Dr. L u t h e r an der Reise geplant sein. Sie ist zunächst nach Lauenburg in Pommern geplant, wo die erste Station gemacht wird und ein Empfang stattfindct. Über die pommerschen Grenz kreise Bütow und Rummelsburg begeben sich die Minister nach Schneidemühl, dann durch den Korridor nach Königsberg in Ostpreußen und Marienburg, wieder durch den Korridor und nach Schlesien. Hier sind Oppeln, Gleiwitz , Rati - bor und Breslau als große Stationen vorgesehen. Überall werden der Kanzler und die Minister von den zu ständigen Oberpräsidenten, Regierungspräsidenten und Landräten begleitet. Am 23. Lamrar KabmeLisfitzmig. Mit allen Kreisen will der Reichskanzler in Pommern, Ostpreußen und Schlesien, sowohl der Landwirtschaft als auch der Industrie, ebenso auch mit den führenden Ver tretern der Bevölkerung Fühlung nehmen, um sich und dem Kabinett eine Grundlage für die vorgesehene große Osthilfsaktion zu schaffen. Trug die Reise des Außen ministers Curtius einen rein außenpolitischen Charakter, so stellt die. Reise des Kanzlers eine innenpolitische In- Ore Verträge von Versailles. Kommt dis Revision? Der Vorsitzende der Zentrumspartei und Reichstags- abgeordneter Prälat Kaas hat eine Einleitung ge schrieben zu dem Buch „über die Außenpolitik des Reiches", das von einem Angehörigen der Zentrumspresse geschrieben ist. Weniger das Buch selbst als dieses Vor wort hat erhebliches Rauschen in der französischen Presse wachgerufen, überall wird Kaas als der wahre geistige Führer des Zentrums bezeichnet, der sich seiner Macht in der Zentrumspartei voll bewußt sei. Seine Worte müßten in Frankreich ernsthaft beachter werden. Wenn er den deutschen Wünschen nach Revision der Versailler Ver trüge beitrcte, vor allem in bezug auf eine andere R e - gulierung der polnischen Grenze, so sei das ein Zeichen für die wachsende Notwendigkeit, der Stim mung in Deutschland die Augen zuzuwenden. So sagt der „Temps", Kaas führe aus, Deutschland könne nicht länger die drückenden Lasten der ihm aus- erlegten Verpflichtungen tragen. Der Tag könne kommen, an welchem der Gefangene von Versailles gleich einem neuen Simson die Säulen seines Kerkers umstürze. Diese Sprache verrate besser als vorsichtige diplomatische Reden die wahre Empfindung Deutschlands. Die Darlegungen des Prälaten Kaas seien vom deutschen Standpunkte aus durchaus logisch. Sie liefen darauf hinaus, zu erklären, daß es nicht angehe, zu behaupten, die von Deutschland gebrachten zahlreichen Opfer für den Frieden und die Ver ständigung wären zwecklos gemacht worden. Seitdem Deutschland Mitglied des Völkerbundes geworden sei, erwarte es weitere Vorteile von dieser Tatsache, an die man in der Zeit vorher nicht gedacht habe. Wenn Kaas betone, daß sich Deutschland auf sein Recht berufe, um die Erfüllung gewisser Klauseln des Versailler Vertrages über die Abrüstung, das Minderheitenproblem und die Gleichstellung der Völker zu fordern, so spreche er damit dieselbe Sprache, mit der die Nationalsozialisten jenseits des Rheins die öffentliche Meinung von jeher irregeführt hätten. Es sei eine eigenartige Politik, einerseits die strenge Einhaltung der Klauseln des Versailler Vertrages zu verlangen, die Deutschland zu seinen Gunsten auslegen zu können glaube, andererseits aber die Revision der Punkte desselben Vertrages zu fordern, die Deutschland für seine Bestrebungen hinderlich erschienen. Aber eine andere Sache sei es, diese Ziele durch Gewalt oder aus diplomatischen Wege im Widersprnch mit den Verträgen erreichen zu wollen. sormatlonsfayrt bar. Am 13. Januar des neuen Jahres soll das Kabinett in Berlin wieder zusammentreten, es steht aber noch nicht fest, ob schon in dieser Sitzung versucht wird, Resultate aus der Ostreise des Kanzlers zu ziehen. Nationalsozialisten und die Regierungsbeteiligung. Berlin. 29. Dezember. Zu der kürzlich von der DAZ an geschnittenen Frage einer etwaigen Regierungsbeteiligung Hillers äußert sich nunmehr der Völkische Beobachter grundsätzlich. Das Blatt schreibt hierzu u. a.: In verschwiegenen Gemächern herrscht eine immer heftigere Aufregung, da man die kommende unver meidliche Abrechnung deutlich herannahen sicht. Daher jetzt ver schiedene Bemühungen, die „Hitlerpartei" „einzusügen" etwa in die sog. „nationale Front" (so als zweitletzte) oder sie vernunft gemäß zu leiten und was dergleichen Ausdrücke für die Bemühun gen, uns unschädlich zu machen, mehr sind. Da wir unbefangen sind, das Wohl der deutschen Gesamtheit im Auge zu haben, fo werden wir jeden Ratschlag prüfen, jeden guten Nat beherzigen, gleich von welcher deutschen Persönlichkeit er stammt. Aber mit dem,,Einstigen" und mit dem „Beteiligen" ist es vorüber. Gewisse Leute und Gruppen meinen noch immer, sie müßten regieren, wem es mit rechts nicht ginge, so eben mit links. Diesen sagen wir, Druckfehler zu korrigieren ist mit eine Sendung der NSDAP, denn diese Herren müssen gar nicht regieren, vielmehr sind sie schon lange abbaureif, ja mehr als das. Es steht für die Zukunft nicht zu Debatte, ob man Hiller sich mit beteiligen lasten oder mit wem Hitler einst regieren wird. Also genau mit umge kehrt verteilten Rollen. Deshalb kommt auch eine Koalition auf Grund des jetzigen Reichstags nicht mehr in Frage. Die Herren wollten im Herbst nicht in der Hoffnung, die „nationalsozialistische Fieberkurve" würde wieder zurückgehen. Das Gegenteil ist der Fall. Die nationalsozialistische „Eesundungskurve" ist weiter im Ansteigen. Wir fordern deshalb als erste Tat des Jahres 1931 die Auflösung des Reichstages und des preußischen Land tages. Nie Entwicklung im Osten. Andere französische Zeitungen beschäftigen sich in erster Linie mit dem Osten. Das „Journal des Dsbats" schreibt: „Die deutschen Politiker wissen natürlich, daß Polen sich eine Änderung seiner Grenze gutwillig nicht gefallen lassen wird." Weitere Blätter sagen voraus, daß, wenn die Finanzreform von Brüning durchgeführt sein werde, die bereits angekündigte diplomatische Offensive betreffs der außenpolitischen Ziele Deutschlands beginnen dürfte. Das „Petit Journal" behauptet, die deutsche Regierung bewege sich sichtlich in der Richtung nach rechts und Deutschland unterhalte eine heimliche Armee oder baue sie doch auf. Viel bemerkt wird auch ein Artikel der sowjetrussischen „Jswestija", der die These ausstellt, die neuerlichen Aus führungen einflußreicher deutscher Blätter zugunsten einer deutsch-französischen Annäherung zeugten davon, daß hinter den Kulissen der deutschen Diplomatie gegenwärtig ein Kampf um die weitere Richtung der deutschen Außen politik im Gange sei. Sowohl die deutschen wie die französischen Groß industriellen hätten das stärkste Interesse am Aufblühen der Kriegsvorbereitungen und damit an einem französisch deutschen Militärbündnis, schreibt die „Jswestija". Wenn schon die Deutsche Bergwerkszeitung die Frage eines Militärbündnisses mit Frankreich anrege, so müsse man sich fragen, gegen wen dieses Bündnis gerichtet sein solle. Deutschland durchlebe eine Krise, die ihm jetzt jede Mög lichkeit nehme, erhebliche Kapitalien zu Rüstungszwecken anzulegen. Die französischen Patrioten hätten Deutschland Gelder zu Rüstungszwecken leihen müssen, um unter dem Älarmgeschrei über die deutsche Gefahr eine Steigerung der französischen Rüstungen zu erzielen. In diesem Sinne seien auch die Erwägungen über die Rückgabe des Dan ziger Korridors in Deutschland und in Frankreich sowie die deutsche Erregung über angebliche Bedrückung der Ukraine zu verstehen. Der Alarmruf der „Jswestija" beweist nach der Meinung des „Temps", daß auch in Sowjetrußland Un ruhe über die Entwicklung der deutschen Außenpolitik bestehe. Zehn Jahre Reichswehr. Am 1. Januar 1931 sieht die Reichswehr aus ihr zehn jähriges Bestehen in ihrem heutigen durch das Versailler Frie- densdiktat vorgeschriebenen Aufbau zurück. Das deutsche Heer des Weltkrieges, das ein Volk in Watten darktellte. war nack MW AWslM m We 1831