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Mil Gott ans Merk. Gehe hm in Gottes Namen, Greif dein Werk mit Freuden an; Frühe säe deinen Samen; Was getan ist, ist getan. Sieh nicht aus nach dem Entfernten; Was dir nah liegt, mußt du tun; Säen mußt dir, willst du ernten, Nur die fleiß'ge Hand wird ruh'n. Müßigstehen ist gefährlich, Heilsam unverdrvfs'ner Fleiß, Und es steht dir abends ehrlich An der Stirn des Tages Schweiß. Weißt dü auch nicht, was geraten Oder was mißlingen mag, Folgt doch allen guten Taten Gottes Segen für dich nach. L. I. PH. Spitta. Von der Daseinsbestimmung des Menschen. Von Professor Albert Ein st ein. Vom Standpunkte des täglichen Lebens gibt es Eines, um das wir wissen: daß der Mensch aus dieser Welt um anderer Menschen willen lebt, vor allem um derer willen, von deren Lächeln und Wohlfahrt unser eigenes Glück ab hängt, und schließlich um der zahllosen unbekannten Seelen willen, mit deren Geschick wir durch die Bande der Sym pathie verbunden sind. Wie oft an jedem Tage erkenne ich, daß sich mein Außen- und Innenleben auf die Arbeit, die Werke meiner Mit menschen aufbaut, toter wie lebendiger, und wie sehr ich mich stets bemühen muß, um ihnen so viel zurückzugeben, wie ich selbst empfangen habe. Mein Seelenfrieden wird oft durch das niederdrückende Gefühl gestört, daß ich zuviel von den Werken anderer Menschen geborgt erhielt. Ich glaube durchaus nicht, daß wir uns einer absoluten Freiheit im philosophischen Sinne erfreuen können, denn wir handeln nicht nur unter einem äußeren Zwange, sondern auch nach den Gesetzen einer inneren Notwendigkeit. Schopen hauers Ausspruch „Ein Mensch kann ohne Frage tun, was er zu tun wünscht, aber er kann nicht bestimmen, was er wünscht oder will" hat in meiner Jugend nicht seinen Eindruck aus mich verfehlt und mich stets getröstet, wenn ich Zeuge wurde von den Nöten des Lebens oder selbst Ungemach zu ertragen hatte. — Diese lleberzeugung erzieht beständig zur Toleranz, denn sie erlaubt uns nicht, uns selbst oder andere allzu ernst zu nehmen; sie dient eher dazu, den Sinn für Humor in uns zu Wecken. Endlos über den Grund der eigenen Existenz oder den Sinn des Lebens im allgemeinen nächzusinnen, scheint mir, objektiv betrachtet, reine Torheit zu sein. Und dennoch Pflegt jeder Mensch gewisse.Jdeale, nach denen er sein Streben und sein Urteil richtet. Diese Ideale, die mir stets vorgeschwebt und mich mit Lebenfreude erfüllt haben, sind Güte, Schönheit und Wahr heit. Sich ein behagliches Leben oder „Glück" zum Ziele zu setzen, hat niemals meinen Anklang gefunden. Ein System der Ethik, das auf solcher Grundlage ruht, würde nur eine Viehherde befriedigen. Ohne die Mitarbeit gleichgesinnter Menschen im Kampf um das stets Unerreichbare in der Kunst und in der wissen schaftlichen Forschung wäre mein Leben leer und arm ge wesen. Seit meiner Kindheit Tagen habe ich die dem durch schnittlichen Menschenverstände gesetzten Grenzen, vor denn der Mensch so oft haltmachen muß, stets verachtet. Reichtum, äußerliche Erfolge, Tagesruhm, Luxus — dal alles schätzte ich stets gering. Ich glaube, daß eine schlichte bescheidene Lebensführung jedermann am besten frommt geistig wie körperlich. Ich vergleiche mich dem Pferde, dem eine bestimmt Arbeit zufällt, das nicht für ein Tandem oder ein Gespam bestimmt ist. Ich habe niemals mit ganzem Herzen einen bestimmten Lande oder einem bestimmten Staate angehört weder einem bestimmten Freundeskreise noch meiner eigener Familie. Diese unsichtbaren Ketten waren stets mit einen unbestimmten Gefühl des Sichfernhaltens verbunden, und de: Wunsch, mich in mich selbst zurückzuziehen, wurde stärker mit dem zunehmenden Älter. Eine oerartige Isolierung if bisweilen nicht leicht zu ertragen, aber ich bedaure es nicht mich von dem Verstehen und der Sympathie anderer Men schen fern zu halten. Jedermann sollte als Individuum geachtet, aber nicht zum Idol erhoben werden. Es ist eine Ironie des Schicksals, das man mich mit so viel unerwünschter und unverdienter Be wunderung und Wertschätzung bedacht hat. Vielleicht Haber diese Schmeicheleien in dem unerfüllten Wunsche der Mengi ihren Ursprung: die wenigen Gedankengänge, die ich — mit meinen schwachen Kräften — in meinem Werke zum Aus druck gebracht habe, verstehen zu lernen. Das Schönste, das wir in unserem Leben erfahren können, ist das Mystische, Geheimnisvolle. Hier liegt die Quelle jeder wahren Kunst und jedes echten Wissens. Der jenige, der dieses Gefühl nicht kennt, der nicht stille stehen und von Ehrfurcht ergriffen werden kann, ist so gut wie tot. Seine Augen sind blind. Dieser nach innen gerichtete Blick auf das Mysterium des Lebens ist gleichzeitig, auch wenn er sich mit der Furcht Paart, der Ursprung der Religion. Zu wissen, daß jenes, was für uns unerforschlich ist, wirklich besteht und sich uns in der höchsten Weisheit und Schönheit offenbart, die wir in unserem schwachen Menschen verstände nur in ihrer primitivsten Form erfassen können — dieses Wissen, dieses Gefühl liegt im Mittelpunkte jeder wahren Religiosität. Ich begnüge mich damit, das Mysterium des bewußten Lebens zu betrachten, das sich selbst durch alle Ewigkeit fort letzt, und über die wundervolle Struktur des Universums >,achzudenken, die wir nur dunkel ahnen können, und den' bescheidenen Versuch zu machen, nur einen unendlich kleinen Teil jener Intelligenz zu begreifen, wie sie sich in der Natur offenbart. Beschlagnahmte deutsche Vermögen. In den Vereinigten Staaten von Amerika bis 10. März an melden. Nach den Angaben des amerikanischen Treuhänders für das beschlagnahmte Eigentum ist von der Deutschen Botschaft in Washington eine Liste zusammengestellt worden, die in alphabetischer Reihenfolge die Namen derjenigen Inter essenten enthält, bei deren Guthaben sich kein Vermerk über die Stellung eines Freigabeantrags findet. Die Frist zur Anmeldung von Freigabeanträgen läuft endgültig am 10. März 1931 ab. Wer bis dahin die Freigabe seines in den Vereinigten Staaten von Amerika beschlagnahmten Eigentums nicht beantragt hat, wird nach dem amerikanischen Gesetz vom 10. März 1928 für aller Rechte daran verlustig angesehen. Die Liste liegt für alle Interessenten bei der Jndustrie- und Handelskammer zu Berlin, Berlin NW. 7, Dorotheenstr. 8, und in der Autzenhandelsstelle für Berlin, Brandenburg, Pommern und die Grenzmark, Berlin C. 2, Klosterstr 41, zur Einsichtnahme aus. Die Freigabeanträge sind bis spätestens zum 10. März 1931 anzubringen. Genaue Anschrift des Treu händers: The Alien Property Custodian, Tower Building, 14th and K Streets NW., Washington D. C., U. S A. 1,8 M. M. ßr die WMedemn mn Miks. Berlin, 24. Dezember. Amtlich wird mitgeteilt: Für die Hinterbliebenen der bei dem Grubenunglück aus Grube „Anna 2" in Alsdorf bei Aachen ums Leben gekommenen Bergleute und für die Verletzten sind jetzt einschließlich der bisher vom Reich, vom preußischen Staat und vom Eschweiler Bergwerksverein bereit- gestellten Beträge annähernd 1 600 000 NM. verfügbar. In die sem Betrage sind viele tausend Einzelspenden enthalten, die teils in Aachen, teils auf den Sammelkonten der Reichsgeschäftsstelle der Deutschen Nothilfe in Berlin eingegangen sind. Alle Kreise der deutschen Bevölkerung haben sich trotz der ungünstigen Wirt schaftslage opferwillig mit Geld- und Sachspenden an dem Hilsswerk beteiligt. Auch aus dem Ausland sind zahlreiche Spen den eingegangen. Allen Spendern wird namens der bedauerns werten Familien, die durch das Grubenunglück betroffen wurden, nochmals herzlichst gedankt, ebenso den Zeitungen und Vereinen, die das Hilfswerk durch Einleitung von Sammlungen erfolgreich gefordert haben. Die zweckentsprechende Verwendung der gespen deten Beträge im Sinne der Spender ist durch einheitliche Zu- sammensassung aller verfügbaren Geldbeträge gewährleistet. Für die Verteilung des Fonds ist ein Ausschuß unter Vorsitz des Re gierungspräsidenten in Aachen eingesetzt worden, in dem die be teiligten Behörden, die Bergwerksleitung, die Belegschaft, die Gewerkschaften und die Organisationen der freien Wohlfahrts pflege vertreten sind. Bild links: Die Beisetzung des Gesandten Rauscher auf dem Bergfriedhof in St. Blasien, wo Rauscher — Deutschlands bis heriger Gesandter in Warschau — im Alter von erst 46 Jahren seinem Lungenleiden erlegen war. —Bild rechts: Innerhalb we niger Minuten gesunken ist der finnländische Passagierdampfer ,Oberon", der im Kattegatt nachts bei dichtem Nebel von einem anderen Dampfer feiner eigenen Reederei gerammt wurde und 17 Passagiere und 28 Mann der Besatzung mit in die Diese riß. Johannes Termolen Originalroman von Gert Rothberg. 17. Fortsetzung Nachdruck verboten Termolen mied jetzt Frau Haiden vollständig. Daß er ihr damit unsagbar weh tat, ahnte er nicht, wie seine Ge danken wohl überhaupt nie zu ihr schweiften, außer wenn er ihre Geschäfte führte. Es war ein warmer Abend im Juli, als Termolen ge gen elf Uhr aus dem Klub kam. Er sah in Stettenheims Büro noch Licht und meinte, der Freund arbeite noch. Rasch ging er hinauf und öffnete die Tür. Da blieb er stehen, zog leise die Tür hinter sich zu. Am Tisch saß Sigrid Lengenfeld und hatte den blonden Kopf auf die Bücher gelegt. Sie schlief fest. Mit einem sonderbaren Gefühl im Herzen sah Termo len auf das Mädchen. Der Stock mit dem eleganten Elfen beingriff zitterte leicht in seiner Hand. Sigrid hatte den Mund ein wenig geöffnet und die weißen Zähne schimmerten. Ein tolles Verlangen kam über Termolen. Er beugte sich plötzlich und küßte den kleinen geöffneten Mund. Entsetzt fuhr das junge Mädchen empor. Sah den Mann über sich gebeugt, den Mann mit den gebietenden Augen und dem leichten Siegerlächeln. „Liebe kleine Sigrid, warum erschrecken Sie denn?" Und abermals näherte er seinen Mund dem ihren. Sigrid fühlte nicht die Kraft in sich, vor ihm zu fliehen. Regungslos saß sie da und ihre wunderschönen graublauen Augen hingen an ihm. Da umfaßte er den schlanken Mäd chenkörper. „Liebes Kleines!" Ganz still lag Sigrid in seinen Armen. Das Glück war gekommen. Seine Stimme klang dicht an ihrem Ohr: „Komm mit hinüber, niemand sieht dich." In ihre Augen kam das Entsetzen. Sie richtete sich auf. Glaubte noch immer, nicht recht gehört zu haben. Als sie in seinen flammenden Augen die dunkle Lei denschaft las, die ihr seine Worte mit ihrem demütigenden Inhalt bestätigte, da stieß sie ihn von sich. „Lassen Sie mich! Wie können Sie wagen, mich so zu beleidigen?" Er blickte ganz erstaunt. Wollte dieses kleine Mädchen ihm vielleicht gar Widerstand entgegensetzen? Lächerlich! Wieder näherte er sich ihr. Da griff Sigrid nach dem schweren Marmorschreibzeug auf Stettenheims Tisch. Termolen sah es. „Wildkatze!" Er streckte die Hände aus. Da warf das Mädchen das Schreibzeug nach ihm. Mitten auf der Stirn Termolens eine klaffende Wunde. Blut rann über das Gesicht. Mit weit offenen Augen blickte Sigrid um sich. Ein Aechzen kam aus ihrer Brust. Sie taumelte hintenüber und fiel ohnmächtig zu Boden. Termolen blickte auf die zusammengesunkene Mädchen gestalt, ohne sich zu rühren. Da fühlte er plötzlich den hef tigen Schmerz auf der Stirn, fühlte das warme Blut herab rinnen. Er riß ein Taschentuch hervor und tauchte es in die Schüssel. Dann legte er das nasse Tuch auf die Stirn. In diesem Moment öffnete sich die Tür und Stetten heim kam langsam herein. „Verzeihung, Hans, ich sah noch Licht. Ja, was ist denn?" setzte er erschrocken hinzu, als er Termolens blutiges Ge sicht sah. Da sah er die Mädchengestalt am Boden und er wußte auf einmal alles. Ein Stöhnen kam aus seiner Brust. Er kniete bei Sigrid nieder und nahm den blonden Kopf vom Boden auf. Sein anklagender Blick traf Termolen. Der kam näher. „Ich war einen Moment nicht Herr meiner selbst," sagte er mit abgewandtem Gesicht. „Die kleine Sigrid hat mich mit dem Schreibzeug in die Schranken zurückgewiesen. Jetzt habe ich außer vor meiner Mutter zum erstenmale Achtung vor einer Frau." Er wandte sich ab und ging mit schwerfälligen Schritten hinaus. „Es ist nichts geschehen, Gott fei Dank, nichts Ernstes ist geschehen!" dachte Stettenheim erleichtert. Er legte Sigrid auf die Chaiselongue und machte ihr einen kalten Umschlag auf die Stirn. Endlich kam das junge Mädchen wieder zu sich. Angst voll gingen ihre Augen umher. „Was ist mit Herrn Termolen? Wo ist er?" Noch immer war das wilde Entsetzen in ihrem Blick. Stettenheims Herz tat einen schweren Schlag. „Was ist er Ihnen?" Das Mädchen sah die ernsten Männeraugen, sah die Treue, die diesem Manne anhaftete, und zusammenbrechenL unter der Last ihrer Gedanken schlang sie die Arme uu Stettenheim. „Ich liebe Hans Termolen!" Totenstill war es nach ihren Worten. Die kleine Uhr auf Stettenheims Tisch tickte. Er hörte, wie sie sagte: „Narr! Narr!" Tief senkte er den Kopf, begrub sein seliges Hoffen, ge lobte sich, dem blonden Mädchen ein Freund zu sein, ein treuer, selbstloser Freund. Wild schluchzte Sigrid auf. „Ich liebe ihn und er denkt schlecht von mir, wie durfte er sonst so häßlich zu mir sprechen?" Plötzlich faßte sie Stettenheims Hand. „Herr von Stettenheim, ich habe ... ich habe, o mein Gott, Herr Termolen war verletzt. Das viele Blut. Bitte, sehen Sie nach ihm." Stettenheim stpnd langsam auf, die Glieder waren ihm wie mit Bleigewichten beschwert. „Herr Termolen ist in seine Wohnung gegangen," sagte er dann. Plötzlich besann er sich, daß er das ja gar nicht wußte, sondern nur vermutete. (Fortsetzung folgt.)