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MsdrufferTageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft/ Das „Wilsdruffer Tageblatt" erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in der Geschäftsstelle und den Ausgabestellen 2RM. im Monat, bei Zustellung durch die Voten 2,30 NM., bei Postbestellung 2 NM. zuzüglich Abtrag- . . ... gebühr. Einzelnummern 15Rpfg.AllePostanstalten Wochenblatt für Wilsdruff u. Umaeftend Postboten und unfereAus- träg er und Geschäftsstellen — nehmen zu jeder Zeit Be ¬ stellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Aücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des ForstrenLamts Tharandt und Les Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8 gespaltene Naumzeile 20Rpfg., die 4 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs, Pfennig, die 3gespaltene Neklamezeile im textlichen Teile I Reichsmark. Nachweisungsgebühr 20 Neichspsennige. Vor geschriebene Erschcinungs- —, _ * tage und Plaßvorschristen werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 berücksichtigt. Anzeigen annahme bis I'vrm.10 Uhr. — — — Für die Richtigkeit der durch FernrufübermitteltenAnzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Rabattansprv ch erlischt, wenn derBetrag durch Klage eingezogen werden muß oderderAuftraggeberin Konkurs gerät. Anzeigen nehmen alle Vermittlungsstellen entgegen. Nr. 300 — 89. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Wilsdrusf-Dresden Sonnabend, den 27. Dezember 1930 Postscheck: Dresden L64V Kräfiesammlung. Erholung von der Politik. — Angenehme Enttäuschungen. Wendepunkt der Wirtschaftskrise? Ein wenig langsamer schlägt zwischen Weihnachten und Neujahr der Puls unseres wirtschaftlichen und poli tischen Lebens; etwas vom Fest tragen wir doch hinein in den grauen Alltag der Wirklichkeit. Die kurze Spanne des Atemholens, des Sichbefinnens, der „Ferien vom Dasein" soll neue Kräfte erstehen lassen. Gerade im politischen Leben der letzten Monare wnrde an ihnen etwas wie Raubbau getrieben, und wenn ein Teil der Minister Erholung sucht fern vom Ort ihrer sonstigen Tätigkeit, so kann man es ihnen nach der wilden Arbeit der letztvergangenen Zeit wohl gönnen. Man möchte das scherzhaft dahin erweitern, daß wir selbst, die Regierten, uns ein wenig Ruhe gönnen vor den Regierenden. Denn nun soll es sich doch erst zeigen, ob und wie sich das alles auswirkt, was die Regierung an Gesetzen, Verordnungen usw. über das deutsche Volk ausgeschüttet hat. Und das war wirklich nicht wenig. Das alles muß erst einmal gründlich verarbeitet werden, nicht zuletzt von den Behörden selbst; die Maschine mutz sich einspielen. Dabei steht noch manches Zusätzliche in gar nicht so ferner Aussicht; Dr. Brüning hat das, was er in den ver gangenen Wochen durchsetzte, ja erst als einen Beginn bezeichnet. In rasend-aufreibendem Tempo geht es vor wärts. Ob auch — aufwärts? Wir wissen es nicht, er hoffen es aber. Ob aufwärts auch ans dem so müh samen Wege unserer Außenpolitik? Auch darauf ist nur zu antworten: Wir wissen es nicht, wir erhoffen es aber. Erhoffen es stärker als sonst; denn der Außen minister wird für die I a n u a r t a g u n g desVölker- bund rates gesammelte Kräfte brauchen. Für die Auseinandersetzung mit Polen. Denn diesmal wird es sich nicht nur um Schulfragen in Oberschlesien, um Rechts- Verweigerungen in Posen und „Pommerellen" der deut schen Minderheit gegenüber handeln. Heule schreit Blut, deutsches Blut zum Himmel, Mißhand lung, Raub der primitivsten Menschen- und Bürgerrechte. Gewiß Wollen wir es nicht überschätzen, daß man in der Welt etwas aufmerksam geworden ist darauf, wie Polen mit seinen Minderheiten verfährt, daß ausländische Augenzeugen selbst Scheußlichstes zu berichten genötigt waren. In der Atmosphäre von Gens, im Völkerbundrat, sind andere Einflüsse mächtig als die des Rechts, der Gerechtigkeit, der Moral. Ob sie übermächtig sind, wird sich m kommenden Tagen entscheiden. Aber in gesammelter Kraft, in der Rüstung dieses Rechts wird Deutschlands Vertretung vor dem Völkerbund erscheinen, der nicht zu letzt die Wahrung des Rechts der Minderheiten als Quelle seines Entstehens hat. * Nach, dem Fest erfolgt nun auch das wirtschaft- l l ch e Sichbestnnen. Und da stellt es sich heraus, daß — man ist vorsichtig und zurückhaltend geworden — das Weihnachtsgeschäft, also wohl die wichtigste, ja ent scheidende Verkaufsperiode des Jahres, besser geworden ist, als nn allgemeinen geglapbt und vor allem befürchtet wurde. Selbstverständlich läßt'sich der Umsatz dem Gesamt werte nach nicht mit dem des Vorjahres vergleichen, das übrigens auch schon unter dem Zeichen der Krise stand. Seitdem ist ja das Einkommen des deutschen Volkes erheblich gesunken, aber — wenn man sich aus den bisherigen „Situationsmeldungen" ein un gefähres Bild machen darf — mengenmäßig ist auf vielen Gebieten des Einzelhandels der Absatz längst nicht in dem befürchteten großen Ausmaß geringer geworden, hat sich vielmehr sogar hier und da aus der vorjährigen Höhe gehalten. Der Preisabbau wiederum hat auch nach der Richtung hin gewirkt, daß z. B. in der Textilwirtschaft die Abwanderung der Käufer in die billigeren Qualitäten hinein doch nicht so umfangreich wurde, wie man nach den Erfahrungen der letzten Zeit geglaubt hatte, erwarten zu müssen. Daß die ausgesprochene Luxusindustrie weniger auf ihre Kosten gekommen ist. dürfte auf der Hand liegen. Soll man aus der im allgemeinen „angenehmen Ent täuschung" nun schon weitergehende Schlüsse ziehen? Daß auch jetzt, Wie schon einmal vor fünf Jahren, das Weih nachtsfest den Wendepunkt der Wirt schaftskrise bringt? Wohl möchte man auch dies erhoffen, aber man ist vorläufig noch allzu pessimistisch. Die Piermillionenzahl der Arbeitslosen war das nieder drückendste „Geschenk", das uns auf den Weihnachtstisch gelegt wurde. Wenn aber aus dem weihnachts - geschäfts mäßigen Ansteigen des Absatzes auch nur eine stärkere Be lebung übrigbleibt, die nun bald in den Wochen der „Saisonausverkäufe" neue Antriebe erhalten wird, dann darf man wohl damit rechnen, daß dementsprechend auch neues Leben aus den Ruinen der Erzeugung blühen wird, weil von dort her der Einzelhandel die Läger wieder auf füllen muß Auch die Wirtschaftskonjunktur setzt sich selbst nach oben in weitere Bewegung, wenn sie nur einmal den ersten gründlichen Anstoß erhalten har. Wenn trotzdem heute noch nicht gar so selten schwarzsehende Pessimisten murmeln, daß es im Januar „noch viel schlechter" werden wird, so darf man demgegenüber doch wohl nach der Bilanz des Weihnachtsgeschäftes wieder auf eine „an genehme Enttäuschung" hoffen, ohne damit nur in einen unbegründeten oder übertriebenen Optimismus zu ver fallen. Dr. Pr. Zer AW über MbeWMifierW Paris, 27. Dezmber. Die großen Pariser Blätter ver öffentlichen anläßlich der Feiertage Weihnachtsartikel, von denen derjenige des Temps besondere Beachtung verdient. Das Blatt geht von den Friedenskundgebungen aus, die sowohl vom eng lischen Außenminister Henderson wie auch vom Papst erlassen worden sind und kommt zu dem Schluß, daß die Gefahr eines neuen Krieges besonders darin liege, daß die einzelnen Völker sich nicht über die Methode einig seien, mit der sie den Frieden organisieren wollten und sicherlich auch nie darüber einig werden würden. Die Worte des Papstes seien nicht nur an die katholische Welt, sondern an Alle gerichtet, die überhaupt an der Organisie rung -es Friedens mithelfen wollten. Während des Weltkrieges habe man sich vielfach darüber gewundert, daß der Heilige Stuhl den Eindruck erweckt habe, nicht in voller Unabhängigkeit diejeni gen zu verurteilen, die den Degen gezogen hätten, und nach dem Friedensspruch durch den Degen umgekommen wären. Der bri tische Außenminister habe nicht unrecht, wenn er von einem Scheideweg spreche und davon, daß der Friede auf fester Grund lage ausgebaut werden müsse, um eine Katastrophe der Zivili sation zu verhindern. Wenn er jedoch behaupte, selbst davon überzeugt zu sein, daß niemand den Krieg wünsche oder vorbe reite, so hätte er besser gesagt, daß diejenigen, die niemals den Gedanken eines Krieges aufgegeben hätten, heute noch nicht in der Lage seien, diesen Gedanken mit Aussicht auf Erfolg zu ver wirklichen. Eine andere Frage sei aber die, ob diese Staaten den Krieg vorbreiten, indem sie geheime Rüstungen unternehmen und auf allen Gebieten Unruhe und Beunruhigung unterhielten. Je der sei heute davon überzeugt, daß eine unmittelbare Kriegsge fahr nicht bestehe. Das läge jedoch in der Hauptsache in politi- fchen, wirtschaftlichen und sozialen Umständen. Daß diese-Gefahr aber eines Tages durch die Handlungen gewisser Regierungen austauchen könne, ses ebenso sicher. Der Gefahr könne man nur durch eine Friedensorganisierung begegnen, die nicht nur in der Abrüstung liege. Die Abrüstung könne vielmehr nur sine Folge der erreichten Sicherheit sein, die sich nicht nur auf materielles Gebiet, sondern auch auf moralisches ausdehnen müsse. Grus MW Wer Wam WM. Budapest, 26. Dezember. Der Ministerpräsident Graf Bethjen äußert sich im „8 Orai Ujsag" mit besonderer Herzlichkeit über seinen Berliner Besuch, bei dem er, wie er erklärt, bestrebt gewesen sei, das alte freundliche Verhältnis zwischen Ungam und dem deutschen Reich wiederherzustellen. Seine Berliner Verhand lungen hätten W dem erfreulichen Ergebnis geführt, daß im Februar nächsten Jahres die Handelsvertragsverhandlungen zwi schen den beiden Staaten beginnen würden. Besonders erfreu lich sei dabei der Umstand, daß diese Verhandlungen nicht von ähnlichen Verhandlungen mit anderen Staaten abhängig gemacht worden seien. Der Ministerpräsident gibt zum Schluß der Hoff nung Ausdruck, daß trotz aller Schwierigkeiten ein Abkommen zwischen den beiden Staaten zustande- kommen werde, das den Interessen beider Länder rest los genüge. Der Ministerpräsident äußert sich weiter auch über die Außen politik Ungarns und betont, daß die Grundlinien dieser Politik einerseits durch die gegebene Lage, anderseits durch die freund schaftlichen Beziehungen, die Ungarn im Laufe der letzten Jahre ausgebaut und vertieft habe, bestimmt werden. Daraus ergebe sich, daß in den Richtlinien der ungarischen Außenpolitik keine starke Abweichung von der in der Vergangenheit befolgten Po litik zu erwarten sei. Für Ungarn sei es eine Notwendigkeit, mög lichst viel Freunde zu erwerben, die eg in seinem schweren Kampfe um die Zukunft unterstützen könnten. Einen Grundpfeiler der ungarischen Außenpolitik bilde die ungarisch-italienische Freundschaft. Ungarn sei aber bestrebt, seine freundschaftlichen Beziehungen zu allen jenen Staaten auszubauen, die eine wirtschaftliche oder po litische Interessengemeinschaft mit Ungarn hätten. Diesem Ziele habe sein, des Ministerpräsidenten, Besuch in Angora gedient, und demselben Zwecke würden seine bevorstehenden Besuche in Wien und Sofia dienen. Gestörte Weihnachtsfeiern. Mit Zigaretten in der Christmesse. In Pasing bei München hattte der dortige katholische Stadtpfarrer einen kommunistischen Drohbrief erhalten, in dem ihm angedroht wurde, man werde ihn während der Christmesse von der Kanzel Herunterschietzen. Die Polizei entsandte Beamte in Zivil in die Christmesse. Während des Gottesdienstes drangen junge kommunistische Bur schen mit brennden Zigaretten in die Kirche ein. Sie wurden aus dem Gotteshaus gedrängt und draußen vom Publikum gehörig verprügelt. „Heidnischer Tand." Am ersten Weihnachtsfeiertag warf während des vormittäglichen Festgottesdienstes im Berliner Dom der 39jährige „Evangelist" Fritz Schulz, der dem Gottes dienst beiwohnte, plötzlich einen Tannenbaum mit den Worten „Heidnischer Tand, weg mit dem Zeug!" um. Der Ruhestörer wurde sofort der Polizei übergeben. Weihnachtssrieden in Dresden. In der sächsischen Landeshauptstadt sind die Weih nachtsfeiertage ruhig verlaufen und die angekündigteu kommunistischen Demonstrationen am Heiligen Abend sind als gefcheitert zu bezeichnen. Die Polizei hatte um fangreiche Sicherheitsmaßnahmen getroffen und u. a auch die Besucher der Christmetten durch Absperrungen au den Kirchen vor Belästigungen geschützt. Demonstrationen in LhemniH. Seit den Vormittagsstunden des Heiligen Abends be reits durchzogen mehr oder weniger große Trupps die Hauptstraßen der Stadt und versuchten Hungerdemonstra tionen zu veranstalten. Die Polizei mußte wiederhol' mit dem Gummiknüppel eingreifen und hat auch eine An Zahl Personen zwangsgestellt. Betrunkene Kommunisten stören Frühmesse in Koblenz. Am zweiten Feiertag wurde von drei betrunkenen jugendlichen Kommunisten — einem Mann und zwei Frauen — in einer Koblenzer Kirche die Frühmesse durch Rufe wie „Heil Moskau!" gestört.Die Polizei nahm die Störenfriede fest. Gottesdicnststörung im Bremer Dom. Zu Beginn der Andacht am Heiligen Abend verur sachten einige junge Burschen im Bremer Dom wüsten Lärm. Es ertönten Schimpfrufe wie „Hol der Teufel die Kirche!". Als die Polizei erschien waren die Unruhestörer uicht mehr zu ermitteln. Blutige Ehetragödie am Heiligen Abend. Am Heiligen Abend drang in Köln-Deutz ein Kauf mann in die Wohnung der von ihm getrennt lebenden Frau ein und aab nach einer Auseinandersetzuna auf sie und ihren anwesenden Liebhaber drei Schüsse ab, wo bei die Frau durch einen Herzstreifschuß und der Lieb haber durch einen Bauchschuß lebensgefährlich verletzt wurden. Der Ehemann gibt an, in Notwehr gehandelt zu haben. Er wurde verhaftet. Von der Weihnachtsfreude in den Tod. Am ersten Weihnachtsfeiertag ereignete sich in Düssel- dorf-Hamm ein tragischer Unglücksfall. Die beiden Kinder der Familie Windhövel gingen morgens gegen 6 Uhr ohne Wissen der Eltern vom Schlafzimmer im Nacht hemd in das eine Treppe tiefer liegende Wohnzimmer, um die Geschenke zu bewundern. Nachdem sie einige Kerzen des Weihnachtsbaumes angezündet hatten, kam das vierjährige Töchterchen einer Kerze zu nahe, so daß die Haare und das Nachthemd Feuer fingen. Auf das Schreien des Kindes eilten die Eltern herbei und erstickten den Brand. Das Kind hatte sich aber bereits so schwere Brandwunden zugezogen, daß es noch am Nachmittage starb. MgMMer Erdbeben in Argentinien. Buenos Aires, 26. Dezember. Die nordargentinische Provinz Salta ist am Weihnachtsheiligabend von einer schweren Erdbeben- nn- Wvlkenbruchkatastrophe heimgesucht worden, die zahlreiche Menschenleben gefordert hat. Nach den bisher vorlie genden spärlichen Meldungen wurden 35 Menschen getötet. Einige Ortschaften, darunter die Stadt La Poma, sollen zerstört worden sein. Sämtliche Telephon- und Telegraphenverbindungen mit dem Erdbebengebiet sind unterbrochen. Die Bahnverbindung ist eben falls zerstört, da die Bahndämme durch die Erdstöße zerrissen und von Len Wassermassen unterspült worden sind. In der Hauptstadt befürchtet man, daß die Erdbebenkatastrophe bei weitem schwerer ist, als die bisherigen Nachrichten vermuten lassen. Die Regierung hat sofort Hilfsexpeditionen für das betroffene Gebiet ausgerüstet. Arbeitersiedlung in Oberschlesien. Verminderung der Erwerbslosen angestrebt. Der preußische Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten, Dr. Steiger, hatte in das Oberpräsidium in Oppeln zu einer Erörterung der Frage geladen, ob und in welchem Umfang die ernste Lage der oberschlesischen Erwerbslofen durch die ländliche Siedlung erleichtert werden könne. An der Besprechung nahm außer dem Minister auch der Generaldirektor Bollert vom preußischen Landwirtschaftsministerium teil. Ferner waren vertreten der Präsident des Landeskulturamtes Breslau, des Landes arbeitsamtes Schlesien, Zweigstelle Oberschlesien,, sowi.