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Deutsches Reich Das Reichsministerium an den Feiertagen. Über Weihnachten werden folgende Minister in Berlin verbleiben: Dr. Curtius, Dr. Stegerwald, Gröner und von Guörard. Wo der Reichs kanz l e r die Feiertage verbringen wird, steht noch nicht fest. Sicher ist, daß Dr. Brüning am 4. Januar seine Ost reise antreten will, von der er am 11. Januar wieder in Berlin zurück sein wird. Dr. Wirth wird seinen Urlaub von Leipzig aus antreten, wo er zu Einigungsverhand lungen mit Thüringen bei dem Reichsgerichtspräsidenten eingetroffen ist. Reichsernährungsminister Schiele wird von seinem Weihnachtsurlaub am 6. Januar nach Berlin zurückkehren. Neuer polnischer Gesandter Dr. Wysocki. Die Reichsregierung hat die Zustimmung für den Staatssekretär im polnischen Außenministerium, Doktor Alfred Wysocki, erteilt, so daß mit dessen Ernennung zum polnischen Gesandten in Berlin zu rechnen ist. Der neue Gesandte war ursprünglich Journalist. Er trat dann in die österreichische Verwaltung über, wo er Hofrat wurde. 1918 stellte er sich dem Polnischen Staate zur Verfügung, stand erst im diplomatischen Dienst und wurde dann zum Staatssekretär im polnischen Außenministerium ernannt. Tschechoslowakei. Deutsche Beschwerden an den Völkerbund wegen der Volkszählung. Der deutsche parlamentarische Ausschuß, dem alle deutschen Parteien im Prager Parlament angehören, hielt eine Sitzung ab, um den Bericht des deutschen poli tischen Arbeitsamtes über die Volkszählung entgegenzu nehmen. Dabei ist eine ganze Anzahl von begründeten Beschwerden vorgebracht worden, wie die Volkszählung durchgesührt wurde; z. B. schwere Benachteiligung des Deutschtums bei der Ernennung der amtlichen Personen, Zusammenspiel von Behörden und Tschechisierungsver- einen zur Einwirkung auf abhängige Personen, weiter Verschiebung von Militär, Übernachtung von auswärtigen tschechischen Schulkindern und ortsfremden erwachsenen Tschechen in deutschen Gegenden und andere Übergriffe verschiedenster Art. Diese Beschwerden werden dem Völkerbund zugeleitet. Polen. Der entlassene Korfanty wird gefeiert. In der Nacht traf auf dem Kattowitzer Bahnhof der Abgeordnete Korfanty ein, der aus dem Mokotower Unter suchungsgefängnis in Warschau entlassen worden war. Eine etwa vieltausendköpfige Menge, unter der sich außer ordentlich viele Geistliche befanden, brachte Korfanty leb hafte Ovationen dar. Man streute ihm Blumen, empfing ihn wie einen Helden und Märtyrer. Korfanty war beim Feldzuge der Regierung gegen alle Opposition während der Wahl gefangengesetzt worden. Korfanty forderte alle in einer Ansprache auf, zu schwören, daß sie den Kamps bis zur Erlangung des vollen Sieges führen werden. Die Menge rief begeistert: „Wir schwören!" Im Laufe des Sonntags fanden sich bei Korfanty Hunderte von Dele gierten der verschiedenen politischen Organisationen Polnisch-Oberschlesiens ein. Außerdem hat Korfanty Tausende von Glückwunschdepeschen erhalten. Spanien. Die Opfer des Aufstandes. Die spanische Regierung gibt bekannt, daß die Un ruhen der letzten Tage 45 Todesopfer und 107 Verwundete gefordert haben. Es seien alle Maßnahmen im Gange, um eine schnelle Wiederherstellung der normalen Ver hältnisse herbeizuführen. Die Aufrechterhaltung des Be lagerungszustandes wird damit begründet, daß kommu nistische Elemente am Werke seien. Auch seien beträchtliche Waffentransporte beschlagnahmt worden. Großbritannien Einigung im englischen Bergbau. Die Mehrheit der englischen Bergarbeiter Hai durch Urabstimmung einen dreimonatigen Arbeitszeitkompromiß ohne Lohnkürzung gutgeheißen. Danach wird in den Gebieten, in denen der Achtstundentag besteht, für die näch sten drei Monate an fünf Werktagen 724 Stunden und am Sonnabend 6 Stunden gearbeitet. Rußland. Stalin entfernt alle Rechtsoppositionellen. Das. Zentralkomitee der Kommunistischen Partei hat seine Plenartagung beendet, deren wichtigste Aufgabe die grundsätzliche Stellungnahme zu der sogenannten Rechts opposition war. Nach Beschluß des Zentralkomitees scheidet Rykow, der von der Regierung seines Amtes als Vorsitzender des Rates der Volkskommissare der Union schon enthoben war, nunmehr auch aus dem Politbureau aus. Sein Nachfolger in diesem, für alle innen- und außenpolitischen Entscheidungen wichtigsten Gremium wird Ordshouikidse sein. Nach Rykow ist auch Tomski seiner bisherigen Stellung als Vertreter des Vorsitzenden des Obersten Wirtschaftsrates enthoben worden. Neue Reirhsbanlnoten zu 20 Reichsmark wurden in den Verkehr gegeben. Die Banknoten, die in bräunlichrotem Ton auf rehsarbenem Papier gedruckt sind, tragen auf der Vorderseite das Porträt Werner von Siemens', auf der Rückseite eine symbolische Darstellung der industriellen Arbeit. Neuer sur aller Welt -I 20 000 Zentner Zucker verbrannt. Bei dem Großfeuer in der Zuckerfabrik zu Bockenem sind das gesamte Ma schinenhaus mit den wertvollen Maschinen und Verwer tungsanlagen, die Werkstätten, der Zuckerboden und ein Teil des Zuckerlagers vernichtet worden; u. a. sind etwa 20 000 Zentner Zucker, die allein einen Wert von 400 000 Mark darstellen, verbrannt. Der Gebäude- und der Sach schaden geht in die Millionen. Schwere Bluttat bei Memmingen. Auf dem einsam gelegenen Hofe des Landwirts Ludwig Kutter in Böhen bei Memmingen ereignete sich eine schwere Bluttat. Der 22jährige Neffe des Bauern, der dort zu Besuch weilte, gab auf den Bauern, auf dessen Haushälterin und auf den 18 Jahre alten Sohn der Haushälterin aus unbe kannten Gründen mehrere Schüsse ab. Der Sohn der Haushälterin wurde so schwer getroffen, daß er verstarb. Der Bauer und die Haushälterin mutzten in das Kranken haus in Memmingen gebracht werden. Der Täter ist ge flüchtet. Der Hof, der von den drei Leuten bewohnt war, steht vollständig verlassen da. Entsetzlicher Unfall eines Totengräbers. Ein furcht bares Unglück ereignete sich auf dem neuen Friedhof in Rostock. Der Friedhofsarbeiter Necker war mit dem Aus graben eines Grabes beschäftigt. Er stand dabei in der ausgeschaufelten Grube, deren Bohlenversteifungen plötz lich nachgaben, so daß er von den Erdmassen erdrückt wurde. Als man den Unglücklichen aufrecht in der Grube stehend später vorfand, war der Tod bereits einaetreten. Borvcrettung auf den neuen Krieg. Vm franzostfcyes Blatt berichtet aus Cambrai, daß in der dortigen Ge meindeschule seit einiger Zeit militärischer Unterricht zur Verteidigung gegen den Gaskrieg erteilt werde. Die Kin der müßten sich hierbei sogar im Tragen der Gasmasken üben. Ein französischer Offizier, der den Unterricht leite, habe eAlärt, der nächste Krieg werde bereits vor 1932 ausbrechen. Das Ende des Amokläufers von Perpignans Der Unteroffizier des Senegalesenregiments in Perpignan, der in einem Wahnsinnsanfall mehrere Menschen getötet oder schwer verletzt hatte, hat sich, nachdem Militär und Gen darmerie mit Tränengasbomben gegen ihn vorgegangen waren, in einem Versteck erschossen. Schulmädchen auf Diebesfahrten. In der letzten Zeit wurden in Debretzin in Ungarn auffallend viele Ein bruchsdiebstähle verübt. Nach langen Untersuchungen stellte die Polizei fest, daß die Einbrüche von einer Bande von 12- bis 14jährigen Mädchen verübt worden sind. Die Anführerin der Bande ist 17 Jahre alt. Alle Mitglieder der Bande lebten auf großem Fuße. Das italienische Ozcanfluggeschwader in Marokko. Zwölf der 14 italienischen Wasserflugzeuge, die sich aus einem Fluge nach Südamerika befinden, trafen unter Führung des italienischen Luftfahrtministers Balbo in Kenitra (Marokko) ein. Bei ihrer Ankunft wurden die Flieger von zwei französischen Kampfflugzeuggeschwadern empfangen. Bunte Tageschronik Sensburg. Beim Schlittschuhlaufen aus dem noch zu schwachen Eise der umliegenden Gewässer brachen drei Knaben ein und ertranken. Friedrichshafen. Im Alter von 65 Jahren starb hier der Diplomingenieur Theodor Kober, der zu den Mit arbeitern des alten Grafen Zeppelin gehörte und einer der ersten „Zeppelin"-Konstrukteure war. zurück. Wir erhielten Befehl, am 8. Juni abends 10 Uhr als Nahkampf batterie in Stellung zu gehen. Die Feuerstellung war eine Wiese hinter einem Wäldchen rechts der großen Pariser Straße. Am 3. Juni, sechs Tage vor Beginn der Offensive, begannen die großen Vorbereitungen. So mit sollte doch an unserem Abschnitt der Vorstoß durchgeführt werden! — Wenn die Sonne untergegangen war und die Beobachter in den feind lichen Fesselballons nichts mehr sehen konnten, wurden heimlich die ge waltigen Vorbereitungen getroffen. Auf den tagsüber verkehrslosen Straßen bewegten sich nach Einbruch der Dunkelheit endlose Munitions- kolonnen der Front entgegen. In lückenloser Kette fuhr ein Wagysi hinter dem anderen auf der rechten Straßenseite vor, auf der linken zurück. In den großen Munitionsdepots an den Bahnstationen hinter der Front wurden sie beladen; jeder Wagen mit 30 bis 40 Schuß. In den Feuerstellungen vorn wurden die Granaten abgeladen. Meistens gleich in die Straßen gräben, um Zeit zu sparen. Abends gegen 10 Uhr setzte das Munitions fahren ein, und frühmorgens, wenn es tagte, fuhren die letzten Kolonnen zurück. Fußhoch lag der trockene Staub aus den Landstraßen. In dicken Schwaden zog er im leichten Abendwinde über die Wiesen dahin. Pferde und Menschen erhielten eine feldgraue Farbe. Und zwischen diesen Muni tionskolonnen fuhren neue Batterien in Stellung, Feldgeschütze, Haubitzen und Mörser. Das war ein Rollen und Rasseln ohne Ende. — Drei Rächte lang war dieser Großbetrieb ohne Störung durch den Feind glücklich verlaufen. Der Franzmann drüben hatte anscheinend keine Ahnung von dem, was hier vor sich ging. Da, in der Nacht zum 7. Juni, also drei Tage vor dem Sturm, legte der Feind plötzlich ein wahnsinniges Vernichtungsfeuer auf die Straßen, wo unsere Kolonnen Munition vor- Lrachten. Ich war in jener Nacht gerade in der Feuerstellung. So leicht sollte mir der Weg zurück ins Quartier nicht werden. Auf den Straßen kam ich kaum durch, und querfeldein waren Gräben und Stachel drahtverhaue. Dazu war es Nacht. Als dieses Vernichtungsfeuer in Art von Feuerüberfällen einsetzte, gab es herzzerreißende Szenen auf den Straßen. Die Pferde, die vorher im Schritt gingen, galoppierten jetzt wie die Wilden. In den Feuerstellungen wurden die Granaten rasch herunter geworfen, und dann gings mit leeren Wagen im Galopp wieder zurück. Dabei droschen die Fahrer auf die Pferde, soviel sie nur konnten. Hochauf wirbelte der Straßenstaub! Das war eine tolle Jagd! Und mitten in diese jagenden Kolonnen schlugen die Granaten ein. Die getroffenen Pferde sprangen auf und verfitzten sich im Geschirr. Die Fahrer lagen in den mei sten Fällen darunter. Die folgenden Wagen fuhren drauf, und so wurde schließlich ein Knäuel von Pferden, Menschen und Wagen fertig. Dann entstand eine kurze Stockung. Die größten Hindernisse wurden beiseite ge schoben, und bald ging die tolle Jagd wieder weiter. Pferdeleiber blieben dabei meistens liegen. In solchen Augenblicken wurden sie einfach zerfahren. Und die armen Menschen legte man einstweilen in den Straßengraben, und nicht immer war es möglich, die Verwundeten sofort zu verbinden. Dann lagen sie eben so lange, bis das Feuer nachließ. Gegen 3 Uhr morgens wurde es ruhiger. Da hatte sich der Franzmann ausgetobt. Ich ging aus Fußpfaden zurück ins Quartier und kam gut an. (Fortsetzung folgt.) M. 8 „WttrarurfLr Vagtoiatt" 23 12. IYZ0. Liniere Heimat im Aettkriege SSSSSSSSSSSÄSSASSSSSSS Bearbeitet von A. Kühne, Wilsdruff. Es wurden verladen zwei sächsische Proviant-Kolonnen, eine säch sische Pionier-Kompagnie, eine bayerische Sanitätskompagnie und ein Sam meltransport. In welcher Schnelligkeit diese Hunderte von Pferden und Wagen, Autos, Verpflegung und Fourage mit vier Dampfkrähnen in den Schiffskoloß befördert wurden, das kann sich nur der vorstellen, wer es ein mal gesehen hat. Das Verladen dauerte knapp zwei Tage, und zuletzt kamen die Mannschaften an Bord. Infolge stürmischer Witterung hatte der größte Teil der Mannschaften den ersten Abend stark unter der Seekrankheit zu leiden. Ein türkisches Tor pedoboot war unser treuer Begleiter. Die deutschen Minensuch-Divistonen haben hier bei Aufräumung des verseuchten Schwarzen Meeres schwere Ar beit geleistet, und an dieser Stelle möchte ich eines meiner treuesten Jugend freunde, des Deckoffiziers Paul Görtz, gedenken, der hier im Schwarzen Meer in treuer Pflichterfüllung sein Leben gelassen hat. Er war einer der Besten. — In Odessa — einer Stadt von ca. einer Million Einwohner — hatten wir einen Tag Ruhe und konnten uns die Stadt besehen. Sie ist wunderbar am Meer gelegen, und es ist drinnen ein Riesenbetrieb. Nur die aufgestellten deutschen und österreichischen Kanonen und die mit Stahlhelm und Handgranaten ausgestatteten Posten erinnern daran, daß hier etwas nicht im Lot ist. Speck, Butter, Seife usw. gab's hier noch in Massen, aller dings auch zu sehr hohen Preisen. Ausgefallen sind mir hier vor allem die prachtvollen Droschkengespanne. Meist wunderbare Hengste mit wehenden, langen Schweifen und dem bekannten Bogengespann. Die kleinen Wagen mit Gummireifen, ebenso die Pferde mit Gummi auf den Elfen. Man hat sich vielfach von Rußland ein ganz falsches Bild gemacht. Die Städte sind meist sehr großzügig angelegt, schöne breite Straßen mit Alleen. Und die Häfen sind, so viel ich beurteilen kann, ebenso ganz vorzüglich an gelegt. Von Odessa find wir den anderen Tag mit demselben Schiff weiter nach Nikolajew gefahren, und hier wurden die beiden sächsischen Proviant- Kolonnen ausgeladen. Am Pfingstsonnabend sind wir in N. wieder abgefahren und kamen am ersten Pfingstfeiertag nachmittags in Sewastopol an. Erwähnen möchte