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Wilsdruffer Tageblatt : 13.12.1930
- Erscheinungsdatum
- 1930-12-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-193012133
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19301213
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19301213
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1930
-
Monat
1930-12
- Tag 1930-12-13
-
Monat
1930-12
-
Jahr
1930
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 13.12.1930
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de» für die Jugcndhilfe geben sollen. Ein großes Pfeffer- kuchen-Hcxenhaus am Pirnaische» Platz ist schon voriges Jahr dazu gekommen, ein Schneemann am Georgplatze hat sich in diese» Tagen noch dazu gesellt, — alles Werbung für einen mildtätigen Zweck. Aber die Spenden fließen nur langsam, zu klein ist der Kreis derer geworden, die noch Überfluß haben. Auch wer noch in Brot steht, fühlt ja seinen Verdienst verengt. Nicht nur Lohn- und Gehaltskürzung tragen dazu bei: die neuen Gemeindesteuern vor allem schaffen Verbitterung und hemmen die Gebefreudigkeit. Musikinstrumentensteuer, erhöhte Hunde steuer, Katzensteuer, Getränkesteuer und außerdem noch die sogen. Bürgersteuer wollen bezahlt sein, manches sorgsam geführte Budget wird durch sie in Unordnung gebracht. Die Erbitterung darüber besteht noch unvermindert fort, und sie macht sich nicht nur in großen Protestversammlungen, sondern auch in erregten Kundgebungen einzelner Lust. Mancher er boste anonyme Bries ist in diesen Tagen geschrieben worden, und es soll wirklich nicht erfunden, sondern Tatsache sein, daß der Oberbürgermeister neulich ein Paket empfing, in dem — einige abgeschnittene Katzcnköpfe waren. Wer es getan Hai, - beweist damit, daß er gerade sich nicht beklagen sollte. Wenn er es fertig bringt, an seiner toten Katze herumzuschneideri, dann ist sie ihm wohl wenig ans Herz gewachsen gewesen. Daß es andere Leute gibt, die mild mit Tiere» umzugehc» verstehen, zeigt die Kurverwaltung von Weißer Hirsch. Sie hat mehrere Tafeln im Walde anbringcn lassen, auf denen die Kurgäste gebeten werde», nicht zu erschrecken, wenn ihnen beim gemütlichen Spaziergang ein Eichhörnchen oder ein Vogel über den Weg hüpft: „Die lieben Tierchen wollen ja nur mit Ihne» spiele» . . ." So die Kurverwaltung. Andere Leute haben andere Sorgen, und die Frage, wer der Nachfolger des am 31. März in den Ruhestand gehenden Oberbürgermeisters Blüher werden soll, steht nicht an letzter Stelle unter ihnen. Harte Kämpfe wird es um diese Stelle geben, und der leidenschaftslose Dresdner Bürger kann nur den einen Wunsch dazu äußern: daß nicht der Partcistempel, sondern allein die fachliche Tüchtigkeit den Ausschlag geben möge! Die Krankenkassen und die neue Notverordnung. Die neue Notverordnung vom 1. Dezember d.I. berührt in ihren Be stimmungen über die Krankenversicherung und Krankenfürsorge nicht unerheblich die Tätigkeit der Krankenkassen. Die von der Krankcnscheingebühr und dem Arzneikostenbeitrag befreiten aus gesteuerten Arbeitslosen werden bei den Krankenkassen in der Regel als Weiterversicherte geführt, ohne daß den Kassen be kannt sein müßte, daß sie Leistungen der öffentlichen Fürsorge er- - halten. Die Kaffen müssen von ihnen deshalb eine Bescheinigung über den Bezug der Fürsorgeleistungen einfordern. Der durch die Notverordnung vom 26. Juli 1930 geänderte 8 189 der Reichs versicherungsordnung überließ es der Entscheidung der Kasse,, ob sie für Versicherte, denen wegen des Fortbezuges von Arbeits entgelt während der Krankheit kein Krankengeld zu zahlen war, die Beiträge herabsetzen oder nach Wegfall des Arbeitsentgelts das Krankengeld erhöhen wollte. Die neue Verordnung nimmt der Kaffe grundsätzlich das Recht der Wahl zwischen Beitrags kürzung öder Krankengelderhöhung. Die Kassen haben nunmehr unter allen Umständen die Beiträge zu kürzen. Eine gestaffelte Kürzung wird durch die Verordnung nicht ausgeschloffen. Neben der Beitragskürzung, die jede Krankenkaffe vorzunehmen hat, wird ihr zugleich das Recht gewährt, das Krankengeld nach Weg fall des Arbeitsentgelts auf 60 v. H. des Grundlohns zu erhöhen. Es bedeutet dies eine Mehrleistung, deren Einführung dem Be lieben der Kaffe überlassen ist. Hier scheint eine Staffelung aus geschloffen. Die Worte „Auf 60 v. H." geben der Kaffe nur die Wahl, entweder die Erhöhung auf 60 v. H. vorzunehmen oder sie überhaupt zu lassen. Die neue Notverordnung berührt auch die Verhältnisse der Ersatzkaffen. Im 8 507 RVO. werden die Vorschriften der neuen 88 182b Und 187c über die Kranken scheingebühr und den Arzneimittelbeitrag auf die Ersatzkaffen er- streckt^ Ferner sind die Ersatzkaffen nicht mehr berechtigt, höhere Leistungen an Kranken- und Hausgeld zu gewähren Äs die ge setzlichen Kaffen. Im zweiten Teil der Verordnung „Sicherungen des Hausgelds" werden die bei Krankenkassen und Berufsge nossenschaften frei werdenden Stellen zu 75 v. H. den Versor gungsanwärtern vorbehalten. Die Vorschrift dürste bei der heu tigen Beschränkung kn den Derwaltungskvsten praktisch kaum Be deutung gewinnen. Die Eintragung des Erbbaurechts. Vereinfachung ab 1- Ok tober d. I. Um die Rechtsungleichheit und die daraus entstandenen Schwierigkeiten der Grundbuchämter bei der Eintragung des Erbbaurechts zu beseitigen, wurde allgemein eine Aenderung der Verordnung über das Erbbaurecht für notwendig erachtet. Dem gemäß ist durch 8 35 des neuen Gesetzes über die Bereinigung der Grundbücher vom 18. Juli 1930 der 8 14 Abs. 1 der Verord- s nung über das Erbbaurecht vom 15. Januar 1919 dühin ergänzt i worden, daß der Hinweis auf die Eintragungsbewilligung zur ! näheren Bezeichnung des Inhalts des Erbbaurechts genügt. Eine Regelung, nach der einzelne Punkte in der Eintragung ausdrück- , sich hervorzuheben wären, z. B. Dauer des Erbbaurechts, Ver- , fügungsbeschränkungen usw., wurde nicht vorgesehen. Um die ! Nechtswirksamkeit bisheriger Eintragungen, in denen schon auf ' die Eintragungsbewilligung verwiesen ist, außer Zweifel zu stel- j len, ist ausdrücklich bestimmt worden, daß die im 8 H der Ver- § ordnung neu eingefügte Vorschrift auch für Eintragungen gilt, ! die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes, d. i. vor dem 1. Oktober s 1930, bewirkt sind. Erleichterung der Druckfachenwerbung. Das Reichspostmini- j steriüm teilt mit: Zugunsten der Werbung für den Warenumsatz j hat die Deutsche Reichspost mit sofortiger Wirkung die Vorschrif ten über die Versendung von Drucksachenkarten mit anhängender Antwortkarte zu der ermäßigten Gebühr v. 3 Rpf. wesentlich er leichtert. Die Freimachung einer Drucksachendoppelkarte mit einer 3-Pfennig-Marke ist künftig auch dann zulässig, wenn die Ant wortkarte neben den üblichen Aufdrucken zur Vorbereitung der Antwort noch sonstige Werbeausdrucke des Absenders der Dvp- pelkarte enthält. Die Antwortkarte steht jetzt also bis auf die für die Anschrift bestimmte rechte Hälfte der Vorderseite und bis auf den für die Antwort vorgesehenen Teil restlos für Werbeauf drucke zur Verfügung. Die 5-Pfg -Gebühr bleibt nur für solche Drucksachendoppelkarten bestehen, deren anhängender Teil keine Antwortkarte darstellt, sondern lediglich gedruckte Mitteilungen an den Empfänger enthält. * Vor der Aufklärung des Ehemm-er Ueberfalles? Der Ehemann der Tat verdächtigt. Zu dem Überfall auf die Bäckersehefrau Kändler aus Hainichen am Sonntag auf der Bernsdorfer Straße in Chemnitz wird noch berichtet, daß wahrscheinlich der 26- jährige Ehemann die Tat selbst ausgeführt hat, um sich seiner Fran zu entledigen. Während letztere verletzt in Chemnitz verblieb, ist der Ehemann mit einer Freundin seiner Frau noch am Abend nach Hainichen zurückgekehrt. Am Dienstag abend kehrte auch Frau Känbler nach Hai nichen zurück, und als zwei Tage später eine Sonder kommission in Hainichen die Erörterungen fortsetzen wollte, wurde sie tot aufgefunden. Der Arzt hat als Todesursache Gasvergiftung angegeben. Obwohl Ab schiedsbriefe der Frau Känbler vorgefunden wurden, und der Ehemann angab, er habe in einer Bodenkammer ge schlafen, besteht doch der dringende Verdacht, daß Käub- ler auch hier die Hand im Spiele gehabt hat. Das aus geströmte Gas war übrigens auch in die Nachbar- wohnnng eingedrungen, wo das Werkmeisterehepaar Dittrich bewußtlos aufgefunden wurde, aber wieder ins Leben znrückgerusen werden konnte. Käubler ist vor läufig in Haft genommen worden, ebenso die 24 Jahre alte Freundin der Fran Käubler. Das verkrüppelte Kind ertränkt. Verzweiflungstat einer Mutter. Am 29. Oktober d. I. wurde im Tegeler See bei Berlin die völlig bekleidete Leiche eines etwa vierjährigen verkrüppelten Knaben aufgefunden. Durch die Polizei wurde festgestellt, daß das Kind im Zwickauer Krüppel heim gewesen und Ende September von seiner Mutter, einer geschiedenen Fabrikarbeiterin B. in Reichenbach ab geholt worden war, angeblich, um es zu einer Bekannten nach Leipzig zu bringen. Von dort aus sollte das Kind nach Bukarest mitgenommen worden sein. In Wirklich leit hatte die Mutter den Knaben im Tegeler See er tränkt. Sie will die Tat aus Verzweiflung getan haben, weil das Kind körperlich und geistig anormal gewesen sei und sie nicht gewußt hätte, wie sie es weiter unterbringen sollte. Zu dem gleichfalls geplanten Selbstmord habe ihr der Mut gefehlt. Behördlicher Kinderraub in Böhmen. Eine merkwürdige Bekämpfung der Zigeuncrplage. Der Kampf gegen die Zigeuner nimmt in Böhmen groteske Formen an. Um das Übel an der Wurzel zu fassen, wurde angeordnet, daß den herumziehenden Zigeu nerfamilien die Kinder abgenommen und kinderlosen Familien übergeben werden. In Manetin wurde der An fang mit dieser Barbarei gemacht mit dem Erfolge, daß die zahlreichen Zigeunerfamilien über Nacht wie weg- geblascn waren. Dennoch gelang es, einigen Zigeuncrfamilicn acht Kinder wegzunchmen. Es spielten sich erschütternde Szenen ab, da sich die Zi geunermütter die Kinder nur mit Gewalt abnehmen ließen. Das Bezirksgericht in Manetin erhielt nun einen Drohbrief, worin die Einäscherung des Gerichts angekündigt wird, wenn die Kinder nicht ansgeliefen werden. * Aus -er sächsischen Landwirtschaft. Landwirts Notizbuch. Wie die Pressestelle der Landwirtschaftskammer mittetlr, hält die Ökonomische Gesellschaft in Dresden ihre nächste Vortragsversammlung am Freitag dem 19. Dezember im Fremdenhof „Drei Raben", Dresden, ab. Diplomlandwirt Carl Schöppach wird über den „Einfluß der künstlichen Dünge mittel auf die Qualität der Ernteprodukte" sprechen. Die Kreisdirektion der Landwirtschaftskammer für die Oberlausitz veranstaltet am 17. Dezember im Weißen Roß in Bautzen eine Ausschutzsitzung, in der nach einem Bericht über die wirtschaftliche Lage der Landwirtschaft in der Oberlausih Oberlandwirtschaftsrat Dr. Bruchholz einen Vortrag über „Das Relchsmilchgesetz" halten wird. * Einsendung von Kornkäfern zu Versuchszwecken. Die Pressestelle der Landwirtschaftskammer gibt bekannt, daß von der Biologischen Reichsanstal! «Berlin-Dahlem, Königin-Luise- Straße 19) zu Versuchszwecke» Kornkäfer in größeren Mengen benötigt werden. Es wird um Einsendung einer möglichst großen Anzahl in einem gut schließenden Gefäß (Blechdose, Kiste) gebeten. Aus Sachsens Gerichtssälen. Ser Disziplinarprozeß Tempel. Widersprechende Zeugenaussagen. — Die Plädoyers. In der weiteren Verhandlung gegen Tempel gab es eine Sensation, als der Oberregierungsrat in der Landesversiche rungsanstalt und frühere Wlrtschastsminister Müller, ein Parteifreund Tempels, vernommen wurde. Er bezeichnete Tempel als psychologisches Rätsel. Einen freundschaftlichen oder auch nur geselligen Verkehr will der Zeuge mit Tempel nicht gepflogen, wohl aber sich mit ihm gedutzt haben. Der Chefarzt der Heilstätte Gottleuba, Obermedizinalrat Dr. Eckardt, betonte, daß Tempel streng darauf achtete, daß der Hausbaltplan nicht überschritten werde. Bei den Dienst besprechungen, tu denen alle Kostenanschläge eingehend ge prüft wurden, hätten sich mit Tempel niemals Schwierigkeiten ergeben. Verwaltungstnspektor Hennig bestreitet, daß Tempel auf die Abfassung der Sitzungsprotokolle eingewirkt habe. Der Geschäftsführende des Textilarbeiterverbanoes, Lucke, war Mitglied des Vauausschusses. Er hat niemals ein leichtfertiges Umgehen mit Geldern der Anstalt bei Tempel bemerkt, die Ausstattung der Dienstwohnung erscheine ihm für einen Präsidenten angemessen. Zum Schlüsse klagt der Zeuge dar über, daß dem Landesversicherungsamt seit zwei Jahren die neuen Satzungen der Landesversicherungsanstalt vorlägen, daß dieses bis jetzt aber noch nicht darüber entschieden habe. Obermedizinalrat Dr. Graf (Coswig) sagt aus, daß die vorhandenen Räume in dem Tuberknlosenkrankenhaus nicht mehr zugereichl haben, daß er deswegen auch für einen völligen Neubau von Anfang an eingetreten sei. Präsident Tempel habe sich bei Bauverhandlungen allen Anregungen zu gängig gezeigt. Der Oberleiter der Güter der Landesversiche rungsanstalt, Landwirt Döring (Langenhennersdorf) spricht sich über die Zusammenarbeit mit Tempel günstig aus. Auch der Obersekrelär Bäßler von der Landesversicherungsanstall betont, daß Tempel stets nach rein kaufmännischen Grundsätzen gehandelt habe, die Zentralisation der gesamten Heilstätten verwaltung sei durchaus verdienstlich. Architekt Gräbner, dem die Bauausführung übertragen war, bekundet, daß ein Bau-Programm ihm nicht vorgelegi worden sei, und die Vorarbeiten an Hand der Neubaupläne von 1920 begonnen wurden. Er mutzte zugeben, daß in dem Voranschlag (720 000 Mark) von dem Bau eines Treppen hauses nicht die Rede gewesen sei. Ausführliche Kostenanschläge wären nicht cingefordert, Beschränkungen finanzieller Art ihm nicht auserleg!" worden. Aus keiner Kostenaufstelluna aina hervor, daß allein für die Aklcnlransportanlage eine halbe Million verbraucht wurde. Hiernach wurden verschiedene Beamte der Laudesversiche rungsanstalt als Zeugen gehört und bestätigten, daß das Ver hältnis zwischen Tempel uno der Beamtenschaft äußerst ge spannt war; Widersprüche duldete er ungern. Als z. B. das Ausschußmitglied Lucke sich den Wünschen der Beamtenschaft anschließen wollte, wurde er von Tempel zurückgewiesen: „August, das verstehst Du nicht!" Schwer belastete Bau-Oberinspektor Boerner den Präsidenten Tempel. Boerner war Leiter der Bauabteilung der Landesvcr- sicherungsanstalt Sachsen und erklärte, daß er von dem beab sichtigten Erweiterungsbau erst durch den gedruckten Haus haltplan Kenntnis bekommen habe. Während der ganzen Bau zeit wäre er ausgeschaltet geblieben, zu Sitzungen nicht hin- zugezogen worden. Die Plädoyers. Oberstaatsanwalt Dr. Friedrich plädierte aus Dienstent lassung Tempels. Das Arbeits- und Wohlsahrtsministerium hätte seinerzeit beim Gesamtministerium Antrag aus Dienst entlassung gestellt und das Gesamiministerium habe die Straf sache an die Dtsziplinarkammer verwiesen. Entgegen der An sicht Tempels sei schon für die Errichtung eines Gebäudes ge mäß § 27 e der Reichsversicherungsordnung die Genehmigung der vorgesetzten Behörde erforderlich. Diese Genehmigung sei aber nur für einen Bau im Betrage von 720 000 Mark ein geholt worden. Der Angeklagte habe zugegeben, daß er für die Überschreitung bis auf 2 900 000 Mark eine neue Geneh migung nicht eingeholt haste. Der Angeklagte sei subiektiv ver antwortlich zu machen für die Einziehung der Genehmigung, er sei selbst Dezernent der Bauabteilung gewesen. Der Ober staatsanwalt bedauerte, daß Tempel seine Schuld aus die Untergebenen wälzen wolle, weil sie ihn, nicht die nötigen Aufklärungen gegeben hätten. Demgegenüber hätten fast alle Vorstandsmitglieder ausgesagt, daß der Angeklagte Belehrungen selbstherrlich stets zurückge wiesen hätte. Der Vorwurf der geflissentlichen Unterlassung sei daher erwiesen. Ebenso sei auch bei dein Bau der Tuber kuloseanstalt „Lindcnhof" der Beweis erbracht, daß Tempel bewußt die Einholung der Genehmigung vermieden hatte. Die Anklage warf Tempel weiter seine Widersetzlichkeit gegen über der vorgesetzten Behörde vor. Er habe, auf die Angriffe der Presse von der vorgesetzten Behörde zur Berichterstattung aufgefordert, in ungehöriger Weise es abgelehnt, zu antworten und der Behörde sein „Bedauern" ausgesprochen, daß ein Bericht verlangt würde. Der Angeklagte habe eben das Amt nicht als eine vorgesetzte Behörde betrachtet. Es müsse anerkannt werden, daß das Landesversicherungsamt außer ordentlich milde mil ihm verfahren sei. Der Oberstaatsanwalt fuhr in seiner Begründung fort: Auch der Vorwurf der unpfleglichen Behandlung der Anstalts gelder müsse ausrechterhalten bleiben. Tempel habe den Lefter seines Baubüros vollkommen ausgeschaltei, der der einzige Bausachverständige der Anstalt gewesen wäre. Nach Sach verständigenurteil hätten beim Bau große Einsparungen er folgen können. Erschwerend wirke, daß es sich um hohe Be träge handele, die der Angeklagte sicherlich nicht ersetzen könne. Er allein sei verantwortlich zu machen. Ebenso sei eine unpfleglichc Verwendung von öffentlichen Mitteln bei der Herrichtung der Dienstwohnung, für die 64 000 Mark verbraucht wurden, sestzustellen. Äuf Grund dieses schwerwiegenden Materials forderte der Oberstaats anwalt den Antrag auf Dienstentlassung ausrechtzuerhalten. Hierauf hielt im Ranien der Verteidigung des Angeklag ten, Justizrat Dr. Drucker, Leipzig, sein Plädoyer. Er gab zu, daß Tempel sich als Staatsdiener zu betrachten habe, aber kein Staatsgut verwalte. Die Reichsversicherungsordnung habe der Landesversicherung möglichst weit das Selbstverwaltungs prinzip erhalten wollen. Der Vorstand sei das aussührende Organ der Landesversicherung. Es sei eine pflichtgemäße Handlung, wenn er seine Ansicht den Ausschüssen zu eigen machen wolle. Er betrachte den Eingriff der Aufsichtsbehörde in das Newt der Selbstverwaltung ais unzulässig. Ein Autort- tätsverhältnis zwischen Landesversicherungsamt und Anstalt bestände nicht. Der Verteidiger geht d.nn nochmals auf ein zelne Punkte der Anklage ausführlich ein, kann in keiner Be ziehung ein Verschulden Tempels (-""»stellen und bittet die Tiszivliimrkammer um Freispruch. In seinem Schlußwort erklärt Präsident Tempel, daß er stets nur das Wohl der Landesversicherungsanstalt im Auge gehabt habe. Er füble sich unschuldig und bittet ihn in seiner Dienststellung zu lassen. Ein Urteil wurde an diesem Tage ..och nicht gefällt. Keine roten Plakate mehr in Berlin. Der Berliner Polizeipräsident hat eine Verordnung erlassen, wonach das öffentliche Anschlägen, Anheften und Ausstellen von jeglichen Plakaten mit Inschriften auf reizenden Inhalts verboten wird. Ferner ist die Ver wendung der roten Farbe für Plakate, soweit sie nicht amtliche Bekanntmachungen enthalten, ver boten. Bestialischer Racheakt. Zwei Kinder verbrannt. Im Dors Karadil bei Zenta hat sich eine schwere Bluttat ereignet. Als der Besitzer Johann Haßler mit seiner Frau aus der Stadt zurückkehrte, fand er seine beiden Töchter im Alter von füns und sechs Jahren tot vor. Ein Unbekannter war in das Haus eingedrungen und hatte das Bett der Kinder angezündet. Auch der größte Teil der Zimmereinrichtung ist verbrannt. Anschei nend handelt es sich um einen Racheakt. Die Sttasanlrüge im Kleinen Vomdenlegerprozeß. Für vier Angeklagte hohe Zuchthausstrafen beantragt. Im Kleinen Bombenlegerprozetz in Altona beantragte der Staatsanwalt folgende Strafen: Für den Angeklagten Doktor Hellmann sechs Jahre Zuchthaus, für von Wilamo- witz-Möllen dors fünf Jahre Zuchthaus, für Hambrock und Koch ebenfalls fünf Jahre Zuchthaus. Für die Ange klagten A m m ermann und Kröger beantragte der Staats anwalt statt einer Gefängnisstrafe von zwei Monaten und zwei Wochen 180 Mark bzw. 300 Marl Geldstrafe. Maffenvergistungen in einem englischen Krankenhaus. 112 Personen schwer erkrankt. In einem Krankenhaus in Rocheford in der Graf schaft Essex sind 112 Personen unter Vergiftungserschei- nuugm erkrankt. Tas Befinden der Erkrankten ist zum Teil sehr ernst. Möglicherweise liegt Vergiftung nach dem Genuß von Hackfleisch vor. Eine Frau ist bereits gestor ben, jedoch konnte die Todesursache noch nicht einwand frei festgestellt werden.
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