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Tagesspruch. Wozu ist Geld doch gut? Wer's nicht hat, hat nicht Mut, Wer's hat, hat SvrMchkeit, Wer's hat gehabt, hat Leid. Logau. Der kranke Löwe. Schwer ist's ja nicht, den kranken Löwen mit Huf schlägen zu traktieren. Das kann jeder Esel. Und schwer ist's darum auch nicht, den kranken Löwen Deutsch land ungestraft zu mißhandeln, wie Polen, Litauen, die Tschechoslowakei usw. es tun. Sie taten es immer. Denn ihr Ziel ist und bleibt ja, das Deutschtum auszurotten, soweit es sich innerhalb ihrer Grenzen noch gehalten hat. Und man soll sich als Deutscher nichts vormachen: Unter dem ständigen Druck von oben her geht das Deutschtum außerhalb unserer Reichsgrenzen im Osten und im Süd osten zahlenmäßig zurück; die Heranwachsende deutsche Generation, die in den neuen Staaten geboren ist und systematisch der Beeinflussung fremden Volkstums unter worfen wird, dürfte diesem Einfluß schon viel weniger Widerstand entgegensetzen. Besonders dort natürlich, wo das Deutschtum nicht in geschlossenen Massen wohnt; systematisch versucht besonders Polen, seine Staats bürger deutscher Zunge von einer unmittelbaren Be rührung mit den Reichsgrenzen möglichst abzudrängen, also die direkte Verbindung mit dem Reich zu sprengen. Auch hier hieße es, die wirkliche Lage zu verkennen, wollte man dieser Politik einen gewissen Erfolg bestreiten. Ist doch dem Kampf gegen das Deutschtum in Nord und Süd, in Ost und West das stärkste Hindernis aus dem Wege geräumt durch die Entwaffnung Deutschlands. Keinem Engländer dürfte und darf in der Welt etwas geschehen, sonst sorgte die englische Flotte dafür, daß wirklich oder angeblich verletztes Recht sofort wiederhergestellt würde. Beim Amerikaner, beim Franzosen ist's nicht anders. Das Wort aber, das Walther von der Vogelweide vor 700 Jahren klagend aussprach, gilt auch und gerade heute: „Gewalt fährt auf den Straßen . . ." Und das Recht, das mit der Gründung des Völkerbundes nun angeblich in die Welt eingeführt worden ist? Da kann man voller Bitterkeit als Deutscher nur den Goethe zitieren, der im „Faust" den Schatzmeister sprechen läßt: „Wir haben so viel Rechte hingegeben, Daß uns auf nichts ein Recht mehr übrigbleibt." Höchstens das Recht des Protestes. Und wie man selbst mit diesem verfährt, das zeigt sich nicht nur in der Art, was Litauen aus den Versprechungen seines Außenministers über die Wiederherstellung des Rechts im Memelland gemacht hat, sondern selbst das — Völker bundsekretariat treibt Schindluder mit dem deut schen Protest gegen die Deutschenverfolgungen in Polen. Die Genfer Informationsabteilung gibt zur Unterrich tung des Generalsekretärs und der Beamtenschaft des Rölkerbundsekretariats „Presseberichte" heraus. Ohne Kommentar oder Auswahl, sondern sie enthalten nur wörtliche Zitate aus den mit Namen angeführten Zeitun gen. Jetzt plötzlich „polnische Pressestimmen" zu sammenfassend und ohne zu zitieren veröffentlicht, die sich gegen die deutsche Erregung über das Verhalten Polens wenden; allerhand angebliche Behauptungen deutscher Zeitungen über Morde in Polen werden als tendenziöse Falschmeldungen bezeichnet — Behauptungen übrigens, von denen man in Deutschland nichts weiß —, und die Schuld für etwaige Grenzzwischenfälle wird von vorn herein Deutschland zugeschoben, wenn es wirklich den be antragten Grenzschutz von 10 000 Mann schaffen sollte usw. Das wird als Ansicht „der polnischen Presse" vom Völkerbund veröffentlicht, unter Bruch mit dem bis herigen Gebrauch und damit unter Bruch mit der selbst verständlichen Neutralität, die „sogar" Deutschland von diesem Genfer Institut verlangen darf. Allerdings weicht die Entrüstung in Deutschland Wohl einem ver stehenden „Aha!", wenn man daran erinnert, daß der Leiter dieser Informationsabteilung ein —Franzose ist! Das also war die erste Antwort, die aus dem Bereich des Völkerbundes aus den deutschen Protest erfolgt ist. und diese M in d e r y e i t s f r a g e n hat unlängst auch Briand zynisch als ein „störendes Element bei den Verhandlungen des Völkerbundes" bezeichnet. Ohne daß also der Völkerbund eingriff, konnte der kranke Löwe mit Hufschlägen traktiert werden. Denn wehren können wir uns ja nicht. Wer sollte und würde Uszs helfen, wenn wir aufbegehren würden über den Nahmen eines Pro testes hinaus? Englands Regierung geht in der Ab rüstungsfrage mit Frankreich durch dick und dünn und Italien denkt nicht daran, dem deutschen Protest gerade in einer Minderheitsfrage irgendwelche Hilfe angedeihen zu lassen, die aus mehr als nur aus Worten bestünde. Wir sind — es ist gefährlich, das zu verkennen — allein auf der Welt, zum mindesten in Europa, und haben dieses Europa geschlossen gegen uns, wenn wir irgend wie dagegen auch nur protestieren, daß die Siegerstatten das Diktat von Versailles ausnutzen, um jeden deutschen Widerstand innerhalb ihrer eigenen Grenzen zu zertreten. Das weiß man voneinander und auch wir dürfen darüber keinen Nebel noch so verständlicher Worte und Wünsche breiten. Der nächste Huftritt ist dann nur noch schmerz licher. Ser Kampf um den Remarque-Film. Einspruch der sächsischen Negierung. Am Sonntag abend kam es vor dem am Nollendors platz in Berlin gelegenen Terra-Lichtspielen (Mozart- Saal), in dem der Film „Im Westen nichts Neues" ge geben wird, zu nationalsozialistischen Demonstrationen. Die Polizei ging mit dem Gummiknüppel mehrmals gegen die Demonstranten vor. Im Zuschauerraum ist es bis 21 Uhr zu keinerlei Störungen gekommen. Da die sächsische Regierung befürchtet, daß es bei den Aufführungen in Sachsen zu gleichen Storungen kommen könnte, hat die sächsische Regierung bei der Oberprüf stelle in Berlin den Antrag gestellt, die Zulassung des Bildstreisens zu widerrufen. (Nach dem Lichtspielgesetz ist aber ein Widerruf wegen von außen in die Vorstellung getragener Störungen nicht angängig!) Die „Giftgase" im Mastale. Zahlreiche Todesopfer geheimnisvoller Nebelschwaden. Nach Meldungen aus Brüssel soll der geheimnisvolle Gasncbel, der über dem Maastale lagert, innerhalb 24 Stunden mehr als 60 Todesopfer gefordert haben. Die Ansicht, daß es sich um Ausströmungen giftiger Gase einer chemischen Fabrik, die durch den schweren Nebel zur Erde gedrückt wurden, handeln könnte, verstärkt sich, aber Be weise dafür sind nicht zu erbringen. Der Nebel hat sich von Belgien aus auch aus die nördlichen Provinzen Frank reichs ausgedehnt, doch sind dort irgendwelche Todesfälle oder Erkrankungen nicht zu verzeichnen gewesen. Der tödliche Nebel zeigte sich in den Maastälern in Gestalt einer dichten schwarzen Wolke, die an manchen Stellen einer ganz festen Masse glich. Infolge der unge wöhnlichen Feuchtigkeit der Luft setzten sich die Schwaden in der Tiefe fest, während höhergelegene Orte nicht ganz so gefährdet waren. Menschen, die bereits ohnmächtig waren, konnten sich, wenn man sie auf die Hügel brachte, ziemlich rasch wieder erholen, über die Art der Ver giftungen schwirren allerlei unkontrollierbare Gerüchte durch die Luft, aber das meiste beruht mehr auf unklaren Vermutungen als auf wirklichem Wissen. Die Ärzte, die in großer Zahl zur Stelle sind, schütteln achselzuckend den Kopf — auch sie wissen anscheinend nichts Gewisses. Es Wird nur darauf hingewiesen, daß vornehmlich Menschen, die an Krankheiten der Atmungsorgane litten, dahingerafft worden seien. Die Apotheker erklären, daß die Ärzte vornehmlich herzbelebende Medi kamente verordnet hätten, aber keine Mittel, die auf die Behandlung von Giftkrankheiten hätten schließen lassen können. Das wird wieder so gedeutet, daß Ver giftungen überhaupt nicht vorgelegen hätten und daß das geheimnisvolle Massensterben andere Ursachen haben müsse. Die Z i n k s ch m e l z e n, die es in der heim gesuchten Gegend in größerer Anzahl gibt, sollen bereits seit langem stillgelegt sein, aber es wird immerhin für nicht ausgeschlossen gehalten, daß von früher her irgend welche Dämpfe der Hütten sich in kondensierter Form auf den Boden gelegt haben, und daß sie jetzt infolge des starken Nebels, der sich vom englischen Kanal über die flandrische Ebene nach Brabant vorschob, verdampft sein könnten. Von andern wird diese Annahme jedoch als absurd zurück gewiesen. Sicher ist nur, daß in fünf kleinen Gemeinden zahlreiche Perfonen „am Nebel gestorben" sind. Am schwersten betroffen wurde die Gemeinde Engis. Vereinzelt wurde auch das Vieh dahingerafft. Bauern und Arbeiter sind eingeschüchtert und wagen kaum, die schützenden Häuser zu verlassen. Die Lage der Todesdörser im Maastale. Die meisten Todessälle traten ein in den Dörfern Engis. Flemalle, Jemeppe und Ramais, die sämtlich um das Städtchen Huy herum gelegen sind. Keine GWase im Aebe« Lüttich. Brüssel. Die Ärzte, die mit der Untersuchung der rätselhaften Todesfälle bei Lüttich betraut wurden, haben nun mehr sestgestellt, daß der schwere Nebel keinerlei Giftgase ent halten habe und daß die Toten zumeist Herz- und lungen leidende Personen gewesen seien. Ein Arzt behauptet, selbst Beschwerden durch den Nebel empfunden zu haben. Zahlreiche Erkrankte erklärten, daß sie in der Kehle das Gefühl des Brennens verspürt hätten. Die Lage hat sich bei Lüttich in sofern gebessert, als der Nebel abgenommen hat. 18S Stunden im Bergwerk verschüttet. Der Verschüttete wird geborgen und ist wohlauf. Am 28. November wurden, wie man sich erinnern dürfte, auf der Zeche Viktor inKastrop-Rauxel durch Zubruchgehen eines Strebepfeilers zwei Bergleute ver schüttet. Zwei Tage später konnte man mit einem der Ver schütteten, dem Bergmann Wienpahl, der unverletzt geblieben war, in Verbindung treten. Man führte ihm seitdem durch ein Preßluftrohr flüssige Speisen und frische Luft zu. Inzwischen wurden die Rettungsarbeiten mit fieberhafter Eile betrieben. Da die Bergungsmannschaften seitlich an die Bruchstelle, die sich über acht Meter erstreckt, nicht herankommen konnten, ging man dazu über, von unten her einen Stollen durch die Kohle zu treiben. Am Abend des 5. Dezembers ist es den Rettungs mannschaften nach mühevoller Arbeit endlich gelungen, den Verschütteten noch lebend aus seiner qualvollen Lage zu befreien. Er hat im ganzen 185 Stunden in seinem unter irdischen Gefängnis ausharren müssen. Der zweite der verschütteten Bergleute, der Hauer Gotzmann, konnte nur als Leiche geborgen werden. Wienpahl befindet sich trotz seiner 185stündigen Ge fangenschaft in dem dunklen Hohlraum der Bruchstelle in recht guter körperlicher Verfassung, so daß er nicht ins Krankenhaus gebracht zu werden brauchte. Er hatte wäh rend der langen Gefangenschaft keinen Augenblick den Mut verloren. Der Ritt der Svvvv. Tag und Nacht im Sattel. Der große R e i ch s st a f e t t c n r i t t des Reichs verbandes für Zucht und Prüfung deutschen Warmbluts, der bis zum 12. Dezember dauert, hat begonnen. 50 000 Reiter, in der überwiegenden Mehrzahl aus den länd lichen Neitervereinen, lösen die Aufgabe, eine Botschaft durch Stafettenstab aus allen Ecken des Reiches an weitentfernte Ziele zu befördern. Es werden vom 6. bis 12. Dezember rund 5000 Kilometer geritten, wobei die Reiter Tag und Nacht im Sattel sitzen. Mit dieser Werbeveranstaltung beschließt der Reichsverband seine großzügige Propaganda, die er 1930, im „Jahr des Pferdes", für das deutsche Gebrauchspferd auf allen Gebieten entfaltet hat. Geims Herzens Königin Roman von Marie Blank-EisMann. M Fortsetzung Nachdruck verboten Aber der Diener zog bedauernd die Schultern hoch und entgegnete: „Der gnädige Herr ist mit Iustizrat Rett nach den, Vorwerk gefahren und wird voraussichtlich erst in eini gen Stunden zurückkehren." Unwillkürlich atmete Werra wie erleichtert auf und hastig fügte sie noch hinzu: „Und Fräulein Lieselotte —?" „Sie fühlt sich nicht wohl und hat sich bereits in ihr Zimmer zurückgezogen und gebeten, von niemandem gestört zu werden." Werra schloß für Sekunden die Augen. Sollte Lieselotte doch auf der Flucht sein? — Sollte sie Konrads Abwesenheit dazu benutzt haben, um heimlich das Haus zu verlassen? Und plötzlich begann Werras Herz in rasendem Takt zu klopfen. Sie winkte dem Diener ab, damit dieser wieder das Zimmer verlassen sollte. Als sich hinter diesem dann die Türe geschlossen hatte, leuchteten Werras Augen jäh auf und mit einem zufriede nen Lächeln dehnte sie ihre beiden Arme. Mit einem Male waren alle Angst, alle Furcht, alle klein lichen Bedenken verschwunden, denn jetzt glaubte sie an den Sieg ihres kühnen Unternehmens. Jetzt mußte es gelingen. Die Gelegenheit war günstig — wurde ihnen vielleicht nie wieder so geboten. Lieselotte fort — Konrad auf dem Vorwerk —. Jetzt mußten sie handeln. Und wie gehetzt verließ sie ihr Zimmer und eilte Sascha nach. Sie überquerte den Hof, öffnete das schwere eiserne Tor und späte die Landstraße entlang. Leise ries sie seinen Namen. Aber von nirgends her erhielt sie eine Antwort. Da hetzte sie mit raschen Schritten vorwärts, die Land straße entlang und hatte nur einen Gedanken, Sascha zu finden, denn jetzt — jetzt mußten sie die Erfindung an sich bringen — mußten das Weite suchen, um einen Vorsprung zu haben, ehe der Diebstahl und ihre Flucht entdeckt waren. 21. Jäh ließ Annie Millinger das Auto stoppen und riß die Tür auf. „Lieselotte — du —!" Erschrocken blickte sich die Angerufene um. Doch als sie erkannte, daß Annie Millinger den Wagen verlassen wollte, eilte sie hastig weiter. Dabei war ein verzweifeltes Aufschluchzen zu hören. Aber Annie Millinger zögerte keinen Augenblick länger, sondern holte Lieselotte ein und hielt sie fest. „Wohin willst du, Lieselotte? — Um diese Zeit! — Und allein —?" Lieselotte ließ müde ihre Schultern hängen und bettelte: „Frage mich nicht — laß mich gehen —" „Zur Stadt —?" „Ja — ich habe keine Zeit zu verlieren — ich muß so rasch als möglich fort von hier —" Da war Annie Millingers Blick auf den Reisekoffer ge fallen, den Lieselotte bei sich trug, und verständnisvoll nickte sie vor sich hin. „Also Flucht —?" flüsterte sie leise. „Flucht aus dem Vaterhaus —" Gequält schrie Lieselotte auf. „Es ist nicht mehr mein Vaterhaus, Annie — ich bin heimatlos geworden — eine Bettlerin — darum muß ich fort aus Mayburg — nur so rasch als möglich fort —" Annie Millinger starrte die Freundin an und wieder holte mit ernstem Kopfschütteln: „Nicht dein Vaterhaus —? Du heimatlos — du —?" Da schmiegte sich Lieselotte wie schutzsuchend an Annie Millinger an und schluchzte: „Du weißt ja nicht, was ich in diesen letzten Tagen alles gelitten habe, Annie — mir ist es oft, als erlebte ich einen wirren, entsetzlichen Traum — und ich habe keinen anderen Wunsch, als endlich einmal aufzuwachen und zu wissen, daß alle jene furchtbaren Ereignisse, die jetzt hinter mir liegen, nichts weiter sind als ein böser Spuk der Nächte. Aber das Schicksal erfüllt mir diesen Wunsch nicht, Annie. Seit der Rückkehr Konrads bin ich aus der gewohnten Bahn gewor fen worden. Vater ist plötzlich gestorben. Ohne seine gütige Liebe muß ich nun weiterleben — muß erfahren, daß ich nicht das Kind des Hauses bin — daß mir kein Recht zu steht, noch länger dort zu leben —" „Wie ist das nur alles möglich, Lieselotte — davon wußte und ahnte ich nichts — komm — du mußt mir alles erzählen — vielleicht kann ich dir helfen —" Dabei drängte sie Lieselotte nach dem Auto, drückte diese in die Polster nieder und gab dem Chauffeur den Befehl, nach der Stadt zurückzufahrcn zur Klinik des Professors Reinhard. Lieselotte lehnte wie betäubt in den Kissen und schluchzte: „Mir kann niemand helfen — niemand — ach, warum hat mich Väterchen nicht mitgenommen? — Warum muß ich durch so viel Leid gehen?" Da legte Annie Millinger ihren Arm um Lieselottes Schultern, schmiegte deren tränenüberströmtes, blasses Ge sicht an ihre Brust und streichelte zärtlich über deren bleiche Wangen: „Wir Frauen sind zum höchsten Glück und auch zum schwersten Leid bestimmt, kleine Lieselotte, — aber du darfst nicht ganz verzweifeln — du mußt stark blieben, um alles tragen zu lernen — die höchsten Wonnen des Glücks — und die bittersten Schmerzen des Leids —" „Ich habe keine Kraft mehr, Annie," schrie Lieselotte verzweifelt auf. (Fortsetzung folgt.)