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Wilsdruffer Tageblatt : 15.12.1930
- Erscheinungsdatum
- 1930-12-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-193012150
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19301215
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19301215
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1930
-
Monat
1930-12
- Tag 1930-12-15
-
Monat
1930-12
-
Jahr
1930
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 15.12.1930
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vir Seuche, an üer man nicht ltirbt. Von vr. mock. H. Lange. Krankheiten, an denen man stirbt, scheinen im all gemeinen verderblicher und gefährlicher als solche, die noch nie als Todesursache nachgewiesen wurden. „Man stirbt nicht daran" — so geht die landläufige Rede, so beruhigt man den Kranken. Viel zu wenig hat man aber beachtet, daß schleppende, das Leben nicht direkt gefährdende Krankheiten doch oen Boden bereiten können für ernstere Leiden. So kam es, daß auch der Rheumatismus in all seinen verschie denen Erscheinungsformen lange Zeit der besonderen Beach tung nicht für wert gehalten wurde, bis man Plötzlich ent deckte, wie sehr die rheumatischen Erkrankungen Volksgesund heit und Volkswirtschaft schädigen. Zu ihrer Bekämpfung wendet die öffentliche Sozialversicherung ungesähr dreimal so viel Mittel auf wie zur Bekämpfung der Tuberkulose und erringt trotzdem weit geringere Ersolge. Ein SechsteI aller Kranken leidet an rheumatischen Be schwerden, und jeder zehnte Jnvalidengeld-Empfänger ist nur als Rheumatiker arbeitsunsäbia. Am häufigsten tritt der akute Gelenkrheumatismus auf, und zwar nicht, wie nach der herrschenden Meinung im höheren Alter, sondern meist im jugendlichen. Man nimmt heute an, daß er durch Bakterien verursacht wird, doch alle Anstrengung, den Erreger zu finden, ist bis jetzt erfolglos geblieben. Der akute Gelenkrheumatismus kann in die chro nische Form übergehen, aber auch ohne Hinterlassung beson derer Schäden verschwinden. Der chronische Gelenkrheuma tismus kann sich aber auch von vornherein selbständig aus- Lilden. Er setzt dann schleichend ein, mit Schmerzen, die lange nicht so heftig sind wie beim akuten, führt zu Gelenk verdickungen und Deformationen, und die Behandlung, die sich auf Jahrzehnte hinaus erstrecken kann, ergibt doch keine Beseitiauna des Leidens. Noch "unklarer liegen die Verhältnisse beim Muskel rheumatismus, der die verschiedensten Muskelgebiete befallen kann. Was man im Volksmunde mit „steifer Hals" oder Hexenschuß bezeichnet, ist noch die mildere Form der rheu matischen Erkrankung. Aber unzählige mit rheumatischer Disposition behaftete Menschen werden an den verschiedensten Körperstellen von den quälenden Schmerzen befallen. Ost sogar verbirgt sich die rheumatische Natur des Leidens hinter Schmerzen, die ganz anders gedeutet werden. Es können Lungen- oder Herzleiden vorgetäuscht werden. Das Rheume kann auch den Ort wechseln, bald den einen, bald den anderer Teil des Körpers befallen. Nicht ohne Grund leitet sich das Wort Rheuma her von einem griechischen Wort, das Fließen bedeutet. Die Alten hatten schon die richtige Vorstellunb von einer tückischen Eigenschaft dieses Leidens. Aber die eigent liche Natur des Rheuma ist noch nicht aufgeklärt; noch immer tappt die Wissenschaft im Dunkeln und ist über erste theo retische Betrachtungen nicht hinausgekommen. Gicht und Ischias, die eine Stoffwechsel- bzw. Nervenerkrankung sind, werden von Laien fälschlich als rheumatische Erscheinungen betrachtet. Bei gewissen „ischiatischen" Beschwerden anderer seits, die der Laie für echte Ischias hält, liegt in Wahrheit nichts anderes vor als Rheuma. Erkältung und Durchnässung galten lange Zeit als ein zige Ursachen für das Auftreten des Rheumatismus, bis in letzter Zeit nachgewiescn wurde, daß entzündete Mandeln und schlechte Zähne oft dafür verantwortlich zu machen sind. Aus den Revierstuben und Lazaretten erinnern wir uns, wie der Stabsarzt einem Soldaten mit Gelenkreißen ein Paar Zähne ziehen ließ. Sicher erinnern wir uns auch unserer belustigten LMuMeOMeu. Ihre Bekämpfung einst und jetzt. Von Gotthard Brodt. Die Natur hat oft bizarre Launen und fpielt mit den Charakteren sowie den normal-geistigen und -gleisigen Be stimmungen ihrer Wesen Fangball, Mitunter schneidet sie uns Grimassen, deren Schrecklichkeit oft noch durch groteske Komik grausam erhöht wird. Wir leben in einer schlimmen Zeit, die starke Rückwirkun gen auf den Geist und Körper jedes einzelnen Menschen zeitigt. Und da es außerdem heute nur noch wenig Menschen in Deutschland geben dürfte, die mit Recht von sich behaupten können, sie seien nicht nervös, müssen wir uns Wohl darüber klar werben, daß die unzähligen Selbstmorde der Nachkriegs zeit — nächst der ungeheuren Notlage verschiedener Volks schichten — auf das Konto der allgemeinen seelischen De pression kommen. Die Selbstmorde unserer Zeit sind häufig krankhaft, von dem unleugbar den Menschen innewohnenden Nachahmungstrieb nicht wenig beeinflußt. Krankhafte Selbstmordepidemien aber hat es zu allen Zeiten der Geschichte gegeben. Eine besonders krasse berichtet Plutarch von den milesischen Mädchen, die plötzlich — aus Scheu vor der Ehe — von einer so heißen Sehnsucht nach dem Tobe erfaßt wurden, daß sie sich truppweise erhängten. Die Bitten und Tränen der Angehörigen verfingen bei ihnen ebenso wenig wie eine strenge Bewachung. Nichts konnte die Mädchen daran hindern, sich ums Leben zu bringen. Erst als ein weiser Staatsmann befahl, die Leichen der Selbstmörde rinnen mit dem Strick um ben Hals und sonst unbekleidet aus dem Markt auszustellen, ließen die Selbstmorde nach und hörten schließlich ganz auf. Plutarch meint, die Krankheit habe in der Luft gelegen und so die Mädchen zum Wahnsinn gebracht. In Aegypten brach eine ähnliche Epidemie aus, nachdem der Philosoph Hegesias im dritten Jahrhundert vor Christus seine Lehre von der „Zwecklosigkeit bes Lebens" und der „Schönheit des freiwilligen Todes" verbreitet hatte. Ferner soll auf der griechischen Insel Keos, einer der Kykladen, nach Strabo die Sitte geherrscht haben, baß sich von Zeit zu Zeit die Greise im Opferschmuck feierlich versammel ten, um nach einem festlichen Male den Schierlingsbecher zu trinken und gemeinsam zu sterben. In Rom brach nach Plinius unter der Regierung des Königs Tarquinius Priscus eine Selbstmordepidemie aus, die jedoch bald erlosch, da der König befahl, die Leichen der Selbst mörder und Selbstmörderinnen zwr Schau ans Kreuz zu schla gen und dann den Vögeln zum Fraß vorzuwerfen. Aber nicht nur das Altertum kannte die Selbstmord epidemien. So wüteten solche beispielsweise 1697 in der Graf schaft Mansfeld und einige Jahre später in Marseille, wo sich eine Unmenge junher Mädchen „aus Gram über die Schlechtigkeit der Männer" tötete. Ueber die Ursache der Selbstmordepidemie in Lyon, die sowcA von Corvin als auch von Bronet erwähnt wird, ist nichts Näheres bekannt. Hier stürzten sich unzählige Frauen, die sich wie Rasende gebärde ten, ins Wasser. In Rouen grassierte der epidemische Selbstmord im Som mer des Jahres 1806. Sodann klackerte er nach dem Erscheinen Empörung und unseres Erstaunens, als'sich "hinterher Rese Maßnahme als die richtige herausstellte: die Schmerzen ver schwanden, wenn auch nicht von heute auf morgen, und die Krankheit kam nicht zur Entwicklung. Die Wichtigkeit einer ordentlichen Mund- und Zahnpflege wird also auch hiermit belegt. In der Behandlung aller rheumatischen Erkrankungen spielt die Salizylsäure die größte Rolle. Man schluckt Sa lizyl in den verschiedensten Präparaten, doch hat man dabei immer mit ungünstigen und schädlichen Nebenwirkungen zu rechnen. Bei vielen Menschen bewirken diese inneren Mittel mehr oder weniger heftige Magenbeschwerden und Verdau ungsstörungen. Andere klagen über Herzbeschwerden, starke Schweißausbrüche und sonstige Nebenerscheinungen. Beson ders störend wird dies, wenn das Mittel häufig oder auf längere Zeit ununterbrochen genommen werden muß, wie beim chronischen Gelenk- und Muskelrheumatismus. Da bot sich nun ein Weg, dieses von altersher bekannte antirheu matische Mittel dem Leidenden doch dienstbar zu machen, ohne daß Schädigungen auftreten. Es gelang der pharmaceutischen Wissenschast, die Salizylsäure in eine die Haut leicht durch dringende Form zu bringen. Behandelt man die schmerzen den Teile mit einem solchen Salizyl-Einreibemittel, etwa Rheumasan, so wirkt man direkt auf die erkrankten Stellen. Der Magen wird also bei dieser Form der Behandlung ge schont. Dabei ist die Wirkung ebenso sicher, womöglich oft noch prompter, denn kurze Zeit nach dem Einreiben lassen die Beschwerden meist nach. Die sachgemäß präparierte Sa lizylsäure wird beim Einreiben in die Haut zu den rheu matisch affizierten Partien weiterbefördert, und dann kommt in der Tat die heilkräftige Wirkung des Salizyls zu voller Geltung. Die chronischen Formen des Rheumatismus werden ferner noch mit Badekuren behandelt. Moor- und Solbäder, radiumemanationshaltige und Wildbäder zeitigen die besten Erfolge. Worauf ihre Wirksamkeit beruht, läßt sich bis heute noch nicht mit Sicherheit sagen. Die Wärmewirkung scheint ein Wichtiges heilendes Element zu sein. Bei Moorbädern mag noch der mechanische Essekt einige Bedeutung haben: der hretige Schlamm wirkt ähnlich wie eine Massage. Trinkkuren haben eine gewisse Bedeutung als ein Mittel, den inneren Körper auszuspülen. Es hat sich nämlich herausgestellt, daß eine Selbstvergiftung durch den Darm sehr häufig einen chronischen Rheumatismus mit verursacht. Die Forschung wird sich weiter intensiv mit der Frage beschäftigen, inwiefern von der Haut aus mit allen Methoden )er Hydrotherapie, der Bäder, der Einreibemittel eine direkte Wirkung auf die Krankheitsherde in den Muskeln und Ge lenken zu erzielen ist, inwiefern auch bei den zu Rheumatis mus Disponierten die genannten Methoden als vorbeugende Maßnahmen in Betracht kommen, und wie man am besten endlich in der Bekämpfung der Seuche einer Rheumasanie- cung entgegengeht. Im Mittelpunkt der Rheumaforschung steht die Deutsche Gesellschaft für Rheuma-Bekämpfung, die 1927 gegründet wurde. Sie arbeitet eng zusammen mit dem Internationalen Komitee zur Erforschung und Bekämpfung ves Rheuma, das 1926 auf Veranlassung aus England und Holland ins Leben trat. In diesen beiden Ländern nämlich, wie auch in Schweden und Küstenländern überhaupt, schien Sie Zahl der Rheumatiker besonders groß zu sein, doch hat sich leider herausgestellt, wie oben schon erwähnt wurde, daß Deutschland ebenso sehr unter dieser Krankheit leidet. Sie ist eine Bolkskraukheit, die in ihrer Verbreitung ebensolche Aufmerksamkeit und Beachtung heischt wie die Tuberkulose oder der Krebs. des weltberühmten Goetheschen Nomanes „Werthers Leiden" kurz in Deutschland auf und raffte hier zahlreiche junge und hoffnungsvolle Menschen hinweg. In Rußland ist die letzte Selbstmordepidemie im Jahre 1912 beobachtet worden. Dort machte man im Kreise Kechotst des Gouvernements Archangelsk eines Tages die fürchterliche Feststellung, daß in den umliegenden Wäldern zahlreiche Selbstmörder hingen. Die Nachforschungen ergaben, daß die Toten einer religiösen „Gemeinschaft der Selbstzerstörer" an gehört hatten, die zu der Zeit gerade zehn Jahre in Rußland bestand. Diese Sekte lehrte den bevorstehenden Weltunter gang und das Kommen des Antichrist. Und da die Selbstzer störer der ewigen Verdammnis durch den Antichrist entgehet, wollten, flüchteten sie sich in den Tod, und zwar angesichts der versammelten Gemeinde, die ihnen in pomphaftem Auf zuge das letzte Geleit gab; denn je mehr sich opferten, je wem ger Gewalt hatte nach der sonderbaren Lehre der Antichrist über die Zurückbleibenden. Die Selbstmörder entgingen ihm jedoch ganz, da sie geheiligt waren! Selbstmordepidemien können also auch durch religiöse An schauung hervorgerufen werden. In diesem Falle sind sie an haltend und von geregeltem Verlauf. So z. B. bei den afrika nischen Donatisten, die den Selbstmord für verdienstlich halten Sie vollziehen ihn nicht nur an sich selbst, sondern trachten auch danach, andere durch Zureden, Drohungen und Martern zum Selbstmord zu zwingen. Nicht selten stürzen sie sich zn Hunderten ins Wasser oder töten sich in Scharen auf anderc Weisen. Die zur Zeit bei uns in Deutschland grassierende Selbst mordepidemie geht aus den seelischen Depressionen einzelne, Menschen hervor. Wie man sie erfolgreich bekämpft, muß man den Nervenärzten herauszufinden überlassen. Die Schaffung der sogenannten „Beratungsstellen für Selbst mörder" dürfte, wie die Erfahrungen zeigen, noch nicht de, richtige Weg zur Bekämpfung der Ursachen der Selbstmorde sein. Hoffen wir, daß er bald gefunden-wird. M sieht die SOne? Neue Forschungsergebnisse aus dem Spinncnreich— Ein uns unbekannter Sinn: Gefühl für Schwingungen. Von H. Frank-Obermüller. Die parallele Stellung seiner Sehachsen ermöglicht dem Menschen nur die Beobachtung eines verhältnismäßig recht beschränkten Blickfeldes. Andere Tiere, die mehr als wir zur rechtzeitigen Entdeckung von Beute oder Feinden sich auf den Gesichtssinn angewiesen sehen, sind in dieser Beziehung besser daran. Schon der Hase mit seinen an beiden Seiten des Kopfes sitzenden Augen vermag fast einen vollen Kreis zu über sehen. Am vorteilhaftesten sind aber zahlreiche Insekten aus gerüstet. Biele lösen das Problem eines möglichst umfassen den Gesichtskreises durch die sogenannten Fazetten-, also zu sammengesetzten Augen, wie z. B. die Fliegen. Bei anderen, die wie der Mensch einfache (Camera-Mugen besitzen, sind diese entweder selbst beweglich oder auf einem außerordentlich beweglichen Kopf angebracht, sodaß eine kaum merkliche Lage änderung desselben das Absuchen des ganzen Horizonts er möglicht. Zuweilen befinden sich die Augen gar an der Spitze stielartiger Vorsprünge und bilden dann wahre Veriikove. Auf sehr interessante Weise ist die Frage der'zweckmäßig sten Sehvorrichtung bei einigen jagenden, mithin kein Netz bauenden Spinnearten gelöst worden. Sie besitzen nämlich vier Paar Camera-Augen auf ihrem wenig beweglichen, aus Kopf und Brust bestehenden Vorderteil. Diese Augen blicken in verschiedene Richtungen, sodaß sie insgesamt den ganzen Horizont beherrschen. Ohne daß also die Spinne die geringste Bewegung zu machen braucht — und das ist sehr wichtig, da sie sonst die Aufmerksamkeit von Feinden oder Beutetieren er regen würde —, erhält sie doch Gesichtseindrücke aus ihrer ge samten Umgebung. Dazu kommt noch eine andere Eigenart der vier Augen paare: Sie sind auf verschiedene Entfernungen eingestellt. Die beiden seitlichen mit dem umfassendsten Blickwinkel sehen in die Ferne, die beiden vorderen dagegen, die den geringsten Gesichtswinkel besitzen, sind für optische Eindrücke in der Nähe eingerichtet. Wie bedient sich nun das Tier dieser Einrichtung, die auf den ersten Blick reichlich umständlich erscheint und die doch sehr zweckmäßig ist? Angenommen, eine Fliege sitzt auf zehn Zentimeter Abstand seitlich oder hinter der Spinne. Hat diese sie erblickt, so oreht sie sich vorsichtig so, daß sie ihr in Aussicht genommenes Opfer gerade vor sich hat, dessen Bild ihr die auf die Ferne eingestellten Augen übermitteln. Schnell läuft die Spinne auf die Beute zu; plötzlich verlangsamt sie jedoch ihr Tempo. Vermutlich ist das Bild der Fliege jetzt in den weitsichtigen Augen undeutlich geworden und in das Bliöseld der auf die Nähe eingestellten gekommen. Vorsichtig vorwärts kriechend, beschleicht die Spinne nun die Fliege, um sich, noch etwa einen Zentimeter von ihr entfernt, mit einem letzten Sprunge plötzlich auf sie zu stürzen. Das Tier verhält sich demnach fast so wie ein Mensch, dessen Augen keine Akkomodation besitzen und der daher bei der Annäherung an einen Gegenstand die Brille wechseln muß, wenn er ständig gut sehen" will. Im Gegensatz zu den frei lebenden und jagenden Spinnen sind die netzbauenden Arten wahrscheinlich so gut wie blind, auf alle Fälle besitzen sie nur ein äußerst beschränktes Sehver mögen. Wie nehmen nun diese eine Beute wahr? Die frühere Ansicht, daß sie mittels ihres Tastsinnes fühlen, wenn etwas sich in ihrem Netz gefangen hat, ist heute so gut wie aufgegeben. Derzeit nimmt man an, daß ein besonderer Vibrations- oder Schwingungssinn ihnen ihr Opfer verrät. Von Interesse sind in diesem Zusammenhänge einige kürzlich von dem Utrechter Professor Grünbaum gemachte Be obachtungen. Der Gelehrte weist zunächst darauf hin, daß die Spinne stets mit dem Kopf nach unten, dem eng an das Netz gepreßten Hinterleib nach oben in ihrem Gespinst hängt; wahrscheinlich aus dem Grunde, weil die alle Schwingungen aufnehmenden Organe sich im Hinterkörper befinden. Will, man nun die Spinne aus dem Mittelpunkt ihres Netzes her vor- und auf eine der „Speichen" ihres Netzes locken, so ge nügt es nicht immer, an diesem etwas zu ziehen. Man kann häufig sogar einen für das Tier recht schmackhaften Bissen dort anbringen, ohne daß die Bewohnerin des Netzes sich rührt. Mit untrüglicher Sicherheit stürzt sie aber hervor, sobald man an einein Arm einer Stimmgabel von am besten 48 Schwin gungen je Sekunde einen dünnen Kupferdraht befestigt, die Gabel zum Schwingen bringt und nun mit dem Kupferdraht einen der Fäden des Netzes berührt. Sofort schnellt die Spinne auf den Kupferdraht zu, wobei sie sogar die vorerwähnte Lock speise gänzlich unbeachtet läßt. Wie es scheint, üben die Schwingungen einen übermächti gen Reiz auf das Tier aus, der es alles andere vergessen läßt. Daß es sich dabei um keinen akustischen, sondern einen reinen Schwingungsreiz handelt, geht daraus hervor, daß man eine starke Stimmgabel in unmittelbarer Nähe einer Spinne zum Tönen bringen kann, ohne daß diese im geringsten davon Notiz nimmt. Berührt man jedoch mit der Gabel, mag sie auch schon fast ganz abgeklungen sein, das Netz, so wird dessen Besitzerin sofort lebendig und eilt auf die fragliche Stelle zu. Höchst eigenartig ist, daß die erwähnten Bibrationsreize die Tiere in unwiderstehlicher Weise zur Ausführung von Spinnbewegungen zu veranlassen scheinen. Den Nachweis hierfür erbrachte der oben genannte holländische Forscher da durch, daß er den Hinterleib einer Spinne mit einem schwin genden Kupferdraht leicht berührte. Die Spinne dreht sich dann sofort um, packt den Draht und beginnt ihn einzuspin nen. Sie tut das sogar, wenn sie ausgehungert ist und gerade eine leckere Mahlzeit begonnen hat. Diese zwecklose Umwicke lung des Kupferdrahts setzt das Tier fort, so lange die Schwin gungen andauern. Kaum ist die Gabel aber zur Ruhe gekom men, so stellt auch schon die Spinne ihre Tätigkeit ein. Hier liegen Geheimnisse verborgen, die noch gründlicher Durch forschung bedürfen. Well und Wi^en . Koloman Tiszas 100. Geburtstag. Ungarn feiert den hundertsten Geburtstag eines seiner großen Staatsmänner. Am 16. Dezember 1830 wurde zu Geszt in Biharer Komitat Graf Koloman Tisza geboren. Von 1875 bis 1890 war Tisza fast ständig Minister, zuerst Innenminister, dann Minister präsident, eine Zeitlang auch Finanzminister. Die Hauvtauf- gabe seines Ministeriums war der wirtschaftliche Ausgleich mit Österreich. Verhängnisvoll wurde seine Politik für die Nationalitäten" in Ungarn: die Deutschen, Rumänen, Slowa ken, Ruthenen u. a. Allen diesen Stämmen wußte er teils mit List, teils mit Gewalt die ungarische Sprache aufzudrängen. Im Jahre 1885 konnte der damalige ungarische Unterrichts- minister berichten, daß in 15 Jahren in Ungarn die Volks schulen mit deutscher Unterrichtssprache von 1232 aus 676 zu rückgegangen seien. Koloman Tisza starb am 23 März 1902 in Budapest. Sein Sohn Stephan, der gleichfalls lange Zeit die Geschicke Ungarns lenkte, ist, wie man sich erinnern dürfte, kurz nach Beendigung des Weltkrieges von politischen Gegnern erschossen worden. Heilere Ltmschau. Neugierig. „Sind Sie mit Ihrer Wirtin zufrieden?" — „Im allgemeinen kann ich nicht klagen! Nur einen häßlichen Fehler hat die Frau, und das ist ihre Neugierde! Sie fragt mich unausgesetzt, wann ich denn beabsichtige, meine Miete zu zahlen!" Vorzeichen. „Das scheint ja heute wieder einmal ein un genießbares Mittagessen zu geben," brummte der Hausherr vor sich hin, „seit einer halben Stunde singt meine Frau in der Küche schon das Lied: Ich weiß nicht, was soll es bedeuten!" Angst. „Warum ist denn unser Freund Lehmann in der letzten Zeit immer so gedrückt? Ich denke, er hat doch erst kürzlich bei einem Preisausschreiben einen Ersten Preis er halten und müßte nun sehr stolz daraus sein!" — ^Das ist es ja eben! Es handelte sich bei dem Preisausschreiben um einen Artikel „Was den Männern an den Frauen mißfällt" und nun lebt er in dauernder Angst, seine Frau könnte den Artikel lesen!" Widerspruch. „Hör' mal, lieber Freund, deine Frau be hauptet überall, sie hätte aus dir erst einen Mann gemacht. Ich finde solche Rederei unerhört: meine Frau würde nie wagen, etwas Ähnliches von ihrem Mann zu erzählen!" — „Nein, die erzählt vielmehr, sie hätte vergebens versucht, aus dir einen Mann zu machen!"
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