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für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter I T Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Da» »Wilsdruffer Tageblatt- erscheint an allen Werktagen nachmittags S UHr. Bezugspreis: Bei Abholung in der Geschäftsstelle und den Ausgabestelle« 2 AM. i» Monat, bei Anstellung durch die Boten 2,30 RM., bei Postbestellung Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend träger und Geschäftsstellen nehmen zu jeder Zeit Be ¬ stellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonst. Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oderKÜrzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. F-rns-rech«'- «ml WU-dr»x Nr. « durch Krrnruf Lbermitlrlten Au,el,«, über», »tr deine Garantie. Jeder Andatiauspruch erlischt, men» der Del?», » Klage -ingezogeu »erden mutz oder der Auftraggeber ««-»Kur- gerSt. An,, nehmen LllkVcrn-ittl-ngrstellen entgA» Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meitze», des Amts- gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nr. 289 — 89. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Freitag, den 12. Dezember 1930 Würdige Repräsentation. Die „Wilhelmstraße", also das A u s w ä r t i g e A m t, ist in den letzten Jahren oft genug emer recht scharfen Kritik unterzogen worden. Aber nicht etwa bloß wegen der Politik, die dort betrieben worden ist — über diese kann man ja verschiedener Meinung sein —, sondern wegen der Ausgabenwirtschaft. Etatsüberschreitungen, also Ausgaben über die vom Reichstag bewilligte Höhe hinaus, wurden zum Gegenstand der Kritik beim Rechnungshof des Deutschen Reiches und im Haushaltsausschuß des Reichs tages; immer wieder erschienen Nachforderungen, Ersuchen um nachträgliche Genehmigung der zuviel geleisteten Aus gaben, — aber wohl noch schärfer wurde ein Mangel an sparsamer Wirtschaft kritisiert, der unsere Auslandsvertretung und die Geschäftsführung in der Wilhelmstraße selbst nicht gerade billig machte. Die Kritik ist nicht erfolglos geblieben; unzweifelhaft ist eine bessere Innehaltung der Ausgabengrenzen festzustellen und obendrein hat sich das Erfordernis der allgemeinen Aus gabensenkung auch im Auswärtigen Amt durchsetzen können. Bisher waren die Ausgaben alljährlich und in bisweilen recht großen Schritten nach oben geklettert. Jetzt ist nicht bloß Schluß damit gemacht, sondern es sind an den Ausgaben einige Millionen gestrichen worden. Ganz so einfach, wie man sich das denkt, ist es beim Dienst des „A. A." aber denn doch nicht. Wurde da im Haushaltsausschuß des Reichstages z. B. jetzt stark be mängelt, daß nachträglich eine hohe Summe für die U m - zugskosten unserer Vertretungen im Auslande an- gefordert wird. In der Debatte zuckt der auskunftgebende Beamte des Auswärtigen Amtes bedauernd die Achseln: Die Gebäude für die deutschen Vertretungen im Auslande sind nicht möbliert und wenn ein Beamter versetzt wird, dann muß er „mit Sack und Pack" umziehen. Und das kostet natürlich einen ziemlich großen Haufen Geld in jedem Jahr. Die Möblierung der Räume mit reichseigenen Sachen dürfte freilich eine sehr große, wenn auch nur ein malige Ausgabe sein, — aber für so etwas wird weder der Reichsfinanzminister noch der Reichstag augenblicklich irgendwie zu haben sein. Die Überschreitung des Umzugs fonds machte dem Haushaltsausschuß derartige „Schmer zen", daß man diese erst einmal dem ReichSautzenminister selbst vortragen will. Und man benutzte gleich noch die Gelegenheit, um an die Ausgabenwirtschaft der Wilhelm straße in den vergangenen Jahren tadelnd zu erinnern. Dabei gibt sich das Auswärtige Amt redlich Mühe, die Auslaudsvertretungen darauf aufmerksam zu machen, daß auch für sie das „Sparen" mit großen, mahnenden Buchstaben geschrieben sein müsse. Einschränkung der Repräsentation wird in einem Rundschreiben der Wilhelmstratze von den deutschen Botschaftern, Ge sandten, Konsuln usw. verlangt. Denn die hierfür bisher gewährten Mittel werden nicht unerheblich gekürzt. Und man könne nicht mehr jedem Deutschen, der aus irgend einem Grunde im Auslande „seine" Gesandtschaft oder „sein" Konsulat aufsuche, nun gleich auch noch mehr oder weniger festlich bewirten. Auch den im Auslande an sässigen Deutschen gegenüber müßten die Vertretungen des Reiches die Betätigung der Repräsentation einschränken; denn — um ein bekanntes englisches Lied ins Gegenteil um- zukehren —: „äVs bavs not tbo mons^ toa", ins prosaisch« Deutsch übersetzt: „Wir haben kein Geld dafür". Du Sparsamkeitswelle schlägt also vom Deutschen Reich, von der Wilhelmstratze über Länder und Meere bis hinüber in die Zimmer der deutschen Vertretungen im Auslande. Das hat natürlich seine Schattenseiten, und di« Deutschen im Auslande werden nicht erfreut sein, bei ihren Veranstaltungen und Festlichkeiten künftig wenige: oft diese offiziellen Vertreter des Reiches begrüßen zu können. Aber eine etwas erzwungene zurückhal tende Repräsentation seiner Vertreter im Aus lande braucht dort dem deutschen Ansehen durchaus nicht zu schaden; denn daß es Deutschland finanziell schlecht geht, weiß die Welt, die ja au dieser Kalamität — auch nicht ganz unschuldig ist! Oie Noggenstühung. Der Untersuchungsausschuß wählt seinen Präsidenten. Ter Untersuchungsausschutz des Reichstages für die Prüfung der Noggenstützung wählte zu feinem vorläu figen Vorsitzenden den Abg. Tarnow (Soz.). Die nächste Sitzung des Ausschusses, in der das Arbeitsprogramm festgelegt werden soll, findet am 16. Januar statt. Wahlgesetzreform in Bayern. Heraufsetzung des Wahlalters vom Ausschuß beschlossen. Der Verfassungsausschutz des Bayerischen Landtages ver abschiedete den Entwurf des neuen Landeswahlgesctzcs. Dabei »ahm der Ausschuß einen Antrag der Bayerischen Volks- Partei auf Heraufsetzung des Wahlaltcrs vom 20. ans das 21. Lebensjahr an Der Vertreter der Bayerischen Volkspartet machte geltend, daß das Wablalter vom 20. Lebenswahr aus der ersten Zeit »ach dem Kriege stamme und eine Abnormität sei Wenn Bayern damit den Anfang mache, aufzuraumcn, werden viel leicht andere Länder nachfolgen. „3m Westen Mts Neuer" verboten Verbot des Remarque-Alms. Die Sitzung oer Filmoberprüfungsstelle. Nach mehrstündigen Verhandlungen im Reichsinnen ministerium gab der Vorsitzende der Filmoberprüfungs stelle, Ministerialrat Seeger, die Entscheidung der Prüsungsstelle über den Film „Im Westen nichts Neues" bekannt. Danach hat die Filmoberprüfungsstelle di« Gefährdung des deutschen Ansehens durch den Film als gegeben erachtet und die weitere Aufführung des Films für Deutschland verboten. Vorher hatte zu Beginn seines Plädoyers der Vertreter der Universal-Pictures Company die Erklärung abgegeben, daß, gleichviel wie die Entscheidung des Gerichtes fallen wird, die Herstellerin des Films, die genannte ameri kanische Firma, den Film für die Aufführung tn Deutsch land zurückziehe. Der Film werde also nicht mehr gespielt werden, es sei denn, daß inzwischen mit der Universal- Pictures Company und den Behörden ein Einvernehmen darüber erzielt worden sei. Über die Verhandlungen vor der Filmoberprüfungs stelle werden noch folgende Einzelheiten bekannt: Die Filmoberprüfungsstelle tagte im Reichsministe rium des Innern. Sie war folgendermaßen zusammen gesetzt: Vorsitzender: Oberregierungsrat Seeger, Beisitzer: Landtagsabgeordneter Bäcker, Theologieprofessor Hin- derer, die Schwester des Generals Reinhard und ein Ver treter (Arbeitnehmer) des Filmgewerbes. Nach der Vor führung des Films in der für Deutschland zugelassenen Form sprachen sich sowohl der Sachverständige des Reichs wehrministeriums als auch der Sachverständige des Reichsinnenministeriums für das Verbot des Filmes aus. Der Vertreter des Reichswehrministeriums betonte, daß das Ansehen der Wehrmacht durch den Film geschädigt werde. In der Herabsetzung des Ansehens der Wehrmacht liege aber auch eine Schädigung des gesamten deutschen Ansehens. Das Wehrministerium trete daher wiederum für ein Verbot des Filmes für Deutschland ein. Der Sachverständige des Reichsinnenministeriums bejahte die Frage, ob die Vorführung des Filmes geeignet ist, die öffentliche Ordnung zu gefährden. Aus dem Gutachten des Vertreters des Reichswehrministeriums sind noch folgende Ausführungen von besonderer Wichtigkeit: Das Reichswehrministerium ist über die Entstehungsgeschichte dieses Films von der ersten Vorbesichtigung in Hollywood an durch amtliche und private Berichte aufs genaueste unter richtet. Es ist ihm bekannt, daß bereits im April d. I. der deutsche Generalkonsul in San Franzisko Protestschritte bei den Herstellern des Films unternommen hat, denen ähnliche Schritte des Verlages Ullstein folgten. Besondere Umstände erfordern es, daß dieser Film mit unnachsichtlicher Strenge, die die Gerechtigkeit indes nicht ausschließt, beurteilt wird. In dem verflossenen Jahrzehnt sind freundschaftliche Bande jeder Art zwischen den Nationen angeknüpft worden. Aus einem Gebiet aber hat sich der Locarn'ogeist nicht durchsetzen können: aus dem Gebiete des Films! Der Typus des primitiven Kriegs hetzfilms ist zwar ausgestorben. An seine Stelle ist eine andere Art von Film getreten, in dem der Deutsche verhüllt oder auch unverhüllt, unauffällig und scheinbar unbeabsichtigt als lächer lich, brutal und feige skizziert wird. Ebenso wie die deutschen Offiziere werden in diesen Filmen die deutschen Soldaten geschmäht. Man lätzt sie in Feindesland Schlösser plündern, Zivilpersonen mißhandeln, Frauen vergewaltigen. Wie die Tiere fressen und saufen unsere Soldaten. Nur wenn sie Ratten totschlagen können, werden sie munter und vergnügt. Man lätzt Hunde die deutsche Fahne zerreißen, man läßt Offiziere ihre Unter gebenen mißhandeln und mit Ohrfeigen zu niedrigen Diensten Mingen. Das Eiserne Kreuz wird Hunden umaehängt und Minifterialral Seeger, der den Vorsitz des Filmoberprüsungsgerichts führte. ars Utrarmei verhöhnt. Man läßt die deutschen Soldaten in zerrissenen Uniformen mit verwahrlosten Gesichtern austreten. Mit Reitpeitschen fuchteln Offiziere Zivilpersonen tm Gesicht herum. Der Film „In, Westen nichts Neues" lebt sich mehr stofflich in antideutschem Sinne aus. In der Linie der Abkehr von der primitiven Hetze des Krieges zur unauffälligen und vorsichtigen Verunglimpfung liegt es auch, einige günstige Typen herauszuarbeiten, mit denen man erforderlichenfalls den Vorwurf der bösen Absicht widerlegen kann. Nur ganz selten ist in diesen Filmen eine andere Berufsgruppe als das Militär die Zielscheibe der Ver unglimpfung. Aus dieser Tatsache leitet die Wehrmacht als Trägerin der ruhmreichen Traditio« des alten Heeres die Pflicht her, sich nachträglich gegen eine unbegründete Schmähung und Beleidigung der Ehre und des Ansehens der alten Armee zur Wehr zu setzen. Das Reichswehrministerium hat stets einen klaren Standpunkt zu diesen Filmen ein genommen, es Hai stets einen scharfen, aber eindeutigen und gerechten Maßstab angelegt und wird diese Haltung auch in Zukunft einnehmen. Wenn dem Reichswehrministerium öffentlich Überempfindlichkeit voraehalten wird, so erträgt es diese Vorwürfe gern Für die Wehrmacht gibt es in natio nalen Dingen keine Überempfindlichkeit. Das Reichswehr- Ministerium wird seine vor diesem Forum schon oft bekundete Haltung nicht verändern und beabsichtigt nicht, sich tn Fragen der nationalen Ehre und der Ehre der Armee von irgend jemand an Empfindlichkeit übertreffen zu lassen. Weshalb wird der deutsche Soldat in diesem Film nicht mit der Würde und dem Ernst geschildert, die er nach feinen unvergleichlichen Kriegsleistungen verdient? Dieser Protest richtet sich ausschließlich dagegen, daß die Leistungen deS deut schen Soldaten im Weltkriege in den Augen der Welt geschmäht werden. Die Tatsache, daß dieser Film aus einem deutschen Kriegsbuch gemacht ist, dürfte kein Präjudiz für seine Be urteilung schassen. Zwischen dem Buch und dem Film be stehen ganz wesentliche Unterschiede. Wer als Soldat im Felde gestanden hat und wer soldatisch denkt und empfindet, wird rein gefühlsmäßig diesen Filni ablehuen. Es lassen sich genügend Einzelzüge der deutschen Fassung nennen, die die deutsche Armee beleidigen. Die Antwort, daß das alles im Kriege ja einmal vorgekommen sei, liegt auf der Hand Gibt es überhaupt irgend etwas, was in einem vierjährigen Kriege in einer Armee von zehn Millionen Menschen nicht vor gekommen sein kann? Wie sieht cs in Kriegssilmcn aus, die in der amerikani schen oder englischen Armee spielen? Gewiß, auch da gibt es Schreckensszeiien, aber stets behält der amerikanische Soldat selbst in der größten Gefahr eine gewisse ruhige Überlegenheit, ein vergnügtes Lächeln, das ihn schließlich zum Vorbild des tapferen, kaltblütigen Soldaten stempelt. Das Reichswehr ministerium hält sich für die Beurteilung der Frage für zu ständig, ob das Ansehen der deutschen Wehrmacht geschädigt Wird. Es bejaht diese Frage ausdrücklich. In einer Herabsetzung des Ansehens der Wehrmacht liegt aber eine Schädigung des gesamten deutschen Ansehens. Aus diesem Grunde tritt das Reichswehrmimsterium wie bei der ersten Prüfung wiederum dafür ein, daß der Film in seiner Gesamtheit für Deutschland zu verbieten ist. Oer Vertreter des Reichsinnemmmsiermms, Ministerialrat Hoche, führte in seinem Gutachten u. a. aus: Der Film zeigte das Kriegserlebnis empfindsamer junger Menschen, deren anfängliche vaterländische Begeisterung im Ausbildungsdrill des Kasernenhofes ernüchtert ist und die nun ihrem Schicksal an der Westfront nicht mehr mit sieghaftem Idealismus, sondern nur noch mit ihrer leiblichen Natur, mit ihrem animalischen Lebensdrang gcgenübcrstehen. Der Film wird damit zu einer einseitigen Darstellung des allen gemeinsamen Kriegserlebnisses, zumal er auch auf die schwersten Notjahre des deutschen Volkes abgestellt ist. In den Einzelheiten seines Inhalts bringt er Darstellungen von Fragen, die zwar als unvermeidliche Begleiterscheinungen eines langen und entbehrungsreichen Krieges begreiflich er scheinen, die aber in ihrer Massierung und realistischen Schilde rung um so peinlicher wirten, als es fast ganz an Momenten fehlt, die die Menschen aus der Qual des Augenblicks zu einem höheren Erlebnis emporgekommen zeigen. Es mag sein, daß auch ein solcher Film in einer politisch ruhigen Zeit selbst unterschiedlich dem Kriege gegenüber ein gestellten Beschauern vorgesührt werden kann, ohne daß eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung zu befürchten wäre. Der Film darf aber hinsichtlich seiner Wirkungsmöglicbkeiten nicht im luftleeren Raum beurteilt werden. Zu der Frage, ob seine Vorführung die öffentliche Ordnung gefährdet, kann nur unter Berücksichtigung der gesamten Zeiwcrhältnisse St-llung ge nommen werden. Das deutsche Volk ist in diesem Winter in einem Zustand so tiefer seelischer Not und innerer Zerrissenheit. daß alles abzulehnen ist, was geeignet erscheint, den inneren Zwiespalt noch zu vertiefen. Es hat sich weiter Kreise des Volkes und verantwortlicher Regierungsstellen die Besorgnis bemächtigt, daß eine weitere Vorführung des Films zu einer nicht mehr tragbaren seelischen Belastung und zu immer stärke ren leidenschaftlichen Auseinandersetzungen führen mutz, die eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Ordnung be deuten. Der Reichsminister des Innern bejaht unter diesen Umständen die Frage, ob die Vorführung des Films geeignet ist, die öffentliche Ordnung zu gefährden. Für daS Auswärtige Amt gab der Vortragende Legationsrat Sievers lediglich die kurze Erklärung ab, daß seil der ersten Stellungnahme des Aus wärtigen Amtes vordem Filmprüfungsgericht inzwischen dem