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! Um heimileken fierd! s Untervaltungsbeilagr rum „AilsaruNer Tageblatt" — Amtsblatt, j Da drüben, in der Heimat! Eine Erzählung von Eduard Adrian Schmant. Sergeant Paquard, den sie den „Bluthund" nannten, ließ die Kompagnie antreten. Er war ein untersetzter, stämmiger Mensch mit rohen Gesichtszügen. Er schien es sich zur Auf gabe gemacht zu haben, seine kleine Truppe auf alle nur er denkliche Art und Weise zu schinden. Wenn die anderen, bei sechzig Grad Hitze, Ruhepause hatten, ließ er Signal zum An treten blasen und begann eine belanglose Uebung. Diesmal ließ er seine Kompagnie ebenfalls draußen in den todbringenden Sonnenstrahlen antreten und eröffnete ihr, daß die Post angekommen sei und er sie verteilen ließe. Einige von den Alten murrten und meinten, dies hätte auch drinnen in den Mannschaftsräumen geschehen können, wie es bei den anderen Kompagnien der Fall war. Aber was nützte das Murren? Es hätte einer hervortreten müssen, den Karabiner schußbereit in der Hand, und sagen müssen: /Ser geant Paquard, Deine letzte Stunde hat geschlagen, bete" noch ein Vaterunser!" Dann ein Schuß — das wäre die einfachste Lösung gewesen. Aber sie wußten, wie schwer das war. Und daß dann eine Reihe von ihnen an die Wand gestellt worden wäre. Einmal hatte es schon einer versucht. Der war auch in der Mittagszeit herum, bei der größten Hitze, mit dem blanken Seitengewehr auf den Bluthund losgegangen. Bevor er ihn aber noch erreicht hatte, lag er tot im Sande. Sie hatten einen in der Kompagnie, den sie das „Baby" nannten. Das war der neunzehnjährige Peter Hill. Mit sech zehn Jahren hatte er sich bei der Werbeabteilung in Marseille eingesunden. Als er seinen siebzehnten Geburtstag feierte, be fand er sich bereits in Oran und machte die ersten Waffen- ubungen. Ein flinker, gutmütiger, offener Bursche. Blond, wasserblaue Augen, das Herz am richtigen Fleck. Allen ein guter Kamerad, diensteifrig, immer darauf bedacht, daß es nie an einem lustigen Wort in der Truppe fehlte. Sie hatten ihn alle gern. Sergeant Paquard beobachtete ihn oft mit einem gewissen Mißtrauen. Er wußte uicht, wie er sich zu diesem Burschen stellen sollte. Versuchte er es mit Freundlichkeit, so zeigte jener keine andere Miene; probierte er einmal seine Härte, so verfinsterte sich das Gesicht des „Babys" auch nicht besonders. An diesem Tage, als Sergeant Paquard sie in der fürchter lichen Hitze antreten ließ und sich an die Verteilung der ein getroffenen Post machte, zeigte Peter Hill eine gewisse Unruhe. Die letzte Post, die vor einigen Wochen gekommen war, hatte ihm keinen Brief gebracht. So stand er diesmal wie ange wurzelt, und seine Blicke hingen an dem Mund seines Vor gesetzten, der jeden aufrief. Er mutzte sehr lange warten, bis auch er an die Reihe kam. Sergeant Paquard reichte ihm einen schmalen Brief und sagte dabei verächtlich: „Auch vom Liebchen, Lausbub?" Peter Hill stand schweigend und starrte auf den kleinen Bries, den er bekommen hatte. Sein Blick hing unverwandt daran, und er vergaß sogar abzutreten. Ein stechender Schmerz schreckte ihn auf. Sergeant Paquard schwang bereits zum zweitenmal die kurze Reitpeitsche. Der Legionär sprang zur Seite und eilte in sein Zelt zurück, das er mit dem alten Le gionär Kätt teilte. Dort las er den Brief. Er las ihn immer und immer wieder. Dann wandte er sich unvermittelt an Kätt: „Ich muß heim, Kätt!" Seine Stimme hatte keinen Klang, und es kam Kätt vor, als wäre im Innern dieses Knaben plötzlich etwas zerbrochen. „So, Du mußt heim", sagte der Legionär trocken und putzte an seinem Karabiner weiter. „Kätt, gib mir einen Nat! Du mußt mir helfen..." Der Alte arbeitete schweigend weiter und schien die Bitte des Jungen überhört zu haben. „Ich werde zum ,Bluthund' gehen und ihn bitten, daß er mir Urlaub gibt, Kätt." Da blickte der alte Legionär auf. Er legte seine Hände auf des Jungen Schulter. „Peter, tu das nicht! Du weiß: nicht, was das bedeutet." „Ich muß aber, Kätt", sagte Peter Hill nochmals, und in seiner Stimme lag plötzlich ein drohender Ton. „Gott beschütze Dich dann, Junge", sprach Kätt mehr zu sich und wandte sich ab. Peter Hill wußte, daß Kätt nicht viel Worte machte, er handelte lieber. Der Alte hatte das „Baby" in sein Herz ge schlossen und Vertrat sozusagen Vaterstelle an ihm. Und als Peter Hill sich anschickte zu gehen, da warf er ihm fast einen ängstlichen Blick zu. Vielleicht ahnte er allein nur die Trag' weite des Schrittes, den das „Baby" '"bs „Meine Mutter drüben..." stieß Peter Hill hervor und trat hinaus. Er wollte nicht, daß der Kamerad die Tränen sah, die ihm über die braunen Wangen kollerten. Ein Legionär weint nicht, kann es nicht mehr... Aber Peter Hill war ja noch ein halbes Kind, wenngleich auch ihn dre Legion früh zum Mann gemacht hatte. Er wischte die Tränen fort und trat in das Zelt Ser geant Paquards. Blieb geduldig stehen, bis sich der „Bluthund" nach ihm umdrehte. „Und?" sagte der Sergeant kurz und zornig. „Ich mochte bitten, daß man mir einen kurzen Urlaub gewährt. Meine Mutter " Er kam nicht weiter. Der „Bluthund" stieß ein grelle! Lachen aus. Seine Hände trommelten auf den harten Tisch vor dem er saß. Plötzlich lachte er nicht mehr und stand aus „Einen Urlaub, Lausbub, wegen Deiner Mutter als« Du hast auch eine Mutter?" Peter Hill wurde rot. Die Adern schwollen ihm an der Schläfen dick an, die Schläfen hämmerten wild. Er spürte ein merkwürdiges Gefühl in seinen Händen, die sich ungewollt zu Fäusten ballten. „Ich habe soeben einen Brief bekommen. Man schrieb mir, daß meine Mutter krank ist." „So?" höhnte Sergeant Paquard. „Meine Mutter wird sterben", brüllte der Junge auf, und ein Tränenstrom schoß ihm aus den wasserblauen Augen. „Und da wollen Sie einen Urlaub, wegen des Be gräbnisses?" „Sergeant, ich gebe Ihnen mein Ehrenwort " „Du hast keine Ehre, Lausbub", schrie Paquard und schnitt mit der Reitpeitsche durch die Luft. „Ich möchte meiner Mutter Wunsch erfüllen und zu ihr fahren. Ich komme wieder, ich verspreche es Ihnen..." „Wie lange hast Du noch zu dienen?" „Drei Jahre, Sergeant." „Dann schreib Deiner Mutter, sie soll noch drei Jahre mit dem Sterben warten. Du kannst keinen Urlaub be kommen." / „Sergeant — !" Peter Hill schrie auf und machte einen Schritt vor. Er kam nicht weiter. Ein wilder Peitschen hieb traf ihn mitten ins Gesicht. Geblendet taumelte er zurück. Ueber seine Lippen tropfte rotes Blut. So stand er eine Weile, die Hände vor den Augen. „Hinaus!" zischte Sergeant Paquard und hieb nochmals auf ihu ein. Und wieder hielt das „Baby" still. Plötzlich aber schien es, als wüchse seine Gestalt, als würden seine Arme länger... Sergeant Paquard sprang zurück, auf seinen Lip pen erstarb ein Schreckenslaut. Mit einem Aufbrüllen sprang Peter Hill vor. Seine Hände griffen nach dem Hals des „Bluthundes". „Bluthund!" stieß er heiser hervor. Aber seine Hände griffen ins Leere. Blitzschnell war Paquard zur Seite ge sprungen und stand nun hinter ihm. Peter Hill stürzte gegen den Tisch, warf ihn um und stolperte. In diesem Augenblick zog Sergeant Paquard seine Pi stole und feuerte- auf den Unglücklichen, der am Boden lag. Einmal, zweimal und noch einmal. Keinen Laut stieß Peter Hill mehr aus, nur seine Augen sahen groß ins Weite. Es lag irgend ein schwaches Glänzen darinnen, ein Schimmer Kätt, sein Kamerad, zuckte zusammen, als er davon hörte. Er bedeckte einen Augenblick die Augen und murmelte: „Armer Junge, da drüben — in der Heimat — warten sie umsonst." Um Ehre und Gewissen. Von Franz Mahlke. Wer wollte sagen, daß er sicher wäre, nie in die Maschine rie böser Zungen zu geraten! In Parlamenten wie auf der Gasse wird die Ehre des Nächsten durchgedreht. q- Unsere Erde wäre nichts als ein großer Friedhof, wenn man in den Drehmessern der Lästerzungen stürbe. * Gefühle sind im Zeitalter der neuen Sachlichkeit im Kurs wert stark gesunken — selbst das Ehrgefühl. * Es gibt Menschen, die sich selber die Ehre abschneiden, wenn sie ein Profitchen wittern. Die Kur. Humoreske von C. Benjamin- Wien. Theo, ein kleiner Kaufmann, ist außerordentlich sparsam, Lilly, seine kleme Frau, außerordentlich fürsorglich. Die Uhr in dem gemeinsamen Schlafzimmer schlägt "ein halb nach Zehn. Anstatt sich anstandslos niederzulcqeu, klagt Theo über Bauchweh. Er setzt sich auf einen Stuhl und betastet die Gegend seines Körpers, in der sich der Anhang des Magens befindet. Was ist da zu machen? „Du wirst zuviel Felles gegessen haben", sagt Lilly, „aber dann werde ich eben einen Sprung in die Apotheke hinunter machen und etwas holen." „Das fehlte noch", sagte Theo, „daß ich für das Bauch grimmen Kapital auslegte." „Aber was w'llst Du tun?" fragt Lilly. „Warten, bis es vergeht", sagt Theo. „Und wenn es immer ärger wird?" wendet Lilly ein. „Dann ist noch immer Zeit, Geld hinemzustecken", be schließt Theo etwas grimmig. „Aber ich kann Dich nicht leiden sehen", wird Lilly zu gleich entschlossen und weinerlich, „ich gehe jetzt in die Apo theke hinunter." „Du bleibst da", hebt Theo seine Stimme. „Es wird doch nur eine Kleinigkeit kosten", begütigt Lilly. „Wie oft", schlägt Theo nun die pathetische Tonlage an, „soll ich Dir noch erklären, daß fünf Kleinigkeiten schon eine Einheit höherer Ordnung ergeben und daß man auf dem Stroh bleibt, wenn man das Heu nicht sammelt? Wie lange soll ich Dir noch vergebens zum Verstand reden?" „Und ich sage Dir", wird Lilly nun beschwörend, „daß alles Sparen sinnlos wird, wenn man dabei von seiner Ge sundheit herunternimmt. Ein toter Millionär ist kein Mil lionär. Und jetzt gehe ich in die Apotheke." „Lilly!" ruft Theo mit einer Gewalt, die sich wie ein Lasso um die Hinauseilende legen sollte. Allein die tapfere Lilly ist bereits draußen. In der Apotheke schildert sie dem hornbebrillten Apotheker die andeutenden Gesten Theos und die Zusammensetzung der Speisekarte in den letzten vierzehn Tagen. Daraufhin rät ihr der weise Mann, ein Päckchen Knochenkohle zu nehmen Sie kauft eins. Als sie mit einem vertrauensseligen und vorfreudigen Strahlen auf dem Gesicht wieder eintritt, findet sie Theo noch auf seinem Stuhl, wie sie ihn verlassen hat. Er ist ein Monument der Ruhe. „Was hast Du ausgegeben?" fragt er. „Zwanzig Groschen", sagt sie, „und einen Schilling Nachttaxe." Da steht Theo mit einem Ruck senkrecht. „Gib das Zeug her!" sagt er. Sodann zieht er seinen Rock wieder an, nimmt den Hut und geht. „Das nenne ich eine Geschäftsgebarung", murmelt er drohend auf dem Weg zur Apotheke, hundert Prozent Aufschlag auf den Preis der Ware! Denn das Roh produkt, die Knochen, kaufen sie doch zweifellos tonnenweise, und Sie Herstellungskosten werden gering sein. Ferner einen Aufschlag von achthundert Prozent dafür, daß man dem Kun den die Tür aufgemacht hat." „Ich bitte Sie", sagt er, als er vor dem Apotheker steht, „das hier zurückzunehmen. Es besteht keine Verwendung mehr dafür. Die Schmerzen haben aufgehört." „So", macht der Apotheker und schaut einen Augenblick ratlos vor sich hin. Dann erholt er sich sichtlich. „Das ist", sagt er, „jedenfalls erfreulich. Geben Sie mir also, bitte, das Päckchen! Die Dame zahlte zwanzig Groschen da für. Die gehen nun wieder zurück. Da Sie aber einen Schilling Nachttaxe zu entrichten haben, bekomme ich noch achtzig Groschen." Theo verfärbt sich. Aber es kommt ihm gleichzeitig zum Bewußtsein, daß er in einem zivilisierten Staate lebt. Mit hin zahlt er die achtzig Groschen, wortlos. Erst draußen macht er die Bilanz: einen Schilling achtzig — für Luft. Das heißt, genauer gesagt haben sich zwei er wachsene Menschen nächtlicherweile noch besonders dafür strapaziert, diesen Schilling achtzig für Luft ausgeben zu dürfen. Zu Hause steigt er mit einem versonnenen Schweigen in sein Bett. „Was war?" fragt Lilly, die ängstlich gewartet hat. „Nichts", entgegnet Theo mit besinnlicher Gleichgültig keit, „er tauschte mir die Sache ein." „Gegen was?" forscht Lilly besorgt. „Gegen etwas", dreht sich Theo zur Wand, „was sofort wirkt." Bild links: Helene Mayer nach ihrem Siege in London, den sie im Internationalen Damenfechten um den Hutton-Pokal errang, bei der Entgegennahme des Giegespreises. — Bild rechts: Das erste Bild von der Kaiserkrönung in Abessinien, die am 2. November in der Landeshauptstadt Addis Abeba unter großem Gepräge vollzogen wurde. Vor der Krönung. Kaiser Halle Se- lassi'e I. (zweiter von rechts) empfängt die Sondergesandten der auswärtigen Machte.