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vorlag, konnten die Länder dem neuen Spruch mit Ruhe eut- gegensehen; der Staatsgerichtshof konnte ja jetzt schwerlich anders als danials entscheiden. Und er ist mit seinem Urteil solchen Erwartungen auch voll gerecht geworden, das Reich ist auf der ganzen Linie unterlegen. Man könnte meinen, daß die Angelegenheit nicht die viele Arbeit und die zahllosen Auseinandersetzungen, die um sie ge- führt worden sind, wert wäre. Sie ist es aber doch, wie sich besonders im Falle Sachsen zeigt. Sachsen ist einer der ver kehrsreichsten Eisenbahnbezirke Deutschlands, und dazu noch der rentabelste. Seine Eisenbahninteressen stimmen mit denen anderer Gebiete nicht immer überein, was sich aus der Eigen art seiner Industrie ohne weiteres erklärt. Es ist also wichtig genug, daß im Verwaltungsrat der Reichsbahn ein Mann sitzt, der über diese Dinge Bescheid weiß und sie auch vertritt. Daß das bisher nicht geschehen ist, läßt sich gar nicht bestrei te», die vielfältigen Klagen aus sächsischen Wirtschaftskreisen beruhen ganz sicher nicht auf bloßen Einbildungen. Sachsen war auch noch mehr benachteiligt, als die an deren Länder. Ihnen war die Reichsregierung wenigstens tatsächlich entgegcngekommeu, indem sie von sich aus Ange hörige des preußischen, bayrischen, württembergischen und ba dischen Staates zu Mitgliedern des Verwallungsrates er nannte, während Sachsen, seit dem Ausscheiden des Kreis- Hauptmanns Buck vor Jahren, gänzlich unberücksichtigt blieb. Da wird nun Wandel geschaffen, und es ist zu hoffen, daß die sächsische Wirtschaft in Zukunft bessere Berücksichtigung durch die Reichsbahn findet. Der Mann, den die sächsische Re gierung voraussichtlich benennen wird, der Ministerialdirektor Dr. Klien aus dem Wirtschaftsministerium, erfüllt alle An sprüche, die hier an ihn gestellt werden können. Das Reichskabineti und hie Parteien. Abschluß der Besprechungen beim Reichskanzler. Der Reichskanzler schloß seine informatorischen Be sprechungen mit den Parteien ab. Er empfing noch den Führer der Deutschnakionalen Volkspartei, Geheimrat Hugenberg, anschließend -die Vertreter der sozialdemokra tischen ReichstagsfraMon Müller-Franken, Hilferding, Hertz und Breitscheid, sowie hierauf den volkspartei lichen Führer Abg. Dingeldey und den Führer der Bay rischen Volkspartei, den Abg. Leicht. In einer Kabinetts sitzung wird der Reichskanzler über die Ergebnisse seiner Besprechungen berichten. Das Reichskabinett dürfte sich dann über die weiteren Schritte schlüssig werden. DjeMichsbahnkamidieTarlsenWseMn Siehst über700MillionenMindereinnah Men. Die Neichsbahngesellschaft teilt mit: Der Verwaltungsrat der Deutschen Reichsbahngesellschaft hat in Berlin getagt. Eine allgemeine Tarisermäßigung zurzeit zu genehmigen, sieht sich der Verwaltungsrat nicht in der Lage, da die damit verbundenen Mindereinnahmen dazu zwingen würden, so scharfe Drosselungen bei der notwendigen Beschaffung von Schienen und Wagen sowie bei der Ausführung von Bauten »orznnehmcn, wie sie weder vom Standpunkt der Betriebs sicherheit noch von dem der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit aus tragbar wären. Die Senkung von einzelnen Tarifen wird schon bisher, soweit es die Finanzlage irgend gestattet, dauernd durch Aus nahmetarife vorgenommen, um Produktion und Arbeitsmarkt zu befruchten. Im übrigen prüft die Hauptverwaltung zurzeit die Möglichkeit von Frachtsenkungen bei Waren der unmittelbaren Lebenshaltung. Der Anteil der Fracht, namentlich am Kleinhandelspreis bei Waren der unmittelbare» Lebenshaltung würde freilich immer Wieder weil überschätzt. Die Finanzlage Hal sich infolge der Wirtschaftsdepression und des Wettbewerbes anderer Verkehrs mittel dahin entwickelt, daß für das Jahr 1930 mit einer Mindereinnahme von über 7bb Millionen Mark gegenüber dem Voriahr gerechnel werden mutz. Ersparnisse sind u. a. aus der von« Reich beabsichtigten Herabsetzung oer Beamiengehäller zu erwarten, der sich dis Reichs bahn bezüglich ihrer Beamte» anpassen wird. Die Mitglieder des Vorstandes haben dem Verwaltungsrat gegenüber auf 20 Prozent ihrer gesamten Bezüge verzichtet. Der VcrwaUungs- rat hat beschlossen, alle Dienstaufwandsentschädigungen vom l. Januar 1931 ab um 20 Prozent herabzusetzen. Handelsverlragsverhandlungen Deutschlands. Mit Ungarn und mit derTfchechoslowakei. Nach der Reise des ungarischen Ministerpräsidenten Bethlen wird in Budapest der Gang der Handelsvertrags verhandlungen mit Deutschland beschleunigt. Die Ungarn wünschen die Öffnung der Grenzen für den ungarischen Viehexport und bieten dafür der deutschen Industrie ge wisse Vorteile an. Die ebenfalls laufenden Verhandlun gen mit der Tschechoslowakei werden dadurch beeinflußt. Der Vertrag mit der Tschechoslowakei läuft daher bereits am 15. Dezember ab und man scheint jetzt in Prag ge neigter zu sein, Deutschland entgegenzukommen, da ein bald zuftandekommender deutsch-ungarischer Vertrag den Zerrauf von tschechischen Jnoustrteartikeln in Ungarn er schweren könnte. Der ungarische Ministerpräsident Bethlen selbst sieht einen Ausweg in einem Abkommen mit Deutschland nach dem Muster des deutsch-polnischen Roggenabkommens und wünscht Vorzugsbehandlung landwirtschaftlicher Produkte. Man sieht aus allem dem, wie schwierig diese Fragen sind, wo es um den Schutz unserer eigenen mit harten Krisen kämpfenden Landwirt schaft geht. Deutschland muß zunächst seine eigene Pro- ouktion verteidigen und zumindest seine Einkäufe, die un vermeidlich sind, dort besorgen, wo es selbst etwas ab setzen kann. früher GeWäffsschiuß am Ksiligen Abend Alle Parteien sind sich einig. Das Christfest ist in Deutschland, ohne Unterschied von Partei oder Konfession, zum deutschen Feste ge worden. Alle Organisationen der Angestellten entfalten eine lebhafte Tätigkeit, um einen früheren Ladenschluß am Heiligen Abend zu erreichen. Diesbezügliche Anträge wurden an die Reichsregierung gestellt, um diese Frage zu regeln. Es wird verlangt, daß sämtliche in den Ver kaufsstellen und Kontoren der Betriebe tätigen Angestell ten und Arbeiter nach Ladenschluß sofort über ihre Zeit frei verfügen können und nur noch die geschästsübliche Verwahrung leicht verderblicher Waren zulässig sein soll. Weiter soll im Gaststättengewerbe am Heiligen Abend die Polizeistunde einheitlich auf l9 Uhr festgesetzt werden. Ausnahmefälle sollen sich auf die Beherbergung von Fremden und auf die Bewirtung beschränken, sofern es sich um die Befriedigung eines ausgesprochenen Neise- bedürfnisses handelt. Me Gerüchte über Professor Wegeners GrönlandexvedMon. Die Kopenhagener Grönlandkolonie hält sie für falsch. Der Direktor der Kopenhagenei Grönlandkolonie, Dahlgaard Jensen, äußerte sich zu den Gerüchten, daß die Irönlandexpedition des deutschen Professors Wegener ruf Grönland umgekommen sei, wie folgt: Die Gerüchte Ind vermutlich auf folgende Weife entstanden: Der Leiter -er englischen Grönlandexpedition, die sich augenblicklich ruf dem 64. Breitengrad befindet, Hal von einer sehr Marken Kältewelle berichtet. Professor Wegener ist aber mit seinen Leuten auf dem 71. Grad, was immerhin ein beträchtlicher Unterschied ist. Die Expedition Professor Wegeners braucht also von jener Kältewelle gar nicht be- Iroffen zu sein. Außerdem weiß man, daß Wegener ein sehr umsichtiger Mann ist. Man kann deshalb fest daran stauben, daß er alle Vorsichtsmaßregeln getroffen hat, um ruch einer starken Kälte begegnen zu können. Die Direktion der Grünlandkolonie hat sich bereit rrklärt, Untersuchungen darüber anzustellen, ob die Expe- »ition Wegeners irgendwie bedroht ist. Die Entfernung »on Kopenhagen nach Grönland sei zwar ziemlich groß, rber man habe die Möglichkeit, durch Radiostationen in Godthaab unter Umständen mit Professor Wegener in Verbindung zu kommen. Polnisch-rumänische Verhandlungen. Der polnische Generalstabsches bei König Carol. Der Chef des großen polnischen Generalstabes, der zurzeit mit mehreren Offizieren in Bukarest weilt, wurde von: König in Audienz empfangen. Kriegsminister Ge neral Condesou hat das Großkreuz des „Wiederherge stellten Polens" erhalten. Die Presse weist darauf hin, daß von militärischen Plänen und Abmachungen keine Rede sein könne. Es handle sich lediglich um einen Gedankenaustausch der beiden befreundeten Staaten, deren Interessen hinsichtlich der Sicherheit der Grenzen und zum Schutze der Friedens verträge die gleichen seien, zumal die Feinde Rumäniens auch die Feinde Polens seien. AezZer Umsturz m Gpamerr? Das Militär in Aktion. Aus Madrid treffen Nachrichten ein, die über Zu sammenstöße zwischen Anhängern der Regierung und militärischen unzufriedenen Kreisen berichten. Es ist noch nicht abzusehen, was eigentlich in Madrid vorgeht. Man sieht allgemeine Bewegung von Truppen, Straßen werden von Polizei abgesperrt, hohe Funktionäre besuchen ein ander, amtliche Automobile sausen durch die Straßen. Niemand weiß, was geschieht: Soll es zu neuer Diktatur kommen? Der größte Teil der Armee lehnt, eine solche Diktatur dem Vernehmen nach ab. Außer in der Hauptstadt gart es auch in der Provinz. Aus der Insel Teneriffa kam es zu einem blutigen Zusammenstoß zwischen der Polizei und Demonstranten; die Folge war ein Generalstreik Zwischen Streikende» und der Polizei wurden Schüsse gewechselt, denen drei Menschen zum Opfer fielen. Auch viele Verwundest wurden in die Krankenhäuser gebracht. In Spanien gehl >,..was vor. Die Nachrichten sind widersprechend. Wil können hier bald neue Überraschungen erleben. Wilsdruff, am 27. November 1930. Merkblatt für den 28. November. Sonnenaufgang 7°' I Mondausgang 13^ Sonnenuntergang 15°° > Monduntergang 23 1898: Der Dichter Konrad Ferdinand Mever asst Tanzstunde. Wenn der Winter ins Land kommt, wird die Tanzstunde fällig. Früher sagte man hier und da auch „der Tanzzirkel", aber es war im Grund,e dasselbe, und die Freude derer, welche dabei sein durften, wurde auch durch den etwas geometrisch anmutenden „Zirkel" nicht gemindert Eigentlich müßte man nun gleich mit einer Entschuldigung beginnen, denn die ganz Strengen unter uns könnten sofort mit dem Einwand kommen, daß in einer wirtschaftlich so schwachen Zeit von „Tanzstunde" nicht die Rede sein dürfte, und daß unsere Jugend sich wich tigere» Dingen zuwenden sollte. Aber meine Herren! Jedes bißchen Lebensfreude und >edes bißchen „Spielraum" sollte man unseren Jungen und Mädeln denn doch nicht rauben, und die Tanzstunde besonders ist eine so nette, liebliche und harm lose Sache, daß sich auch todernste Männer und Frauen mit ihr versöhnen sollten — schon in Erinnerung an die eigene Jugend. Oder sollte vs wirklich Menschen geben, die niemals so etwas wie Tanzsreude erlebt, so etwas wie Rhvthmus in den Beinen verspürt hätten? Und wer dann Hai und kann und das unbe dingt erforderliche Tanzen nicht etwa zu Hause durch Sen großen Bruder oder die ewig tänzelnde Schwester beigebrachi bekommt, geht dann eben in die „Tanzstunde" Klar! Und wie wir von der älteren Generation das mit Walzer und Polka und Ma zurka und Polonäse — ach, Polonäse! — und dem immer und unbedingt durcheinandergeworfenen Kontertanz gemacht haben, so machen das die von heute mit Fox und Tango und Char leston und so, aber im Grunde ist auch dies das gleiche, und es endet auch heute noch mit „O zarte Sehnsucht! Süßes Hoffen!" Es besteht ein Unterschied höchstens noch darin, daß sie jetzt vielfach keinen Tanzlehrer — die Gebildeten sagten „mMro" — und keine Tanzlehrerin, sondern einen „Trainer" haben, wie sich das im Zeitalter des Sports, wo auch das Tanzen sportlich aufgezogen ist, gebührt Aber trotz des Trainers und der Trotte gibt es leider auch heute noch di« armen Mauerblümchen und gibt es auch heute noch die „An standswauwaus", die man im gewöhnlichen Leben Mutter nennt, und gibt es vor allem noch die „Kränzchen" und den großen Schlützball, der die Tanzstunde würdig abschließt und bei dem man „noch lange nicht nach Hause geh!" Und des halb sind wir unbedingt für Fortdauer der Tanzstunde, denn man hat dann doch wenigstens etwas, wovon man in dem späteren grauen und grausamen Leben zehren kann. * Die Bürgersteuer für Wilsdruff angeordnei! In ihrer letzten Sitzung lehnten die Stadtverordneten bekanntlich einstimmig die Erhebung der Bürgersteuer ab. Schon in dieser Sitzung wies der Bürgermeister daraus hin, daß die Steuer bei Ablehnung von der Amtshauptmannschaft angeordnet werde. Das ist nun, schneller als man vielleicht gedacht hatte, geschehen, wie aus der Bekannt machung in dieser Nummer hervorgeht. Das Ortsgejetz tritt mit Wirkung vom 1. April 1930' in Kraft. Im Silberkronze. 25 Jahre treue Lebenskameradcn sind sich morgen Freitag Bäckermeister Voigt und seine Gattin. Unsere besten Wünsche schon heute! Der BerkehrsausschAtz hielt gestern abend im Löwen eine Sitzung ab, der auch Bürgermeister Dr. Kronfeld beiwohnte. Kenntnis nahm man vom Beitritt des Bürgervereins und ver schiedenen Eisenbahnangelegenheiten. So hat die Eisenbahndirek- üon auf das diesbezügliche Ersuchen um Auslegung von Sonn tagskarten an Mittwochen abschlägig geantwortet mit der Be gründung, daß die Einführung in den größeren Städten ledig- stch als ein Versuch gedacht sei, in den kleine Städte nicht einbe- ^gen werden könnten. Karten nach Wilsdruff würden in Dres den, Freital und Meißen ausgegeben. In einem weiteren Schrei ben war das schlechte 'Wagenmaterial und die schlechte Beleuch tung bemängelt worden. In ihrer Antwort sagt die E-isenbahn- direktion, daß die Magen mit unruhigem Gang ausgewschfelt werden und die Absicht der Einführung elektrischer Beleuchtung schon länger bestehe, wegen der schlechten Finanzlage aber noch nicht durchgeführt werden konnte. Wegen Genehmigung der Be nutzung von Sonntagskarten bei dem ersten von Nossen nach Wilsdruff verkehrenden Zuge, der erst nach 9 Uhr fährt, sind bereits Schritte eingeleitet. Auch an die KraftpVst wurden ver- !chiedene Wünsche gerichtet. Man betonte die Notwendigkeit der Errichtung einer Äuskunftsstelle mit so. Fahrkartenverkauf am Markte. Bei der Gelegenheit wurde auch darauf hingewiessn, daß Zehnerkarten am Postschalter erhältlich sind. Der Eingabe des Bürgevvereins an Rat und Stadtverordnete wegen Errich tung einer Höheren Abteilung an der hiesigen Volksschule schließt man sich unterstützend an. Es wird betont, daß nichts unversucht bleiben dürfe, damit den Eltern von Wilsdruff und Umgegend die Möglichkeit geboten werde, ihren Kindern eine bessere Schul- WM UW Einsturzunglöcks bei Klein - Leipisch, wo auf dem Tagebau der stoße heimgesucht wurde. Zahlreiche Häuser sind eingestürzt, 30 Grube „Marianne" ein Teil einer im Bau befindlichen Abraum- Förderbrücke zusammenbrach und 25 Monteure in die Tiefe rw' von denen neun nur noch als Leichen geborgen werden konnten- Bild links: Das Zentrum eines Erdbebens in Südalbanien war Menschen kamen ums Lebem — Bild rechts: Die Trümmer des Valona, dessen Umgebung am 21. November durch heftige Erd-