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Tagesspruch. Arbeiten heißt für den Fleißigen, seiner Natur Genüge tun, für den Faulen, sich geißeln. * Am Lebcnsbaum hängen die süßesten Früchte oben; nur sind unsere Knie oft zu steif geworden, um sie herunterholen zu können. Der Klaviervirtuose als MMervrSsidenl. Ignaz Paderewskis 7V. Geburtstag. Ignaz Paderewski, der berühmte polnische Pianist und Komponist, wird am 18. November 70 Jahre alt. Kurylöwka in Podolien ist seine Heimat. Nachdem er aus dem Konservato rium in Warschau studiert hatte, machte er schon als Sechzehn jähriger größere Konzertreisen durch Rußland, worauf er Lehrer am Warschauer Konservatorium wurde. Dann aber begann er noch einmal zu studieren, zuerst in Berlin, daraus in Wien. Man ersieht hieraus, daß Ignaz Paderewski einen großen Teil seiner künstlerischen Ausbildung Deutschland zu verdanken hat, was er später, nach vielen berühmten Mustern, mit Deutschenhaß vergelten zu müssen glaubte. Seit 1887 befand sich Paderewski fast ständig auf Konzertreisen, durch die er sich einen Weltruf erwarb Von Paderewskis Kompositionen sind weit bekannt geworden ein Menuett, eine Violinsonate, Klavierkonzerte, eine „Polnische Phantasie" für Klavier und Orchester, Lieder usw. Im Jahre 1901 wurde am damaligen Dresdener Hoftheater Paderewskis Oper „Manru" mit Ersolg aufgeführt. Eine der merkwürdigsten Episoden im Leben des großen Klavierkünstlers war sein Sprung mitten in die große Politik hinein. Bis zum Weltkriege hatte kein Mensch gewußt, daß Paderewski auch politische Interessen habe. Während des Krieges aber machte er in Amerika lebhafte Propaganda für Polens Interessen, und als dann nach dem Kriege sich die Republik Polen aufgebaut hatte, wurde der Klavtervirtuose von seinen Landsleuten zum Ministerpräsidenten gemacht. Lange dauerte aber die Ministerherrltchkeit mchi. Paderewski mußte erkennen, daß er im europäischen Konzert nicht so spielen konnte wie auf den, Klavier, und so kehrte er denn nach einer kurzen Anstandsfrist, während der er Polens Vertreter im Völkerbünde war, zu den weißen und schwarzen Tasten zurück. Grundlagen des VerirauenS zu Deutschland. Wie kann die deutsche Wirtschaftskrise beseitigt werden? In Münster sprach Reichsarbeitsminister Dr. Steger wald über „Die deutsche Wirtschaftskrise und ihre Beseiti gung". Er führte u. a. aus: Die Wiederherstellung des Ver trauens zu Deutschland und die Gesundung unserer Wirtschaft habe die grundlegende Ordnung unserer Finanzen zur Voraussetzung. Die Hauptaufgaben zur Erreichung des Zieles seien die Revision der Neparationsfrage, ferner die rentable Gestaltung der Landwirtschaft, die Preissenkung und die Arbeitsbeschaffung. Bei den ernsten Bemühungen uni eine Senkung der Preise könne man nicht umhin, oie Löhne und Gehalter zu senken. Keine Regierungskoalitton würde in dem gegebenen Augenblick an solchen Maßnahmen vorbeigehen können. Man sei der Arbeitslosigkeit in diesem Jahre dadurch zu Leibe gegangen, daß man beträchtliche Mittel für ein Arbcitsbeschaffungsprogramm bereitgestelli habe. Man werde in Zukunft daran denken müssen, aus dem Wege über Erleichterungen auf steuer lichem und fr acht sichern Gebiete zum gleichen Ziele zu kommen. Die Frage der A r b e i t s st r e ck u n g sei nicht ganz einfach, da eine Verkürzung der Arbeitszeit auch eine Produk- tionsverteuerung bedeute. Kartoffelfrachien werden billiger. Herabsetzung der Stückguttarise der Reichsbahn. Die Reichsbahn hat beschlossen, Kartoffeln im Stück- autverkehr künftig zu stark herabgesetzten Frachtsätzen zu be fördern. Die Senkung beträgt im Durchschnitt 22 bis 30 Prozent. In Auswirkung der Senkung der Rohstoffpreise sind vom Deutschen Apothekerverein die Verband st osfpreise um 10 bis 15 Prozent herabgesetzt worden. Starke Exportsteigerung. 178 Millionen Mark deutscher Ausfuhrüberschuß. Ein- und Ausfuhr Deutschlands sind im Oktober 1930 gegenüber dem Vormonat gestiegen Die Einfuhr ist mit 833,6 Millionen Mark um 97 Millionen höher ausgewiesen als im September. Die Ausfuhr beträgt im Oktober 1011,6 Mil lionen Mark; ferner sind in diesem Monai als Reparations sachleistungen Waren im Werte von 61.1 (Vormonat 61,8) Mil lionen Mark an das Ausland geliefert worden, für die Deutsch land eine Bezahlung seitens der Empfänger nicht erhält. Die Ausfuhr, ausschließlich der Reparationssachlieserungen, deren Wert gegenüber September nur unwesentlich geringer ist, Hai eine Zunahme um 72,3 Millionen Mark erfahren, ein be merkenswert hoher Betrag, der über das Ausmaß der im Oktober zu erwartenden saisonmäßigen Zunahme hin ausgeht. Die Handelsbilanz unter Ausschluß der Repara tionssachlieferungen schließt im Oktobei mit einem Ausfuhr überschuß von 178 Millionen Mark ab; unter Einbeziehung der Reparationssachlieserungen übertrifft der Werl der aus- geführien Waren den Wert der Einfuhr um 239 Millionen Mark. Hilse sm Schlesien und Alsdorf. Haushaltsausschuß des Reichstages. Im Haushaltsausschuß des Reichstages wurde der von dem Abg. Hergt (Dtn.) bearbeitete Antrag, der sich mit der Hochwasserkatastrophe in Schlesien befaßt, von allen Parteien angenommen. Ferner wurde ein sozial demokratischer Antrag einstimmig angenommen, durch den die Reichsregierung ersucht wird, aus Anlaß der Gruben katastrophe zu Alsdorf bis zu zwei Millionen Mark Unterstützungsgelder zur Verfügung zu stellen. Die Reichs regierung soll ferner auf eine eingehende Untersuchung der Katastrophe hinwirken. Für die wassergeschädigten Gebiete Schlesiens soll eine Notstandsaktion eingeleitel werden, Steuernieder schlagungen und Stundungen gewährt und die geschädig ten Bezirke in die Osthilfe einbezogen werden, soweit dies nicht schon der Fall war. Zur Vermeidung der Wieder kehr solcher Katastrophen soll die Fortführung der in Gang befindlichen Wasserbauten beschleunigt und ein umfassen des weiteres Wasserbauprogramm ausgestellt werden. Nationalsozialistische Kundgebung. Protest Versammlung ln Berlin. Als Protest gegen die voni Berliner Polizeipräsidium er lassenen Versammlungs- und Zeitungsverbote veranstaltete die NSDAP, eine Kundgebung im Norden Berlins und im An schluß daran nach einem Demonstrationszug eine Massenver sammlung im Kriegervereinshaus Der Reichstagsabgeordnete Dr. Frank II - München erklärte, man habe offenbar mit dem Verbot der Versammlung in der „Neuen Well" mit dem Thema „Her mit der Reichswehr" die Erörterung der den Reichs wehrsoldaten heute so stark bewegenden Fragen, wie sie auch i im Leipziger Prozeß aufgelauch, seien, untel allen Umständen I verhindern wollen. Reichstagsabgeordneter Dr. Göbbels erklärte, Verbote und noch einmal Verbote seien bei den heutigen Machthabern der Weisheit letzter Schluß. Sie könnten der ansteigenden und bald ein Volk umfassenden nationalsozialistischen Bewegung in geistiger Auseinander setzung keinen Abbruch tun und griffen daher zur Gewalt. Die Veranstaltungen verliefen ruhig. QlegrapbWer Siiaverllevr verlin—Nmvork. 0ULü). Am 16. November 1930 wurde der postalische telegraphische Bildverkehr Berlin—Newyork eröffnet. Unser Bild zeigt die Depesche des Haupttelegraphenamtes Berlin, die aus diesem Anlaß an die Radio-Corporation in Newyork gesandt wurde. Neuer Erdrutsch tu Lyon. In Lyon sand die Beisetzung der ersten vier auT den Schuttmassen geborgenen Todesopfer statt. Bei den Ausräumungsarbeiten sind bis jetzt insgesamt zwölf Tote, darunter sieben Feuerwehrleute sreigelegt wordeu. Eine unübersehbare Menschenmenge hatte sich am Ort dec Ka tastrophe eingefunden. Da fortgesetzt Regen fällt, befürchten die Sachver ständigen, daß der linke Flügel des aus der Anhöhe ge legenen Krankenhauses jeden Augenblick einstürzen kann. Auch ereignete sich ein neuer Erdrutsch, wobei ein weiterer Teil der Stützmauer zusammenbrach. Deutsches Reich Länderlandwirtschaftsminister in Berlin. Die Landwirtschaftsminister der Länder werben Ende November oder Anfang Dezember in Berlin unter dem Vorsitz des Reichsernährungsministers Schiele zu einer Konferenz zusammentreten, in der die allgemeinen Richt linien für die Landwirtschaftspolitik des nächsten Jahres aufgestellt werden sollen. Man wird auch die inzwischen erzielten Ergebnisse der Preissenkungsaktion und die auf diesem Gebiet möglichen Maßnahmen besprechen. In erster Linie dient die Aussprache einer Verständigung über die im Etat des Reichsernährungsministeriums an geforderten Mittel. Der Anleihebedarf der Gemeinden. Die Vorsitzenden und die Geschäftsführer der Kredit ausschüsse der Landes- und Provinzialstädteverbände waren unter dem Vorsitz des Präsidenten des Deutschen Städtetages, Dr. Mulert, in Berlin versammelt. Es kam zum Ausdruck, daß nach wie vor allerstärkste Zurück haltung in der Anleiheanfnahme der leitende Gesichts punkt für die Arbeit der Kreditausschüsse ist. Die Reichs und Staatsbehörden müßten in ihren Anforderungen und Anregungen hinsichtlich kommunaler Bauten der Finanz lage der Gemeinde gegenüberZurückhaltung üben. DieVer- sammlung faßte eine Entschließung, in der vor der viel fach empfohlenen Aufnahme von Defizitanleihen oder Überbrückungskrediten gewarnt wird, da solche Maß nahmen die Schwierigkeiten der Gemeindefinanzen nur verschärfen würden. Rücktrittsgcrüchte um Dr. Scholz. Gerüchten zufolge soll Dr. Scholz, der Vorsitzende der Deutschen Volkspartei, in einem Schreiben an die Reichs geschäftsstelle der Deutschen Polkspartei seinen Rücktritt von dem Parieivorsitz angekündigt haben. Der stellver tretende Parteivorsitzende Dr. Dingeldey ist unter wegs, um mit dem in der Schweiz weilenden Dr. Scholz die Vorbereitungen für die Tagung des Zentralvor standes der D. V. P. am 30. November und 1. Dezember zu besprechen, da es noch nicht sicher ist, ob Dr. Scholz zu diesem Zeitpunkt wieder nach Berlin zurückgekehrt sein wird. Dr. Scholz hält sich bekanntlich zur Wieder herstellung seiner Gesundheit in der Schweiz auf. — Wie weiter verlautet, hat Dr. Scholz an seinen Stellvertreter Dingeldey aus Locarno ein Schreiben gerichtet, in dem er d-r Auffassung Ausdruck gibt, daß er 'mit Rücksicht auf seinen Gesundheitszustand die Niederlegung der Partei führergeschäfte für geboten halte. Ablehnung der Bürger- und der Bierstcuer in München. In der entscheidenden Beratung im Münchener Stadt rat über die Abdeckung des HaushaltsfehlHetrages wurde die Bürgersteuer mit 26 gegen 20 Stimmen abge lehnt. Abgelehnt wurde auch die Erhöhung der Biersteuer mit 40 gegen 6 Stimmen. Ferner wurde abgelehnt die Erhöhung der Feuerschutzabgabe mit 33 gegen 14 Stim men. Der Stadtrat erwartet von der Reichsregierung, daß sie eine Änderung der innen- und außenpolitischen Lage herbeizuführen bestrebt sei. Nach dem Ergebnis der Abstimmung verbleibt im Haushalt ein Nestfehlbetrag von 1,097 Millionen. Aus In- und Ausland Berlin. Der Reichskanzler hat die sozialdemo kratischen Abgeordneten Dr. Breitscheid, Müller, Hilferding und Herz zu einer Besprechung über die Aussichten der parla mentarischen Behandlung des Reform Programms empfangen. Berlin. Der Reichskanzler Hal an den japanischen Premierminister Hamaaucht ein Telearamm ae- Seines Herzens Königin Roman von Marie Blank-Eismann. 22. Fortsetzung Nachdruck verboten . A^sijivoll ihr Blick von einem zum andern. Aber beide hatten sich wieder vollständig in der Gewalt und nicht das leiseste Zucken der Muskel verriet noch etwas von dem Erschrecken, das die beiden befiel, als sie sich plötzlich qegen- überstanden. Lächelnd wandte sich Werra ihrem Gatten zu und bat diesen, ihr aus der Hausapotheke ein Migrünepulver zu ge ben, da sie heftige Kopfschmerzen verspürte und sich für ein paar Stunden aus ihr Zimmer zurückziehen wollte. Konrad Mayburg beeilte sich, dem Wunsche seiner Gattin nachzukommen und verließ mit ihr die Diele. Michael Romanowski aber starrte den beiden nach, als hätte er ein Gespenst gesehen. Doch als Lieselotte eine Frage an ihn stellen wollte, kam er ihr zuvor und bat um Entlassung, da er sich nach dem anstrengenden Ritt umkleiden wollte. Ohne ein Wort Lieselottes abzuwarten, eilte er aus der Diele und verließ das Haus. Lieselotte war allein — wieder allein und aufs neue fank sie aufschluchzend in den Klubsessel am Kamin zurück und es schien ihr, als wäre ihr Herz noch schwerer als vorher, als trüge sie noch ein neues quälendes Leid. 7. „Um des Himmels willen, Werra — was ist geschehen — bist du in Gut Mayburg einem Gespenst begegnet?" Verwundert sprang Sascha Krasinsky von der Ottomane auf und starrte Werra an, die mit bleichem Gesicht ins Zim mer taumelte. Erschöpft lehnte sie sich an den Türrahmen und blieb eine Weile wie betäubt stehen, als wären ihre Glieder ge lähmt. Sie hielt ihre Augen geschlossen, ihre Brust hob und senkte sich in stürmischer Erregung und ihre Mundwinkel zuckten nervös. Für Sekunden herrschte ein banges Schweigen. Dann aber sprang Sascha Krasinsky auf und trat vor Werra hin. „Hast du vielleicht auch die Sprache verloren, daß du mir nicht antworten kannst?" Da richtete sie sich hastig auf, wandte sich nochmals der Türe zu und schob mit zitternden Händen den Riegel ins Schloß. Verwundert schaute ihr Sascha zu. Dabei lachte er schrill auf und rief: „Jetzt glaube ich aber wirklich, daß du auf der Flucht bist und dich fürchtest." Werra nickte und mit tonloser Stimme entgegnete sie: „Ja... auf der Flucht..." Abermals war von Saschas Lippen ein spöttisches Lachen zu hören. „Bist du der Zärtlichkeiten deines jungen Ehemannes schon überdrüssig geworden?" Werra hielt sich beide Ohren zu. „Nein — das ist es nicht — nicht vor ihm bin ich auf der Flucht — nicht vor ihm —" Sascha zuckte gleichgültig mit den Schultern, wandte sich dann von Werra ab und ließ sich wieder auf die Ottomane fallen, griff nach der Zigarettendose und wollte eine Ziga rette anzünden. Doch Werra eilte auf ihn zu, umklammerte seinen Arm so heftig, daß die Zigarettendose klirrend zu Boden fiel. „Sascha, ich habe wirklich ein Gespenst gesehen." Er blickte geringschätzig zu ihr auf. „Es scheint wirklich, als ob dir die Luft hier in Deutsch land nicht gut bekäme —" Werra schloß aufs neue die Augen und stöhnte: „Das Unglück verfolgt uns, Sascha — wir hätten diese Reise nicht wagen dürfen —" „Unsinn, das ist Weiberlogik, ich habe noch nie so zu versichtlich der Zukunft entgegengesehen als in dieser Zeit." „Aber du wirst dich mit allen deinen Plänen und Be rechnungen täuschen, Sascha —" „Ausgeschlossen." „Das Gespenst — Sascha, das Gespenst —" Wütend sprang er auf und stieß heftig mit dem Fuße auf. „Jetzt wird es mjr aber zu dumm, dir noch länger zuzu hören — mir scheint es wirklich, als hättest du Fieber — nimm Aspirin und leg dich zu Bett, dann wird es vielleicht möglich sein, in ein paar Stunden vernünftiger mit dir zu sprechen." Er bückte sich, hob seine Zigarettendose auf und wandte sich der Türe zu. „Bleib, Sascha — ich will meine Erregung niederzwin gen — will mich bemühen, dir alles klar zu erzählen, nur bleibe, denn uns beiden droht Gefahr." Sascha Krasinsky blieb stehen und lachte schrill aus. „Gefahr? — Uns beiden? — Hier in Deutschland?" „Ja — hier im Hause —" „Das ist doch unmöglich — besinne dich doch, Werra, nie mand kennt uns hier. Du bist die Gattin Konrad Mayburgs und niemand wird es wagen, auch nur den leisesten Verdacht gegen dich auszusprechen." Werra schauerte fröstelnd zusammen. „Einer wird es wagen — einer wird den Kampf mit uns aufnehmen —" „Wer?" — Erstaunt blickte Sascha auf. „Und wie ein Hauch kam es von Werras zuckenden Lip pen: „Michael!"' Unwillkürlich wich Sascha einige Schritte nach rückwärts und starrte Werra an. Für ein paar Minuten lastete ein banges Schweigen in dem Zimmer. Dann strich sich Sascha langsam über die Stirn, als er wachte er aus einem schweren Traum. Und langsam wiederholte er: „Michael — wie sollte gerade er —" !ForUebnnn felP I