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I Wilsdruffer Tageblatt I I 2. Blatt. Nr. 265 — Donnerstag, den 13. Nov 1930 I Tagesspruch. Was die Ohren besticht, ist Uebung der Kehle, was zum Herzen spricht, das kommt aus der Seele. Wilhelm Iordan. SMiMM OerVMmtiMle MchMttiWW? Von Max Lasse, M.d.L. Seit der Gründung des Iungdeutschen Ordens hat dieser um viele, vielleicht nebensächliche Angelegenheiten kämpfen müs sen; Kampse, die aber doch zur Ausrollung der Kernfrage not wendig waren. Durch diese Kämpfe ist es nämlich erst möglich geworden, eine klare Frontbildung herauszuarbeiten. Als in Dortmund die Idee vom Aufbruch der Nation ins Volk getragen wurde, als dort vor aller Oesfentlichkeit erstmalig die Flaggen hetze geächtet wurde und sich Menschen aus dem schwarz-weiß roten und dem schwarz-rot-goldnen Lager die Hände reichten, in Erkenntnis besten, daß es heute um mehr geht, als um die An erkennung von Symbolen zu streifen, da spürten wir, daß unsere jahrlange Arbeit endlich doch anfmg, Früchte zu tragen. Die Gründung der Völksnationalen Reichsvereinigung im April d. I. war ein weiterer Schritt im Kampfe um das Fernziel: die Schaffung des wahren Volksstaates. Der Aktivismus einer Bewegung wurde zum Aktivismus der Tat. Beides aber bedeu tete das Leben der V. R. Der Wahlkampf in Sachsen hatte uns bewiesen, welche Kraft sich in der neuen Bewegung bereits auswirkte. Die neue Front war gebildet. Es galt nun der Fortentwicklung zum Bvlks- staat weiter zu dienen, um die nachstehenden Worte im Jung- deutschen Manifest zur Tat werden zu lasten. „Mit der neuen Frontbildung wird sich der Iungdeutfche Orden mit allen den politischen Gruppen, Parteileilen und Partei gruppen in derselben Front fühlen, die die Ablösung des gegen wärtigen plutokratischen Zustandes durch den Volksstaat be jahen." Die Reichstagswahl sollte uns hierzu Gelegenheit bieten. Als am 27. Juli 1930 in Berlin die Deutsche Staatspartei aus gerufen wurde, da fanden sich Frauen und Männer aus dem Lager der Volksnationalen Reichsvereinigung, der Deutschnati onalen Volkspartei, der Jungen Volksparteiler, der Demokrati schen Partei ufw. zusammen, um alle Parieischranken niederzu- reißcn und um die neue Plattform für die politische Willensge staltung des deutschen Volkes zu schaffen. Trotz vieler Hemmungen stellen sich die volksnationalen Kämpfer in Erkennung des Fernzieles dieser Neugründung zur Verfügung. Leicht war es nicht, denn bald mußten wir feststellen, daß sich doch zwischen uns und den zu uns stoßenden Menschen, ocsonders aus dem demokratischen Lager, Meinungsverschieden heiten entwickelten, die ihre Ursache in der Verschiedenartigkeit weltanschaulicher Grundbegriffe hatten. Unser hündischer Ein schlag mit der uns eigenen Sprache wurde oftmals von der an deren Seite nicht verstanden. Unser Tempo war ihnen scheinbar unbequem. Trotzdem war aber bei allen anfangs doch der gute Wille zum gemeinsamen Handeln im Sinne des Gründungsauf- ruses sestzustellen. Die nach der Wahl gemachten Beobachtungen sollten aber denen Recht geben, die bereits vorher festgestellt hatten, daß die Ehrlichkeit des Wollens doch mehr auf der Seite der Volksnati onalen zu finden war. Man konnte sich des Eindrucks nicht er wehren, daß ein Teil der aus der demokratischen Partei zur Staatspartei stoßenden Personen nicht begreifen konnte, daß et was ganz Neues geschaffen werden sollte, das auch nach außen das neue Gesicht zu zeigen hatte. Die alte Parteibürokratie Staubte, ängstlich darüber wachen zu müssen, daß auch ja nicht zu viel von den demokratischen Parteibegriffen verloren ginge- Wir aber dachten gar nicht daran, auch nur ein Stückchen des morsch gewordenen Alten für den Bau der deutschen Zukunft zu verwenden. Nein, alles soll neu sein, also auch das Innere der Menschen, die mit uns zusammen für die deutsche Zukunft kämp fen wollen. Vielleicht war diese Belastungsprobe für viele aus dem Lager der alten Parteien zu groß. Der 7. Oktober brachte uns dann den Beweis -der Richtig keit unserer Annahme. Die volkMationalen Vertreter im Haupt- aktionsausschuß der Deufchen Staatspartei sahen sich infolge des Seines Herzens Königin Roman von Marie Blank-Eismann. 16. Fortsetzung Nachdruck verboten „Nun bin ich wieder daheim, Vater — nun bin ich wieder daheim —" flüsterte er und schämte sich der heißen Tränen nicht, die über seine Wangen rannen. Leopold Mayburg aber hielt das Gesicht Konrads zwi schen seinen beiden zitternden Händen. „Mein Junge mein Konrad —" stammelte er mit erstickter Stimme. „Ist das alles denn kein Traum, der jäh in ein Nichts zerrinnt, wenn die ersten Strahlen der Mor- aensonne kommen? Ich halte dich wirklich mit meinen Hän- kep, A schaue in deine Augen, ich höre deine Stimme!" "an ich lebe, ich bin endlich heimgekehrt. "Nu°n uns lange warten lassen, mein Kind — " immer bei dir "Unvergessen sein, Vater, nun bleibe ich immer vei oir - doch - doch wo ist meine Mutter? Wa- r iein^ate/^ jäh, als Konrad Mayburg iider das Wirkte und ein paar heiße stende Stille entstand. ' rannen. Eine schwere, la- Es schien, als wäre mit einem Male alle Wiedersehens freude erstickt. Konrad Mayburg preßte die Lippen zusammen und habe es in der Einsamkeit Sibiriens geahnt, daß schweres Herzeleid unser Haus heimsuchte — ich fühlte mich euch so sehr verbunden, daß ich die Tränen spürte, die ihr weintet —" Leopold Mayburg drückte seinen Sohn fest an sein Herz und schluchzte: . , „Wir haben viel geweint, mern Sohn — allzuviel, denn wir trauerten um dich und Herbert — und diese Schmerzen haben deiner lieben Mutter das Herz gebrochen —" eigenartigen Verhaltens einzelner Mitglieder der demokratischen Partei veranlaßt, aus diesem auszuscheiden, da sie sich davon überzeugt hatten, daß eine gemeinsame Arbeit nur Hemm nisse in der uns vorschwebenden Fortentwicklung zu einem Volks staat, wie wir ihn wünschen und wie er dem deutschen Volke in seiner Gesamtheit dient, bringen würde. Nach meinem Empfinden ist die Trennung in diesem Augen blick -doch die einzig richtige Lösung gewesen, um uns weitere Ent täuschungen zu ersparen. Unsere Aufgabe, in der Vvlksnationalen Reichsvereinigung alle die Menschen zu sammeln, die gewillt sind, unser ehrliches staatspolitisches Wollen mit in die Tat um zusetzen, muß durchgeführt werden. Es darf aber nicht verkannt werden, daß wir durch die Mit arbeit m der Deutschen Staatspartei viel gelernt haben. Präch tige Menfchxn sind zu uns gestoßen, die gleich uns gewillt sind, Schluß zu machen mit einem System, das in den asten Parteien seine Vertretung findet. Wir Volksnationalen sind Bewegung und wollen Bewegung bleiben. Darum heißt es jetzt, mit ganzer Kraft weiterzuarbeiten im Sinne der volksnationalen Ziele für den wahren Volksstaat, in dem die soziale und kulturelle Gerechtigkeit sowie die politische Gleichheit aller Staatsbürger gewahrt ist. Deshalb sind und bleiben wir Kämpfer der Volksnationalen Reichsvereinigung. Schiedsspruch im Ruhrbergban Verlängerung des Arbeitszeitabkommens. Im Arbeitszci strntablommm im Ruhrbergl au ft litt Sie Schlichterkammer einen Schiedsspruch, durch den oas bisherige Arbeitszeitabkommen unverändert bis zum 30. September 1931 wieder in Kraft gesetzt wird. Tas Abkommen ist erstmalig am 1. August 1931 zum 30. Sep tember 1931 kündbar. Ueber die Schichtzeit auf den Zechen, insbesondere über die Durchführung der 7ftz Stundeuschicht werden besondere Schlichtungsverhandlungen sta'ftinden. Die Er klärungsfrist zum Schiedsspruch läuft bis zum 17. No vember. Die Gewerkschaften, sowohl die freien, als auch die christlichen, werden voraussichtlich den Schieds spruch ablehnen. An der Annahme des Schiedssprüche durch den Zechenverband dürfte kaum zu zweifeln sein. Oie Ltniersuchung Her Alsdorfer Bergwerkskaiasirophe. Neue wichtige Feststellungen. Wie man hört, sind bei den Aufräumungsarbeiten un unterirdischen Betriebe der Grube Anna II in Alsdorf wichtige Entdeckungen gemacht worden, die vielleicht zur Aufklärung der Ursachen des Unglücks Oer französische Haushaltsvoranschlag fordert für die Zwecke der Landesverteidigung 12,1 Milliarden Frank ( — 2 Milliarden Mark) an. Poincarö: „Meine liebe Marianne, wir überreichen Ihnen hiermit Ihr Nadelgeld für das nächste Jahr." Marianne: „Und was bedeutet dieser Beutel mit den 100 Frank?" Briand: „Die sind für den Ankauf von Friedenspalmen bestimmt!" beitragen werden. In der nördlichen Richtstrecke zum Re vier 10 auf der 460-Mcter-Sohle, wo ganze Strecken zu Bruch gegangen sind, fand man, wie es heißt, eingestürzte Grubenstempel, die von der Strecke nach dem Schachte zeigen. Bisher hatte man in den verschiedenen Revieren nur Stempel gefunden, die vom Schachte nach den Strecken zeigten, so daß durch sie eine Explosion im Schachte oder in der Schachtmündung bewiesen wurde. Wenn die neuen Feststellungen sich bestätigen, muß man eine zweite Explosion im Untertagebetrieb, und zwar in der nörd lichen Richtstrecke, vermuten. Nur durch eine solche zweite Explosion lassen sich, nach. Ansicht der Fachleute, die starken Brüche in der Richtstrecke erklären. Es sollen dort Hohlräume entstanden sein, in denen ganze Häuser Platz haben würden. Protest des Mtallardesterverbandes. Eine Entschließung des erweiterten Beirates. Der erweiterte Beirat des Deutschen Metallarbei- wrverbandes Hal eine Entschließung gemßt, in der es heißt, der neue Schiedsspruch müsse vou den beteiligten Ge werkschaftsfunktionären und Arbeitern als eine Provo kation empfunden werden, um so mehr,, als der bis herige Verlauf der Preissenkungsaktion einer Verhöh nung der Arbeiterschaft gleichkomme. Die reaktionären At tentate gegen die Berliner Arbeiterschaft seien aber nur- möglich infolge der die Arbeiterbewegung zersetzenden Tätigkeit der Kommunisten. Nie Aemegesim der KohnnngStoirtschafi. Bedenken des Deutschen Gewerkschaftsbundcs. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat an den Reichs rat, die Neichsregierung, den Reichstag, die Länderregie- rungen usw. eine Eingabe gerichtet, in der schwere Be denken gegen die im Rahmen des Wirtschafts- und Fi- nanzprogramms der Reichsregierung vorgeschlageue Neu regelung der Wohnungswirtschaft zum Ausdruck gebracht werden. Die Kürzung von 400 Millionen Mark Haus zinssteuerhypothek bedeute das Fehlen von einer Mil liarde Baukapital. Vom Standpunkt der Arbeitsbeschaf fung aus bedeute die Verkürzung der Mittel zum Woh- ungsbau vermehrte Arbeitslosigkeit. Die Arbeitzeit im Ruhrbergbau. Er neu re Verhandlungen. In Essen begannen unter dem Vorsitz des Schlichters für Westfalen, Professor Brahn, zwischen dem Zechenverband und den Bergarbeiterverbänden erneute Verhandlungen über das Arbeitszeitabkommen im Ruhrbergbau. Die Einigungs verbandlungen werden zurzeit aus Vorschlag des Schlichters in kleinem Kreise der ans Vertretern beider Parteien besteht, fortgesetzt. Wird keine Einigung erzielt, so soll dieser Kreis als Schlichterkammer dte Angelegenheit entscheiden. In den Verhandlungen beharrten die Gewerkschaften aus ihrer Forde rung nach einer Verkürzung der Arbeitszeit um eine Stunde, eine Forderung, dte der Zechenverband ablehme mit der Be gründung, daß jede Arbeitszeitverkürzung eine Steigerung der Selbstkosten mit sich bringen würde. Dies würde bei der überaus schlechten Wirtschaftslage des Nuhrbergbaas, die eine Senkung der Selbstkosten ersorderlich mache, eine weitere Ge fährdung des Bestandes und der Konkurrenzfähigkeit der In dustrie bedeuten und die beabsichtigte Preissenkung der Ruhr kohle unmöglich machen. Modernisierung im ländlichen postdienst. Der Fortschritt der Landpostverkraftung. Die Postversorgung des platten Landes unter weitgehender Verwendung des Kraftwagens wird nach vorsichtiger Schatzring am Ende des laufenden Rechnungsjahres, also am 31. März 1931, soweit durchgeführt sein, daß 1150 Landkraftposten die Verbindung für 2400 Postagenturen und 14 700 Poststellen und für rund 6,8 Millionen Landbewohner Herstellen. Damit ist aber der Ausbau der Landpostverkraftung bei weitem nicht ab geschlossen. Die Landpostverkraftung ist nur etwas mehr als zwei Jahre alt. Vis dahin wurde die Zustellung auf dem Lande durch den Landbriesträger zu Fuß besorgt. Vor dem Kriege beginge» 23 000 Landbriefträger von rund 3900 Post ämtern und 8400 Postagenturen aus die meisten geschlossenen Landorte zweimal täglich. Kriegs- und Nachkriegszeit zwangen auch hier zu schwerwiegenden Einschränkungen Das bedeutete für die Landbewohner, daß sie ihre Post nur einmal cm Laufe des Tages erhielten. Dieser Zustand konnte auf die Dauer nicht bestehen bleiben Sobald die wirtschaftlichen Verhältnisse wieder einigermaßen geordnet waren, ging die Deutsche Reichs- vost an den Wiederaufbau der ländlichen Postversorgung. Konrad seufzte schwer. „Armes, armes Mütterchen — wie gerne hätte ich dir einen Gruß gesandt — wie gerne dir die Gewißheit gegeben, daß ich noch am Leben war —" „Keine Botschaft ist je von dir in unsere Hände gelangt, Konrad, wie glücklich hättest du mich und deine Mutter da durch gemacht —" Und doch habe ich immer und immer wieder geschrie ben, aber kein Brief ist je zur Absendung gelangt — man wollte uns dadurch aller Welt entfremden — wollte uns gänzlich zu Sklaven machen." „Diese grausamen Menschen wissen nicht, was sie taten." „Es sei ihnen auch vergessen und vergeben, Vater, denn ich bin ja erlöst von aller Qual — nun bin ich wieder da heim — bei dir, freilich tut es bitter weh, nur an Mutters Grab treten zu können, ich hätte sie so brennend gern wie- dergesehen und ihre kleinen, zarten Hände geküßt." Leopold Mayburg streichelte leise über Konrads Haar und flüsterte: Nicht alle Freude darf vollkommen fein, mein Sohn — wir wollen zufrieden sein, daß uns das Schicksal doch noch diese Stunde schenkte, und wenn Mutter auch nicht mehr unter uns weilt, so bin ich doch überzeugt, daß sie mit ihrer großen Liebe doch mit uns verbunden ist — daß sie sich deiner Heimkehr freut! Ach, mein Junge, wie hast du mich in dieser Stunde glücklich gemacht — nun will ich gerne sterben — denn das Schicksal hat mich für alles Leid reich entschädigt." Doch Konrad Mayburg wehrte rasch ab. „Sprich nicht vom Sterben, Vater — leben sollst du — für mich — mit mir —" Doch Leopold Mayburg schüttelte langsam den Kopf und murmelte: „Ich bin ein kranker Mann — der Krieg hat mir meine ganze Kraft geraubt — an den Rollstuhl bin ich gefesselt — ich, der sich sonst keine Rast noch Ruhe gönnte —" „Armer Vater —" Doch der Kranke zwang sich zu einem Lächeln „Es hat sich in den langen Jahren eben vieles geändert, Konrad, das ist nun einmal der Weltlauf — auch du bist ein anderer geworden, älter, reifer, dein Gesicht zeigt ernste Falten und dein Haar ist schneeweiß —" Konrad Mayburg nickte. „Ja, Vater, die harten Jahre des Frondienstes haben ihre Linien eingegraben — aber mein Herz ist jung geblie ben — so jung — ich fühle neue Kräfte in mir, umsomehr, da ich sie kennenlernte, sie, die jetzt mein ganzes Glück be deutet, die der Inhalt meines Lebens ist — meine Werra —" Er richtete sich auf und blickte sich nach seiner Gattin um. Und er sah sie Lieselotte gegenüberstehen. Als Konrad an die Seite seines Vaters eilte und in der Freude des Wiedersehens alles andere vergessen zu haben schien, da trat Lieselotte an das Auto heran, streckte der im Fond Sitzenden ihre Hand entgegen und reichte ihr einen duftigen Frühlingsstrauß, den sie selbst gepflückt, und stam melte: „Willkommen in Mayburg, in der neuen Heimat." Die Fremde nahm die dunkle Autobrille von den Aua"n. Sie schob auch die Lederkappe zurück und schaute dann Liese lotte an. „Ich danke Ihnen, liebes Kind — wer sind Sie?" Da lächelte Lieselotte ein wenig und entgegnete: „Ich bin die Schwester Konrads —" „Dann sind Sie also die kleine Lieselotte?" Da aber drängte sich der Begleiter der jungen Frau an Lieselotte heran, schaute ihr lächelnd ins Gesicht und er klärte: „Klein finde ich das gnädige Fräulein nicht, Werra —" „Aber Konrad hat doch immer nur von einem Kinde er zählt." Lieselotte nickte. „Das war ich, als Konrad ins Feld zog; darüber sind aber viele Jahre ins Land gezogen —" (Fortfetzung f-' - >