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MsdmfferTagM« Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, »Wilsdruffer Tageblatt" erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Vc- Abholunfl in der ^Eschastsstclle und den Ausgabestellen 2 NM. im Monat, bei Zustellung durch die Voten 2,30 NM., bei Postbestellung reRpfg.All?Posta^ Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Asibotenun^ ttSgerund Geschäftsstellen — - nehmen zu jeder Zeit Be ¬ stellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonst. Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oderKürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Sch riftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenpreis: die 8gespaltene Naumzeile 20 Rpfg., die 4gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs pfennige, die 3gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 RMK. Nachweisungsgebühr 20 Reichspfennige. Dor- Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 annahmebisvorm.lvUhr. ' Für Vic Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übern, wir keine Garantie. Jeder Rabattanspruch erlischt, wenn der Betrag durch Klage eingezogen werden mutz oder der Auftraggeber inKonkurs gerät. Anz. nehmen alleDermittlungsstellen entgegen. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Das ist die Zeit der schweren Not. „Wohlzutun und mitzuteilen vergesset nicht!" Die Not des Volkes ist groß — wo man hinhört, wird von ihr gesprochen. Mit einem sorgenvollen: „So darf es nicht weitergehen, sonst reißt es vielleicht uns alle ins Verderben, auch diejenigen unter uns, welche die Not am eigenen Leibe noch nicht erfahren, welche sich eines, wenn auch noch so kleinen Besitzes erfreuen dürfen, welche in Lohn und. Brot sind, welche noch nicht zu hungern und zu frieren brauchen, welche noch ein Dach über dem Kopfe haben. Ja, auch diese kann es mitreißen, denn noch wissen wir nicht, wo die Lawine zum Stehen kommt, noch sehen wir kein Ende der wirtschaftlichen Katastrophe!" In den Ministerstuben, an den grünen Tischen, an den Stätten, wo die Behörden raten und taten, in den großen Privatbetrieben, in Banken und Fabrikkontoren — überall sitzen sie sinnend und kluge Worte redend bei sammen, von überall kommt die bange Frage: „Wie helfen wir?" Und es wird ja geholfen. Es werden Unter stützungsfonds begründet, und es gibt soziale Versiche rungen in großer Zahl, und das Reich und die Länder und die Gemeinden wetteifern in Beistandsleistung und suchen den Hunger zu stillen, wo er sich zeigt,' und die Privaten, „durch Mitleid wissend", suchen sich ihrer Menschenpflicht, die auf dringendste Hilfe hinweist, nicht zu entziehen, und wer nicht freiwillig zu helfen bereit ist, wird durch sanften Druck, wird durch Besteuerungen aller Art verpflichtet, jür den Darbenden einzustehen. Es scheint alles getan zu werden, und doch, es reicht nicht aus, die Not auch nur von einem Bruchteil der durch die Wirt schaftskrisis um Brot und Arbeit gebrachten Millionen fernzuhalten. Und nahe, ganz nahe, zeigt sich das Ge spenst des Winters, eines vielleicht grausamen Winters. Wir suchen nach Gründen, um das Warum der traurigen Lage zu ergründen. Daß wir an dem Ver- saillerDiktat, daß wir anDawes - und Bonng - Plänen kranken, daß wir hineingerissen sind in die große Weltwirtschaftskrise, die auch die reichsten Länder nicht verschont hat — wer wüßte das nicht? Aber ist uns im Augenblick geholfen, wenn wir das wissen? Ist es so wichtig, um Politisches zu streiten, wenn unser Volk in Not ist? Bei der großen Not der vielen sollte es vor allem daraus ankommen, zu helfen. Es gibt ja, wie wir gezeigt haben, die „offizielle" Hilfe, aber ihr sind Grenzen gesetzt in der Steuerkraft des Steuerzahlers, die nicht von Eisen ist. Die private Hilfe aber, der gute Wille der einzelnen ist noch lange nicht erschöpft — es fehlt nur die Anregung, es fehlt nur die planvolle Organi sation, um sie wirksamer zu machen. Wir sind ehrlich überzeugt, daß es unter uns viele gibt, die ihr Herz sprechen lassen und über das hinaus, was sie dem Staate opfern müssen, auch freiwillig noch beitragen wür den zum Nutzen der Elendsscharen. Also sollte, also müßte, Wer noch etwas hat, unbedingt sein Scherflein beitragen zur Linderung der Not der anderen, Und wenn es nur zehn Pfennige, und wenn es nur fünf Pfennige in der Woche wären. Viele Wenig machen ein Viel, und wenn auch die vielen Wenig bestimmt noch Nicht langen würden, um aller Not, die uns umringt, zu steuern — ein großer Schritt vorwärts wäre damit doch schon getan; denn den vier oder fünf Millionen, die brot- nnd arbeitslos sind, stehen immer noch Millionen solcher, welche bitterste Not nicht zu spüren bekommen, gegenüber, Und diese sind es, die große Masse des Volkes ist es, an deren Mitleid, an deren Mitgefühl der Ruf zu helfen ergeht. Und wenn der einzelne verfugt — nicht, weil er nicht gern helfen möchte, sondern weil er nicht recht weiß, wie er seine Hilfe am besten aubringen könnte, — so müßten die vielen Vereine, die wir haben, die Verbände, die Ge- Uossenschaften, die Wohlfahrtsorganisationen stch zusammenfinden zu einem Hilfswerk. Es brauchte dicht „großartig aufgezogen" zu sein, mit pompösen Ver anstaltungen — nein, an die Herzen müßte es stch wenden, Kl den Herzen müßte es sprechen können mit schlichten, aber eindringlichen Worten. „Wohlzutun und mitzuteilen vergesset nicht!" so heißt es im Neuen Testament. So tut denn wohl, so teilet denn unt von dem, was ihr habt, so schließet euch zusammen zu ewer Phalanx von Helfern, so schreitet denn mit offenen fanden durch die Massen der Darbenden. Denkt an den hinter und helfet und helfet, auf daß keiner von denen, welche eure Brüder und Schwestern sind, durch eure Mit- ichnld in noch größere Not gerate! Etatsberatungen im Reichsrat. Beschleunigte Ausschußarbeiten. be Tie Ausschüsse des Reichsrates traten in die Etats- ein. Erledigt wurden bisher die Etats der scha??^."^ei, des Reichspräsidenten, des Neichswirt- Neicüs^^eriums, des Neichsjustizministeriums, des bes, des Reichsfinanzministeriums, der Versor- scüuw i^er.Etat des Neichssparkommissars, der Reichs halt Neichsinnenministeriums, der Reichsposthaus- arbeitEi -I! Agenden Tagen soll der Etat des Reichs- "Nlsteriums in Angriff genommen werden. Lebensmittel werden billiger. Anpassung der Preise an denLohnabbau. Der Schiedsspruch in der Berliner Metall industrie, der einen gestaffelten Lohnabbau vorsieht, hat grundsätzliche Bedeutung und dürfte ähnliche Ent scheidungen bei Lohnkonflikten nach sich ziehen. Die Forde rungen der Arbeiterschaft gehen jetzt natürlich vor allem auf eine entsprechende Senkung der Lebensmittelpreise, um dem geminderten Lohn wenigstens die Kaufkraft des alten höheren Lohnes zu geben. Man wird ins besondere durch die Spitzenorganisationen bei der Reichs regierung Forderungen auf Reduktion der Handelsspanne der Lebensmittelpreise stellen. Die Verhandlungen, die das Reichsernährungs ministerium seit einigen Tagen mit den Vertretern des Einzelhandels über die Herabsetzung der wichtigsten Lebensmittelpreise führt, sollen dem Vernehmen nach in einigen wesentlichen Teilen bereits von Erfolg gewesen sein. Eine Preissenkung für Brot und Fleisch soll unmittel bar bcvorstehen. Nachrichten aus Kleinhandelskreisen zufolge soll die Preis senkung sogar beträchtlicher ausfallen, als man bisher günstigstenfalls erwartet hat. Auch die Verhand lungen über die Senkung der Milchprcise sollen günstig stehen. Jedenfalls setzt die Reichsregierung ihre Bemühungen weiter fort und hofft, ohneZwangs- maß regeln aus Grund freiwilliger Vereinbarungen weitere Preissenkungen und damit die Grundlage zn einer allgemeinen Belebung der Wirtschaft zu erreichen. Die ersten Preissenkungen. Billigeres Brot, Fleisch und Milch in Groß-Berlin vom 13. November ab. Im Verfolg der Besprechungen im Reichsernährungs ministerium mit den Vertretern der Spitzenorganisation der deutschen Bäckerinnungen, mit dem Zweckverband der Vereinigung der Brotfabrikanten und Bäckermeister Groß- Berlins, ferner mit den Vertretern des Fleischergewerbes und des Verbandes der Vereinigten Berliner Milchhändler bzw. der Arbeitsgemeinschaft der freien Milchhändler und des Milchverkaufsverbandes norddeutscher Meiereien konnte vom Reichsminister Schiele folgendes Ergebnis festgestellt werden: Beim Brot konnte die Spanne, die in Berlin gegenwärtig 19 Pf. für das Kilogramm Brot, d. h. für das 2)4-Pfund-Brot 23,75 Pf. gegenüber dem Mehlpreis beträgt, um 4 Pf., d. h. um rund 16 Prozent, gesenkt werden. Die Berliner Bevölke rung wird daher vom 13. November ab für 2-L Pfund Brot statt 50 nur noch 46 Pf. zu zahlen haben, was einer Senkung des Vrotpreises um 8 Prozent entspricht. Unter der Voraussetzung, daß in Reich und Ländern sowie Kommunen eine gleiche Senkung des Brotpreises erreicht wird, könnte eine Ersparnis der sich nicht selbst versorgenden Bevölkerung von rund 100 Millionen Mari erreicht werden. Im übrigen haben die Bäckerorganisationen sich nun mehr bereit erklärt, das Brot entsprechend den Vorschriften dos Brotgesetzes künftig nach festen Gewichten zu gleitenden Preisen zu verkaufen. Bei den Fleischpreiscn hat der Deutsche Fleischerverband den Beschluß gefaßt, an die Verbandsmitglieder die Aufforderung zu richten, zu nächst die Spanne für Schweinefleisch um 5 Pfennig je Pfund zu senken. Der Bezirksverein Berlin hat hierzu die Erklärung abgegeben, daß er vom 11. No vember ab diesen Beschluß bis 13. November in Kraft setzen wird. Die Handelsspanne der Milch wird für Groß-Berlin um 1 Pfennig vom nächsten Montag ab herabgesetzt werden. Ein weiteres Entgegenkommen des Milchhandels wird damit angestrebt, daß der Handel sich verpflichtet, die höheren Preise für Qualitätsbezahlung in diese Handelsspanne einzubeziehen. Für Kartoffeln sind die Untersuchungen über die Preisspanne noch nicht abgeschlossen. Die bereits vor liegenden Ergebnisse zeigen, daß die Handelsspannen bei Kartoffeln zurzeit gegenüber dem Durchschnitt der Vor jahre 1924/30 außerordentlich überhöht sind und daß namentlich bei der K l e i n h a n d e l s s p a n n e, die im Oktober 54 Prozent gegenüber 36 Prozent von 1924/30 be tragen hat, die Möglichkeit einer Senkung durchaus besteht. Die deutsche Ernte ^930. Endgültige Schätzung des Landwirtschaftsrates. Die Preisberichtstelle beim Deutschen Landwirt schaftsrat hat gemeinsam mit den Landwirtschafts kammern am 15. Oktober 1930 bei ibren Berichterstatter!! eine endgültige Ernteerhebung unter Zugrundelegung der Druschergebnifse durchgeführt. Im allgemeinen kann festgestellt werden, daß die Erhebung der Preisberichtstelle die Erntevor schätzung des Statistischen Reichsamlcs vom Anfang Septem ber d. I. bestätigt. Beim Winterwcizen wurden im Reichsdurchfchnitt je Hektar 21 Doppelzentner ge erntet. Nach der Preisberichtstellenschätzung dürfte sich dem nach unter Zugrundelegung der Anbauflächen dieses Jahres die Winterweizenernte auf etwa 3,39 Millionen Tonnen be laufen. Der Gefamtzuschußbedars an Weizen wird unter Berücksichtigung des Sommerweizenbctrages von etwa 330000 Tonnen im ganzen Wirtschaftsjahr demnach nur etwa 700 000—800 000 Tonnen betragen. Der Winterroggenhcktarertrag wird von der Preisberichtstelle mit 16,2 Doppelzentnern er mittelt. Das bedeutet, daß die diesjährige Roggenernte um etwa 500 000 Tonnen geringer ist als die des Vorjahres und um etwa 900 000 Tonnen kleiner als die Ernte des Jahres 1928. Die Wintergersteuernte ist mit einem Hektarertrag von 24 Doppelzentnern nach der Schätzung der Preisberichtstelle günstig ausgefallen. Auch die Sommcrgerstenernte ergab bei der Erhebung am 15. Oktober 1930 mit 18,2 Doppelzentnern ein günstigeres Ergebnis, als das Reichsamt Anfang September mit 17,0 Doppelzentnern feststellen konnte. Die Sommergerstenernte dürfte in diesem Jahre um 400 000—600 000 Tonnen geringer sein als in den Vorjahren. Die Haferernte brachte einen Hektarertrag von 16,6 Doppelzentnern gegenüber einem Vorjahrsertrag von 20,7 Doppelzentnern. Der Hafer minderertrag dürfte stch in diesem Jahre demnach auf etwa 1,7 Millionen Tonnen belaufen Die Kartoffelernte wurde von der Preisberichtstelle am 15. Oktober 1930 bei einem Hektarertrag von 167,3 Doppelzentnern je Hektar «gegenüber 124,6 Doppelzentnern je Hektar zur gleichen Zeit des Vor jahres) auf ungefähr 46,78 Millionen Tonnen geschätzt. 4- Aor-ermMN des ReichMMWdes. Sofortige Maßnahmen verlangt. Die Präsidenten des Reichslandbundes werden in einer Eingabe an die Reichsregierung umfassende Forde rungen zur Rettung der Landwirtschaft, die in der letzten Bundesvorstandssitzuug einstimmig beschlossen wurden, überreichen. Es wird darin betont, daß die Verzweiflung und da mit die Radikalisierung auf dem Lande immer schärfere Formen annimmt. Nur durch Abstellung der Ursachen der Agrarnot mittels grundlegender Maßnahmen, die sofort zur Durchführung gelangen, könne die Ruhe auf dem Lande wiederhergesteltt werden. Dann werden die Forde rungen aufgeführt, an deren Spitze die Forderung einer- weitgehenden Steuer- und kreditpolitischen Entlastung der Landwirtschaft im Zusammenhang mit der zu erweitern den Umschuldungsaktion steht. Gleichzeitig wird die zwingende Notwendigkeit einer Beseitigung der Trib u t- lasten betont. Weiterhin wird die umgehende Erhöhung der Zollsätze für Vieh und Fleisch, für Milch, Butter und sonstige Molkereierzeugnisse verlangt. Sofortige Schutzmaßnahmen werden auch für die heimische Holz erzeugung für dringend erachtet. Schädigungen durch die Tarifpolitik der Reichsbahn müssen durch Änderung der Tarife schleunigst behoben werden. Oesterreichs Parlament kaum geändert. Versagen der bürgerlichen Mitte. Man hatte stärkere Verschiebungen der Parkeien nach dem erbitterten Wahlkampf, der dem Entscheidungstag vorausgegangen war, erwartet. Unter dem früheren Bundeskanzler Dr. Schober war zwar eine neue Gruppe der Mitte gebildet, welche die gemäßigten bürgerlichen Elemente unter dem Namen „Nationaler Wirtschaftsblock und Landbund" zusammcufafscn sollte. Es gelang ihm aber nicht, mehr als 19 Mandate zu erringen. Zu seiner Fahne stießen die im früheren Parlament mit zwölf Ab geordneten tätigen Großdeutschen und die neuen Vertreter des Landbundes, die ehemals im allgemeinen mit den Christlichsozialen gingen. Die Christlichsozialen sanken von 73 auf 66 Mandate, einschließlich Heim- und Heimat wehr, ferner erhielt der Heimatblock acht Mandate. Die Sozialdemokraten errangen 72 Mandate gegen 71 vorher. Die Nationalsozialisten und die Kommunisten sowie andere Splitterparteien fallen gemäß dem besonderen österreichischen Wahlrecht ganz aus. Ein Vergleich der Gesamtzifferu der österreichischen Wahlen mit denen der letzten Wahlen ergibt: Insgesamt wurden sozialistische Stimmen abgegeben 1 623 070 gegen über rund 1 550 000 im Jahre 1927, bürgerliche Stinimen 1 645 881 gegen rund 1 980 000 ini Jahre 1927. Das er gibt für die Sozialisten eine Zunahme von etwa 73 000, für die Bürgerlichen eine Abnahme von etwa 335 000 Stimmen. Die starke Abnahme der bürgerlichen Stimmen Nr. 263 — 89. Jahrgang TeIegr.»Adr.: „Amtsblatt" Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 WA Dienstag, den 11. November 1930 beginn ^Preislenkung