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Todesstrafe gegen Frau LuHenberger beantragt. Augsburg. Im Augsburger Giftmordprozetz gegen die Frau Lutzenberger beantragte der Staatsanwalt, die Ange klagte wegen zweier Verbrechen des Mordes zum Tode und Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf Lebenszeit und wegen acht Verbrechen des Mordversuchs zu je sechs Jahren Zuchthaus, zusammengefaßt in zwölf Jahre Zuchthaus und Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von zehn Jahren zu verurteilen. Neues aus sller lvell Ein 16jähriges Mädchen als Mordanstisterin. In Berlin wurde dieser Tage än einem Uhrmacher namens Ulbrich ein Raubmord verübt. Dem Uhrmacher, der im Bette lag, wurde das Gesicht in die Kissen gedrückt, bis er erstickt war. Jetzt sind als Mörder des bejahrten Mannes zwei Burschen im Alter von etwa 20 Jahren und als Mordanstifterin ein tgjähriges Mädchen, das zu dem Uhrmacher Beziehungen hatte, ermittelt und festgenom men worden. Die Mörder hatten etwa 80 Mark bares Geld und einige Uhren erbeutet. Der Nobelpreisträger Sinclair Lewis verschenkt nichts. Die Nachricht, daß Sinclair Lewis seinen Nobel preis für einen jungen amerikanischen Schriftsteller und dessen Familie zur Verfügung stellen würde, ist durch Sinclair Lewis selbst richtiggestellt worden. Er gedenke, sagte er, den Nobelpreis für sich zu behalten. Mit dem „jungen amerikanischen Schriftsteller" habe er sich selbst gemeint. Lewis wird selbst nach Stockholm kommen, um den Preis in Empfang zu nehmen. Ein russisches Lenkluftschiff. Wie die Telegraphen agentur der Sowjetunion mitteilt, wird dieser Tage das erste lenkbare Sowjetluftschiff seinen ersten Dauerflug an- treten. Der Flug soll von Moskau über Tula—Kursk- Charkow—Slawjansk gehen. Die Gesamtlänge der Flug strecke Oeiräa: All« - nm Eyase verorannl. Aus dem Nrnergule Langen- Trechow in Mecklenburg brannte der strohgedeckte sechzig Meter lange Schafstall. Vou den etwa 400 Schafen, die in dem Stalle untergebracht waren, sind etwa 100 in den Flammen nmgekommen. Die Feuerwehr aus Bützow mußte sich auf den Schutz der Rachbargebäude beschränken. Der Packwagen als Speisewagen. Ein D-Zug Berlin—Wiesbaden erlitt kurz vor der Einfahrt in den Bahnhof Potsdam einen eigenartigen Unfall. Von der Achse des Speisewagens löste sich ein Bolzen im Gewicht von fünf Kilo, durchschlug eine Scheibe des Speisewagens und flog in den Jnnenraum. Ein Reisender, an dem das Eisenstück vorüberflog, wurde durch Glassplitter leicht verletzt. Der Wagen mußte ausgesetzt werden, und die Mitropa richtete rasch im Packwagen eine provisorische kalte Küche ein. Großfcucr in Rheine. Im alten Teile der fürstlichen Mühle in Rheine entstand ein Brand, der sich mit rasen der Schnelligkeit ausbreitete und besonders in den Ge treidevorräten reichliche Nahrung fand. Die Feuerwehr mußte sich darauf beschränken, das übergreifen der Flam- u-m auf die Nachbargebäude zu verhindern. Der alte Teil deck' Mühle brannte bis auf die Umfassungsmauern nieder. Der Gesamtschaden wird auf rund 300 000 Mark geschätzt. Marincsoldatcumeuterei in Cherbourg. Wie erst jetzt bekannt wird, ist es unter den im Hafen von Cherbourg beschäftigten Marinesoldaten zu einer Meuterei gekom men, die sich über mehrere Tage erstreckte. Die Soldaten hatten das Vorrecht, zu Hause zu essen, wofür ihnen sechs Frank am Tage als Entschädigung vergütet wurden. Durch einen Ministererlaß wurde jedoch in den letzten Tagen verfügt, daß die Soldaten ihre Mahlzeiten fortan im Marinearsenal einzunehmen hätten, und daß die Ver gütung aufgehoben werde. Aber die 160 Soldaten ver weigerten geschlossen die Annahme der Nahrung im Arsenal. 21 von ihnen wurden dafür mit acht Tagen Arrest bestraft und ein Anschlag kündigte strenge Maß regeln an, falls sie auf ihrer Weigerung beharren sollten. Nichtsdestoweniger haben sich auch an den folgen den Tagen viele von ihnen geweigert, zum Essen anzu treten. Drei wurden dann zu je fünfzehn Tagen strengen Arrests verurteilt, während 24 von der Beförderungsliste gestrichen wurden. Schwere Stürme an der spanischen Nordküstc. Schwere Stürme haben an der Nord- und Nordwestküste Spaniens großen Schaden anaericktet. Sehr geehrder Herr Reda kd ähr! Also nu is es raus mid dem Wein des laufenden Jahres. De Winzer sagen nämlich, daß der Wein in diesem Jahre brima wäre, mer kenn- de ihn mid dem des Jahres 1927 vergleichen. Der ganz be- riehmde 1821er werd wohl nu mid der Zeid mal ulte wern und da kenn mer froh sein, daß in diesem nassen Jahre wieder so was feines gewachsen is. Dorch die Bierbreiserhöhung is der Wein ja überall in Schwung gekomm, es werd jetzd viel mehr Wein gedrunken als frieher. Freilich zu soh ehn kühnen Wein- affen langd das Geld ovch nich. mer drinkd gewöhnlich ehnen, höchstens zwee (oder mehr) aber so ehne richdige Giebe kann mer sich der Bezahlung wegen nich dun. So naß der Sommer 1930 ooch gewesen is, sruchdbar war er aber doch ooch. Obst gibd es in Hülle, der Wein is gud geraden und Kardoffeln sind in ehner Menge gewachsen, wie mer se seid Jahren nich erlebd haben. Mer Hamm also gar kehne Ursache, ieber den Sommer .zu grei- nen und ze grinsen. Fier die liebe Steuernod kann -der Sommer dadsächlich nischd. Hamm Ses gelesen, daß de Dresdner Gast werde energisch werden und streiken wolln. Se Ham am Don- nersdag ehfach ma enn ganzen Dag ihre Lokale nich uffgemachd. un wolln nu in 14 Dagen ieberhaubd alle Schänken dord zu machen. Ich seh voraus, da kvmmd der Dresdner nach Wilsdruff. Der Haß und der Neid, derbe den lieben Menschen das Leben so schwer machd, exestierd nich nur rinder den lieben Nach barn und Kollegen. Nee, dieser Dage habe ich gelesen, daß es sogar Blumen gibd, die sich gegenseidig nich verdragen kenn. Wenn mer zen Beischbiel Rosen und Nelken in ehne Vase steltd, so verlieren beide sehr schnell an Aussehen, weil se sich gegen- jeidig nich erriechen kennen und aus gegenseidigem Aerger viel eher eingehen, als wenn mer se allehne in zwee Vasen nem- steckd, mer soll so was nich fier meeglich Halden, aber es is. so. Das kommd meiner Ansichd nach nur daher, weil de Blumen weiblichen Geschlechds sind und zwee hibsche Frauen nebenein ander kenn sich ooch nich ausstehen, Wenns ses off ehnen Mann abgesehen Hamm. Was bei den Blumen de Base is, das is bei den Frauen eben der Mann, da is es ooch besser wenn nich -weehe ehnen, sondern jede ehnen had. Wenigstens offiziell, das andere gehd niemanden was an. Uebrigens sälld mir da, da ge rade mei Fremd Karl voriber gehd, der schchne Versch ein: , ,Laßd Blumen schbrechen". Das klingd so poesievoll, kann aber ooch mal andersch wirken. Was mein Fremd Karl seine Martha is, die had nehmlich ne feste Hand. Vorgestern gucke ich' mir mein Fremd an und da had der ehn blaues Ooge. Wie ich ihn frage, wie er dazu kommd, mehnde er, seine Martha hädde ihn mid Blumen beworfen und da wärn aus Versehen noch de Vasen dran gewesen. Mas sagen Se nu daderzu, baß unsere Reichsregierung 28 neue Steuergesetze in 14 Dagen durchbreschen will? Is das nich ehn bissel viel off ehnmal? Bierzehn neie Gesetze, mir kenn uns nu bald selber leid dun, was mir noch erdragen missen. Unser Leben werd noch so in Daragraphen eingewickeld, daß mer schließlich noch ne Oogensteuer bezahln missen, wenn mer mal wo andersch als in ehn Gesetzbuch gucken wolln. Es werd werk- lich heechste Zeid, daß da mal rehne Werdschafd gemachd werd. Off Wiederhärn Ferchdegodd Schdrammbach. Was man noch wissen muß. Vortrag Severings über das Berliner Selbstverwaltungsgesetz. Berlin. Innenminister Severing hatte im Gemeindeaus schuß des Preußischen Landtages den Wunsch aussprechen jassen, daß dem Minister Gelegenheit gegeben werde, dem Aus schuß einen Vortrag über das Berliner Selbstverwaltungsrecht und über die allgemeine kommunale Versassungsresorm zu halten. Als Termin war der Mittwoch der kommenden Woche oom Ausschuß in Aussicht genommen worden. Da Severing rn diesem Tage werhindert ist, wird der Vortrag voraussichtlich rrst in der Dezembertagung gehalten werden. Eiu Kommunist schlägt Zörgiebel ins Gesicht. Berlin. Vor der dritten Großen Strafkammer beim Land gericht ü unter Vorsitz des Landgerichtsdirektors Dr. Hart mann fand ein Prozeß statt, in dem sich der kommunistisch« Stadtrat Schwarz von Köpenick wegen der Vorgänge bei den kommunistischen Demonstrationen am 1. Mai 1929 zu verant worten hatte. Als Zeuge war der bisherige Polizeipräsident Zörgiebel zugegen. Als sich Zörgiebel nach Beendigung der Beweisaufnahme aus dem Gerichtssaal entfernen wollte, stürzte ein Kommunist, der gleichfalls als Zeuge aufzutreten hatte, auf ihn zu und versetzte ihm einen Faustschlag ins Ge sicht. Der Täter wurde sofort festgZnommen und zu drei Tagen Haft verurteilt. Wohlfahrtsminister Hirtfiefer Dr.-Jng. e. h. Breslau. Rektor und Senat der Technischen Hochschule in Breslau haben auf Vorschlag der Fakultät für das Bauwesen oen preußischen Wohlfahrtsminister Dr. med. e. h. Hietsiefer in Anerkennung seiner Verdienste um das Bau- und Sied lungswesen zum Dr.-Jng. ehrenhalber ernannt. Maskierte Räuber im Thüringer Wald. Eisenach. Zwei Beamte des Eisenacher Arbeitsamtes be gaben sich im Kraftwagen nach Liebenstein, um den dortigen Erwerbslosen die fälligen Unterstützungsgelder auszuzahlen. Kurz hinter der Hohen Sonne war der Wagen bet einer ab schüssigen Kurve gezwungen, langsam zu fahren. In diesem Augenblick sprangen süns maskierte Männer aus dem Walde und zwangen mit vorgehallener Pistole den Wagenlenker zum Halten. Die beiden im Wagen sitzenden unbewafsneten Be amten mußten mit ansehen, wie die Straßenräuber in aller Ruhe das Auio nach Geld untersuchten. Die Räuber erbeuteten zwei Geldkassetten und zwei Aktentaschen, die aber nur Formulare und Zählkarten enthielten. Das Geld war an derweitig untergebracht und von den Banditen nicht entdeckt worden Diese slohen narb dem Übersoll in die Wälder zurück. Aus Sachsens Gench-ssälen. Das wandernde Kupferdach von Schloß Pillnitz. Dresden. Der Klempner Gaida ist wegen DiebstahlZ mehrfach vorbestraft. Im April vermißte ein Mitbewohner der Wohnung seine Brieftasche mit 290 Mark Inhalt, di« später im Klosett einer Klempnerei gefunden wurde. Diese, Firma waren nach und nach für etwa 560 Mark alle Küpser dachplatten vom Schloß Pillnitz gestohlen worden. Als Täte, wurde Gaida festgestellt. Er war geständig. Die Brieftaschi jedoch will er nur mit 90 Mark Inhalt gesunden haben Das entwendete Metall verkaufte er an den Rohprodukten händler Tille, der eine Genehmigung für dieses Gewerbe nicht besaß. Das Gericht verurteilte Gaida zu einem Jahr unk einem Monat Gefängnis, Tille zu einem Jahr Zuchthaus Beiden werden die bürgerlichen Ehrenrechte auf drei Jahr« aberkannt. Gegen Tille wurde weiter auf Stellung unter Polizeiaufsicht erkannt. Gefängnisstrafen für Wahlkrawalle. Leipzig. Vor dem Schöffengericht hatten sich unter de, Anklage der gemeinsamen Körperverletzung sechs Kommunisten zu verantworten, die beschuldigt waren, am 14. September einen Trupp Nationalsozialisten überfallen, einige davon miß handelt und verletzt zu haben. Sie wurden von den Zeugen als Mittäter erkannt. Es wurden verurteilt: der Koch Schäft lein, der Arbeiter Lippold und der Arbeiter Quaas zu j« vier Monaten Gefängnis, der Bergmann Frätzdorf und der Arbeiter Voigt zu je sechs Monaten Gefängnis un der Ar beiter Fischer zu drei Monaten Gefängnis. Spiel und Sport Einen neuen Motorradweltrelord fuhr der Engländer I. S. Wright auf der Strecke bei Cork in Irland. Aus einer lOOO-Kubikzentimeter-O. E. C.-Temple-Jap-Spezialmafchine er reichte er für den Kilometer mit fliegendem Start die fabelhafte Stundengeschwindigkeit von 242,604 Kilometern. Der von Henne seinerzeit ausgestellte bisher gültige Weltrekord betrug 221.539 Stundenkilometer. Einen „Tag der Schwimmeister" veranstaltet der be kannte Kölner Schwimmklub Sparta am 15. November im Kölner Hohenstaufcnbad. Erste deutsche und westdeutsche Klasse wird am Start sein. Besonders stark ist das Kunstspringen besetzt. Mit einem deutschen Reitersieg begann das internatio nale Newyorker Reit- und Fahrturnier. Oberlt. Hasse auf „Derby" und Oberlt. Momm auf „Kampfgesell" ge wannen fehlerlos ein internationales Paarspringen vor Schweden, U. S. A. und Irland. Rach dem letzten großen Sieg in Boston ist Deutschland jetzt auch heißer Favorit für den „Preis der Nationen" in Newyork. Kämpfen mußte Helene Mayer in der Vorschlußrunde um den Alfred-Hutton-Pokal in London. Zwei Gegnerinnen --konnte sie nur 4 :3 schlagen. Für die Schlußrunde gualifizierte sie sich als einzige bisher unbesiegte Teilnehmerin. In 25 Kämpfen unbesiegt blieb der Deutsche F. E.-Prag. 107'Tore wurden bei diesen 25 Siegen geschossen, nur 42 Tore erhalten. Mehr als die Hälfte dieser Spiele wurde gegen aus wärtige Gegner ausgetragen. Seines Herzens Königin Roman von Marie Blank-Eismann. 7. Fortsetzung Nachdruck verboten Michael Romanowski legte beschwörend seine Hand auf das Herz und versicherte: „Ich will jede andere Arbeit übernehmen, Herr Mals burg, ich will Ihnen dienen, wie der Treueste der Treuen, nur schicken Sie mich nicht fort." Und wieder suchten seine Augen die schlanke zierliche Mädchengestalt, die sich in die Polster eines Stuhles schmiegte. Leopold Mayburg schüttelte lächelnd den Kopf. „Ich schicke Sie nicht fort. Sie sollen in meinem Hause eine Heimat haben, das versprach ich Ihnen, und es wird sich eine Stellung finden, mit der Sie zufrieden sind... Sie sind Russe, Romanowski?" Michael nickte. „Za, Herr..." „Aber Sie sprechen ein tadelloses Deutsch..." „Meine Mutter und meine Großmutter waren deutsche Frauen, Herr Mayburg, und sie lehrten mich die Sprache ihres Landes, lehrten mich Deutschland lieben wie mein Vaterland, und als ich erwachsen war, besuchte ich in Deutschland die Schulen, studierte auf deutschen Universi täten." „Und wer waren Ihre Eltern?" Michael Romanowski schaute sich scheu nach allen Seiten uni und als er die neugierigen Blicke der Diener sah, bat er mit leiser Stimme: „Ersparen Sie mir, davon zu erzählen, Herr Mayburg." Leopold Mayburg fühlte, daß er eine wunde Stelle im Herzen des Fremdlings berührt haben mochte. Und rasch lenkte er deshalb ab und fragte. „Wenn Sie studiert haben, dann sind Sie auch bestimmt in allen schriftlichen Arbeiten bewandert, und ich möchte Ihnen vorschlagen, mein Privatsekretär zu werden, ich suche schon lange nach einer geeigneten Persönlichkeit und würde mich freuen, diese in Ihnen gefunden zu haben. Wenn Sie alfo Lust haben, die Gesellschaft eines ungeduldigen und oft launenhaften Kranken zu ertragen, dann schlagen Sie ein ...!" > Da leuchteten Michael Romanowskis heiße dunkle Augen leidenschaftlich auf. Seine Blicke umfaßten die schlanke Mädchengestalt, die sich tief in die Polster des Klubsessels schmiegte und lächelnd zu ihm schaute, er beugte sich über die Hand des Kranken, hielt diese mit festem Druck umspannt und rief mit jubeln der Stimme: „Ich danke Ihnen, Herr Mayburg. Sie haben mich in dieser Stunde zum Glücklichsten aller Menschen ge macht und ich werde von nun an keinen anderen Gedan ken haben, als Ihnen und Ihrem Hause in Treue zu dienen..." Und so wurde Michael Romanowski, der Heimatlose, der Flüchtling, mit festen Banden an das Haus gefesselt. 3. Wochen waren seit jenem ereignisvollen Abend ver gangen. Der Frühling war mit Macht gekommen. Seine milden, warmen Lüfte weckten in jedem Menschen herzen ein heißes Sehnen. Die Erde prangte in einem neuen, jungfräulichen Kleide. Die Blumen blühten und erfüllten mit schwerem Duft die Lüfte. Mit einem verträumten Lächeln stand Lieselotte am Fen ster des behaglichen Wohnzimmers und blickte ins Freie. Unwillkürlich dehnte sie ihre schlanken, weißen Arme. Wie schön war doch die Welt, schöner noch, seitdem — Erschrocken zuckte sie zusammen und blickte sich scheu nach allen Seiten um, als fürchtete sie, daß jemand ihre Ge danken erraten könnte. War sie denn plötzlich verzaubert? Warum waren ihre Nächte mit heißen Träumen er füllt? Warum war sie am Tage, wenn sie ihren Pflichten nachging, oft zerstreut? Trug daran der Frühling die Schuld? Unwillig preßte sie die Lippen zusammen. Nein — warum wollte sie sich selbst belügen? Sie wußte doch genau, daß alles Blühen und Werden draußen in der Natur wohl ihr Herz mit jauchzender Freude erfüllte, aber an dem bangen, zitternden Klopfen ein ganz anderer die Schuld trug. Warum sah er sie immer mit seinen heißen Blicken an? Warum leuchteten seine schönen blauen Augen auf, wenn sie seinen Weg kreuzte? Und warum klopfte ihr dummes, törichtes Herz so un gestüm, wenn sie seine Stimme vernahm, oder wenn seine Hand die ihre erfaßte und fein Kuß darauf brannte? Damals fchon, als er mit Karsten im Herrenhaus erschien und dieser die Anklage der Arbeiter überbrachte, damals schon hatte sein Handkuß sie verwirrt. Und doch wußte sie keinen Grund dafür zu finden. Es war doch in ihren Kreisen üblich, daß man den Da men die Hand küßt und niemals hatte sie in der Gesellschaft eine Verwirrung gespürt. Warum wurde sie also in der Nähe Michael Romanows kis unruhig und verlegen? Lag ihr noch immer der bange Aufschrei im Ohr, den sie vernommen hatte, als die Eisschollen unter dem Schlitten zu krachen begannen? Und hatte er wirklich sich angstvoll über sie gebeugt, als er sie endlich in seinen Armen hielt, hatte er wirklich jene bangen Worte geflüstert, die sie immer wieder im Wachen und Träumen vernahm? „Nicht sterben — nicht sterben, süße Lieselotte!" Unwillig schüttelte Lieselotte aufs neue den Kopf, als wollte sie diese törichten Gedanken abwehren. Nein — sie mußte das alles nur geträumt haben — und war nur deshalb in der Nähe Michael Romanowskis verwirrt, weil sie ihm ihr Leben verdankte, weil sie sich seine Schuldnerin wußte. (Fortsetzung folgt.)