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„Was gäbe ich brum, wenn ich diese Schreckensnachk ungeschehen machen könnte." Aber Lieselotte achtete kaum auf den Einwurf, sondern fuhr erregt fort: „Ahnungslos saß ich in dem Schlitten und freute mich, daß er so leicht und rasch dahinflog. Aber mit einem Male erkannte ich zu meinem Entsetzen, daß Johann nicht am Ufer des Sees entlang fuhr, sondern den Weg über das Eis nahm. Mein Herz drohte in diesem Augenblick stille zu stehen, denn ich kannte diese Fahrt, dachte an die Warnung, die Sie, Herr Inspektor, immer und immer wieder predig ten. Ich erhob mich im Schlitten — ich schrie Johann zu, zu- riickzufahren — aber der Sturmwind verschlang meine Stimme und die Pferde rasten über die eisige Fläche — was dann geschah, weiß ich kaum noch, so rasch hetzten sich die Ereignisse. Ich hörte ein Krachen und Splittern, sah, wie die Pferde vor meinen Augen versanken und ein gellender Aufschrei kam aus meinem Munde, denn ich fühlte in die sem Augenblick, daß alles verloren war, wenn nicht ein Wunder geschah —" Lieselottes Augen suchten die Blicke Michael Nomanoms- kis und ein Lächeln spielte um ihren Mund, als sie mit leiser Stimme flüsterte: „Und dieses Wunder kam — ich fühlte mich plötzlich aus dem Schlitten gerissen — fühlte mich auf zwei starke Arme genommen, lag an einer keuchenden Brust — und wußte mich gerettet —" Und wieder streckte sie beide Hände Michael Romanowski entgegen. „Ihnen verdanke ich mein Leben — Ihnen allein — das werde ich Ihnen nie vergessen —" Und zu dem Inspektor gewendet fuhr sie hastig fort: „Kaum hatte mein Retter das Ufer erreicht, kaum fühl ten wir festen Boden unter den Füßen, da —" Lieselotte schloß entsetzt beide Augen — „da war von den Pferden und dein Schlitten nichts mehr zu sehen —" (Fortsetzung folgt.» Tagesspruch. Ium Beginnen, zum Vollenden, Zirkel, Blei und Winkelwage; alles stockt und starrt in Hamen, leuchtet nicht der Stern dem Tage. Goethe. Kann die deutsche Wirtschaft noch gerettet werden? Dresden, 7. November. Zn eurer ostsächsischen Partei- vertretermgung öer Leuljchnalionaten Bolksparlel hielt der ost- jächsische Reichstagsabgeordnete Obersinanzrat Dr. Bang einen Vertrag über „Grundsätzliches zur Wirtschafts- und Sozialpo litik". Dr. Bang führte aus, daß nach wie vor die einheitliche Front gegen Deutschland steht. Die Finanzierung des deutschen Marxismus und des französischen Militarismus durch uns geht unter Strangulierung des nationalen Deutschlands und der deut schen Wirtschaft weiter. Seit dem 14. September hat ein ge- steigerter Kampf gegen die nationalen Kräfte eingesetzt unter der FH rung Severings als Strangulierungsminister. Lon einer ein- heitsichen Kampffront gegen die antideutschen Kräfte hört man ab.r nichts. Am 18. Oktober wurde in Wahrheit nicht das Ka binett Brüning gerettet, das kÄne verfassungsmäßige Grundlage har, sondern der deutsche Marxismus. Die Bewegung geht in Deüstchland auf die Entscheidung Rechts oder Links. Es ist zweck los. mittelparleiliche Dinge am Leben zu erhalten, oder zu un terstützen. Das Sanierungsprogramm der Negierung ist nichts anderes, als eine Fortsetzung der Politik die die Ursache unserer heutigen Schäden ist. Ls ist ein neues Lrfüllungsprogramm. Lr- füllnngsprogramme lasten sich aber nur mit dem Marxismus durchführen. Das deutsche Volk glaubt heute nicht mehr, was ihm von oben vorgercdet wird. Man spricht immer von einer Weltwirt- sü aftskrise. Dabei ging es einigen Ländern noch nie so gut wie heute, beispielsweise Frankreich. Da in Deutschland die Ausfuhr zugenommen hat, kann der Absatzriickgang nur auf der Zerschla gung des inneren Marktes beruhen. Auch die Arbeitslosigkeit kommt von der sinkenden Kaufkraft des Binnenmarktes. Soweit eine Weltwirtschaftskrise da P, liegt ihre Ursache in der deutschen Tribuikrise. Deutschland ist als das konsumfähigste Land der Lrde künstlich ausgepumpt worden. Line reine Kapitaleinfuhr kann der Wirtschaft nie helfen. Sie ist unser Unglück Kapitaleinfuhr ist vorgeleistetes Kaufgeld und verwandelt sich in Anteile an der deutschen Wirtschaft, Da durch wurde unser gesamtes deutsches Wirtschaftsbild verfälscht. Mit der deutschen Wirtschaft wird auch die Weltwirtschaft zu grunde gehen. Ohne Revision von Versailles ist der Bolschewis mus unaufhaltsam. Versailles bedeutet nicht etwa Weltwirtschaft, sendem Weltrevvlution. Wenn es so weiter geht, wie jetzt, so erleben wir, daß wir eine Währung ohne Wirtschaft haben. Der Pcungplan stellt die Legalisierung des Verfahrens der Ausschlach tung unserer Wirtschaft dar. Das Beschreiten des Moratvriums- weges bringt uns endgültig in die Falle. Wir können damit nur den Transfer aufschieben, nicht aber die Zahlung. Wir mästen al so so schnell wie möglich an die Revisionsfrage heran. Wir müs sen die Revision von Versailles verlangen. In der Welt wartet man darauf. Die Front der Antirevisionisten wird eigentlich nur noch von Frankreich gebildet, dessen stärkste Stütze ist bisher immer die deutsche Regierung gewesen. Die heute in Aussicht genommenen Sanierungsmaßnahmen bedeuten nur ein Herumdvktern an einzelnen Erscheinungen. Un sere Forderung lautet nicht Senkung der Beamtengehälter, son dern Herabsetzung des inflationistischen Beamtenapparates durch Säuberung von Parteibeamten. Auch eine Lohnherabsetzung schlechthin hilft nicht, sondern eine Herabsetzung der Stunden löhne unter Verlängerung der Arbeitszeit. Es gibt nur ein Heil mittel, und zwar Erhöhung der Produktion durch ihre Verbilli gung'. Jede Lastenerhöhung wirft neue Masten auf die Straße. Mit dem jetzigen Sanierungsprogramm ist der Finanzausgleich noch nicht einmal möglich geworden. Am 22. August wurde vom Fümnzminister ein Defizit von 300 Millionen errechnet, das vom Mstitut für Konjunkturforschung wenige Tage später mit 575 Millionen angegeben wurde. Am 30. September gibt der Reichs finanzminister den Fehlbetrag auf 750 bis 800 Millionen an. Auch hier zeigt sich, wie richtig es war, wenn das endgültige Haushaltdefizit von den Deutschnationalen schon seit langem auf Seines Herzens Königin Roman von Marie V I a n k - E i s m a n n. b. Fortsetzung Nachdruck verboten „Uni meiner Kinder willen flehe ich Sie an, gnädiges Fräulein, lassen Sw Gnade walten — verzeihen Sie mir den Frevel, den m) an^ Ihnen beging, diese entsetzliche Stunde der furchtbaren Todesangst wird mich ewig daran gemahnen, Ihnen B"fort ein treuer zuverlässiger Diener zu werden — nur schicken Sie mich nicht fort, haben Sie Erbarmen mit mir und meinen Kindern —" Friedrich Karsten hatte sich aufgerichtet und schaute mit finsteren Augen den Kuftcher an. „Wie konnten Sie es wagen, über den Mondsee zu fah ren, Johann? Sie sind bereits lange genug hier im Dienst, um zu wissen daß m) stets vor den Gefahren dieses un heimlichen Sees gewarnt habe. Und nun haben Sie trotz dem das Leben unserer Herrin aufs Spiel gesetzt?" Der Kutscher hielt seine Bucke auf den Boden gerichtet. Er wagte nicht in bao strenge Gesicht seines Vorgesetzten zu sehen.' ' „Herr Inspektor - h"be — ich wollte Perlegen suchte er nach Sorten nach einer Ausrede, denn er wagte es nicht, die ganze Wahrheit zu bekennen. Da aber drängte sich seine Frau durch die Reihen der Dienerschaft, die scheu und gedruckt in einer Ecke der Diele standen. Die Nachricht non der Gefahr, »i der die junge Herrin des Hauses schwebte, hatte sich wie ein Lauffeuer in, Gute verbreitet, »o daß davon alle Schläfer munter wurden und herbeieilten. „Ich will Ahnen die ganze Wahrheit sagen, Herr In spektor. Nur die Sauferei ist schuld, daß mein Mann die wahnsinnige Fahrt Uber den Mondsee wagte. Sie sollen ibn wirklich schwer für diesen Frevel bestrafen, damit er endlich dem Teufel Alkohol entsagt, dem er immer mehr verfällt.-- "Ur weil er z„ dem Freibier nicht zu spät mindestens eine Milliarde berechnet wurde. Kann eine solche Re gierung vom deutschen Volke noch Vertrauen erwarten? — Das Reich lebt nur noch vom Verschleudern des noch vorhandenen Besitzes und von , Ueberbrückungskrediten". Unsere einzige Ret tung liegt in der grundsätzlichen Umstellung unserer Handels und Wirtschaftspolitik. Immer mehr zeigt sich die Richtigkeit des sen, was die Deutschnationale Volkspartei will. Der Wirtschaft ist nur zu helfen, wenn wir den Marxismus überwinden. Sächsische Wirtschasisnachrichien. Tarifverhandlungcn im Bankgewerbe. Wie dei Deutsche Vankbeamtenverein mitteilt, hat der Neichsver- band der. Bankleitungen die beteiligten Organisationen für den 18. November zu Verhandlungen über die mi» dem bevorstehenden Ablauf des Vertrages zusammen hängenden Fragen eingeladen. Der Reichstarif für das Bankgewerbe besteht seit dem ersten August 1930. Die mi! dem 31. Dezember 1930 zu Ende gehende Verlängerung war die 13. und wurde im April 1929 vereinbart. * Aus sächsischen Kemeinoeparkamenken. Chemnitz lehnt die Bürgerstcuer ab. Vor der Stadtverordnetenversammlung fand eine ge meinsame Sitzung des Rates und der Stadtverordneten statt, in der die sogen. Bürgersteuer, die in den Notver- ordnungen der Reichsregierung vorgesehen war, und die schon einmal vom Kollegium abgelehnt worden war, zur Debatte stand. Aber schon im Rat wurde die Bürger steuer durch Stimmengleichheit 11:11 abgelehnt, während das Kollegium die Steuer mit übergroßer Mehrheit gegen einige Volksparteiler und Wirtschaftsparteiler ablehnte Harte Stcucrkämpfe. Plauen In einer achtstündigen Dauersitzung der Plauener Stadtverordneten kam es zu einem Zwischen fall. Bei der Beratung über die Einführung der Bürger steuer, die das Stadtverordnetenkollegium mit großer Mehrheit ablehnte, wurden die kommunistischen Stadt verordneten Oltzscher und Zetzsche ans dem Saal ver wiesen; aber erst nach Herbcirufung eines Polizei beamten gelang dies. Die Kommunisten hatten plötzlich ein Plakat im Saale angebracht, das zwei Negermädchen darstellte, womit die Bürgerstcuer, auch Negersteuer ge nannt, glossiert werden sollte. Annahme sand ein Antrag, demzufolge für Millionäre sowie auf Dividenden und hö here Einkommen von über 20 000 Mark eine Sonder steuer in Höhe von 20 Prozent eingeführt werden sollte. Ebenso wurde mit knapper Mehrheit die Aufhebung der Diäten der Stadtverordneten und unbesoldeten Stadträte beschlossen. Der Antrag, den Zuschlag zur Grund- und Gewerbesteuer von 100 auf 125 Prozent zu erhöhen, wurde mit 29 gegen 27 Stimmen angenommen. Die schwere Finanznot der Gemeinden. Wilthen. Die schwere Finanznot der Gemeinden kam in der letzten Gemeindeverordnetensitzung zur Sprache Die Finanzverhältnissc haben sich derart zugcspitzt, daß zurzeit nicht einmal die unbedingt notwendigen Aus gaben bestritten werden können. Die am 1. November fälligen Gehälter der Beamten und Angestellten konnten nur zum Teil ausgezahlt werden. Auf ein dringliches Gesuch an das Ministerium des Innern ist nur ein kleiner Betrag zur Bestreitung der dringendsten Aus gaben eingegangen. Die Ausgaben für die Ausgesteuerten steigen fast täglich. Wenn nicht in Kürze in ausreichendem Maße Unterstützung durch den Staat erfolgt, vermag dic Gemeinde ihren Verpflichtungen nicht mehr nachzu kommen. * Mssenkündigung der Dresdner Gasthausangestellten In zwei Protestveranstaltungen des Dresdner Gast Wirtsgewerbes gegen die Getränkesteuer, die zum Teil sehi stürmisch Verliesen, wurde eine Entschließung gefaßt, ir der es u. a. heißt: Die Versammlung der Dresdner Gastwirte erblickt ii den ihnen aufgezwungenen steuerlichen Lasten eine nicht zu überbietende Vergewaltigung und Existenzvernichtung, dir sie bis zur letzten Konsequenz bekämpfen wird. Die Gast wirte und Interessenten sind gezwungen, am heutiger Freitag sämtlichen Angestellten zu kündigen und nach Ab lauf der Kündigungsfrist das Personal restlos zu enl lassen, und zwar bis zur Aufhebung dieser unsozialen Getränkesteuer. Die Arbeitgeber verpflichten sich, nach Wiedereröffnung das gesamte Personal wieder in Diens zu stellen. kommen wollte, das Karl anläßlich seines Geburtstages stiftete, deshalb nahm er den Weg über den unheimlichen See..." Johann preßte die Lippen zusammen und murmelte: „Ich will es gewiß nicht wieder tun... ich weiß ja, daß ich an dem ganzen Unglück schuld bin und wäre dieser Russe nicht rechtzeitig hinzngekommen, dann... dann wären wir wohl niemals wieder heimgekehrt..." Lieselotte, die man in einen Klubsessel dicht vor den Kamin gebettet hatte, richtete sich ein wenig auf und streckte Michael Romanowski beide Hände entgegen. „Wie soll ich Ihnen danken, daß Sie mir mein Leben retteten?" Doch Michael Romanowski wehrte lächelnd ab. „Ich begehre keinen Dank, gnädiges Fräulein, ich bin ja so glücklich, daß ich Sie geborgen weiß.. Lieselotte lehnte sich in die Polster zurück, schloß für Sekunden die Augen und eine leise Röte stieg dabei in ihre Wangen. Für Augenblicke schwieg sie, dann aber flüsterten ihre Lippen: „Wieder daheim — gerettet — nicht begraben in dem eisigen Wasser, auf dem tiefen Grund des Sees —" Ein Schauer schüttelte plötzlich ihre schlanke Gestalt, angst erfüllt richtete sie sich auf und umklammerte mit beiden Händen den Arm Friedrich Karstens, der dicht neben ihrem Stuhle stand. Mit angstgeweiteten Augen blickte sie zu dem alten In spektor auf und flüsterte mit bebender Stimme: „Es war eine entsetzliche Fahrt — ich werde sie nie ver gessen, so lange ich lebe die Nacht eisig kalt, ein undurch dringliches Schneetreiben herrschte, so daß mich die Genera lin Littmann bis morgen früh bei sich behalten wollte — aber eine seltsame Unruhe drängte mich trotzdem, den Heim weg anzutreten, zumal auch Johann mir versicherte, daß die Fahrt gut verlaufen würde." Der Kutscher zuckte schuldbewußt zusammen und stöhnte: Die Kündigungsfrist läuft entsprechend den gesetz lichen Bestimmungen in 14 Tagen, also am 21. November ab. Von diesem Tage an werden die Dresdner Gaststätten solange geschlossen, bis die Aufhebung der Getränkesteuer erfolgt ist. Falls dieser Beschluß durchgesührt wird, wärt Dresden von jenem Tage ab eine Stadt ohne Gaststätten * Vier Warenhausdiebe in Dresden gefaßt. Was alles gestohlen wird. In den Kaufhäusern der Altstadt wurden in der letzten Tagen in mehreren Fällen Personen beim Dieb stahl ertappt und der Kriminalpolizei übergeben. Vonden vier Festgenomineuen sind drei Frauen und Mädchen Ein aus der Tschechoslowakei (!) stammender Mann wurde auf dem Altmarkt von einem uniformierten Po lizeibeamten angehalten. Der Mann trug ein Stück Seide unter dem Mantel, welches er kurz zuvor in einem Kauf haus in der Wilsdruffer Straße halte mitgehen heißen Die ertappten Frauen hatten meist Kleidungsstücke, vom einfachen Handschuh bis zum modernen Wintermantel und -Hut, verschwinden lassen. Unter den Frauen befindet sich eine Spezialistin, die bereits wiederholt von der Kriminal Polizei in Dresden ansgegrisfen wurde. Die Diebin hall sich in Warenhäusern auf und sucht Frauen, die beim Anprobieren Handtaschen, Pakete usw. weglegen, zu be stehlen. Militärischer Gehorsam. Ein Erlaß des W e h r m i n i st e r s. Neichswehrminister Gröner Hai kurz nach der Urteilsfällung im Prozeß gegen die Ulmer Offiziere einen Erlaß an das Offizierkorps der Reichswehr heraus gegeben, der in seinem Wortlaut erst jetzt bekannt wird. Der Erlaß ist vom 6. Oktober datiert und lautet: 1. Die Reichswehr ist und muß ihrem ganzen Wesen nach im höchsten Maße national sein. Es ist aber eine Überheblich keit ohnegleichen und ein ticfbcdauerlicher Mangel an Auto- ritätsgcfühl, wenn junge Offiziere, die außer ihrer Jugend keine Legitimation besitzen, ihren höchsten Vorgesetzten, also auch deni in allen nationalen Fragen entscheidenden Ober befehlshaber der Reichswehr, dem Reichspräsidenten von Hindenburg, Mangel an Nationalgesühl vorwerfen und sich an- maßen, allein zu wissen, was national ist. 2. Es ist durchaus richtig, daß die Hauptaufgabe der Wehrmacht der Schutz unseres Vaterlandes nach außen ist, und es ist eine selbstverständliche Pflicht der Führung, alles irgend wie Erreichbare zur Lösung dieser Aufgabe zu tun. Es ist aber eine Vermessenheit und eine erstaunliche Überschätzung ihrer Urteilskraft, wenn junge Offiziere, die die außenpoliti schen und finanzielle» Möglichkeiten in keiner Wese beurteilen können, von unzureichenden Landesschutzmaßnahmcn sprechen und offen Kritik daran üben. 3. Die Reichswehr ist überparteilich und rein staatlich ein gestellt. Sie muß unbedingt aus dem Streit der Parteien und den politischen Tageseinflüsscn herausgehaücu werden. Es gibt also keinen Rechts- oder Linkskurs Alic militärpolitischen Maßnahmen uns Anordnungen sind allein von diesem Ge sichtspunkt aus diktiert. Es bedeutet daher eine vollständige Ver kennung der tMsächlickien Verhältnisse und einen kaum zu über bietenden Grad von Selbstüberschätzung, wenn iunge Offiziere den nach ihrer Meinung vorhandenen Linkskurs in Ler Reichs wehrleitnng glauben bekämpfen zu müssen. Gegen Anordnun gen oder Maßnahmen, die sie nicht verstehen, steht ihnen der Weg zu ihren Vorgesetzten bzw der Beschwerdeweg assen. Im übrigen ist es aber eine üble Nachkricgspsnchofe, das; jeder junge Offizier sich berechtigt glaubt, an allen Befehlen der Führung Kritik zu üben und für jede Maßnahme eine Be gründung und Erklärung verlangen zu können. 4. Die Festigkeit jeder Wehrmacht beruht aus einem vor behaltlosen, uneingeschränkten Gehorsam. Soldaten, die vor Ausführung von Befehlen prüfen wollen, ob diese Befehle ihrer Anschauung entsprechen, sind keinen Schuß Pulver wert. Solche Gedanken bedeuten die Vorstufe zur Meuterei, zur Auflösung der Reichswehr und in der weiteren Folge zum Kampf aller gegen alle. Für dic junge Wehrmacht war es einer der schwärzesten Tage, an dem Offiziere vor dem Reichs gericht ähnlichen Gedankengängcn Ausdruck gegeben haben. 5. Es ist selbstverständlich, daß Offiziere mit derartigen Ansichten nicht in der Reichswehr bleiben können. Ich erwarte daher von jedem Offizier, der Ehrgefühl und den Mui zur Wahrheit hat, daß er sofort aus der Reichswehr ausscheideh wenn er ähnlichen Gedankengängcn huldigt. 6. Dieser Befehl ist allen Offizieren im Wortlaut bekannt zugeben. Vollzug ist vis zum 1. November 1930 dem Reichs wehrminister aus dem Dienstweg zu melden. gez. Gröner.