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ilOmffesAMblatt Telcgr.-Adr.: „Amtsblatt" Donnerstag, den 6. November 1930 für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenpreis: die 8gespalten.: Raum.-eiZc 20 Rpfg., die ^gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs pfennige, die 3gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 RMK. Nachweisungsgebühr 20 Reichspfennige. Vor-- geschriebcueTrscheinung». Q tage und Platzvorschriste« werden nach Möglichkeit A L? N f p k L L k! ÄM! v berücksichtigt. Anzeigen annahme bis vorm.10Uhr. —————— - —— - Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übern, wir keine Garantie. Jeder Rabattanspruch erlischt, wenn der Betrag durch N;. 859 — 89. Jahrgang Wilsdrnfs-Dresden PM-beck: Dresden 2640 Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, > W«« Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend . . . ä 8 p I . . !>n ung eingesanoter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. Klage eingezogen werden muß oder der Auftraggeber inKonkurs gerät. Anz. nehmen alle Vermittlungsstellen entgegen. Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amts- und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Der Triumph der „Nassen". Amerika hat es durchaus nicht in jeder Beziehung »besser als unser Kontinent, der alte". Denn in den Ver- .'inigten Staaten wählt man sogar alle zwei Jahre die Abgeordneten für das „House ok Nepresentutivos", das »Repräsentantenhaus". Ein einheitliches Wahlrecht gibt 's auch nicht, sondern jeder der 48 Staaten wählt die auf ihn fallende Zahl von Vertretern gemäß eigenen Gesetzen, und es ziehen dann 435 Mitglieder des Repräsentanten hauses in Washington ein. Jetzt hat man also wieder einmal gewählt. Während aber bisher die Republi kaner im Repräsentantenhaus eine überaus große Mehrheit hatten — im Senat halten sie sich mit den Demo kraten etwa die Waage —, haben jetzt die Gegner einen großen Erfolg erstritten; möglicherweise werden die Demokraten sogar die Mehrheit gewinnen, wenn erst die noch ausstehenden Resultate bekannt sind. Ähnliches ergab sich bei den Wahlen zum Senat. Es erübrigt sich, etwa nun nach europäischem Schema zu sagen, wie diese beiden großen amerikanischen Par teien — die Sozialdemokraten spielen gar keine Rolle im Gegensatz zu England — sich eigentlich ihrem Wesen, ihren „Grundsätzen" nach unterscheiden. Das können sie ver mutlich selbst nicht, — aber auf „Grundsätze" kommt es hier und ihnen gar nicht an. Sondern nur auf ganz reale, sehr wenig „grundsätzliche" oder „programmatische" Wahlparolen, die mitten aus dem politischen Leben des gestern nnd heute entnommen werden. Und die morgen im Falle des Sieges verwirklicht werden müssen, weil sonst die Wähler bei der nächsten Wahlgelegenheit in Hellen Scharen zur anderen Partei hinüberlaufen. Präsident H o o v e r, der ein Mann der Republikaner ist, wurde gewählt unter dem Schlachtrus der Erhaltung nnd Förderung der „prosgmit^", also der wirtschaft lichen Blüte seines Landes. Die ist nun aber durch den Krisensturm arg zerzaust worden, und Hoovers An strengungen, die „Prosperity" wieder heraufzuführen, blieben ergebnislos. Darum denkt auch die republika nische Staatsverwaltung in Washington, denkt Hoover gar nicht daran, etwa durch Streichung der inter alliierten Schulden oder ihre Ermäßigung Amerikas Einnahmen schmälern zu lassen. Und er dürfte auch das deutsche Vorhaben einer Revision des Aoung-Planes — wegen dessen tatsächlicher Ver knüpfung mit den alliierten Schulden — nur mit überaus gemischten Gefühlen angesehen haben. Allerdings wird die nächste Präsidentenwahl erst 1932 stattfinden und Hoover dürfte - nicht zuletzt wegen des jetzigen Sieges seiner demokratischen Gegner — alles tun, um sein „prosporit^-Versprechen doch schließlich noch wahr zu machen. Sein Verordnungsrecht stellt ja selbst die Befug nisse etwa des früheren Königs von Preußen in den Schatten. Und angesichts der scharfen Trennung der Ge walten in Amerika hat ihm der Kongreß, also Senat und Repräsentantenhaus, in die Verwaltung nichts dreinzu- reden. Fragen der politischen Praxis als Wahlparolen — da mußte natürlich die in Amerika umstrittenste Frage in den Vordergrund rücken: „N aß" oder „Trocken" Alkoholvcrbot wie bisher oder nicht. Die Demokraten sind „naß" und darum verlor ihr Kandidat für den Präsi- dentenstuhl den Kampf, weil — die Frauen für den Republikaner Hoover eintraten! Jetzt aber haben die Demokraten gesiegt. Die „Prohibition" ist nun freilich seit 1919 in der Unionsverfassung selbst festgelegt, kann also — ohne daß der Präsident auch nur das geringste dafür oder dagegen zu sagen hat — nur durch den Kongreß auch wieder aus der Verfassung gestrichen werden; in irgendeinem Einzelstaal sic aufznheben, ist nicht möglich. „Hie Republikaner", „hie Demokraten" hieß und heißt also zum recht erheblichen Teil auch „hie trocken", „hie naß". Und „Naß" hat entschieden gesiegt. Obwohl die — Alkoholschmuggler sicher ihr Bestes getan haben, den „Trockenen" zum Sieg zu verhelfen, weil die Herren ihr Schmuggelgewerbe, das so außerordentlich große Erträge abwirft, nur betreiben können, solange die „Prohibition", das Alkoholverbot, bestehenblcibt. Es wäre eigentlich ichcwe darum, wenn es abqeschafft würde; denn mittels versorgte Amerika die Welt mit einer Unzahl amüsanter „Witze"! Und das ist auch was wert. Amerikas Oemokraien schlagen die Republikaner. Gegen die Hochschutzzölle. Die Wahlen für das Repräsentantenhaus und den Senat brachten clnen großen Tag für die inncnpvlitischk Entwicklung der Vereinigten Staaten, dessen überraschen der Ausgang auch nach außen möglicherweise nicht ohm Auswirkungen bleiben durfte. Bereits jetzt läßt sich fest stellen, daß die Wahlen gegen die Politik des Weißen Hauses in Washington und damit gegen den Präsidenten Hoover ausgefallen sind. Die Demokraten, die bis her in der Minderheit gegen die Republikaner stan den, haben anscheinend die absolute Mehrheit im NeprS sentantenhause errungen und auch im Senat stark zuge- nonnnen, so daß auch hier ihnen eine entsckeidende Stel- M VmtliiW der ReiWtes Reichshaus halt nächste Woche. Über die vertraulichen Besprechungen des Reichsrats nach Schluß der öffentlichen Sitzung verlautet, daß sich an der allgemeinen Aussprache über die Erklärungen des Reichskanzlers, des Reichsfinanz- und des Reichsarbeits- ministers die Ministerpräsidenten fast aller Länder be teiligten. Wenn gegen Einzelheiten auch Bedenken geltend gemacht wurden, so kam in der Aussprache der Wille zur Mitarbeit an dem Reformwerk zum Ausdruck. Die Vor lagen wurden den Ausschüssen überwiesen An der Sitzung der Vereinigten Reichsratsausschüsse nahm außer dem Reichskanzler auch Reichsfinanzminister Dietrich teil. Die Länderregierungen waren durch viele ihrer Minister vertreten. Der Andrang von Beamten der Reichsministerien war außerordentlich stark. Mit der sofortigen Einzelberatung der verschiedenen Vorlagen ist bereits begonnen worden. Der Reichshaushaltsplan 1931 wird im Laufe der nächsten Woche beraten werden. Die Verabschiedung des gesamten Wirtschafts- nnd Finanz planes ist für eine Vollsitzung des Reichsrats am 20. No vember vorgesehen. Der Entwurf des Gehaltskürzungs gesetzes wurde bereits verabschiedet. Ferner wurde der Gesetzentwurf zur Verringerung des Personalauswandes in der öffentlichen Verwaltung beraten. * Jie Wime SeukW her Realstem« Berlin. Unter den Gesetzen, die jetzt dem Reichsrat im Rahmen des Finanz- und Wirtjchaftsprogramms vorgelegt wer den, befindet sich bekanntlich auch der Entwurf eines Gesetzes über die Senkung der Realsteuern. In diesem Gesetzentwurf heißt es nach den Mitteilungen des Demokratischen Zeitungs dienstes u. a.: Mit Wirkung vom 1. April 1931 dürfen 1. den Realsteuern der Länder und Gemeinden keine höhe ren Steuersätze zugrunde gelegt werden, als die bis zum 1. Ok tober 1930 beschlossenen Steuersätze (Ausgangssätze), unter Ab zug der Senkungssätze, 2. die Gebäudeentschuldigungssteuer mit keinem höheren als den bis zum 1. Oktober 1930 beschlossenen Steuersätze erhoben werden, 3. die sonstigen landes- und gemeinderechtlichen Vorschrif ten über die Realsteuern und die Gebäudeentschuldungssteuer für die Steuerpflichtigen nicht ungünstiger sein, als sie am 1. Oktober 1930 bestanden. Bei den Gewerbesteuern darf insbesondere die Belastung einer der gewählten Besteuerungsgrundlagen (z. B. Gewerbe ertrag, Gewerbekapital, Lohnsumme) gegenüber dein Stande vom 1. Oktober 1930 auch dann nicht höher sein, wenn eine an dere Bssteuerungsgmndlage niedriger belastet oder ganz aufge geben ist. Der Senkungssatz beträgt bei der Grundsteuer je 10 bei der Gewerbesteuer je 20 v. H. Soweit die Senkung des Landes- steuersatzes ohne weiteres eine entsprechende Senkung der Ge meindesteuer zur Folge hat (z. B. beim Zuschlagsrecht der Ge meinden zum StauWeuergrundbetrag), findet eine nochmalige Senkung der Gemeindesteuer nicht statt- Die Steuersenkung wird in der Weise durchgeführt, daß die Länder und Gemeinden die Realsteuern mit den Ausgangssähen abzüglich der Senkungssätze erheben. Als Entschädigung für die Steuersenkung wird den Ländern sür sich und ihre Gemeinden von der in der Zeit nach dem 31. März auskommenden Gebäude entschuldungssteuer der Betrag zur Verfügung gestellt, der 50 v. H. des Wohnungsbauanteiles der Tebäudeentschuldungösteuer im Rechnungsjahre 1929 entspricht. Als Wohnungsbauanteil der Gebäudeentschuldungssteuer im Rechnungsjahre 1929 gilt der Betrag, der in dem Lande im Rechnungsjahre 1929 zur Förderung der Bautätigkeit auf den Gebieten des Wohnungswesens verwandt worden ist. Die Län der entnehmen aus dem tatsächlichen Aufkommen an Gebäude entschuldungssteuer am Ende eines jeden Kalendermonats ein Zwölftel des Betrages, der ihnen für sich und ihre Gemeinden zusteht. Die Gemeinden erhalten für ein Rechnungsjahr als Ent schädigung für die Senkung von dem Lande den Betrag, der dem Steuerausfall entspricht, den die Gemeinden in diesem Rech nungsjahre durch die in diesem Gesetze vorgesehene Senkung er leiden. Reicht die einem Lande für sich und seine Gemeinden zu- fallende Entschädigung nicht aus, um die Steuersenkung in dem vorgeschriebenen Umfange vorzunehmen, so sind die Steuern nur um den zur Verfügung sichenden Betrag zu senken. Die Länder sind ermächtigt, statt die ganzen 50 v. H. des Wohnungsbauan teils zur Senkung zu verwenden, einen Teilbetrag hiervon für die Zwecke des allgemeinen Finanzbedarss zu entnehmen, wenn in dem Lande die Realsteuersätze um den dem Lande nach dieser Vorschrift zugeflossenen Betrag gesenkt worden sind. Im Hinblick auf die in diesem Gesetz vorgesehene Steuer senkung wird die in der Verordnung des Reichspräsidenten vom 26. Juli 1930 geregelte Verpflichtung der Gemeinden zur Er hebung der Gemeindebiersteuer und der Bürgersteuer geändert. Die Gemeinde hat, wenn sür die Gemeindegrundsteuer oder für die Gemeindegewerbesteuer eines Rechnungsjahres der tatsäch lich zur Erhebung gelangende Steuersatz 1. den für das Rech nungsjahr 1929 zuletzt maßgebenden Steuersatz übersteigt, für das Rechnungsjahr sowohl die Gemeindebiersteuer mit den be zeichneten Sätzen als auch die Bürgersteuer mit dem Landessatz zu erheben, 2. den Landesdurchschnitt übersteigt, für bas Rech nungsjahr sowohl die Gemeindebiersteuer als auch die Bürger steuer gegebenenfalls mit den dort vorgesehenen Zuschlägen zu erheben. Für die Zeit nach dem Inkrafttreten des Erundsteuerrahmen- gesetzes und des Gewerbesteuerrahmengesetzes wird die Senkung der Realsteuern und der Gebäudeentschuldungssteuer durch be sonderes Reichsgesetz geregelt werden. Nie Kürzung der Beamiengehälier. Ab 1. April 1 930 ? Ein Berliner Blatt brachte die Meldung, daß der Reichspostminister Schätzel in der VerwaUungsrats- sitzung der Reichspost von einer Kürzung der Beamten gehälter ab 1. Januar gesprochen habe. Daraus auf merksam gemacht, daß doch der 1. April als Termin für die Gehaltskürzung vorgesehen sei, habe der Postminister erklärt, daß Erwägungen schwebten, am 1. Januar bereits die Gehaltskürzung in Kraft treten zu lassen. Von zu ständiger Stelle wird hierzu mitgeteilt, daß in der Regie rungsvorlage der 1. April als Beginn der Gehaltskürzung der Beamten vorgesehen sei. Wenn der Reichspostminister angenommen habe, daß in der Vorlage der 1. Januar ein gesetzt sei, so sei das ein Irrtum von ihm. Ob der Reichs rat oder die Reichsregierung zu einem neuen Beschluß ge langen würden, sei an zuständiger Stelle nicht bekannt. Dazu wird von anderer Seite bemerkt, daß die Vor verlegung der Gehaltskürzung um ein Vierteljahr eine Rolle als Austauschobjekt spielen könnte. Namentlich dann, wenn die Haltung der Länder gegenüber der Kür zung der Überweisungen des Reiches die Reichsregierung zu Gegenleistungen nötigen sollte. lung eingcräumt wird. In Industrie- und Wirtschafts- kreiscn verspricht mun sich von dem Wahlsieg der Demo kraten eine Gcschäftsbelcbung, da man annimmt, daß die demokratische Kongretzmehrhcit eine erhebliche Herab setzung der von den Republikanern verfochtenen hohen Schutzzölle erzwingen wird. An dem Ergebnis der Wah len fällt ferner die über Erwarten große Stärkung der Alkoholverbotsgegner ins Auae. * Nach den vorliegenden Ergebnissen haben die Demo kraten bei den Wahlen zum Repräsentantenhaus 177, die Republikaner 165 Mandate erhalten. 93 Ergebnisse stan den noch aus. Im Senat haben die Republikaner 47, die Demokraten 45 und die Farmer einen Sitz errungen. Nach Ansicht demokratischer Führer ist Hoovers Ansehen durch den Ausfall der Wahlen endgültig zerschlagen worden und Hoover als Führer der Republikaner unmöglich ge worden. Die Demokraten rechnen nun fest damit, daß sie bei der Präsidentenwahl iin Jahre 1932 ihren Kandidaten durchbringen werden. Obwohl es nicht an Warnungen gefehlt habe, seien die Republikaner ohne Rücksicht auf die Krise des Welthandels für den Hochschutzzolltarif einge- treten, den das gesamte Ausland als Drohung und Her ausforderung betrachte und den selbst amerikanische Wirt schaftler und Industrielle als einen törichten Fehler be zeichneten. Roosevelt Nachfolger Hoovers? Roosevelt, der Sohn des verstorbenen Präsidenten Roosevelt, Gouverneur des Staates Newhork, der als möglicher Kandidat der Demokraten für die Präsident schaftswahlen im Jahre 1932 gilt, wurde mit ungeheurer Mehrheit wicdcrgewählt. Der Sieg Roosevelts über den republikanischen Gegenkandidaten ist um so bezeichnender, als Roosevelt bedingungslos für den Widerruf der Anti- alkoholbestimmungcn cintritt. Die meisten Südstaaten, die 1928 republikanisch wählten, sind nunmehr wieder von den Demokraten zurück- crobert worden. In Chikago konnte der demokratische Jenatskandidat Lewis mit der außerordentlich großen Mehrheit von einer halben Million Stimmen die Republi kanerin Nnth Mc Cornick schlagen. Die „New Vork Times" schiebt den Wahlausgang aus die weitverbreitete Unzufriedenheit mit dem Hooverschen Regime und der Arbeit des republikanischen Kongresses. Das Blatt meint, daß den Präsidenten nicht die Alleinschuld für die Niederlage treffe, obwohl er schwere politische Fehler be gangen habe. Die Republikanische Partei habe die Rache der Wählerschaft für die unerhörten Mißgriffe in der Zollpolitik, dem Farmerschutz uud ihre unausrichtige Haltung in der Alkoholfrage zu spüren bekommen. Es könne kein Zweifel daran bestehen, daß Hoover seine Nolle als Parteiführer ausaespielt habe.