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Wilsdruffer Tageblatt : 27.10.1930
- Erscheinungsdatum
- 1930-10-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-193010276
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19301027
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19301027
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1930
-
Monat
1930-10
- Tag 1930-10-27
-
Monat
1930-10
-
Jahr
1930
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 27.10.1930
- Autor
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WWW »8 Sl SirLS MM'tzbL'LZ-l'hWM.äG WA^T^ÄG Oie ^igschenpolt aus clem Aenleik. Skizze von Georg Wagener. Hier ist die Geschichte, die mir mein Freund Kapitän Hallenga erzählte, als wir eines Tages auf der Mole saßen und tiefsinmge Zeugen dessen waren, wie eine Bierflasche sich hartnäckig dagegen wehrte, zu unseren Füßen von den klatschen den Wellen zerschlagen zu werden: „Siehst Du, so eine Bierflasche ist doch ein höchst sympa thisches Dmg. Wer weiß, woher sie kommt! Sieht sie nick! aus wie ein Wesen, das sprechen möchte? So etwa: ,Jch Ham noch eine Aufgabe zu erfüllen. Es wäre schade, wenn ich jetzi schon zum Teufel ginge.' Na, ähnlich war's Wohl auch mit einer Bierflasche, vor der ich vor Jahren einmal gehört habe. Mein Freund Kjarl hat mir die Geschichte erzählt. Lange vor dem Kriege war's, da fuhr er als Zweiter Steuermann auf einem Ostasien dampfer, einem Engländer. Unter den Offizieren keim deutsche Seele. Kannst Du Dich da wundern, wenn Kjark sich freute, als in Victoria ein deutscher Matrose anheuerte- Kord Pinkert hieß er, und Ksark wurde bald Freund mit ihm So saßen denn die beiden einmal zusammen in Kjaric Kajüte und genehmigten einen. Na, Kord Pinkert mochü Wohl ein wenig tief in den Buddel hineingeguckt haben, unl so wurde er denn noch ein wenig melancholischer, als er schor war. .Steuermann', sagte er, sich habe mich nun drei Jahr« lang unter Holländern, Gelben, Engländern und Franzoser Herumgetrieben, weil ich das, was ich erlebte, vergessen wollte Nun sitze ich wieder mit einem Deutschen zusammen, und dc mutz ich mein Herz ausschütten.' — .Immer zu', sagte Kjark Kord Pinkert redete nun. Es war eine traurige Ge schichte. Er hatte drüben in Hamburg ein Mädel gehabt. Muf eine feine Deern gewesen sein, denn seine Stimme waberte ein wenig beim Erzählen. Sie hatten sich beide lieb un! Wollten heiraten, sobald Kord sein Steuermannsexamen ge macht hatte. Das konnten sie dann auch ruhig, denn für Kor! lagen an die zehntausend Mark auf der Kasse. So war alle! schön und gut, bis Kords Schwägerin von der Sache erfuhr Muß ein Ekel gewesen sein, die Frau Postsekretär Pinkert Ihr Mann war ein Trottel. Na, und wie die nun hörte, das Kord heiraten wollte, da dachte sie an das schöne Geld auf de: Kasse, von dem sie gehofft hatte, ihre Gören würden es nock einmal erben. Daß die es nun nicht bekommen sollten, ärgerte das Ekel maßlos. Und weil sie ein Biest war, wollte sie Kord und sein Mädel auseinander bringen. Also steckte sie sich, als Kord auf großer Fahrt war, hinter seine zukünftige Schwieger mutter und machte ihn nach Strich und Faden schlecht. Zn jedem Hafen sollte er ein Liebchen sitzen haben, und die Kin der, die er in die Welt gesetzt hatte, waren angeblich nicht zu zählen. Die Mutter bekam es natürlich mit der Angst zu tun, fing Kords Briefe auf und hielt das Mädel wie eine Ge fangene. Und dann brachte sie das arme Ding so weit, daß cs von heute auf morgen einen anderen nahm. .Meine Tochter hat einen besseren Mann geheiratet', empfing sie Kord, als der nach einem halben Jahre nach Hamburg kam. Sie zählte ihm alle seine Schlechtigkeiten auf, und dann schlug sie ihm die Tür vor der Nase zu. — Kord war, wie Du gesehen hast, kein Redner. So fraß er den Kummer in sich hinein und dachte, das Mädel halte ihn wirklich für einen Lumpen. Da war's ihn: denn ganz einerlei, ob er Steuermann wurde oder Matrose blieb, und so trug er sein Bündel durch die ganze Welt, bis er nun in Kjarks Kajüte landete. Zu Hause m Hamburg wußte kein Mensch, wo er steckte. s ,Ach', sagte Freund Kjark, als er die Geschichte zu Ende gehört hatte, .deswegen darfst Du den Kopf nicht hängen lassen, Kord. Wenn das Mädel kein Vertrauen zu Dir hatte, ist es auch nicht viel wert gewesen. Kopf hoch, alter Junge!' Vielleicht hatte Kord Pinkert wirklich die Absicht, den Kopf wieder hochzuhalten. Er kam aber nicht dazu, denn ein paar Tage später spülte ihn südlich von Formosa eine Welle über Bord. Damals nahmen es die Engländer drüben in Ost asien nicht so genau, wenn ein Nichtbrite ins Wasser fiel, und so wird Wohl kein deutscher Konsul um Kord Pinkert Schreibe reien gehabt haben. Mein Freund Kjark kam erst sieben oder acht Jahre später wieder nach Hamburg. Kurz vorher war ihm einer auf die Hühneraugen getreten, und Kjark hatte schlechte Laune. ,He', dachte er, ,Du solltest mal sehen, was aus Kord Pinkerts Mädel geworden ist, und ihr die Leviten lesen.' Also suchte er im Adreßbuch nach dem Postsekretär Pinkert. Den fand er bald. .Hören Sie mal', sagte er zu ihm, ,wo wohnt die ver flossene Braut Ihres Bruders Kord?' Da und da, antlvortete der andere, und dann wurde er neugierig: .Warum wollen Sie wissen das?' — .Das geht Sie nichts an!' knurrte Kjark. Dann ging er zu Kord Pinkerts früherer Braut. .Tag', sagte er. .Ich bringe Ihnen Nachricht von Kord Pinkert.' Da wurde die Frau bleich und ließ ihn eintreten. In der Wohnung sah's recht elend aus, und in einem Bett lag ein krankes Kind. .Verflixt!' dachte mein Freund Kjark. .Hier kannst du nicht so loslegen, wie du wolltest.' — .Wo ist denn Ihr Mann?' fragte er. Mein Mann? Der ist schon seit drei Jahren tot. Aber Sie wollten mir doch von Kord erzählen. Lebt er noch?' Sie krampfte dabei die Hände zusammen, als wollte sie Kjark die Antwort zwischen den Zähnen heraus- zieheu. ,Ach du lieber Himmel!', dachte der. ,Da hast du dich schön in die Nesseln gesetzt! Sie liebt den armen toten Kerl doch noch' Na, so wurde nichts aus der Standpauke, und Freund Kjark kratzte sich recht oft den Kopf, bis er der Frau die Wahrheit beigebracht hatte: ,Er ist vor Jahren ertrunken.' Und dann.erzählte er ihr, was Kord ihm anvertraut hatte. ,AY'/ sagte die Frau — Rasmussen hieß sie —, als sie sich ein wenig beruhigt hatte, .diese Lumpen, diese Pinkerts. Sie haben meinen Kord in den Tod gejagt und mich mit meiner unglücklichen Ehe elend gemacht. Vor ein paar Mo naten erst ließen sie Kord für tot erklären, weil sie sein Geld einstecken wollen.' Kords Geld! Donnerwetter, an das hatte Kjark gar nicht mehr gedacht. Da stieg eine Wut in ihm hoch, daß er die Pinkerts hätte erwürgen mögen. Doch plötzlich kam ihm ein Gedanke. Der Frau sagte er nichts davon, und er verabschiedete sich rasch. — Als ein paar Wochen später der Kohlenkasten, den ein Hamburger Reeder Kjark anvertraut hatte, vor Hull lag, machte mein Freund rasch einen Abstecher nach London zu Lloyd's. Dort hatte keiner etwas dagegen, daß er in den Schiffslisten blätterte, und Kjark fand bald, was er suchte: Irgend einen nichtdeutschen Dampfer, der in der Nordsee herum mit Mann und Maus untergegangen sein mutzte. — Auf der Heimfahrt merkte es keiner, daß Freund Kjark in Ser Nacht, vor Cuxhaven eine Bierflasche über Bord warf. Kjark war schon wieder auf großer Fahrt, als in der Elbmündung eine Bierflasche an Land gespült wurde. So ein Ding, wie da unten die. Und da drinnen steckte ein Zettel. Mit Bleistift stand darauf: .Auf Höhe von Haugesund an Bord der Santa Monika, den 21. 12. 1907. Wir sinken. Boote ge kentert.' Den weiteren Wortlaut Weitz ich nicht mehr genau. Er besagte auf jeden Fall, datz der Unterzeichnete, Kord Pin kert, sein Vermögen von soundso viel Mark auf der und der Kasse seiner früheren Braut, Frau Rasmussen, vermachte. .Ich habe Dich noch immer lieb', waren die letzten Worte, und dann kamen noch die Unterschriften von zwei Spaniern — ein wenig kritzelig wie das ganze Testament, das Wohl in der höchsten Not geschrieben worden war. Na, der Rest ist bald erzählt. Die Sache wurde unter sucht. Alles stimmte. Die Santa Monika war irgendwo in der Nordsee mit Mann und Maus untergegangen. Kapitän und Erster Steuermann hießen so, wie die Unterschriften lauteten. Von der Besatzung kannte man nur die Namen der Spanier. Warum sollte nicht auch Kord Pinkert unter ihr gewesen sein? So bekam denn Frau Rasmussen das ganze Geld, und die Pinkerts wischten sich das Maul." Ich sah meinen alten Freund Hallenga ein wenig von der Seite an. Dann sagte ich: „Kapitän, ich glaube, dieser Kjark das waren Sie selbst." Der Alte brummte etwas Unver ständliches und meinte dann: „Nun, wenn schon! Die Sache ist längst verjährt." krall! Kriminalhumoreske von G. Sela-Hans Winterfeld. Die Schirmmütze in die Stirn gedrückt, den Kragen des Ueberrockes hochgestellt, schlenderte der Mann die öde gewor dene Straße entlang. Die Nacht war warm, am schwarzen Himmel glitzerte Stern an Siern. Halt! Da stand ja ein Fenster des ersten Stockwerks halb offen. Seine Flügel waren nur angelehnt. Wenn der Mann die Wasserröhce umfaßte... Er kam mit geringer Mühe bis an die Eisenträger des Balkons, zog sich an ihnen hoch, Kletterte über das Geländer, griff nach rechts, nach dem Fensterkreuz — drinnen war er! Das Zimmer hinter den schweren, weinroten Vorhängen schien leer; der Mann bog den Vorhang bei Seite, stutzte, fingerte in der Tasche. Er hob den glitzernden Lauf: „Halt! Hände hoch, oder ich schieße!" Innen erlosch eine Blendlaterne. Der Mann knipste die feine an: „Keine Bewegung! Kein Geräusch! Ich sehe Sic oeutlich. Und balte den Kinaer am Abrna " Der Mann mit der "Schirmmütze ließ den Browning iw Anschläge, griff mit der freien Linken erneut in die Tasche, entnahm ihr ein Blechschild: „Kriminalpolizei! Hier ist mein Ausweis. Nun leeren Sie Ihren Sack! Legen Sie den Inhalt auf die Erde — so! Leeren Sie auch Ihre Taschen! Geräusch los! Stoßen Sie das Messer mit dem Fuße beiseite! Den Schlagring gleichfalls! Haben Sie sonst Waffen?" „Nee!" knurrte der Einbrecher. „Ich knacke Schränke. Von Blut will ich nichts wissen. Geh' ich verschütt, denn geh' ick verschütt und gebe mich gutwillig. Was soll's nu?" Der Mann mit der Schirmmütze deutete nach der gegen überliegenden Wand. Gehorsam trottete der Einbrecher den gewiesenen Weg — es war ja nicht das erstemal, daß er „ver schütt" ging. Gehorsam drehte er dem Kriminalbeamten den Rücken. Die Blendlaterne des Siegers beleuchtete jetzt den „geknackten" Feuerfesten: „Sauerstoffgebläse und sauber aus geräumt. Umdrehen!" Der Einbrecher machte die vorgeschriebene Wendung und sah wieder in die Mündung des Browning. „Räumen Sie die Beute in den Sack zurück!" gebot der Kriminalbeamte mit halber Stimme. „Langsamer, langsamer! Die Wertpapiere in Sen Feuerfesten. Was haben Sie hier? Banknoten? Die beiden Säckchen enthalten...?" „Hartgeld, dem Gewichte nach zu schließen", brummte der Einbrecher. „Dachte schon, ich hätte 'nen großen Schlag ge macht und könnte mich zeitweilig vom Geschäfte zurückziehen. Wie haben Sie mich denn ausfindig gemacht, Herr? Sind Sie mir etwa nachgegangen?" „Hier frage i ch!" zischte der Kriminalbeamte. „Wie..." Er stockte, hob den Kopf, unterdrückte mit Mühe einen Fluch. Im Nebenzimmer wurde es laut, eine Frauenstimme kreischte, eine Alarmglocke gellte, ein kräftiger Baß grollte. Der Kriminalbeamte hatte sich wieder in der Gewalt. Er ging, nach rückwärts tretend, die bewaffnete Hand fest auf Sen Einbrecher gerichtet, bis an die Verbindungstür, klopfte mit der freien Linken an das Holz: „Keine Bange, meine Herrschaften! Der Einbrecher ist gefaßt, Geld und Papiere sind in Sicherheit." Er trat, die Tür freigebend, beiseite. Ein breitschultriger Mann, kahlköpfig, notdürftig be kleidet^, lugte ins Zimmer: „Sie sind ..." „Kriminalkommissar Bernd! Ein glücklicher Zufall... Ich wollte eben nach Hause. Der halbangelegte Flügel machte mich mißtrauisch. Die übrigen Fenster waren sämtlich ge schlossen. Ich erkletterte den Balkon, faßte den Einbrecher... Sie sind der Wohnungsinhaber, Herr —" „Großkaufmann Meinhold! Jawohl, Herr Kommissar, ich bin der Wohnungsinhaber. Meine Frau weckte mich. Sie wollte Schritte gehört haben. Ich selbst schlafe fest. Ich werde nie wieder über ihre Aengstlichkeit spotten. Sie gestatten, daß ich mich anziehe? Meine bloßen Füße — auch sonst — in kurzer Zeit stehe ich zu Ihrer Verfügung." „Bleiben Sie doch, wie und wo Sie sind, Herr Meinhold!" lachte der Kriminalkommissar. „Langen Sie mir nur eben Ihren Drücker heraus und die Schlüssel, dieser große hier öffnet Wohl die Haustür? Vielen Dank! Ich muß den Ein brecher und feine Beute vorerst zum Revier bringen und kann Sie dort gleich anmelden, für morgen, um — wieviel Uhr?" „Schlag neun!" Herr Meinhold zögerte: „Sie gestatten, Herr Kommissar! Weshalb auch das Geld abliefern? Es ist doch mein Eigentum. Wollen Sie es mir nicht lieber gleich da lassen?" ' „Halt!" sagte der Beamte bestimmt. „Das geht nicht an. Ja, hätte ich dabei gestanden, wie der Einbrecher es aus dem Feuerfesten nahm — doch war dies nicht der Fall. Ich kam erst später." „Ich kann beweisen..." fuhr Meinhold auf. „Das sollen Sie auch, verehrter Herr. Morgen auf dem Revier. Wenn ich Sie noch um ein Ende Schnur bemühen darf... Besten Dank!" Der Einbrecher streckte beide Hände vor, der Beamte band sie zusammen. „Sie finden Ihre Schlüssel morgen auf dem Revier, Herr Meinhold!" Dann wies seine Blendlaterne den Weg zum Korridor, die Treppen hinab, ins Freie. Dem Einbrecher wurde der Sack auf dem Rücken gelegt. Der Beamte ging bedächtig, fast schien er zu zögern. Er bog in eine dunkle Seitengasse rin: „Halt!" Er nahm den Sack von den Schultern des Einbrechers, ließ ihn zu Boden gleiten. „Wie lange bist Du bei dem Geschäfte, Mensch? Wievicle Vor strafen? Lüge nicht! Ich krieg's ia doch heraus." Der Einbrecher sah sich vorsichtig nach allen Seiten um. Die Straße war leer. „Halt!" sagte er nun seinerseits. „Nu, vächt ich, langt es. Der ,scheele Ede' als Greifer! Mensch, haste Worte? Zieh Leine, Ede, zieh Leine! Sonst komm' ich Dir grob!" 67 »Sollst deinen Anteil haben." nickte Capak mit listigem Augenzwinkern. „Wird einige Zeit dauern. Denn der Gold fund liegt in Uebersee, in Peru. Doch bei uns beißt es: Ein Mann ein Wort! So wahr ich Capak heiße." Er lachte sein leises, unheimliches Lachen. „Prosit, Kameraden! Auf Gedeih und Verderb!" Alle tranken einander zu. Nur Fullarton wagte sein Glas nicht zu berühren. Ueber ihm schwebte des Henkers Hand. Er zitterte. Capak sah es. „Auf Euer Wohl, Fullarton!" rief er, um Stimmung zu machen. „Es lohnt nicht, mich zu ver- oerraten! Steck' den Gedanken auf und sauf' dich ehrlich! Wir brauchen deine Unterschrift so gut wie die der anderen. Kein Wort mehr davon!" Das brachte die Befreiung. Alle hatten einen üblen Ausgang, eine Schießerei über den Tisch hin erwartet. Diese Sorge war nun von ihnen und besonders von Fullar- Wn genommen. Das Eis war gebrochen, wie man sagt. Cavak, der kühne Segler, hatte 'mal wieder freie Fahrt. Er fehle nun eine Vollmacht auf, in spanischer Sprache, Sie ihm das Recht zugestand, für alle Unterzeichneten nach rigenem Ermessen frei zu handeln. Er übersetzte ihnen das. Und alle, auch Fullarton, unterschrieben. „So," sagte Capak befriedigt, „das wäre gemacht!" Er Sarg das Papier in seinem Gurt. „Nun sagt 'mal alles, vas ihr über die Sache selbst wißt! Ich werde ein Protokoll rufnehmen, das Ihr mir ebenfalls unterschreiben müßt. Mehr brauche ich nicht. Euer Geld könnl ihr behalten. Ich schlage mich schon durch. Mit einem bewaffneten Massensturm ist da nichts zu machen. Dem Gauner komme ich mit anderen Waffen bei. Auch in Peru macht man mit Räubern kurzen Prozeß." Es folgte nun Lage auf Lage. Im Morgengrauen, als die meisten schon über oder unter dem Tisch lagen und »schliefen, warf Capak sich aufs Pferd und ritt aus dem Lager. Kapitel 34. Der Brief aus Uebersee. Doktor Bayers saß an seinem Schreibtisch. Zum ersten Mal wieder nach langer Zeil. Er konnte das jetzt. Helene batte sich endlich, nach langer Krankheit, ins Leben zurück gefunden. Sie ruhte unten im Garten im Liegestuhl, von Frau Maggie mütterlich betreut. In einer ersten lichten Stunde hatte sie dem Vater alles gesagt, was in der verlassenen Hütte sich damals zugetragen batte. Sie mußte ihn warnen, da durch den Unbekannten sein teures Leben noch weiter bedroht war. Die Erzählung dieses Unbekannten hatte Doktor Bayers sehr überrascht und schwer bedrückt. Wenn dem so war — doch darüber war er noch in Zweifel — dann batte Roberts ein schweres Verbrechen begangen und ein Geheimnis mit ins Grab genommen, dessen Auswirkung sein und seines Kindes Leben bedroht hatte und noch weiter bedrohte. Dann waren die verschwundenen zehn Millionen, von denen Roberts in seiner Sterbestunde gesprochen hatte, nicht dessen Eigentum, sondern gestohlenes Gut. Ein Glück, daß es sich nicht in der von ihm verwalteten Erbschaftsmasse befand, nicht in seine Hände gelangt war. Er durfte annehmen, daß wenigstens das für die Erbin verwaltete Vermögen ehr lich erworben war Das war bisher unbestritten. Um mehr hatte er sich nicht zu kümmern. Sein Vorhaben, nach dem Empfänger der zehn Mil lionen zu forschen, welche, laut Zeitungsnotiz, die Bank von England „ohne Legitimationsprüfung" seinerzeit an einen Ungenannten gezahlt hatte, hätte er noch nicht aus führen können. Jetzt, nach Helenens Bericht, hatte er keine Neigung mehr, diesen Dingen nachzugehen. Ganz seiner Arbeit Hingegehen, grübelnd und ,eden Satz erwägend, beschrieb eben Doktor Bayers langsam Blatt um Blatt. Es war kein wissenschaftliches Werk, an dem er arbeitete: er führte nur eine seiner gehaltvollen Korrespondenzen. Als er damit zu Ende war, griff er nach einem Brief, der in einem Haufen anderer noch un eröffnet auf dem Schreibtisch lag. Schon der Poststempel „Valparaiso" versetzte ihn in eine erwartungsvolle Spannung. Ein ihm befreundeter Doktor John Barry, der sich viel mit Altertumsforschung beschäftigte, schrieb darin: „Von einer langen Reise in noch unerforschte Regionen des einst io mächtigen Jnkarreiches zurückgekehrt, finde ich Ihren geschätzten Brief vor. der viel Wissenswertes enthält. Dock vorweg zu einer Sache die Ihnen besonders am Herzen zu liegen scheint! Es ist ein ganz merkwürdiger Zufall, daß Sie, lieber Freund, einem Mädchen nachforschen, in deren Schicksal ich selbst und auf ganz wunderbarer Weife mit verwickel! worden bin Hören Sie also! Es mögen wohl an die fünfzehn Jahre oder mehr hei lein als hier in Valparaiso ein Mann auftauchte, der nach Leuten forschte, die lange im Lande ansässig und in der Lage seien, ihm über alles Auskunft zu geben. Da er ein Engländer war, wies man ihn an mich. Sein Anliegen war ebenso sonderbar, wie die Art seiner Einführung befremdlich. Er ließ sich als ein Mr. James Baester bei mir melden. Als er dann vor mir stand, erkannte ich ihn sofort wieder. Es war der seinerzeit be rühmte Maler Archibald Leslie, dessen Name mir zum ersten Mal wieder aus Ihrem Briefe entgegenklingt. Ick war ihm bei meiner Anwesenheit in London in einer Gesell schaft vorgestellt worden. Doch so 'was vergißt man. Als ich ihn daran erinnerte, zeigte er zuerst große Bestürzung, war dann aber doch erfreut, in mir einen Mann zu finden, der ihn als Künstler schon kannte und schätzte. Er suchte seine verschollene Tochter. Eben ermittelte Spuren wiesen nach Valparaiso. So kam er zu mir. Seine Darstellung, wie die kleine Jeanne ihm in Colombo auf Ceylon abhanden gekommen war, wich sehr wesentlich von der ab, die Sie mir jetzt geben. Er sagte, sie sei ihm entfüchrt worden, vermutlich von fanatischen Indern aus Fremdenhaß Allerdings fragte er mich im Laufe des Ge sprächs auch, ob ich nicht von einem reichen Pflanzer, Sir Falconbridge, gehört habe, der hierher gereist sein sollte, so, als bandle es sich um einen Herrn seiner näheren Bekanntschaft. Ja, der Genannte war mit Frau und Kind, wie ich damals glaubte, und einem indischen Diener hier gewesen. Doch der Aufenthalt im Lande sagte ihm oder der Dame nicht zu, und so dampfte er bald wieder ab. Wohin, war nicht bekannt. Bezüglich des gesuchten Kindes konnte ich Herrn Leslie keine Auskunft geben. Er bedankte sich, ging fort und kam nicht wieder. Nun hören Sie weiter! lFortsetzung folgt.)
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