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MsdmfferÄMatt Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen des Amts- genchts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter -Fernsprecher- Amt Wilsdruff Nr. 6 Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft/ Das „Wilsdruffer Tageblatt- erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in der ^ejchägsst- lle und den Ausgabestellen 2 RM. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,30 RM., bei Postbestellung 2 RM. zuzüglich Abtrag- n gebübr. Einzelnummern iSRofg AllePostanstalten Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend PostbotenundunsereAus- näger rnd Geschäftsstellen nehmen zu jeder Zeit Be ¬ stellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonst. Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oderKürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. Nr. 249 — 89. Jahrgang Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Freitag, den 24. Oktober 1930 Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Szenenwechsel. Die Ernennung des früheren preußischen, dann Reichsinnenministers Severing, eines der prominente sten Führer der Sozialdemokratischen Partei, hat weit über die Grenzen Preußens hinaus eine überaus große Beachtung in der politisch interessierten" Öffentlichkeit erfahren. Viel gepriesen und viel angegriffen, hat er von 1924 bis 1926 das Innenministe rium des größten deutschen Freistaates geleitet und sich da mit außerordentlich viele Freunde, aber auch zahllose Feinde geschaffen. Man sprach in Lob und Tadel von einem „System Severing" und gerade deswegen wird seine sehr plötzliche und die Öffentlichkeit völlig über raschende Ernennung zum Innenminister auf der politi schen Linken ebenso bejubelt, wie sie auf der Rechten schärfste Kritik auslösen mußte, die sich ja bereits bis zu einem Mitztrauensantrag der Deutschnationalen gegen Severing verdichtet hat; ein solcher ist auch von den Kom munisten eingebracht worden und beide Anlage müssen binnen vierzehn Tagen, also sofort nach Wiederzusammen tritt des Landtages, zur Entscheidung kommen. Man kann auch nicht ganz an dem Zeitpunkt vorüber gehen, an dem diese Ernennung erfolgt ist: Im Reich konnte das Kabinett Brüning den Angriff der Rechts- und Linksopposition nur mit Hilfe der Sozialdemokratie ab wehren, aber gleich darauf wurde ihm von derselben Partei auch sehr kühl gesagt, daß man die weitere Unter stützung des Kabinetts von einer ganzen Reihe wirtschasts- und sozialpolitischer Voraussetzungen abhängig mache, über deren Annahme man sich bis zum Wiederzusammen tritt des Reichstages einigen müsse. Die Haltung der So zialdemokratie am 18. Oktober hat nun ferner dazu geführt, daß im Preußischen Landtag die gegen die Regierung Braun gerichteten Auflösungs- und sonstigen Mißtrauens anträge von den Parteien der „Weimarer Koalition" glatt abgelehnt wurden, so daß nun der Ministerpräsident, der ja der Sozialdemokratischen Partei angehört, mit Severing eine besonders politisch unzweifelhaft stark ausgeprägte Persönlichkeit in die Regierung hineinnehmen konnte und dadurch das Schwergewicht seiner Partei im Kabinett ver größerte. Dieser Ansicht ist man übrigens auch in Zen trumskreisen, macht daher einige Bedenken geltend und gibt dem neuen Innenminister den dringenden Wunsch mit auf den Weg, sich in den gegenwärtigen parteipolitisch so gespannten Zeiten einer möglichsten Objektivität zu be fleißigen. In der „Abwehr der Angriffe auf den Staat von rechts und von links her" wird die Aufgabe Severings von denen erblickt, die ihm politisch nahestehen, und dafür soll eben die langjährige Erfahrung des Neuernannten eingesetzt werden. , Diese neue Szene in der preußisch-deutschen Innen politik wird in weiten Kreisen als eine Verstärkung des sozialdemokratischen Einflusses betrachtet; gleichzeitig da mit vollzog sich ein anderer, auch nach außen hin deutlicher Szenenwechsel nach rechts hin: im Reichslandbund, der größten agrarischen Organisation. Mitten im poli tischen Kampf der vergangenen Woche hatte der Neichs- ernährungsminister Schiele das von ihm seit langer Zeit bekleidete Amt im Präsidium niedergelegt, ebenso sein Reichstagsmandat; er war als Führer der Partei des „Deutschen Landvolkes" in den Wahlkampf gegangen. Bei der Entscheidung des 18. Oktober hatte seine ehemalige Fraktion auf feiten der Opposition gestanden, also auch gegen Schiele gestimmt Nun ist es zu einer neuen Amts niederlegung im Präsidium des Reichslandbundes ge kommen; ein weiteres langjähriges Mitglied, der Reichs tagsabgeordnete Hepp, hat, obwohl soeben erst wieder in das Drei-Männer-Präsidium hineingewählt, auf sein Amt verzichtet, als Graf Kalckreuth mit der Geschäfts führung beauftragt wurde. Hepp gehört nun gleichfalls der Partei des „Deutschen Landvolkes" an, ist übrigens früherer Deutsch-Volksparteiler, — und nun erklärt seine Partei, die Wahl des Grafen Kalckreuth sei ein Vorstoß rechtspolitischer Kräfte im Reichslandbund, die auch schon Schiele verdrängt hätten; gleichzeitig sei außerdem der Führer des thüringischen Landbundes, der übrigens auch auf der Liste des „Landvolkes" gewählte Staatsrat Höfer, aus dem Vorstand des Reichslandbundes ausgetreten. Auch er hatte fchon vor dem Zusammentritt des Reichs tages auf sein Mandat verzichtet. Wieweit die Behaup tungen über eine entschiedenere Rechtsentwicklung im Reichslandbund richtig sind und ob sich daraus wirklich, wie von der Landvolkpartei des weiteren erklärt wird, Folgen für die Haltung der westlichen und südwestlichen Bauernorganisationen im Landbund ergeben werden, vermag der Außenstehende natürlich nicht zu sagen. Be dauerlich aber bleibt die Feststellung, daß es in den wirt- fchafts- und parteipolitischen Organisationen der Land wirtschaft offenbar an Differenzen nicht fehlt, gerade in einer Zeit, da im raschen Wechsel der politischen Szenerie Und angesichts der Agrarkrise besonders fest geschlossene Einigkeit vonnöten ist. Die Opfer der Verufsbeamlen. Tagung des Deutschen Beamienbundes. , Auf der Bundestagung des Deutschen Beamtenbundes w Berlin lehnte der Bundesvorsitzendc Flügel eine Son. verbelastung der Beamten im Rahmen des Wirtschafts- ^,ud Finanzplanes der Reichsregierung ab und geißelte dann °te Schürung der Unruhen in unserem Volk durcb unverant- Vor MverorimiW siir de« LMM ,/Deutsches Landvolk" beim Reichspräsidenten. Die Beunruhigung der Landbevölkerung. Der Reichspräsident empfing in Gegenwart des Reichsministers Dr. Schiele die Vertreter der Fraktion Deutsches Landvolk, die Abgeordneten Döbrich, Gereke und Hepp, zu einer längeren Aussprache über die vom Deutschen Landvolk zur Linderung der Notlage der deutschen Landwirtschaft vorgeschlagenen Maßnahmen. Es wurde noch einmal die Forderung der Landvolk partei nach sofortiger Einberufung des Reichstages er örtert. Nachdem dabei festgestellt wurde, daß zurzeu diese Forderung nicht erfüllt wird, betonten die Landvolk führer unter eingehender Darstellung der Lage der Land wirtschaft, daß ein weiteres Hinauszögern dringender landwirtschaftlicher Forderungen auf dem Gebiete der Zoll- und Handelspolitik wie bestimmter innenwirtschvft- licher Absatznaßnahmen für die Landbevölkerung und da mit für die Gesamiwirtschaft unerträglich sei. Die Ab geordneten wiesen insbesondere darauf hin, daß, wenn nicht in aller Kürze durchgreifende Maßnahmen von feiten der Reichsregierung Platz greifen würden, die bereits in der Landbevölkerung vorhandene außerordentliche Be unruhigung bis zu einem die Ruhe gefährdenden Ausmaß zwangsläufig gesteigert werden würde. Da zurzeit keine Aussicht besteht, daß das Parlament vor Dezember zu sammentritt, so forderten die Landvolkführer die Er greifung außerparlamentarischer Maßnahmen zur Be hebung der dringenden Notstände. * Reichskabinett und Agrarkrise. Erwägungen über landwirtschaftliche Notverordnungen. Berlin, 24. Oktober. Nach den Erklärungen des Reichskanzlers Brünm; beim Empfang der Führer der Landvolkpartei und naä deren Empfang beim Reichspräsidenten ist damit z, rechnen, daß das Reichskabinett sich bereits in der aller nächsten Zeit mit den zu erlassenden landwirtschaftliche, Notverordnungen beschäftigen wird. Wie bekannt, steh Reichsernährungsminister Schiele auf dem Standpunkt daß eine unverzügliche Regelung der verschiedenen Land wirtschaftsfragen notwendig ist. Die Vorarbeiten für ver schiedene in Frage kommende Notverordnungen sind in Reichsernährungsministerium soweit gefördert, daß mi ihrem Abschluß in den nächsten Tagen gerechnet werde, kann. 2000V Schweine für Rußland. Entlastung des Ferkelmarkles. Am deutschen Schweinemarkt zeigl sich eine deutlich sicht bare Tendenz sinkender Preise Vie sich noch verstärken dürfte, wenn die jetzt noch ungeborenen Jungtiere ausgemästet aus den Markl kommen werden. Es bedeutet daher eine nicht geringe Entlastung, wenn jetzt 20000 Schweine nach Rußland exportiert werden sollen. Dte russische Handels vertretung hat mit deutschen lanvwiNschasllichen Genossen schaften einen Vertrag abgeschlossen, nach dem 20 000 deutsche Schweine nach Rußland geliefert werden, und zwar soll es sich dabei ausschließlich um Zuchtvieh handeln. Die Sauen müssen trächtig oder zum mindesten gedeckt seien. Trotz dem soll der erzielte Verkausspreis nicht viel über den Nolte- rungen für Schlachtvieh liegen. Dieser Export bedeutet nicht nur eine Entlastung des Marktes für den Augenblick, sondern auch aus längere Sicht, da der zu erwartende Preisdruck aus dem Ferkelmarkt dadurch gemildert wird. ReWlaMM lind LaMMMei. Berlin, 23. Oktober. Die am Donnerstagvormittag von der Christlichnationalen Bauern- und Landvvlkpartei verbreitete Erklärung zur Präsidentenwahl im Reichslandbund, die sich be sonders scharf gegen den neuen geschäftsführenden Präsidenten, Grafen Kalckreuth, richtete, hatte in Berliner politischen Kreisen den Eindruck erweckt, als ob eine Spaltung des Reichslandbundes und die Gründung einer neuen Organisation mit Unterstützung der Landvvlkpartei durch den Abgeordneten Hepp bevvrstünde. Wie wir von beslunterrichteter Seite erfahren, scheint die Erklä rung eine derartige Bedeutung nicht zu haben. Es handelt sich lediglich um eine Erklärung der Presse stelle der Landvolkpartei, die nicht die vorherige Billi gung der Parteileitung gefunden hatte. Wie wir weiter erfahren, lehnen es auch führende Persönlichkeiten der Landvvlkpartei ebenso wie Reichsernährungsminister Schiele ab, sich mit der Erklärung zu identifizieren. Wie aus Kreisen des Bundesvorstandes mitgeteilt wird, entsprechen die Angaben der Erklärung der Pressestelle der Landvolkpariei über das Zustande kommen der Wahl des Grafen Kalckreuth nicht den Tatsachen. Die außerordentlich starke Mehrheit für Graf Kalckreuth setzte sich aus Vertretern der verschiedenen Richtungen innerhalb des Landbundes zusammen. Der Wechsel im Präsidium des Reichslandbundes. Nach dem früheren Rücktritt des Ernährungsmunsters Schiele wurde Gras von Kalckreuth (rechts, zum vorsitzsührcnden Präsidenten des Reichslandbundes ge wählt. Daraufhin hat der wiedergewählte Präsident Hepp (links) sein Amt niedcrgelcgt. wörtliche Hetzer. Der Deutsche Beämtenbund sei gewillt, alles in seinen Kräften Stehende zu tun, um den deutschen Volks- staat vor jedem Versuch gewaltsamer Änderung seiner Verwaltung zu schützen und zu stützen. Es möge dieser Versuch kommen woher er wolle. Jedoch erfülle der Deutsche Beamtenbund seim oft und gern geübte Pflicht, Dienst am Volksganzen am Staate zu tun. Reichstagspräsident Löbe erklärte, ein pflichttreuer und wirtschaftlich gesicherter Beamtenstand sei notwendig. Aber auch die Beamtenschaft müsse die allgemeine Not des Volkes mit tragen. Drei Forderungen seien hier zu stellen: 1. keine Ausnahmebelastung an deren gleichgestellten Schichten gegenüber, 2. Gerechtigkeit in der Abstufung der den Beamten zugemuteten Opfer, 3. Schuh der untersten Schichten des Beamtentums. Ministerialdirektor a. D. Professor Dr. Wiedenfeld, sprach darauf über: „Der Welthandel und die Probleme der Unternehmungsgestaltung unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Verhältnisse." Darauf ergriff Retchsinnen- Minister Dr. Wirth das Wort und sührre u. a. folgendes aus: „Die Regierung hält am Berufsbeamtentum fest und sieht wie ihre Vorgängerinnen in ihm ihre Hauptstütze und einen treuen Verbündeten, auf dessen Hilfe bauend sie die schwere Aufgabe aus sich genommen hat, Deutschland aus den Nöten und Bedrängnissen der Gegenwart, deren Gefahren sie am allerwenigsten verkennt, herauszusühren Ich hoffe und vertraue, daß die Beamtenschaft am Glauben an diesen Stand punkt der Regierung festhält. Gewiß, der Beamtenschaft wird in dieser Zeit viel, reichlich viel zugemutet. was schmerzlich in ihre Interessen eingreift. Aber wahrlich die Regierung hätte sich zu solchen Maßnahmen nicht ent schloßen, wenn sie eine, andere Möglichkeit zur Rettung der Lage gesehen haue. Wo die Gesamtheit tu ihren Vcveusveoln- gunqen erschütteri wird, kann nicht ein einzelner Berufs stand unberührt davon bleiben, am wenigsten der Beamten stand, der am stärksten in der Gcsamtheii wurzelt und dessen Mitglieder durch den Eintritt in ihn sich dazu bekannt haben, den ehren-, aber auch entsagungsvollen Dienst an der Gesamtheit auf sich zu nehmen." Nach Ausführungen über die Stellung des Beamten in der Demokratie und unter der Diktatur beschäftigte fich der Minister mit den wichtigsten beamtenrechtlichen Fragen. Er wies dann energisch die Angriffe aus das Berufs beamtentum zurück, die in Deutschland leider Mode geworden seien, und sprach dem deutschen Beamtentum die volle An- erkennung der Rcichsregicrung aus, daß es sich trotz allcrAn- griffe und Feindseligkeiten noch keinen Augenblick vom Wege ruhiger Pslichtersüllung habe abbringcn lassen. Der Vorsitzende Flügel dankte dem Munster und er klärte, die Beamtenschaft Hütte gewünscht, daß diese klugen und mutigen Worte früher gesprochen worden waren, -jur Ver minderung der Not müßten alle herangezogen werden, vor. allem auch die, die nach ihrem Vermögen m höherem .Naße da zu beitragen könnten. Amnestie tritt in Krast. Zustimmung im Reichsrat. — Trauerkundgebung für Alsdorf. Dte öffentliche Sitzung des Reichsrates wurde mit einer Trauerkundgebung für die Opfer des Alsdorfer Grubenunglücks eingeleitet. Die Ansprache hielt an Stelle des verhinderten Neichsarbeitsministers Reichsinncnminister Dr. Wirth. Zu der vom Reichstag beschlossenen Amnestie wurde gegen die Stimmen der Provinz Hessen Nassau und der Provinz Sachsen beschlossen, von der Einlegung eines Einspruches ab- zuseycn. Zugestimmt wurde den Neichstagsbeschlüsscn über d.- Schuldentilgung und das Polenschadcngesetz.