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MsdrufferTageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das „Wilsdruffer Tageblatt- erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in der Hrschastsstelle und den Ausgabestellen 2 RM. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,30 RM., bei Postbestellung E?sgÄllePostanstait°n Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend P°stbötenui?dunse"Äüs" träger und Geschäftsstellen - nehmen zu jeder Zeit Be ¬ stellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonst. Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Leitung oderKürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenprcts: die 8gcjs alten- Raumzeile 20 Rpfg., die «gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen <0 Reicha. Pfennige, die 3gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 RMK. Nachweisungsgebühr 20 Reichspsennige. Do.-. Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 annahmcbisvorm.ioUhr. 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Lieber als diese Worte wären uns Taten, wäre uns vraktische Hilfeleistung, die der Gegen seite nicht einmal etwas zu kosten braucht. Denn das Schicksal selbst — nun, das schlägt uns immer wieder mit grimmiger Faust. Noch wird daran gearbeitet, um sie schlimmsten menschlichen und wirtschaftlichen Spuren zu verwischen, die der Tod in den Kohlenschächten des rriederschlesischen Bergreviers bei Neurode hinterließ, da rollt auch schon wieder der dumpfe Donner schwerster Explosionen durch die Stollen einer Grube des Aachener Bezirks und wirft viele Menschen in Tod oder Verwundung. Sollte denn das keine innere, ge meinsame Ursache haben, daß Deutschland in so kurzer Zeit zwei derart schwere Bergwerkskatastrophen erleben mußte wie seit Jahrzehnten nicht? Leidet etwa die Betriebs sicherheit, weil die Wirtschaftsnot ausgiebigsten Gegenmaß nahmen allzu enge Grenzen setzt? Der deutsche Bergbau ist der anerkannt vollkommenste nach der technischen Seite hin; doch sofort werden Bedenken wach, ob der Zwang zu rationellster, wirtschaftlich rentabelster Arbeit unter dem Druck der Weltkonkurrenz nicht verhängnisvolle Folgen für den Menschen, für seine Sicherheit haben maa. Wenn es sich dabei wenigstens um eine natürliche Konkurrenz handeln würde, — aber die Kohle ist jo einer der wenigen Roh stosse, die uns der Ver sailler Vertrag und seine Nachfolger ließen. Und hinter der deutschen Wirtschaft steht der „NeuePla n" mit seinem Gebot der möglichst starken Aussuhrsteigerung. Denn es kommt ja dabei nicht nur auf die Aufbringung der Zah lungen an, sondern auch darauf, sie in ausländische De Visen zu „transferieren". Und diese Einnahmen aus dem Ausland müssen doch erst herangeschafft werden, wenn Deutschland nicht in immer tiefere Verschuldung an das Ausland geraten soll. Nun Hai ja Parker Gilbert, der gottlob „verflossene" Reparationskommissar, in seinen Berichten immer wieder der Welt mitgeteilt, die Dawes- ebenso wie jetzt die Doung-Zahlungen aufzubringen wäre für Deutschland ein leichtes, wenn es nur erst einmal in seinen öffentlichen Finanzen Ordnung schaffen würde Und in seinem allerletzten Bericht hat er noch schnell das Bild der deutschen Wirtschaft in den wun derbarsten Farben gemalt, die nun damals schon, aber heute noch viel mehr in einem geradezu grotes ken Gegensatz zur Wirklichkeit stehen. Vor allem abe: wurde ein Satz seines Berichts durch die Wirklichkeit ir das Gegenteil des Gewollten nmgedreht: „Die Lösung de- Neparationsproblems ist nicht nur eine Aufgabe Deutsch lands, sondern liegt im gemeinschaftlichen Interesse alle: beteiligten Länder und verlangt die Zusammenarbeit alle' Beteiligten." Gerade davon haben wir aber seit dem In krafttreten des Neuen Planes nicht das geringste verspür» in den letzten Monaten vielmehr das gerade Gegentei jeder Unterstützung. Auf der einen Seite mutzten im Vc trage von nicht viel weniger als einer halben Mtlliard. Gold und Devisen aus der Deutschen Reichsvank hinüber wandern in die Staatskassen der „beteiligten Länder" namentlich in die Keller der Bank von Frankreich. Au! der andern stellt die Hochschutzzollpolitik immer höhere Hindernisse der deutschen Ausfuhr in den Weg, wird in manchen „beteiligten Ländern" sogar davor gewarm Deutschland in der Frage der Kreditgewährung öder Ka pitalshergabe allzusehr zu vertrauen. Nicht zuletzt, west eben die deutschen Staatssinanzen nicht in Ordnung sind Diese „Unordnung", die deutsche Finanzmisere steht aber auch wieder in vollster Abhängigikeit von der Wirtschafts not, der wirtschaftlichen Verwirrung, an der der „Neu Plan" mit seiner vollkommen einseitigen Belastung des „Wellschuldnerstaates" Deutschland lebhaft beteiliat ist. Immer lauter sprechen ja Gerüchte davon, da" Deutschland nun auch eines der wenigen Rechte für sich in Anspruch nehmen wolle, die der „Neue Plan" enthält. Di: Reise Dr. Schachts nach Amerika und seine Unter redungen mit den maßgebenden Staatsmännern, soga mit dem Präsidenten Hoover selbst, werden als Auftal: dafür betrachtet, daß die Reichsregierung das „Trans fermoratorium" des Aoung-Plans aus fprechen will. Das würde bedeuten, daß wir zwar nach boie vor die Gesamtsumme unserer Verpflichtungen aufzn bringen haben und diese der Bank für den internationale: Zahlungsausgleich zur Verfügung gestellt wird; aber drei Monate nach dem Aufkündigungstermin werden diese in deutscher Reichsmark zu leistenden Zahlungen nicht mehr in fremdländische Devisen umgewechselt, abgesehen aller dmgs von dem „transferungeschützten" Teil im Betrag von etwa 660 Millionen und dem Dtenst der Daves Anleihe von 1924 in Höhe von etwa 80 Millionen. Außer dem gehen die direkten Zahlungen an Amerika Wetter, ebenso die Sachleistungen. Daher wird z. B. auch der Zmsendienst der Noung-Anleihe nicht davon berührt. Die ,volge einer derartigen Aufkündigung ist schließlich die " n 1 ersuchung der deutschen Wirtscha f t s - und Finanzverhältn HI e durch eine Kommission MaNentoä im Schacht Sisher IZ4 Lote geborgen — Verlustliste noch nicht abgeschlossen. Am späten Nachmittag waren noch etwa zweihunder Bergleute aus der 460-Meter-Sohle eingeschlvssen. I, der Frühe des Tages waren insgesamt 667 Bergleuü eingefahren, von diesen sind rund 400 auf benachbarter Schächten ausgcfahren worden. Am Nettungswcrk betci ligten sich 200 Nia an. Nach Aussagen von Geretteten soll ein Revier brennen. Von den benachbarten Gruben aus wurde» dort Vor stöße unter Leitung des Bergrates Verse aus Aachen unter nommen. Auf der 360-Meter-Sohle wurde bis zur Un glücksstelle vorgedrungen. Hier wurden die dort lagernden Munitionsvorräte vollständig in Ordnung aufgefunden Die Wasserhaltung und Ventilation ist mittags wieder in Gang gebracht worden. Bis gegen Abend Walen etwa 6 0 Tote geborgen. In den Krankenhäusern wurden bisher 75 Verletzte untergebracht. Alsdorf, 21. Oktober. Die letzte Zahl der geborgenen Toten, die heute abend die Verwaltung angab, lautet 50. Da ständig weitere Leichen vor allem aus dem Zentrum des einge stürzten Verwaltungsgebäudes ausgegraben werden, erhöht sich diese Zahl noch weiter. Die Verwaltung ist mit den Angaben sehr zurückhaltend und man macht über die Lage und das Schick sal der eingeschlossenen Bergleute keine sichere Mitteilung. Bis zu den Hauptrevieren konnte man noch nicht Vordringen, da die Strecke an vielen Stellen zu Bruch gegangen ist. Aus drei Re vieren ist die gesamte Belegschaft samt Steiger unverletzt durch eine Nebengrube ausgesahren. Zwei Bergleute stiegen von der 240 Meter-Sohle durch einen Lustschacht wohlbehalten heraus. Eingeschlossen sind nach den letzten Angaben noch rund 150 Berg leute. Von den Rettungsmannschaften sind verschiedene Leichen aufgefunden worden. Sie befinden sich aber noch unterwegs, da die Bergungsmöglichkeiten sehr gering sind. Die Gesamtzahl der Opfer läßt sich nur ohne festen Anhaltspunkt auf über 100 schä tzen, da selbst die Mitglieder der Rettungsmannschaften und die am Rettungswerk beteiligten Steiger völlig widersprechende An gaben machen. Die zum Teil sehr verstümmelten Leichen, die ge borgen sind, konnten noch nicht alle identifiziert werden. Auch bietet die Zählung der Geretteten dadurch Schwierigkeiten, daß eine ganze Anzahl Unverletzter ohne Meldung sofort nach dem Ausfahren nach Hause gegangen ist. Erst nach Aufforderung durch den Rundfunk meldete sich eine Anzahl Leute, die vorher als vermißt galten. Die Verwaltung der Grube „Anna" will auch von einem Brand in einem besonders stark belegten und ab gesperrten Revier nichts wissen. In Alsdorf selbst herrscht ein furchtbares Durcheinander, da die ganze Bevölkerung, verstärkt durch sehr viele Neugierige, die aus allen Teilen des Rheinlan des, aus Belgien und Holland herbeigeströmt sind, sich auf de» Straßen aufhält. Von Zeit zu Zeit kommen geschwärzte Gestal ten aus dem Verwaltungsgebäude heraus, die sich am Rettungs werk beteiligen oder auch solche, die durch andere Schächte aus gefahren sind. Sie werden mit Fragen nach den Angehörigen bestürmt, können aber alle keine bestimmte Auskunft geben. Das Vordringen in die zu Bruch gegangenen Strecken ist außerordent lich erschwert. Die Verwaltung lehnte es Dienstag ab, sich über die Ursache zu äußern, da eingehende Untersuchungen zur Zeit nicht angestellt werden könnten. In erster Linie müßte die Arbeit den Eingeschlossenen gelten. Es ist also immer noch ungekklärt, ob Der Wilhelmschacht der Grube Anna II. der „Internationalen Bank" unter Teilnahme auch eine deutschen Vertreters und ein Gutachten dieser Kommission an unsere Gläubigermächte. Wieweit ein Moratorium nun wieder auf die Zahlungen der Alliierten an ihre: amerikanischen Gläubiger zurückwirkt, ist im Augenbli nicht abzusehen; überhaupt tut man gut, vorläufig ers einmal sich mit der Feststellung zu begnügen, daß über d ganze Moratoriumsfrage in der Öffentlichkeit diskutier» wird, oder darüber, um diplomatisch zu sprechen, von Deutschland „Fühler ausgestreckt" sind. iso vrrgleuke nock im Schacht f es sich um eine Sprengstoff- oder eine Kohlenstaubexplosion oder i um Schlagwetter handelt. Nach der verheerenden Wirkung der Explosion an dem Seilturm und dem Verwaltungsgebäude muß man annehmen, daß es sich um eine Sprengstoffexploswn handelt. Von den Ereignissen über Tage sind einige erschütternde Einzelheiten bekannt geworden. In einem dem ,Förderturm des Schachtes besonders nahegelegenen Stapel Grubenholz wurde ein Arbeiter mit solcher Wucht gegen das Kopsende der Balken ge preßt, daß sein Körper die Balken genau in der Körperform ver schob. Dem Unglücklichen wurde dabei der Kops völlig zertrüm mert. An einer anderen Stelle fanden Sanitäter in etwa 300 Meter Entfernung von der Unglücksstätte eine einzelne Hand. In Alsdorf und besonders in den Straßen, die zur Zeche führen, sind Dächer und Fensterscheiben beschädigt, auch große Fenster scheiben, die der Lustdruckrichtung zugewandt waren, wurden ein gedrückt. Wie wir hören, hielt der Betriebsrat im Augenblick des Unglücks eine Sitzung ab. Er wurde in seiner Gesamtheit von den einstürzenden Mauern erschlagen. Ueber das Schicksal von weiteren hundert Bergleuten herrscht noch Ungewißheit. Ahlsdorf. Bis Mittwoch vormittag 7 Uhr wurden 134 Bergleute tot geborgen. In der Grube befinden sich nach Angabe der Verwaltung noch etwa 80 bis 100 Bergleute, die wahrschein lich nicht mehr am Leben sein dürften. Im Laufe der Nacht ist es gelungen, auf die 460-Metersohle vorzudringen. Hier wurden allein 87 Tote aufgefunden und geborgen. Ueber das Schicksal der noch nicht ausgefundenen Bergleute ist man vollkommen im Ungewissen. Die Zahl der in den Krankenhäusern befindlichen Verletzten beträgt 98. Sie Ursache der Katastrophe. Alsdorf, 21. Oktober. Dem Vernehmen nach soll die Entzündung des Dynamitlagers, das die furchtbare Grubenkata strophe verursachte, auf eine Gasexplosion zurückzuführen sein, die in der Nähe des Dynamitlagers stattfand. Die Gewalt der Dynamitexplpsirn war so stark, daß viele Fernsprechleitungen unterbrochen wurden und infolgedessen die ersten Nachrichten von dem Unglück über Nachbarorte nach Aachen kamen. Eine Erklärung des preußischen Handelsmimsters. Wie vom preussischen Handelsministerium mitgetcill wird, liegt eine Erklärung für die Explosion des Spreng stofflagers aus der 252-Meter-Sohle (denn um eine solche handelt es sich wahrscheinlich) zurzeit noch nicht vor. Der artige Fälle haben sich das letztemal, von einen« kleineren Unglück im Fahre 1925 abgesehen, in der Krlcgszeit zu- getragen, als die Sprengstoffe nicht so zuverlässig zusam mengcsctzt waren wie heute. Seitdem sind glücklicherweise solche Fälle infolge der vorsorglichen Maßnahmen für die Aufbewahrung und Behandlung von Sprengstoffen nicht wieder eingctreten. Der Ungiücksschacht. Der Schacht „Anna !I", auf dem das Unglück ge schehen ist, stand in Verbindimg mit den Schächten „Anna I", „Anna lll" und „Adolf". Die Grube „Anna II" hat im vergangenen Jahre 1,3 Millionen Tonnen Kohle gefördert, das sind etwa 35 Prozent der Gesamtförderuna des Eschweiler Bergwerkvereins oder mehr als ein Fünftel der Gcsamtförderung des Aachener Bezirks. Anfrage im Preußischen Landtag. Die Zentrumsfraktion im Preußischen Landtage hat fol gende Große Anfrage eingebracht: „Am 21 Oktober 1930 er eignete sich aus Zeche Wilhelmschacht im Aachener Steinkohlen gebiet ein furchtbares Grubenunglück, das erhebliche Opfer ar Menschenleben forderte. Die Katastrophe wurde durch ein« Explosion eines Dynamitlagers verursacht. 1. Ist die Ursacht dieser letzten schweren Grubenkatastrophe restlos geklärt? 2 War aus der Unglückszeche einem mit dem Spreugstofsweser beauftragten Steiger die gesamte Sprengstosfwirtjchaft unter stellt? 3. Hat eine getrennte Lagerung von Zündkapseln unt Sprengstoffen stattgefunden und waren besondere Räume füi Schießmeister vorhanden, m welchen die Schienmunitior empfangen und wieder abgegeben wurde?" Allgemeine Anteilnahme. Beileid des Reichspräsidenten und der Neichsregierung. Berlin, 22. Oktober. Reichspräsident von Hindenburg hat an den preu ßischen Regierungspräsidenten in Aachen folgendes Tele gramm gerichtet: „Die Nachricht von dem Explosions Unglück auf Grube „Anna 2" .bei Aachen hat mich tief erschüttert. Hoffentlich gelingt es, die noch eingeschlossene!' Bergleute zu retten. Ten Hinterbliebenen der bei der Ar bett Verunglückten bitte ich, den Ausdruck meiner aufrich tigen Anteilnahme, den Verletzten meine besten Wünsch: für baldige Genesung zu übermitteln." Außerdem haben oer Reichskanzler, zugleich im Namen der Neichsregierung sowie der Reichsarbsitsminister dc< Grubenverwaltnng und der Betriebsvertretung der Grub