Suche löschen...
Wilsdruffer Tageblatt : 10.10.1930
- Erscheinungsdatum
- 1930-10-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-193010104
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19301010
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19301010
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1930
-
Monat
1930-10
- Tag 1930-10-10
-
Monat
1930-10
-
Jahr
1930
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 10.10.1930
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
nungen waren, da sie stark gefährdet waren, nach dem Aus bruch des Feuers von der Polizei geräumt worden. Bunte Tageschronik Berlin. Der Reichsverkehrsminister hat den Flugplatz Dresden für den Luftverkehr gesperrt London. Zwischen Boston und Nottingham wurden drei Männer beim überschreiten eines unbewachten Bahnüber ganges von einem Zuge ersaßt und in Stucke gertssen. Moskau Aus dem Bahnhos Kulomsino in der Nähe von Omsk (Sibirien) ist ein Personenzug entgleist. Nier Personen wurden getötet und 14 schwer verletzt. G. d. A. ruft Reichsarbeitsgericht an. Berlin. Wie der Gewerkschaftliche Pressedienst mitteilt, ha> der Gewerkschaftsbund der Angestellten gegen das vom Lam desarbeitsaericht Berlin unter dem 17. September 1930 gefällt« Urteil wegen der Zulässigkeit von Gehaltskürzungen bei Kurz^ arbeit beim Reichsarbeitsgerichi Revision eingelegt. Strafanträge des preußischen Ministerpräsidenten. Berlin. Wie der Amtliche Preußische Pressedienst mitteilt hat Dr. Braun gegen den Chefredakteur der Kasseler Post Heinrich Walter in Kassel, Strafantrag wegen Beleidigung ge stellt. In der Kasseler Post vom 16. Juli d. I. war aus de: Feder des Angeschuldiglen ein Leitartikel erschienen, der Aus führungen enthielt, die geeignet waren, den preußischen Mi nisterpräsidenten in der öffentlichen Meinung herabzusetzen. Wie der Amtliche Preußische Pressedienst weiter mitteilt, ha: der preußische Ministerpräsident Dr. Braun gegen den Völ kischen Beobachter wegen verschiedener in der Nr. von 12. Juli d. I. enthaltenen schweren Beleidigungen der preu ßischen Staatsregicrung aus Grund eines Beschlusses des preu ßischen Staatsministeriums in dessen Namen und Auftrag Strafantrag gestellt Zaunms ZuriMgMetm. Kowno. Nach der Rückkehr des litauischen Außen ministers Zaunius aus Genf sand eine Kabinettssitzung statt, nach deren Schluß Zaunius seinen Rücktritt einreichte. Der Rücktritt wurde angenommen Ais Grund dafür wird an gegeben, daß in litauischen politischen Kreisen die Behandlung der Memeloeschwerden in Genf als eine außerordentliche Niederlage der litauischen Politik betrachtet wurde. Man nimmt an, daß unter Umständen das gesamte Kabinett in die Krise verwickelt werden könnte. Ein Tag bedeutender Ereignisse im VMBV. Neben der Fortführung der Punktspiele im Fuß- und Handball in allen Gauen des Verbandes Mitteldeutscher Ball spiel-Vereine bringt der kommende Sonntag eine Anzahl Ver- anstaüungen von mehr als örtlicher Bedeutung in den ver schiedenen Sportarten. Im Vordergrund steht das Pokaltreffen Mittel- deutschland aegen Norddeutschland in Chemnitz. Dort wird es ,'ch custheiden, ob der VMBV. oder der Nord- veutsche Svortverband sich für die Zwischenrunde u> den Pokal des Deu.schcn Fußballbundes behaupten wird. G'.ichzcitig entsendet der VMBV.'seine Verbands- § Breslau zu einem Frei ud:chat>s..rckken mit dem Südostdeutschen Verband. s „ reiht der Fußballstädte- -Leipzig würdig an, zu dem der Gau Groß-Letpztg wme Mannschaft nach Paris entsendet. _ " dball finden Städte- und Gausviele statt. In 7'°^ A die Gaumeistcrschaft des Mittelelb- NÄ bw des Gaues Altmark an, anschließend folgt der stadtekampr Magdeburg—Dessau. ' ' » -n «Pu? etik wartet in den meisten Gauen des Verbandes mtt den Herbstwaldläufen auf. Der Deutsche Fußballmeister Hertha B S.C. beschloß aus einer außerordentlichen Generalversammlung sich gegen Zah lung eines Abstandes von etwa 73 000 Mark vom Haupwerein, Dem Berliner S. C., unter Beibehaltung des Ramens „Hertha B. S. C abzuirennen Eine gleichzeitig stattgesundene außer ordentliche Hauptversammlung des B. S C lehme aber die Trennung ab, ch daß der Ä.-S.C.-Vorstand abzudanken ge zwungen war. Für den 15. Oktober ist nun eine weitere außer ordentliche Hauptversammlung des BSC einberusen wor den mV der Tagesordnung „Porstandsneuwahl" erste Berussfutzballspiel tm Westen geht am Sonn tag im Barmer Stadion zwischen der ehemaligen ersten Els von Schalke V4 und ver gleichen des S S V.-Etverseld ,unter dem Namen g E.-Wupperlat: vor sich Die Wuppertaler Mannschaft setzt sich tn ver Hauptsache aus zu Berufsspielern erklärten Clverchldern zusammen Ein Rückspiel soll acht Tage später tm Gelsenkirchener Glückausstadtcn stattfinden Vie Prophezeiung. Von Charlotte Riefe. Man schreibt das Jahr 1808. Kaiser Napoleon residiert in Saint Cloud und freut sich, wenn er gelegentlich unerkannt am Abend ausgehen kann. Hinter dem Schloß und seinen Hortense ist nicht unzufrieden. Aber sie kann dem Kaiser unmöglich berichten, daß die Wahrsagerin ihr versprochen hat, sie würde den Mann ihrer Liebe erhören und glücklich machen. Sie berichtet eilfertig, daß sie fern von Frankreich sterben würde. Ganz genau weiß sie nicht, ob die Seherin ihr dies gesagt hat, aber so ähnlich ist es gewesen. „Und ich? Erzählte mein Handschuh ihr etwas von meiner großen Gittern wird der Herbstmarkt gefeiert, und eine schau lustige Menge drängt sich vor den Zigeunerwagen, den Kuchen buden, dem Wachsfigurenkabinett. Napoleon trägt einen langen Mantel, einen flachen Hut, man erkennt ihn ebenso wenig wie Hortense, die Königin von Holland, die ebenfalls einen dickest Mantel und einen Schutenhut trägt, der ihr ganzes Gesicht bedeckt. Hortense hat ihren Stiefvater unter gefaßt, hinter ihnen geht unauffällig ein Adjutant und der Kaiser, der sonst so auf Etikette hält, freut sich, einmal un bemerkt durch die Menge streifen zu können. Zuerst sesselt ihn ein Zigeunerwagen mit schönen Pferden, dann tritt er in das Wachsfigurenkabinett, das draußen bombastisch den Frieden von Tilsit ankündigt. Es ist schon ziemlich spät und die Bude kaum mehr besucht, der Besitzer freut sich, noch drei Besucher zu erhalten. Er erklärt eifrig. Hier sitzt Seine Majestät, unser geliebter Kaiser, hier der Russenzar, da steht die schöne Königin von Preußen, die Luise heißt, dort ihr Mann, ein steifer Herr. Und diese Dame ist die Königin von Holland, Hortense, auch sehr schön. Hortense zuckt etwas zusammen, sie ist nie in Tilsit gewesen, und die Wachspuppe mit dem leeren Gesicht und der unmöglichen Frisur scheint- ihr entsetzlich. Aber der Kaiser wirft ihr einen ernsten Blick zu, und sie nimmt sich zusammen. Napoleon freut sich, einmal wieder an Tilsit zu denken. Der Zar gefällt ihm gut. Daß der Preuße nicht zu frieden ist, kann man ihm kaum verdenken. Nahm man ihm doch seine besten Provinzen; aber weshalb wollte er kein Bündnis mit Napoleon, als dieser es wünschte? Der Kaiser steht in Gedanken vor den Figuren, die Königin Luise gefällt rhm nicht schlecht; aber sie hat einen Mann, der sich nicht auf die hohe Politik versteht. Während der Kaiser sich von dem Besitzer noch einige andere Figuren erklären läßt, sieht Hortense sich um. In der Ecke des Zeltes sitzt eine alte Frau. Sie trägt ein Schild auf der Brust: „Ich deute die Zukunft!" Die Zukunft! Hortense möchte sie gern erfahren! Sie ist mit dem König von Holland verheiratet, mag ihn aber nicht leiden und sehnt sich nach einem andern, der ihr heimlich zu Füßen liegt. Wird sie je die Seine werden? Sie tritt vor die Frau, die mit merkwürdig Hellen Augen ins Leere starrt. „Willst Du die Zukunft wissen, Bürgerin?" fragt sie mit etwas gebrochener Stimme. „Gib mir etwas von Dir, das Du trügest!" Hortense liebt nicht, Bürgerin und Du genannt zu wer den, aber es gibt in brankreich noch immer Menschen, die sich nicht an die neue Zeit gewöhnen mögen, und hier ist es einerlei. Sie zieht einen Handschuh aus und legt ihn der Frau auf den Schoß. Diese faßt ihn nftt dünnen Fingern, legt das Leder an ihre Stirn und starrt in die Ferne. „Du bist hoch gestiegen, Bürgerin, aber ich sehe Nebel. Warte einen Augenblick." Hortense wartet. Ihr fällt ein, daß sie Wohl etwas be zahlen muß, und sie winkt dem Adjutanten. Denn Fürstlich keiten tragen kein Geld bei sich. Unterdessen betrachtet der Kaiser noch einmal die Wachsfiguren und vor allem sich selbst. Er findet, daß seine dunkle Locke, die ihm über die Stirn fällt, nicht gut sitzt. Trug er damals die grüne Uniform mit dem Ordensstern? War es nicht ein grauer Frack, den er angelegt hatte — mit dem russischen Großkreuz neben der Ehrenlegion? Und beugte er sich so freundlich zu der schönen Preußenkönigin? Beinahe hätte er etwas gesagt, dann sieht er seinen Bruder Jerome stehen. Der war gleichfalls nicht mit in Tilsit, und seine Uniform ist auch nicht richtig — nun, man darf nichts sagen. Hauptsache ist die Freundschaft mit dem Zaren, die Macht, die von Tilsit ausging! Hortense steht neben ihm. „Wollen Sie mir einen Handschuh geben, Sire!" flüstert sie. Den Handschuh erhält sie, aber Napoleon schüttelt den Kops. Ihm ist einmal sehr verkehrt prophezeit worden, seitdem glaubt er nicht mehr an Prophezeiungen. Aber die Wachs figuren muß er sich doch noch einmal genau ansehen: Es ist richtig, daß man im Volke auf diese Art an den politischen Vorgängen Teil nimmt! Dann sieht er Hortense vor der Wahrsagerin stehen und Winkt ihr. Nachgerade muß man wieder ins Schloß zurück. Josephine hat Kopfschmerzen. Ach, sie leidet oft daran, seitdem die Frage auftaucht, daß der Kaiser einen Sohn und Erben haben muß. — „Was hat sie Dir vorgeredet?" fragt Napoleon, als man wieder das Zelt verlassen bat. Zukunft?" Hortense zögert: „Einiges, Sire, aber es war nicht rech! zu verstehen. Sie sprach von einem Schlitten im Schnee, von einem Fluß mit Brücken, von einer Insel —" „Insel?" „Ja, im Ozean. Wie gesagt, ich verstand sie nicht ordent lich, und Sie winkten so schnell." „Es wird Korsika gewesen sein", sagt der Kaiser. „Wenn ich Zeit habe, will ich einmal hinfahren. Manchmal empfinde ich Sehnsucht nach meiner Heimat. Aber der Schlitten — im Schnee — da will ich mich doch erkundigen." Mit seinen raschen, etwas schaukelnden Schritten geht Napoleon wieder auf das Zelt mit den Wachsfiguren zu und tritt ein. Hier ist man im Aufbruch begriffen, morgen geht das Kabinett aus einen anderen Jahrmarkt. Die Figuren sollen eingepackt werden, sind zum Teil mit Weißen Tüchern bedeckt, zum Teil liegen sie auf dem runden Tisch und harren, daß sie in große Kisten kommen. Der Kaiser Napoleon liegt unbedeckt auf dem Tisch, über ihm der Russe Alexander und der Preußenkönig. Die Seherin hilft beim Zudecken, und der Besitzer zählt seine Figuren. Niemand beachtet Napoleon, der einen Augenblick schweigend steht, sich rasch umdreht und wieder hinaus geht. Er ist tief verstimmt und fährt Hortense, die draußen geblieben ist, zornig an. „Daß Du mir von diesen Dummheiten nichts Deiner Mutter erzählst! Sie ist gerade so abergläubisch wie Du." Der Adjutant berichtet nachher, daß der Kaiser sich so geärgert hätte, weil er unter dem russischen Zaren und dem König von Preußen lag. An die Insel im Ozean denkt er nicht und auch nicht mehr an den Schlitten in Schnee und Eis. Aber Hortense, die Wert darauf legt, Königin von Holland genannt zu werden, obgleich sie schon lange von Louis ge schieden und ihm nie treu gewesen ist, diese hohe Dame hat öfters die Geschichte mit dem Wachsfigurenkabinett und der Prophezeiung erzählt und dann hinzugesetzt: „Die Frau sprach von einem Felseneiland und sagte auch etwas von Rußland. Aber ich verstand wirklich nicht alles, und ich hätte auch nicht gewagt, das so deutlich zu erzählen. Der Kaiser hätte mir doch nie geglaubt. Er konnte sehr liebe voll sein, aber auch sehr zornig. Ihn ärgerte am meisten, daß er unter dem Russenkaiser und dem Preußenkönig auf dem Tische lag, und schließlich ist das auch eine Prophezeiung gewesen!" Zum Schluß weint Hortense ein wenig; weil es ihr so leid tut, daß Napoleon auf St. Helena sterben mußte und daß sie selbst aus Frankreich verbannt wurde. Aber im Ganzen geht es ihr gut, und sie ist nicht trauriger, als sie es mist Anstand sein kann. Aber prophezeien läßt sie sich nichts mehr. ! Körle»Üanäei - ÄirtHalt 1 Amtliche sächsische Notierungen vom 9. Oktober. Dresden. Die Börse verkehrte in sehr schwacher Tendenz. Es verloren Rösler 13, Vnutzner Brauerei 6, Schubert u. Salzer und Ver. Photo-Aktien je 5, Ver. Photo-Genuß- scheiue und Dittersdorfer Filztuch je 4, Ricbeckbrauerei 5,50, Berliner Kindl 5, Felseukelttr 4,50, Rockstrohwerke und Eß- liger Brauerei je 3,50, Polvphon 3,50, Kötitzer Ledertuch 2,75, Bergmann, Wanderer, Reichsbank, Sächsische Boden kredit, Schöfferhof, Mimosa, Ver. Bautzner und Hotel Bellevue je 2 Proz. Höher lagen nur Elektrizitätswerke und Bahn anlagen um 2 Proz. Am Anleihemarkt überwog das Angebot, doch konnten sich hier einige Stadtanleihen leicht erholen. Leipzig. Die Börse verkehrte weiter in schwacher Haltung. In einzelnen Fällen betrugen die Kursverluste mehrere Prozent. Das Geschäft hielt sich in engen Grenzen. Bei den Anleihen gingen die Verluste nicht über 1 Prozent. Chemnitz. Bei lustloser Haltung gingen die Verluste im all gemeinen nicht über 2 Proz hinaus. Größere Einbußen er litten Schubert u Salzer mit 8, Danatbank mit 4 Proz. Dresdner Schlachtviehmarkt. Auftrieb:12 Bullen, 6 Kühe, 649 Kälber, 102 Schafe, 754 Schweine. Preise Minder, Schafe belanglos, Kälber b) 79—81, c) 70—77, d) 60—68, Schweine SO Der gefürchtete Anblick blieb ihr erspart. Doch Was sie va sah, wehte mu den gleichen Schrecken sie an. Seltsam war es und Furcht erregend. Der Fremde war abgesessen. Sein Pferd ging grasend unter den Bäumen mn. Berde Männer standen sich gegen über, doch nicht mehr drohend und bedroht, nicht wie Richter und Angeklagter, nern. wre alte Bekannte, die in der Busch einsamkeit zufällig aufeinander gestoßen sind und Wort- brüken in die Vergangenheit bauen. Hören konnte Helene in dieser Entfernung nichts. Sie horchte mit den Augen. Gesten und Mienen der beiden sprangen wie Worte von einem zum andern und das um so freier, als sie sich un beobachtet wähnten. Es war wie auf der Bühne, wo zwei Schauspieler, die eben noch draußen einander kämpfend gegenüber gestanden haben, sich hinter den Kulissen die Hand reichen. Auch die Lebensbühne stellt Kulissen, hinter denen die maskierten Spieler rhr wahres Gesicht zeigen. Nach kurzer Beobachtung klärten sich die gesammelten widersprechenden 7' drucke zum Bilde. Der erste Zusammen prall zwischen den beiden war zu echt, um Komödie zu sein. Erst als beide einander Auge in Auge standen und die Sprache wieder ihren natürlichen —onfall batte, kam das Erkennen, das Wiedererkennen nach langer Trennung. Die veränderte Lebensweise und die dadurch ^dingte andere Kleidung trug wohl mit dazu bei, die ^.auschung des einen über den andern in Fluß zu Kalten bis dann e «aut, ein Blick, ein Name, hinüber und herüber gewechselt, zum Erkennen führte. Ganz so war eS auch gewesen. lich nicht Wissen. Bei ihr war alles nur Vermutung, die tastend im Dunkeln geht. Sie löste sich von dem Stamm, der ihr Deckung ge boten, und ging zurück. Was sollte sie tun. Em verwehter Laut von Stimmen bannte ihren Fuß. Sie blickte zur Seite. Versuchung stand da und winkte. Die Blätterwand verdeckte nicht nur die andern, sic verdeckte auch sie. Sehen konnte sie von da zwar nicht, der Mallee schattete zu dicht, vielleicht aber etwas erlauschen. Sie ging hin, bis dicht heran. Sie hörte nun sprechen, verstand aber kein Wort. Es war eben keine erregte Auseinandersetzung mehr. Um den Ueberfall ging das nicht. Im Begriff, sich wegzuwenden, flog ein lauter gesproche nes Wort, ein Name sie an, der sie festhielt, der neues Fragen, neue Verwirrung über sie stürzte. „Maha" — schnitt cs sich haarscharf, unverkennbar, aus dumpfem Ge murmel. Man sprach von ihr! In welcher Verbindung? Warum überhaupt? Stimmen. Schritte klangen auf, kamen näher. „Bleiben Sie zurück!" mahnte der Fremde. „Ich muß —" Helene entfloh. Sie eilte zu ihrem Pferde, das sie mit frohem Wiehern begrüßte. Sie klopfte ihm den Hals und gab ihm Koseworts. ! „Wir müssen fliehen, Hotspur", raunte sie ihm zu. „Be währe deinen Namen! Ich lasse dir die Zügel. Trag' mich nach Saus!" Das kluge Tier sah mit verstehenden Augen sie an und neigte mehrmals den feinen Kopf. Helene schwang sich in den Sattel. Im gleichen Augenblick kam der Fremde in ruhiger Gangart hinter der grünen Wand hervor. „Das ist getan", sagte er mit einer legeren Hand bewegung nach der grünen Wand, mit solchem Gleichmut, als handle es sich um Alltägliches. Er lüftete den Hut. „Ich bin zu ihrer Verfügung. Befehlen Sie über mich." „Sie haben ihn —?" beharrte sie Ihre Gedanken gingen im Kreise. „Ich habe ihm sein Unrecht vorgehalten und habe ihn gehen heißen. Warum sollte ich zum Henker an ihm werden?" Ruhe war wieder in den Worten, Selbstsicherheit. Helene besann sich ihrer Furcht vor solcher Henker tätigkeit. Sie fchwieg. „Oder — wünschten Sie das?" Im Unterton war das gesagt, lauernd, mit verhaltenem Atem. Sie hob rasch abwehrend die Hand. Das Gefühl des Gekränktseins zuckte darin mit. „Wer ist der Mann?" Kurz, wie einen Fehdehandschuh warf sie das hin. Ihre Augen standen groß und fragend in den seinen. Sie wollte wissen, was ihn mit diesem Elenden verband. Ausweichen konnte er nun nicht mehr. Der Fremde blieb unbewegt und wich ihrem Blick auch nicht aus. Als hätte er sie und ihre Absicht durchschaut, entgegnete er in leicht mokantem Ton: „Wer er ist? Ein Mann, den ich früher, drüben, unter anderen Verhältnissen und in besserer Lage gekannt habe, der Trainer eines Freundes, der einen Rennstall unterhielt. Da ich selbst leidenschaftlicher Pferdeliebhaber bin, kamen wir einander näher als es unter gewöhnlichen Umständen sonst möglich gewesen wäre. Ich batte mir den Ausgang des heutigen Rencontres auch anders gedacht und führte diesen so weit weg, um Sie zu schonen. Er hatte mich erkannt und gab sich mir zu erkennen. Das entwaffnete mich. Ich ließ es bei einer Verwarnung und einem Versuch, ihn auf bessere Wege zu leiten. Und dabei soll es auch bleiben. Darum nenne ich Ihnen auch nicht seinen Namen. Sie dürfen ganz beruhigt sein. Sie haben von ihm nichts mehr zu fürchten. Auch von niemandem sonst!" Helene hatte ein Gefühl der Beschämung. Das klang ja so, als hätte er den bösen Verdacht, in dem sie ihn ge halten, erraten. Auch daß der Name Mahas genannt worden war, entbehrte gewiß der inneren Zusammenhänge, nach denen sie so eifrig und in großer seelischer Erregung geforscht hatte. Maha war ja auch Goldgräber und unter diesem Namen auf den Goldfeldern bekannt. Da Maha am Bach gewesen war, wo der Tramp sicher hinwollte, konnte er wohl ihren Namen genannt oder nach ihr gefragt haben, zumal, wo sein Bekannter von früher her hier im Distrikt zuhause schien. Innerlich befreit und doch äußerlich befangen, fragte sie, wem sie diesen Vorzug und ihre Rettung verdanke. Ohne zu zögern entgegnete er: «Sir Reginald Earlton." Er ver neigte sich tief, jeder Zoll ein Kavalier. „Ich würde mir diese Freiheit nicht nehmen," entschuldigte er sich, „wenn Sie mich nicht selbst gebeten hätten, meinen Namen zu nennen." Er war also in guter Sitte geschult und das Sir wies auf vornehme Herkunft. (Fortsetzung folgt.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)