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Wilsdruffer Tageblatt 3. Blatt Nr. 225 — Freitag, den 26. Sept. 1990 Tagesspruch. Daß du nicht über Schaden klagst, sieh, was du sagst, und wo du's sagst! Friedrich Rückert. Hitter als Zeuge. Die Ziele d e r N. S. D. A. P. Ein Gipfelpunkt des Rcichsgcrichtsprozesses gegen die Ulmer Reichswehroffiziere: Adolf Hiller, auf Veran lassung des Verteidigers Dr. Frank-München vorgeladen, erscheint als Zeuge. Von der Straße her dringen „Heil!"-Rufe und das im Chor gerufene „Deutschland erwache!" in den Sitzungssaal. Es scheint niemand zu wissen, daß Hitler längst im Saale sitzt, gänzlich unbemerkt unter den anderen Zeugen. Bewegung entsteht erst, als vom Vorsitzenden des Senates sein Name genannt wird. Es wird ihm gesagt, daß er vorläufig unvereidigt bleiben soll, daß er aber nach Schluß seiner Aussage vereidigt werden könnte und daß er das Recht habe, seine Aussage zu verweigern oder einzu schränken, wenn er glaube, daß er durch die Aussage sich selb st strafbarer Handlungen bezichtigen würde. Bevor es zu dieser Aussage kommt, erhebt sich der Reichsanwalt Dr. Nagel, um die Vorladung des Staatssekretärs Zweigert vom Reichsinnenministerium zu beantragen. Er begründet diesen Antrag damit, daß gegen seinen, des Neichsanwalts, Willen Hitler geladen worden sei, um sich über die Ziele der Nationalsozialistischen Deutschen Arbei terpartei zu äußern, obwohl diese Frage in diesem Prozeß nicht zur Erörterung stehe. Staatssekretär Zweigert, der bereits im Saale anwesend sei, würde nun als Gegenzeuge aus sagen, daß über umstürzlerische Absichten der N. S. D. A. P. im Reichsinnenministerium Material genug vorhanden sei. Das Gericht beschloß, sich die Beschlußfassung über die Ladung des Staatssekretärs bis nach der Vernehmung Hitlers vorzubehalten. Dann erhält Hitler das Wort. Er soll, wie ihn der Vorsitzende belehrt, über die Ziele der N. S. D. A. P. vernommen werden: Ob sie diese Ziele ausschließlich auf legalem Wege zu erreichen suche, daß sic einen gewaltsamen Umsturz der Verfassung und der Regierung nicht beabsichtige, und ihre Mitglieder und Anhänger auch nicht dazu aufgesordert habe oder auffordern werde, und daß sic einen Umsturz auch nicht im Jahre 1929 vorbereitet habe. Hitler spricht zuerst von sich selbst: wie er, weil er von 1914 bis 1918 für Deutschland an der Westfront gekämpft habe, am seine frühere Staatsangehörigkeit gekommen sei, und w« er schon im Herbst 1918 erkannt habe, daß der Zusammenbruch nicht zu verhindern sei, weil es an einer einigenden deutschen Kraft sehle. Nur eine junge und neue Be wegung, nur ein fanatisches Deutschtum habe den Zusammenbruch überwinden können. Diese Ge danken hätten dann zu einer Zweiteilung der Bewegung geführt: der Propaganda an sich und dem Schutze dieser Propaganda durch die Sturmabteilungen, die Front machen sollten gegen die Terrorakte der roten Linken. Sic hätten nur dem eigenen Schutze gedient, da der staatliche Schutz so gut Wie verschwunden gewesen sei. Die N. S. D. A.P. sei also eine rein geistige Bewegung. Nun werde man ja vielleicht an den Münchener Putsch vom Jahre 1923 erinnern, aber dieser Putsch habe seinen eigenen Wünschen nicht entsprochen und er habe damals nur unter einem Zwange gestanden. Der Vorsitzende unterbricht: Was es denn bedeute, wenn es in einem Artikel der National sozialistischen Briefe heiße: „über die Schwere des Kampfes läßt uns Hitler nicht im unklaren, wenn er sagt: Köpfe werden in diesem Kampfe in den Sand rollen, entweder die anderen oder die unseren. Also sorgen wir, daß cs die anderen sind." „Die Nationalsozialistischen Blätter sind kein parteipoliti sches Organ," erwidert Hitler. Der Verfasser habe offenbar die große geistige Revolution im Auge gehabt. Wenn die Bewegung in ihrem legalen Kampfe siege, werde ein deutscher Staatsgerichtshof kommen, der November 1918 werde seine Sühne finden und es würden auch Köpfe rollen Bravorufe aus dem Zu hörerraum rügte der Vorsitzende energisch. Nach zwei bis drei Wahlen in Deutschland, so fuhr Hitler dann fort, werde die N. S. D. A. P. in der Mehrheit sein. Die Partei werde gegen die Friedensverträge auf diplomatischem Wege und durch restlose Umgehung der Verträge vorgehen. Es würde die Zeit kommen, in der 35 von den 40 Millionen wahlberechtigten Deutschen hinter der N. S. D. A. P. stehen; ob die Partei dabei in die Regierung gehe oder in der Opposition bleibe, sei vollkommen gleichgültig. Die Gegner hätten ein Interesse daran, die Bewegung als staatsfeindlich hinzustellen, weil sie sähen, daß diese sich auf vollständig legalem Wege den Staat erobere. Hitler äußerle sich dann über die Stellung seiner Partei zur Wehrfragc. „Wir haben," sagte er, „kein Interesse daran, die Reichs wehr zu zersetzen. Ich wurde das für das größte Verbreckfen halten, das es gibt. Ich bin zu sehr alter Soldat, als daß man mir den Versuch einer Zersetzung des Heeres zutraucn könnte. Ich hätte das nie gebilligt und denjenigen, der es getan hätte, augenblicklich aus der Partei hinausgeworfen. Ich habe nur den Wunsch, daß das Heer wie das deutsche Volk den neuen, unseren Geist in sich aufnehme." Als der Vorsitzende in einer Zwischenbemerkung darauf hinwies, daß nach Artikel 47 der Reichsverfassung der Reichs präsident den Oberbefehl über die gesamte Wehrmacht habe, antwortete Hitler, dieser Oberbefehl habe nichts mit dem Geiste, der Organisation und dem Aufbau des Heeres zu tun, für die das Reichswehrmini st ertum dem Reichstage verantwortlich sei. Wenn eine sozialdemokratisch kommunistische Regierung ans Ruder käme, könnte diese das Reichsheer umorganisieren, da sie mit Zweidrittel mehrheit jede Verfassungsänderung durchsetzen könne. Vernehmung des Staatssekretärs Zweigert. Nach der Vernehmung Hitlers, der zuletzt noch erklärte, daß er seit 1923 keinerlei Verbindung mit der Wehrmacht habe und daß er die Bewilligung von Geldmitteln der Partei an die Angeklagten für vollständig ausgeschlossen halte, beschloß das Gericht die Vernehmung des Staatssekretärs Zweigert, worauf die Verteidigung Anträge auf Vernehmung der Aeichs- tagsabgeordneten Dr. Göbbels und Göring stellte. Staats sekretär Zweigert, der nunmehr aussagt, erklärte, daß das Reichsinucnministerium Material besitze, aus dem sich ergebe, daß die N. S. D A. P. schon mit dem Beginne ihrer Tätigkeit umstürzlerische Ziele verfolgt habe. Dieses Material fei niedergelegt in einer Denkschrift, die zu dem Hochver- ratsversahren gegen Göbbels dem Oberreichs anwalt eingereicht und auch im Rechtsstreit des Reiches gegen Thüringen verwendet worden sei. Es liege auch Material vor. daß Hitler vor seinem Putsch Loyalitätserklärungen abgegeben und zum Teil ehrenwörtlich versprochen hat, keinen Putsch zu machen. Trotzdem hätten sich die bekannten Dinge am 9. November 1923 ereignet. Auch Frick habe einmal eine solche Erklärung abgegeben wie Hitler. Trotzdem bleibe das Gesamt bild bestehen, daß die N. S. D. A. P. nicht nur auf legalem Wege ihr Ziel verfolgt. Sodann faßte der Vorsitzende die Ausfogen Hitlers kurz dahin zusammen, daß dieser ausdrücklich jede illegale Betäti gung zur Erreichung der Ziele der N. S. D A. P. und ins besondere jeden Versuch einer Zersetzung des Reichsheeres ab lehne. Verteidiger Dr. Frank meint, er kmne Vas Material des Reichsinnenministeriums, das seit langen Jahren wie eine Grammophonplatte immer wieder abgespielt werde. Er werde die Denkschrift der Reichsregierung Punkt für Punkt wider legen; denn die Methoden des Reichsinnenministeriums seien unhaltbar. Vor der Mittagspause erklärte noch Staats sekretär Zweigert, er könne nicht dafür eintreten, daß jedes Wort in diesem Material zutreffe, aber es handele sich doch um amtliche Feststellungen und wenn man sie anzweifete, müsse man auch Gründe dafür anführen. -2- Zusammenstöße vor dem Reichsgerichtsgebäudt. Während der Vernehmung Hitlers kam es vor dem Reichs gerichtsgebäude zu Zusammenstößen zwischen der Polizei und Anhängern Hitlers. Auf dem Reichsgerichtsplatz erschien schließlich eine Motorspritze der Feuerwehr, um dem Wider stande der Menge mit Wasserstrahlen zu begegnen. Adolf Hitler als Zeuge vor dem Reichsgericht. Hinten links einer der Angeklagten, Leutnant Ludin. Hitler wird vereidigt. Es Wurde nunmehr die Frage der Vereidigung de Zeugen Weitz, Wagner, von Pfeffer und Hitler behandelt. De Reichsanwalt beantragte, eine Vereidigung nicht vorzunehmen weil die Zeugen der Teilnahme an der zur Untersuchun; stehenden Handlung verdächtig erschienen. Außerdem sei gegei Hitler eine Anzeige wegen hochverräterischer Unternehmungei erstattet worden, so daß ein Verdacht begründet sei. Die Ver leidiger Dr. Sack und Dr. Kamecke widersprachen dem An trage des Reichsanwalts und baten um Beeidigung aller Vie' Zeugen. Der Senat verkündete nach kurzer Beratung folgende» Beschluß: Der Zeuge Adolf Hitler ist auf seine "Aussage zl vereidigen, weil gesetzliche Gründe für die Nichtvereidigun! nach Ansicht des Gerichtshofes nicht vorliegcn. Die Vereidi gnng der Zeugen von Pfeffer, Weiß und Wagner wird aus gesetzt. Beschwerden gegen die UntersuchungsbelMden. Der Zeuge Oberleutnant Huschenbeck erklärte, bei den Vernehmungen durch den Untersuchungsrichter habe er sich wie ein Verbrecher gefühlt. Ihm und seinen Kameraden sei kein Stuhl angeboten, kein Gruß gesagt worden. — Der Verteidiger, Rechtsanwalt Dr. Frank, beschwert sich darüber, daß in seiner Kanzlei in München in geradezu ungesetzlicher Weise auf Veranlassung des Untersuchungsrichters eine .Haussuchung abgehalten wor den sei, obwohl er sich als Verteidiger des Angeklagten Wendt ausgewiesen habe. — Landgerichtsdirektor Braune erwiderte, es sei ihm nichts davon bekannt, daß Dr. Frank damals Verteidiger gewesen sei. Auch Hauptmann von Pfeffer führte darüber Beschwerde, daß 12 Schutz polizeibeamte morgens um 6 Uhr sein Haus umstellt und weitere 6 Beamte in seine Wohnung eingedrungm seien, zwei Stunden lang alle Behältnisse durchsucht und verschlossene Gegenstände ausgebrochen hätten. Der letzte Zeuge, Oberleutnant Städtke, erklärte, es sei ost davvn- gesprochen worden, daß die Gedankengänge der jüngeren Offiziere höheren Orts zur Kenntnis gebracht werden müßten. Auch seien die Maßnahmen des Festungskom- mandanten von Ulm von den jüngeren Offizieren als ein Schlag ins Gesteht empfunden worden. Die Verhandlungen wurden darauf vertagt. Deutsches Reich Entlassungen bei der Reichsbahn. Nach einer Meldung beabsichtigt die Reichsbahngesekk schäft, am 1. Oktober d. I. entweder 5000 Werkstätten arbeiter zu entlassen oder neue Feierschichten einzulegen Von der Reichsbahn wird bestätigt, daß der rückgängige Verkehr tatsächlich eine solche Maßnahme notwendft mache. Von den Gewerkschaften wird gesagt, daß der artige einschneidende Maßnahmen so lange nicht zu dis kutieren seien, als die Reichsbahngesellschaft über die nor malen Beamtengehälter hinaus noch 25 Millionen Mar! an außerordentlichen Leistungszulagen ausschütte. Vor der Reichsbahngefellschaft wird jedoch behauptet, daß sick diese Leistungszulagen bewährt hätten. Beschlüsse der Vollspartei. Der Parteivorstand und die Reichstagsfraktion de: Deutschen Volkspartei nahmen folgende Erklärung an „Im Einverständnis mit dem Parteivorstand behält sick die Reichstagsfraktion der Deutschen Volkspartei völlig' Freiheit der Entschließungen gegenüber der Maßnahmen der Negierung vor. Die Fraktion wird du Vorlagen des angekündigten Regierungsprogramms ab warten und das Programm daraufhin prüfen, ob es mi den von der Fraktion seit langer Zeit vertretenen Grund sätzen vereinbar ist. Die Fraktion ist der Ansicht, das dabei irgendwelche Kompromisse mit sozia listischen Gedankengängen für sie untrag bar sind. — Die Fraktion hält an ihren bisherigen Zieler der Zusammenfassung aller staatsbejahenden bürgerlicher Parteien fest." Dcnkmalsenthüllung für Stresemann. Am 3. Oktober wird auf dem Luisenstädtischen Fried Hof in Berlin ein Grabdenkmal für den verstorbener Reichsaußenminister Stresemann enthüll: werden. An der Feier nehmen neben den Neichsministerr und verschiedenen anderen Persönlichkeiten nur die An gehörigen des Verdorbenen teil. Reichsminister Dr Wirth wird die Ansprache halten. Als Licht in meine Augen kam Roman von Marie Blank-Eismann. 60. Fortsetzung Nachdruck verboten „Das ist mein Kind, dieses süße, kleine Geschöpfchen?" Er hält das Kissen im rechten Arm, während er mit der linken zärtlich über das kleine Gesichtchen streichelt. „Lisas letztes Geschenk. Jetzt kann ich es sehen, mitten hinein in seine schönen blauen Augen kann ich schauen, mein Kind! Ach, Schwager, ich kann es noch nicht fassen!" Er drückt den kleinen Kinderkörper fest an sich, preßt sei nen Mund auf die weichen Lippen des Kindes und streichelt leise über das seidenweiche Haar. Dabei lacht sein Mund und seine Augen leuchten, als könnte er sich an diesem Anblick nicht müde sehen. Jobst ist überglücklich, immer wieder preßt er den Klei nen an sich und bedeckt das kleine Gesichtchen und die Händ chen mit unzählichen Küssen. „Mein Liebling," stammelt er, „welch eine schöne Zeit wird nun für uns beide kommen! Ich werde nur noch für dich leben, du mein einzigstes Glück! Ach, warum durfte deine Mutter den heutigen Tag nicht mehr erleben?" Ein schmerzlicher, weher Ton zitterte in seiner Stimme, so daß der Sanitätsrat seinem jungen Assistenten mit den Augen einen kurzen Wink gab. Heinz verstand sofort und ging auf Jobst zu. Er durfte nicht weich werden, keine Träne durste jetzt in seine Augen kommen, wenn die fortschreitende Genesung nicht gefährdet werden sollte. „Laß es genug sein für heute, Jobst," bat der junge Arzt, „morgen darfst du dein Kind wieder sehen und es länger als heute bei dir haben." Jetzt erst blickte Jobst von Bochau auf und ein heißer Strahl von Dankbarkeit brach aus seinen großen, dunklen Augen. „Wie soll ich dir danken, Heinz, daß du mir mein Augen licht wieder geschenkt hast, daß du die Geduld besessen hast, mich zu diesem entscheidenden Schritt zu überreden, mich, den Lebensmüden, den Verzagtesten am Glück?" „Keinen Dank, Jobst. Ich tat es um meiner Schwester willen, um ihrem Kind den Vater zu erhalten. Lebe für den kleinen Heinz Joachim und sei glücklich in dem Bewußt sein, deinem Kind ein Führer ins Leben zu werden." Jobst hatte mit der freien linken Hand den Schwager neben sich auf die Ottomane gezogen und schlang den Arm um seine Schultern. Der Sanitätsrat hatte sich leise entfernt. Er fühlte, daß die beiden Menschen, die sich verwandtschaftlich nahestanden, jetzt allein sein wollten. Als er den Korridor betrat, sah er gerade noch, wie Schwester Marga hastig im Nebenzimmer verschwand. Doch er achtete nicht sonderlich darauf, denn seine Gedanken wa ren bei Jobst von Bochau, und er freute sich Uber das gün stige Resultat der Operation, die dem Ruf der Anstalt wie der Ehre machen würde. Marga aber blieb regungslos im Nebenzimmer stehen, dessen Bewohner sich im großen Musiksaal befanden, um den täglichen Konzerten zuzuhören, und preßte beide Hände auf das klopfende Herz. Sie hatte es in ihrem Zimmer nicht mehr ausgehalten, als die Zeit da war, da Jobst die Binde abgenommen wer den sollte. Nur von weitem wollte sie etwas von seiner Freude hören. Ganz leise hatte sie sich den Korridor entlang geschlichen und ihr Ohr an die Türe gelegt. Jedes Wort hatte sie ver nommen und unaufhaltsam waren die Tränen über ihre Wangen geflossen. Angestrengt lauschte sie auf die sich entfernenden Schritte des Chefarztes, dann aino sie müde und langsam nach ihrem Zimmer zurück. Dort begann sie plötzlich mit fliegender Hast ihre Koffer zu packen. Sie mußte fort, fliehen, weil sie erkannt hatte, daß dis große, wahre Liebe, die sie im Rausche der Festlichkeiten, im Taumel der großen Stadt vergebens zu finden gehofft hatte, hier in den stillen Stunden im Krankenzimmer zu ihr ge kommen war, zu jenem Mann, den sie einst treulos ver lassen. Nur fort, weit fort, und vergessen! Doch als die Wärterin das Kind an ihrer Türe vorbei trug, da hielt sie einen Augenblick still und lauschte auf die lebhafte Stimme des Kleinen. Da trieb sie ihre Sehnsucht hinaus. Sie wollte das Kind sehen, sein Kind! Die Wärterin blieb auf ihren Anruf stehen und reichte ihr auf ihre Bitte den Jungen. „Wollen Sie den Kleinen eine Weile bei sich behalten, Schwester," fragte die Wärterin zutraulich. „Ich will nur rasch in der Küche die Suppe für das Kind fertig machen, dann komme ich und hole ihn ab. Er wird jetzt so lebhaft und ich lasse ihn nicht mehr gern allein." Renate nickte und ein glückliches Lächeln spielte um ihren Mund. Während sich die Frau rasch entfernte, trug Renate den Kleinen nach ihrem Zimmer zurück. Still setzte sie sich in einen Lehnstuhl, der in der Fenster nische stand und betrachtete aufmerksam das Kind, das sie im Arme hielt. Dabei drängten sich zärtliche Kosenamen über ihre Lip pen. Sie vergaß ihre Umgebung, dachte nicht mehr daran, daß sie fliehen wollte, sondern blickte unverwandt in das süße Kindergesicht, das ihr aus den weißen Kissen entgegen lächelte. In ihrem Lachen und Scherzen mit dem Kind überhörte sie das leise Oeffnen der Türe, und Heinz Eichhorst blieb bei dem liebreizenden Anblick, der sich ihm so unerwartet bot, überrascht stehen. (Fortsetzung folgt.)