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Wilsdruffer Tageblatt : 06.10.1930
- Erscheinungsdatum
- 1930-10-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-193010062
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19301006
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19301006
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1930
-
Monat
1930-10
- Tag 1930-10-06
-
Monat
1930-10
-
Jahr
1930
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 06.10.1930
- Autor
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Wilsdruffer Tageblatt 2. Blatt Nr 233 — Montag, den 6. Olt 1930 Gedanken. Von Ellen-Erna List. Eifersüchtig sein ist ein Stolpern über den eigenen Schatten. * Im Gründe genommen entspringt jede Religion der Angst des Menschen vor dem Tode. * Freitod ist die erbarmungsloseste Selbstkritik. * In dem Augenblick, in dem wir einen geliebten Menschen öffentlich einer Kritik unterziehen, ist der Höhepunkt unserer Zuneigung zu ihm bereits überschritten. Das Wei-werk im Oktober gilt in der Hauptsache zwei Wildarten: dem Hirsch und dem Hasen, also dem edelsten Wild, das in der freien Wildbahn stetig abnimmt, und dem häufigsten, das in guten Jahren als ein Sechsmillionenheer auf dem Markt erscheint. Der Edel- oder Rothirsch ist schon in der zweiten Hälfte des September in seine Brunstzeit einge treten. Schon vorher beginnen junge, starke Hirsche unstet und weit umherzuschweifen, um sich ein Rudel anzueignen und wenn es nötig ist, zu erkämpfen, indem sie den recht mäßigen Besitzer, den Platzhirsch, besiegen und ihn ent weder vertreiben oder zu Tode forkeln. Das ist die Zeit, wo der deutsche Wald frühmorgens und abends bis in die Nacht hinein von den tiefen, macht vollen Orgeltönen der brunftigen Hirsche widerhallt. Dieser Brunftschrei kann nur mit dem Brüllen des Löwen ver glichen werden, der zur Nacht auf Raub ausgeht, während der Hirsch ein oder mehrere Tiere sucht. Nicht immer drückt der Schrei bloß die Erregung der Liebessehnsuchi aus. Oft genug ist er ein Kampfruf, der den herannahen den Nebenbuhler abschrecken soll. Bei kaltem, klarem Wetter mit leichtem Nachtfrost „melden" die Hirsche öfter und stärker als bei trübem Wetter mit Wärme und Regen In den ersten Tagen der Brunft schießt man noch keim Hirsche ab. Erst wenn die meisten Tiere beschlagen sind trifft der Jagdherr seine Auswahl unter den Recken. Er hat reichlich Gelegenheit dazu. Denn so heimlich der Feist hirsch lebt, so sorglos zieht der Brunfthirsch mit seinem Rudel aus dem schützenden Dickicht auf die freien Plätzc und Wiesen. Da erscheinen selbst alte Einsiedler, die sogar der Revierförster nicht kennt, weil sie auch die Futtersteller nur in tiefer Nacht aufsuchen, auf dem Brunftplatz, um dem Platzhirsth ein paar Tiere abspenstig zu machen. Der Abschuß der Hasen pflegt im Oktober noch nich bedeutend zu sein, weil einsichtige Jäger ihm Zeit lasser wollen, bei reichlicher Äsung aus der Wintersaat sein Ge wicht zu erhöhen. Man vermeidet es auch, Hasen am der Suche zu schießen, weil dabei mehr Häsinnen als Rammler geschossen werden. Das pflegt darin seiner Grund bauen, daß die Häsinnen fester liegen und dahei öfter zu Schuß kommen als der Rammler, der meist schor außer Schußweite aussteht und sein Panier ergreift. Du Richtigkeit dieser Behauptung wird allerdings bezweifelt Wer Gelegenheit dazu hat, geht am Abend auf den Anstant an den Waldrand. Zu diesem Weidwerk gehört nur Geduld und Stillsltzen, denn der lautlos Heranhuschende Hase ver nimmt mit seinen langen Löffeln auch das leiseste Ge räusch. Er äugt zwar nicht gut, aber eine hastige Be wegung nimmt er doch wahr. Deshalb muß der Jage: das Gewehr ganz langsam und unmerklich heben und ar die Backe bringen. Vorteilhaft ist es, wenn man auf dem Anstand einen Hund mitnehmen kann, der sich völlig ruhig verhält. Er vernimmt den Hafen stets früher als der Jäger und zeigt es durch Anheben des Behanges an Nach dem Schuß laßt man ihn sofort einspringen, denr nicht selten geht der Hase scheinbar gesund ab, obwohl ei ein paar Schrotkürner bekommen hat. Auch der Entenzug am Abend ist im Oktobei schon recht lebhaft. Nicht nur die heimischen Enten Haber sich schon zu großen Scharen zusammengeschlagen, sondern auch die Gäste aus dem Norden erscheinen bereits. Am Tage liegen sie auf der Mitte eines großen Sees. So bald der erste Stern am Abendhimmel aufblinkt, stehen sic aus und ziehen weit umher, um entweder auf seichter Gewässern im Schlamm zu buddeln oder aus den Stoppel feldern nach ausgefallenen Körnern zu suchen Man tut gut, sich mit dem Gesicht gegen den Abendhimmel anzusetzen, um bessere Sicht sowohl auf die vorbeistreichenden als auch auf die einfallenden Enten zu haben. In der Fisch weid herrscht noch Hochbetrieb. Die Grundangler sind mit dem Blei und dem Karpfen noch nicht fertig und müssen die Zeit wahrnehmen, ehe sich die Fische zur Winterruhe in die Tiefe begeben. Die Raubfische, Hecht, Zander, Barsch und Huchen, sind raublustiger denn je und gehen nicht nur an den lebenden Köderfisch, son dern auch an jeden blinkenden Spinner, der sie reizt. Das ist auch'die beste Zeit, mit der Darre Ersolg zu erzielen, weil das Kraut schon zu Boden gesunken und das Wasser klar geworden ist. Weidmannsheil! Dr. FritzSkowronnek. Wo bleibi -ie Hilfe für -ie kleinen Gemeinden? Kritik der Landgemeinden am Regierungsprogramm. Der Hauptvorstand des Deutschen Landgemeindetages trai in Mainz zusammen. Der Präsident des Deutschen Land gemeindetages, Dr. Geseke-Pressel, M. d. R., berichtete über der Wirts chasts- und Finanzplan der Reichsre gierung, die Finanzlage und die sozialen Lasten der Ge meinden. Eine eingehende Würdigung der geplanten Maß nahmen, so führte Dr. Gereke aus, wird zurzeit erschwert durch die Tatsache, daß das Regierungsprogramm nur allge meine Richtlinien enthält, die einzelnen notwendiger Gesetzentwürfe aber noch fehlen. Im jetzigen Stadium der Vorbereitung dieser Gesetzentwürse mutz aber schon allgemein betont werden, daß die geplante Gehaltskürzung ohne jede Wirkung bei der größten Zahl der Landgemeinden bleiben muß, weil diese in ihrer bisher stets bewiesenen Sparsamkeit überwiegend durch ehrenamtliche Kräfte verwaltet werden. Diesen Gemeinden nun auch noch eine Kürzung an den Über weisungssteuern zuzumuten, ist nnbillig. Die größte Sorge für die Gemeinden sind die immer stärker anwachsenden sozialen Lasten, die ihnen durch die ständig wachsende Zahl der aus der Arbeitslosenversicherung und Krisenfürsorge ausgesteuerten Erwerbslosen auferlegt werden. Hierin wird durch die ge plante Neuregelung der Krisenfürsorge keine Besserung, sondern eine Verschlechterung eintreten. Die alte Forderung der Landgemeinden auf Übernahme des letzten Fünftels bei der Krisenfürsorge sowie eines angemessenen Teiles der übrigen Wohlfahrtslasten muß aufrcchterhalten bleiben. Bis auf weiteres bleibt auch nach den neuen Vorschlägen der Reichs regierung neben den überweisungssteuern, deren Kürzung das Programm in Aussicht nimmt, als einzige freie Steurrquellc für die Gemeinden das Zuschlagsrecht zu den Realsteuern. Die Praxis hat bereits gezeigt, daß die durch die Notverord nung eingeführte Gemetndegetränkesteuer, die Biersteuer sowie die Bürgerabgabe im Verhältnis zu den immer stärker an wachsenden Wohlsahrtslasten nahezu wirkungslos sind. Solange das Reich auch nach dem neuen Regierungspro gramm aus öffentlichen Mitteln erhebliche Summen für du Bedürfnisse der Reichsanstalt für Arbeitslosenver sicherung auswendet, ist der Beweis erbracht, daß für die heutigen Wirtschaftsverhältnisse der reine Versicherungs charakter mit dem Anspruch auf Unterstützung nicht tragbar ist, sondern daß dieser Anspruch von der Frage der Bedürftigkeit abhängig gemacht werden muß. Die Prüfung dieser Frage muß den örtlichen Selbstverwaltungskörperschaften unterliegen Die unterschiedliche Behandlung von Grundsteuer und Gewerbesteuer bei der geplanten Senkung der Real steuern erscheint ungerecht. Gerade in der großen Masse der Landgemeinden spielt die Grundsteuer die entscheidende Rolle. Durch die Einführung des freien Zuschlagsrechts zur Einkommensteuer werden die leistungsschwachen armen Gemeinden, in denen die zwangsläufigen sozialen und kulturellen Lasten besonders hoch sind, in eine unmögliche Lage gebracht. Die Ablehnung des zwischengemeindltchen L a st en a u s gl e i ch s läßt ein sozial gerechtes Empfinden für die leistungsschwachen Arbeiterwohnsitz- und Agrargcmeinden vermissen und steht auch im Wider spruch zu den von der Reichsregierung immer wiederholten Zusagen, der in den Landgemeinden vertretenen notleidenden Landwirtschaft nachdrücklich zu helfen. Der Vorstand des Deutschen Landgemeindetages schloß sich diesen Ausführungen an und beauftragte den engeren Vor stand, die entsprechenden Vorstellungen bei der Neichsregierung zu erheben. Ein Mahnruf an -ie Hausfrau. PLerbe Wochen für Jnlandserzeugnisse. Anläßlich der diesjährigen Grünen Woche hat man in Stettin einen eigenartigen Versuch unternommen, um dei viclbeklagtcu Einfuhr überflüssiger Auslandserzeugnisse ent gegenzuwirken. Die ländlichen Hausfrauen vereine haben sich mit den städtischen Haussrauenvereinen und beide gemeinsam mit der Industrie- und Handelskammer, der Land wirtschaftskammer, der Handwerkskammer und den Verbänden des Einzelhandels zusammengetan, um eine „Deutsche Woche" zu veranstalten. Im Mittelpunkte steht eine kostenlos zugäng liche Ausstellung, in der gezeigt wird, was die heimatliche Scholle hervorbringt: Edelste Gemüse, auch solche, die man im allgemeinen nur aus Delikatessenhandlungen als südländische Einfuhr kennt, wie Artischocken, Bleichfellerie, Chicoree, fleckenloses Obü in aller schönster Auswahl und Verpackung, Gebäcke und Speisen aus Roggenmehl bis zu den vornehmsten Torten, zartes Schlacht geflügel, alles, was ein Schwein gibt, und alles, was eine Gans gibt, Butter, Käse und Eier in genormter Qualität und Ver packung, ebenso Eingemachtes und Konserven. Was aber hier in der Ausstellung zusammengestellt erscheint, das kehrt, und das ist der neue Propagandagedanke, in der ganzen Stadt überall in den Schaufenstern wieder. Die großen nnd kleinen Verkaufsgcschäfte aller Art haben sich gern zur Verfügung gestellt und unter dem Plakat „Deutsche Woche" wird erklärt, daß hier „diese ganze Woche hindurch nur Waren und Erzeugnisse deutscher Herkunft ver kauft werden". Die Zeitungen aller Parteien haben den Dienst der Werbung übernommen, ebenso das Theater, das eine Wochc lang nur deutsche Dichtungen und Opern aufführt, und dic Lichtspielhäuser. Die Südfrüchte und die amerikanischen und australischen Äpfel sind mit einem Schlage aus den Auslage» verschwunden und durch ebenso schönes, aber viel wohl schmeckenderes deutsches Obst ersetzt. Es gibt keine dänische Butter, keine polnischen Eier und keinen holländische» Blumenkohl mehr, sondern nur noch deutsche Erzeugnisse, ebenso billig ebensogut oder besser, und vor allem in' derselben an- mutendcn Aufmachung mit der das Ausland das kaufende Publikum verwöhnt und den deutschen Erzeugern ein nachahmenswertes Vorbild gegeben hat. Nun haben also Vie Verbraucher acht Tage lang Gelegenheit, sich selbst davon zu überzeugen, ob sie für deut sches Geld nicht auch gleichwertige deutsche Ware erhalte» können und ob es. beispielsweise, wirklich nötig ist, daß wir bei unserer Verschuldung und Verarmung so sündhaft viel Geld an die Amerikaner für deren lediglich auf das Auge und nicht auf den Geschmack gezüchtete Äpfel hergeben. Es sind nämlich nicht weniger als jahraus, jahrein eine volle Biertelmillion Mark täglich, die von der Bevölkerung der deutschen Großstädte für ame rikanisches Obst bezahlt wird, und dieser Betrag sollte doch manchen stutzig machen. — Die „Deutsche Woche" in Stettin ist nur ein Anfang; gleichartige „Deutsche Wochen" werden demnächst in einer Reihe von anderen deutschen Städten, zuerst in Halle, stattfindcn. Das Leipziger Urteil und seine Zegriindung. Kundgebungen bei der Verkündung. In dem Hochverratsprozeß gegen die Ulmer Reichs wehrosfiziere verkündete der Vorsitzende des Gerichtshofes, Neichsgerichtsrat Dr. Baumgarten, folgendes Urteil. Die Angeklagten werden wegen gemeinschaftlicher Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens nach 8 86 des Strafgesetzbuches zu einer Festungshaft von je einem Jahr nnd sechs Monate» kostenpflichtig verurteilt. Auf die erkannte» Strafen werden je sechs Monate drei Wochen für Unter suchungshaft angcrcchnet. Der Angeklagte Scheringer wird von der in der Hauptvcrhandlung erhobenen An klage, durch Veröffentlichung eines Zeitungsartikels ei» Vergehen gegen tz 92 des Militärstrafgesetzbuches began gen zu haben, srergesprochen. Gegen Scheringer und Ludin wird auf Dienstentlassung erkannt. Oie Begründung des Urteils. In der Urteilsbegründung heißt es: Die Angeklagte» Scheringer und Ludin waren unzufrieden mit gewissen Ver hältnissen in der Reichswehr. Im besonderen meinten sic, daß die Entwicklung im Heere zu sehr nach links gehe und daß hier von oben zu weich geleitet werde. Anstatt nun den vorgeschriebcncn Dienstweg zu beschreiten, fuhren Scheringer und Ludin nach München traten mit drei Herren der Zentrale der NSDAP, t» Verbinduna und trugen ihnen ihre Schmerzen vor. Nack Scke- 17 So bemerkte er nicht den gertenschlanken Körver, der lautlos diese Lichtflut durchschritt, sah nicht das brennende Augenpaar. das über seine L-chuIter hinweg sengend über das Vavier hinflog. das er noch immer offen in Händen hielt „Dieb!" , Als hätte ihn eine Natter gestochen, so fuhr Toluca von feinem Sitz auf, nicht wagend, sich umzuschauen, um den nicht su sehen, der ihm das soeben ins Ohr gezischt hatte. Schon einmal war das geschehen, vor Stunden nur, als er dem sterbenden Roberts dieses Papier aus dem Leibgurt genom men hatte. Er wähnte ihn tot. Doch Plötzlich riß der die Augen auf. erkannte ihn und was er tat. „Dieb!" hatte er ihm so zischend, wie eben jetzt wieder, zugeschrien, mit einem Blick, in welchem alle Qualen der Verdammten wühlten. Dann war er zurückgesunken — tot. Sein letztes Wort war eine Anklage, in welcher em ungesprochener Fluch mit schwang. Der blieb. . Toluca würgte an einem Atemzuge, der wie mit eis kalten Händen seine Gurgel umgriff, ihn zu ersticken drohte. Grauen saß ihm im Nacken. Sei» Blut gerann. Wie eine Mumie war er fest bandagiert und mit dem Staub von Jahrtausenden bedeckt. Und ringsum Schweigen. „ Mit übermenschlicher Anstrengung riß er sich aus dieser Umklammerung gespenstischen Webens. Er wandte sich um Maya, die Inderin, stand vor ihm! Nicht mehr dic Bajadere von gestern Nacht im Prunk und Zauber ihrer farbigen orientalischen Gewandung: Maya als Mann, als Goldgräber, angetan wie er. Nur das farbige Halstuch rn losem Knoten, die quellende Brust, der rotseidene «chal um die Taille verrieten, daß dieser Goldgräber em Weib war. Der breitrandige „Sombrero" schattete über dem kurzgeschnittenen Haar. Im ledernen Leibgurt blitzte» Revolver und Bowiemesser. Zur Seite pendelte die mit Bast umkleidete Feldflasche, der lederne Tabakbeutel, die dazu gehörige Pfeife. Das Raubtierhafte, das in jedem Weibe steckt, lohte jetzt auf in dem böse funkelnden Blick, mit dem sie sich an Tolucas Ohnmacht weidete. Vom Grand Saloon her drang eben jetzt ein Tose» wie brandendes Meer. Sie kam von dort. Sie wußte, was die brüllende Menge von dem im Hause Weilenden ver langte. die Herausgabe der von Roberts hinterlassenen zehn Millionen, die nicht da waren. Sie hatte sich heim lich davon gemacht und war bergeeilt, um Toluca zu warnen, denn nach ihm ging der Schrei. Man wollte ihn lynchen. Ungewollt war sie in den Mitbesitz des Ge heimnisses gelangt, das ohne ihr Eingreifen mit dem toten Goldgräber für immer begraben worden wäre. Jetzt, wo sie um den Raub wußte, hielt sie Tolucas Leben in der Hand, sie allein. Das gab ihr den Mut. so vor ibn hinzutreten, ihm das ins Ohr zu schreien. Tolucas Gedanken waren die gleichen. Eine blitzartige Bewegung, und sie sah eine Waffe auf sich gerichtet, sah sich selbst mit dem Tode bedroht. Und sie? Sie erschrak, sie erbebte nicht. Sie lachte. Wie das Lachen einer Wahnsinnigen dünkte es ihn. „Schieß!" ries sie ihm zu. „Tu's! Und der Baum hier über dir ist dein Galgen! Schieß! Sie sind in Hörweite, die da toben und nach den Millionen schreien, die du dem Toten geraubt hast! Rufe sie herbei mit dem Schuß, der mich niederstreckt. Es sind Hunderte gegen Einen. Du entgehst ihnen nicht, und wenn du liefst bis zum Abend. Sie werden Roberts Mörder in dir sehen, und wenn sie das bei dir finden, wäscht kein Schwur dich rein. Du baumelst!" Toluca schwankte. Zuviel stürmte mit diesen Worten auf ihn ein. schob sich wie ein warnend erhobener Arm zwischen ihn und die geplante Tat. Maya sah, was in ihm vorging. „Tote berauben, wehrlose Weiber ermorden", schrie sie, „Verbrechen häufen, das also ist der Sinn und Inhalt deiner Hcilslehre, auf dich selbst angewandt! Elender Heuch ler! Doch diese fluchwürdige Lehre stirbt mit Dir! Und das ist der Segen für die Menschheit, der Segen Mahadeo's. der in meinem Tode beschlossen ist." Wie Stichflammen stießen diese höhnenden Worte nach Toluca. Wahrheiten waren es, jedes Wort ein Keulenschlag, der ihm den Arm lähmte, daß er wie gebrochen an seinem Körper herabsank. Seine Lehre, seine Heilslehre, die ihn noch eben zum Herrn der Welt erhoben, die alles Leid der Erde hinweggetilgt hatte, war entweht, als Lug und Trug erwiesen worden und durch ihn. So stand er jetzt vor ihr, ein Wehrloser, ein Besiegter, ein Gerichteter. Ihre Züge glätteten sich. Sie lächelte wieder. Der ganze Zauber der Weiblichkeit lag kosend, werbend um den leicht geöffneten Mund, in dessen Karmin die Perlcnzähne blendend hineinstachen. Wollust webt um solche Lippen. Doch es ist die Wollust des Raubtiers. „Tu' die Waffe weg!" schmeichelte sie, „auch das Papier tu' weg. und laß uns reden. Ich bin nicht gekommen, um dir das geraubte Geld zu entreißen. Teilen will ich es mit dir." Er legte noch einmal auf sie an. „Versteh' mich recht, Toluca," girrte sie. „Ich will dich auf deinem Verkündcrweg in die Welt begleiten, will deine Lehre mit zum Siege führen." Da er den Arm nicht sinken ließ, sprang wieder leiser Hohn aus Augen und Mund. „Oder glaubst du. du hättest gestern deinen Wortsieg errungen ohne mich? Mein Eingreifen erst gab den Ausschlag und wird ibn weiter geben, wenn du klug bist und auf meinen Nat hörst. Ich kenne die Welt, ich kenne die Menschen, besser als als du ahnst. In ihre geheimsten Regungen bin ich ein gedrungen. habe sie erlistet; denn ich war ein Temvclmädchen des Mahadeo. Weißt du was das heißt? Völlige Hingabe, geistig und körperlich, an die weltbezwingende Macht der Liebe ist uns Rcligionsübung, Ekstase, Gebet. Doch du bist ja ein „Wissender" und lehrst das auch." Als Toluca Miene machte, dagegen zu protestieren, sagte sie rasch: „Doch genug davon fetzt! Ich will dir dein Früh stück bereiten. Habe selbst noch nichts genossen! Lachend sagte sic daS. Mein Erscheinen hier und warum ich dir nachgespürt habe, will ich dir dann schon erklären. Alles will ich dir sagen, alles hinwegräumen, was jetzt noch dunkel und trennend zwischen uns liegt. Wir müssen und werden uns verständigen." Schwang da nicht wieder eine verhaltene Drohung mit? Sein Auge glitt prüfend, wägend über sie hin. Dock nur ein spitzbübisches Lächeln umspielte ihren kleinen Mund. Sie bot ihm die Hand. Diese kleine, wunderbar ge formte Hand. Bewußt tat sie das, ganz Weib. Und schön war sie, schön wie der junge Tag. lFort'ctzung folgt.!
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