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Das blutige Ostern vor Gericht. Streiflichter von dem Leipziger Kommunistenprozeß. Die blutigen Ostervorgänge anläßlich der kommunistischer Jugendtagung in Leipzig haben seinerzeit in ganz Deutschland ihren Widerhall gefunden. Ihr Nachspiel stellt der groß, Schwurgerichtsprozeß dar, auf den nicht minder die Auger ganz Deutschlands gerichtet sind. Kein Wunder, daß das Publikum sich zu diesen Verhandlungen drängt. Kein Wunder, auch, daß es in diesen Zeiten hoch aufschäumender politischer Leidenschaften glaubt, im Kino oder auf dem Sportplatz zu sein und „mitspielen" zu dürfen. Denn die Achtung vor de, Würde des Gerichts gehört ja auch zu den Dingen, die uns so nach und nach abhanden kommen. Aber der Vorsitzende greift mit fester Hand durch und ist bereit, die Zuhörertribün« räumen zu lassen, wenn sich das diese bevölkernde Publikum nicht seiner Beifalls- oder Mißfallensäußerungen enthält. Elf junge Menschen, vom Partelfanatismus dazu ver leitet, sich strafbar zu machen, stehen unter Anklage, 80 Zeugen sind bereit, über das auszusagen, was sie an jenem wilden Tage gesehen und gehört haben. Wenn man bedenkt, wie oft schon zwei Zeugenaussagen voneinander abweichen und um wieviel mehr dies achtzig tun müssen, dann kann man er kennen, wie schwer es dem Gericht gemacht wird, in diesem Prozeß das Recht zu finden. Bei der ersten Vernehmung verfolgten alle Angeklagten — soweit sie überhaupt antworteten — die Taktik, von nichts zu wissen. Die Polizei hatte die Falschen erwischt, darüber waren sich alle Angeklagten einig. Die Herausschälung der einzelnen Fälle aber, so des Kampfes an dem an die demonstrierende Menge heranfahrenden Auto und die Niederschlagung der Polizeibeamten, lichtet die Situation merklich auf. Auch bisher Stumme, wie der An geklagte Härtig, beginnen zu sprechen. Und wie um die ein zelnen Deliktfälle, so kreisen die Verhandlungen auch um ein zelne Angeklagte. "Komplexe" bilden sich heraus, damit das arme vielgeschundene Modewort auch seine kriminalistische Be deutung erhält. So z. B. behandelt man einen Komplex Haubenreißer. Der Mann hat sich durch den von der Polizei festgestellten Inhalt seines Kartons sowie durch sein „abgekämpftes" Aussehen nach den Tumulten verdächtig gemacht. Auch soll dieser Angeklagte einige Tage vor den Krawallen ein Renkontre mit dem später niedergeschlagenen Hauptmann Galle gehabt haben. Ein Zeuge will gesehen haben, wie er von einem Wagen heruntergesprun gen sei und gerufen habe: „Schmeißt ihn tot!" Auch der Komplex Matthey hebt sich allmählich ab. Dieser wird insbesondere von einem Zeugen belastet, der inzwischen von der K. P. D. zur N. S. D. A. P. übergegangen ist und der Polizei aus eigener Initiative ein Gespräch mitgeteilt hat, in dem der Angeklagte sich selbst außerordentlich belastete, zumal er glaubte, von Genosse zu Genosse zu sprechen. Das wird ihm nun zum Verhängnis werden. Natürlich fehlt auch der Zusammenstoß zwischen den ju ristischen Parteien nicht. Rechtsanwalt Kolbe behauptet, der Staatsanwalt habe sich dem Angeklagten Haubenreißer gegen über bei einem Besuche in der Zelle als Verteidiger ausgegebcn also gewissermaßen den Wolf im Schafspelz gespielt, was aber entschieden bestritten wird. So ist der Prozeß reich an Über raschungen und Zwischenfällen. Und das Ende seiner Tauer ist noch nicht abzuschen. Idi. Das Böß-ArieÜ. Veröffentlichung der Begründung. Von amtlicher Seite wird ein umfangreicher Auszug auS der Bearündunq des Urteils gegen den Berliner Oberbürger meister Böß veröffentlicht. Zunächst wird dargelegt, warum die Bestellung der Stadlrätin Weyl zur Stellvertreterin des Büraermeiswrs Scholtz zwar nicht dem Gesetz entsprochen habe, aber kein Dienstvergehen sei. Weiter wird ausgesührt. warum Böß die Warnungen vor den Sklareks nicht ohne weiteres ernst habe nehmen müssen. Die Anträge in der Stadtverordneten versammlung gegen die Monopolstellung der Firma Stlaret babe Boß politische Demonstration aullasten können. Auch das warnende Schreiben der Handels kammer habe ihn noch nicht unbedingt zu Untersuchungen zu veranlassen brauchen Die Warnungen mehrerer Zeugen seien dadurch entkräftet worden, daß die Zeugen teils Persönlich interessiert gewesen seien, teils gegen die Zeugen selbst „nicht unerhebliche Vorwürfe" erhoben werden. Beim Pclzkans setzt das „disziplinarisch zu ahnende Verhalten des Angeklagten" erst mit Empfang der Rechnung ein. Böß habe erkannt, daß der für die Nerzjacle ausgcworsene Preis von 375 Mark ein Schein preis gewesen sei. Er sei darüber nach seinen An gaben empört gewesen. In Wirklichkeit habe er freilich wcitci nichts getan, als seiner Frau einen scharfen Bries diktlcrl des Inhalts daß er außer dem Rechnungsbetrag noch 1000 Mari für einen notleidenden Künstler verwenden werde. Dieser Bries habe seinen Zweck verfehlt Fran Böß habe den Bries nämlich nicht abgcsandt. Wenn aber dieser Bries angckommen wäre, so bilde diese Ari der Begleichung eines Schuldkontos immerhin ein schweres D i c n st v e r a e b e n. Übrigens hat Böß von den 1000 Mark noch 200 Mark für seine notleidenden Schwägerinnen sortgenommen. Das Telegramm aus San Franzisko sei ebenfalls irreführend und zum Teil objektiv falsch ge wesen. Diese Irreführung sei um so schwerer zu be werten gewesen, als gleichzeitig „Berichtigung der Ber liner Presse" und „gerichtliches Vorgehen wegen Ver leumdung" in, Telegramm erbeten worden sei. Bei der Strafbemessung seien die hohen Anforderungen an den Oberbürgermeister der Reichshauptsladt zu berück sichtige» gewesen ferner, daß sich Böß einer unehren hafte n Handlung nicht schuldig gemacht, Jahrzehnte hindurch sie Geschäfte einwandfrei geführt und als Kämmerer und Oberbürgermeister Berlins während der Kriegs- und Infla tionszeit unbestreitbare Verdienste sich erworben habe Was man noch wissen mutz. Ein Notar zu Gefängnis verurteilt. - dem Schöffengericht Altona wurde der 42 Jahre alte Rechtsanwalt und Notar Christian Börnsen aus Anfang Juni d.J. großes Auf- wegen Unterschlagung im Amte zu einem Jahr ,cchs Monaten Gefängnis verurteilt Gegenbesuch eines Kieler Scesliegers in Amerika. .-"^^.^legenheii des Besuches der amerikanischen Lintenichlsfe „Arkansas „Florida" und „Utah", an dem auch amerikanische Fliegcrosnzierc icilnahmen, wurde die Leitung oer Seeflugstatton Kiel-Holtenau eingeladen, einen Gegenbesuch beim Fliegerkorps der Marine der Vereinigten Staaten ab- zustallcn. er Leuer der Seeslugstation in Kiel, Osterkamp, hat nunmehr die Fahrt nach Ncwvork angctreten. Verlobung des Königs von Bulgarien. Nom. Die Verlobung des Königs Doris III von Bul garien mit der Plinzessm Johanna, einer Tochter des italie nischen Kömg^paarcs. wird amtlich bekanntgcgcben. Stresemann-Feier in Moskau Kowno. Der deutsche Geschäftsträger v. Twardowski bielt m der Moskauer Deutschen Botschaft aus Anlaß des lages Dr. Stresemanns eine Rede, in der er die groben «er- sicnste Stresemanns und seme Rolle bei der Beüe u a des Rbeinlandes hervorhob. - ireiung de^ Ein dreizehnsacher Mörder hingerichtct. San Franzisko. Im Gefängnis von San Franzisko wurde vor 200 Personen der berüchtigte Massenmörder Stewart Northcott auf dem elektrischen Stuhl hingerichtct. Northcott hat dreizehn Kinder ermordet. Die Leichen ver scharrte er aus dem Gelände einer Geflügelfarm. Erst kurz vor der Hinrichtung legte der Mörder ein umfassendes Ge ständnis ab. Amtliche sächsische Notierungen vom 3. Oktober. Dresden. Die Börse verkehrte in schwächerer Haltung Besonders schwach lagen Schubert u. Salzer, die sich 4,25 Proz. niedriger stellten, seiner verloren Dresdner Gardinen 3,50, oon Heyden, Polyphon und Dresdner Albumin-Genutzschcine je 3, Kunstanstaltcn May 2,25, Deutsche Diskonto 2,50, Brau bank, Vereinigte Photoaktien, Dr. Kurz, Hotel Bellevue und Vereinigte Zünder je 2 Proz. Verlangt wurden dagegen Por zellanfabrik Rosenthal, die sich 6, und Felsenkeller sowie Ber liner Kindl, die sich 5 Proz. höher stellten. Anlagewerte ver kehrten behauptet. Leipzig. Die Tendenz der Börse neigte leicht zur Schwäche. Die Kursrückgänge waren im allgemeinen gering, nur Schubert a. Salzer büßten 6 Proz. ein. Banken und Textilwerte be hauptet. Anleihen still. Chemnitz. Die Börse verkehrte in nicht unfreundlicher Hal tung. So gewannen Gebr Unger, Wanderer- Tüll Flöha und Mimosa bis zu 2 Proz. Schubert u. Salzer sowie Schönherr gingen leicht zurück. Rentenwerte behauptet, Freiverkehr ruhig. Dresdener Produktenbörse 3. 10. 29. S. 3. 10. 29. 9. Weizen 77 Kilo 231—236 223—228 Wetz.-Kl. Rogg -Kl. 8,1— 8,5' 8,5— 8.8 Noggen 73 Kilo 151—156 149—154 Kaiseraus wgmehl 8.0— 9,6^ 8,4-10,0 47,0—48,547,0—48,5 Winiergst Sommergst 180-185 195-2 w 18!)—185 195-210 Bäcker- < s mundmehl 41,0—42,5 4l,0—42,5 Haser, tnl Kaps, N. 174—182 174- 182 Wetzen- nachmehl ! 4.5-1.6,514,5—16,5 Mats Laplata 250—255 250—255 ^nland- weizenm. Cinqu. Tope 70 H 86,0-37. 36,0—37,0 Kotklee — — Roggen- krocken- schnitzel 7,00—7,2c 7,20—7,40 mehl 0 I Tope 60 A 27,0—28,0 27,0-28,6 Zucker- schnitzel Kariossel- flocken Futtermehl 16,0—16,5 11,5— >2/ 16,0—16,5 11,5—12.5 Rogaen- mehl 1 Tope 70 A Roggen- nachmeyl - >4.5-16,5 14.5—16,5 NofsenerProduktendars? vom 3 Oktober 1930. Weizen hiesiger neu 75 Kilo 11.10; Roggen hiesiger neu 71 Kilo 7.60; Braugerste 9.50—10; Wintergerste neu 8—8.50; Hafer neu 7—7.40; do. alt 8—8.40; Weizenmehl Kaiserauszug 23.25; do. Semmelmehl 22; do. 607L aus Fmandsweizen 20; Roggenmehl 6O2L 13.25. — In Posten unter 5000 Kilo: Nach mehl ohne Sack 8-25; Futtermehl 7.50; Rvggenkleie inländische 5; Weizenkleie grob 5; Maiskörner Laplata alt 13.30; Kartoffeln neu 1.80; Stroh in Ladungen PreWroh 0.80; Gebundstroh 0.70; Heu neu in Ladungen 2—2.50; Butter ad Hof 0.80—0.85; Kar toffeln Zentner 2.20—2.50; Preßstroh 1.80; Gebundstroh 1.70; Eier Stück 0.12--0.13; Frische Landbutter 14-Pfund-Stück 0.85 bis 0.90. — Feinste Ware über Notiz. Stimmung: Behauptet. * Amtliche Berliner Notierungen vom 3. Oktober. Börsenbericht. Tendenz: Matt. Die Börse eröffnete in schwacher Haltung. Aus der ganzen Linie ergaben sich neue Kursverluste im Rahmen von etwa 2 bis 4 Prozent, vereinzelt auch darüber. Aus Provinzkreisen und teilweise auch aus dein Ausland, während einzelne Banken auch ausländische Kauf orders hatten, waren überwiegend Verkaussaufträge erteilt worden, deren Umfang jedoch nicht bedeutend war. Da sich andererseits kaum Aufnahmeneigung zeigte, schritt die Speku lation zu neuen Blankoabgaben. Nach den ersten Kursen er gaben sich weitere Abschläge. Der Geldmarkt war nur unbe deutend entspannt. Tagesgeld war mit 5 bis 7 Prozent, ver einzelt B/» Prozent, und Monatsgeld mit 5 bis 6 Prozent zu hören. Im Verlaus waren die Hauptpapiere aus Deckungen etwas befestigt, doch gingen auch diese Gewinne bald wieder verloren. Der Rentenmarkt lag ruhig. Devisenbörse. Dollar 4,19—4,20; engl. Pfund 20,39 bis 20,43; holl. Gulden 169,27—169,61; Danz. 81,54—81,70; franz. Frank 16,46-16,50; schmelz. 81,46—81,62; Belg. 58,52—58,64; Italien 21,97—22.01; schwed. Krone 112,72—112,94; dän. 112,31 bis 112,53; norweg. 112,29—112,51; tschech. 12,45—12,47; österr. Schilling 59,23—59,35; poln. Zloty (nichtamtlich) 46,97—47,17; Argentinien 1,47—1,48; Spanien 43,41,—43,49. Produktenbörse. Brotgetreide war infolge geringer Zu fuhren befestigt, zumal das Mehlgeschäft auch weiterhin sich belebt und sowohl von Mühlenseite wie auch von anderen Kreisen Deckungsnachfrage nach Korn besteht. Mit dazu bei trug vielleicht auch der ermäßigte Eosinroggenpteis, den man als anreizsähig zum bevorzugten Ankauf solcher Ware gegen über Alleingerstenbezug ansieht. Hafer nach oben mitgezogen, jedenfalls im Zeithandel. Sonst alles andere ruhig. Getreide und Olsaaien per 1000 Kilogramm, sonst per 100 Kilogramm in Reichsmark. Wetz., mark 3 10 226-228 2 10 224-226 Weizkl. f. Bln. 3 10 7.2-7,7 2.10. 7,27,7 pommersch — Rogkl. s Bln. 7,07,2 7,07,2 Nogg., mark 150-151 150 Raps — «— Braugerste 195 218 197 220 Leinsaat —- — Fullergerste 168-182 171 184 Blki.-Erbsen 30,034,0 80,0-34,0 Sommergerste — -- kl. Spetseerbs. — — Winlergerste — — Fultererbsen 19,021,0 19,»21,0 Hafer, mark, neue Ernte 147-160 147-158 Peluschken Ackerbohnen Wicken 20,021,0 17,0 18,0 20,021,0 17,018,0 alte Ernte — — 20,022,0 20,022,0 Weizenmehl p 199 ko fr. Brl br tnkl Sack (feinst. Mrk ü Nol. 26.7-35 0 26,5-34.7 Lupln., blaue Lupine, gelbe Seradella Rapsluchen Leinkuchen 9,8 10,1 16.3 16.7 9,8-10,1 16,3 16,7 Roggenmehl p 100 kx fr Berlin br inkl Sack 23 2 26 7 22.6-26.2 Trockcnschtzl Sova-Schror Torsml 30/70 Kartofselflck. 13,4-14,2 13,2-14,0