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Ein Mädchen, bleich von Wangen, Winkt mir von drüben zu, Ich bin vorangegangen, Was zögerst du? „Wahre Demokratie." Austenpolitische Wochenschau. Es gibt politische Modewerte und -Begriffe, benen sich- ein Zeitalter nicht entziehen kann. Lebt eine Generation an der Wende der Zeiten, so bekämpfen sich die politischen Systeme mit großer Erbitterung. Die Verfechter der Demokratie halten den Faschismus in jeder Form für eine politische Barbarei, für eine Staatsform, die nur unmündigen Völkern zugemutet werden kann. Die Faschisten erklären die Demokratie für ein absterbendes System, mit dem zu beschäftigen sich nicht mehr verlohnt, das durch jugendfrische Kräfte alsbald überwunden wird. Jeder behauptet, den richtigen Ring in seinem Besitz zu haben. Ls ist ein welt anschaulicher Kampf, der durchgekämpft werden muß. Inzwischen haben sich aber auch in den Demokratien, die bisher politisch noch einigermaßen brauchbar waren, Zustände herausgebildet, die selbst den Anhängern dieses Systems ernsthaft zu denken geben. Es ist eine ebenso weit verbreitete wie naive Vorstellung, daß Demokratie stets gleichbedeutend sei mit der All gewalt des parlamentarischen Systems. Nach dem englischen Vor bilde, das auf einem ganz anderen Boden gewachsen ist, hat das System der parlamentarischen Kabinettregierung im 19. und 20. Jahrhundert seinen Siegeszug durch- die Welt angetreten, und nur wenige Staaten, wie die ÜSA„ haben sich eine Staats form und ein Regierungssystem geschaffen, das sich von der Illusion fern hält, als könne man beliebig solche Systeme von einem Land ins andere verpflanzen. Denn eins schickt sich eben nicht für alle. Man hat nach Korrekturen gesucht, um die gröbsten Miß stände abzustellen. Man hat beispielsweise Erste Kammern ein gerichtet, um zu verhindern, daß die finanzpolitische Gewissen losigkeit der Parlamente die Staaten in den Abgrund reißt. Wir in Deutschland haben bisher ein wirksames Gegengewicht gegen die Bewilligungsfreudigkeit und Verantwortungslosigkeit des Reichstages nicht zu schaffen gewußt. Man hat sich aber, wie es in solchen Fällen üblich ist, um den Nachweis bemüht, daß alles dies im Namen der Demokratie geschehe. Man hat wohl auch das Wort von der „wahren Demokratie" gefunden, deren Wesen darin besteht, den Grundgedanken der Demokratie, der sogenann ten Dolksherrschaft einzuschränken und in das Staatsleben wie der diejenigen autoritären Elemente einzuführen, ohne die ein Staat nicht bestehen und gedeihen kann. Tradition und Disziplin, diese Grundpfeiler jeder konservativen Weltanschauung, gehen verloren, wenn man den Gedanken der schrankenlosen Masten- Herrschaft bis zu Ende denkt. Allmählich besinnen sich jetzt die Völker darauf, daß es eine stabile Regierungsgewalt geben muß, wenn Staat und Volk nicht der Spielball der Launen egoistischer Kliquen werden sollen. Oesterreich, das unter diesen anarchistischen Zuständen am meisten zu leiden hatte, machte den Anfang zu einer Aenderung. Die von Schober durchgeführte Verfassungsreform bedeutet den ersten Versuch, -das Land aus den Bahnen der Parteiherrschaft herauszulenken. Es gibt in Oesterreich eine Reihe weitblickender Politiker, zu denen in erster Linie der jetzige Außenminister und frühere Bundeskanzler Ignaz Seipel gehören, die das Element der Autorität in den demokratischen Staat fest einbauen wollen, damit überhaupt wieder ein wirklicher staatlicher Wille entsteht. Solche autoritäre Demokratie muß in der heutigen Zeit das Ziel sein, wenn in organischer Entwicklung die Mißstände der Parla mentsherrschaft beseitigt werden sollen. I Wilsdruffer Tageblatt I 8. Blatt Nr 232 — Saunavend, den 4 Olt 1880 Lied Von dunklem Schleier umsponnen Ist mir das Tageslicht; Wohl steigen neue Sonnen — Ich seh' sie nicht. Mir schweift der Blick hinüber In Weiten, dämmerfern; Vom Himmel blinkt ein trüber Einsamer Stern. Meist sind es dringende nationale Notstände, die die Staa ten dazu zwingen, eine wirksamere Form der Organisation der politischen Kräfte sich zu schaffen. Innenpolitisch bieten die finan ziellen und wirtschaftlichen Nöte den Anlaß zu solchen Reform bewegungen, wie wir sie jetzt kn Deutschland in den ersten An fängen erleben. Außenpolitisch führt die Bedrohung des ge samten Staatswesens häufig dazu, über das Geschwätz der Par lamente zur Zusammenfassung und besseren Organisation der Kräfte zu schreiten. Beispiele dafür sind Südslawien mit seiner Diktaturregierung und neuerdings auch Finnland in seAem Kampf gegen den Bolschewismus, für den gleichfalls die Mit tel der formalen Demokratie nicht ausreichen. Die absolute Par- lamentsherrschaft ist eben eine Regierungsform, die sich nur dw Westmächte gestatten können. Andere Staaten mit anderen Be dürfnissen brauchen ein System, bei dem die staatliche Autorität durch andere Mittel sich-ergestellt wird. Wenn ihnen dies nicht ge lingt, geraten sie in die Gefahr, vernichtet zu werden — selbst wenn sie eine noch so schöne Verfassung haben. Schluß »»„Grünen Woche"mStettin Ausgleich zwischen Ost und West. Auf der Herbstiaaung der Dänischen Land Wirt - schaftsgesell schäft in Stettin begegneten sich in eigen artiger Weise die beiden entgegengesetztesten Erzeugnisse der deutschen Scholle, die KarIossel und der Wein, in gegen seitiger Sehnsucht. Der bekannte Kartosselzüchter Ritterguts besitzer Dr. Störmer- Stettin verwies auf die trostlose Lage des deutschen Kartofselbaues. In Ostpreußen und anderwärts wird augenblicklich der Land wirt seine Kartoffeln nicht für 50 Mennig den Zentner los Der Osten kann nicht dazu übergehen, den Westen mii seinem vollen Bedarf an Speisekartoffeln zu beliefern. Ein anderer Ausgleich muß kommen. Während der Osten in der „Kartosfelnot" eines unverwendbaren Überflusses erstickt, muß der Westen ausländische Gerste zur Schweinemast an kaufen. Der Osten mästet seit alter Zeit hochwertige Schweine nur mit Kartoffeln. War dies bisher die Aufgabe des Klein besitzers gewesen, so ist in den letzten vier Jahren auch der öst liche Großgrundbesitzer berufsmäßiger Schweinemäster geworden. Aus diesem Wege muß neben der Herstellung von Kartoffelslocken usw. zum Ausgleich zwischen Ost und West-fortgeschritten werden. Ein ganz anderes Lied sang der Präsident der rheinischen Landwirtfchaftskammer, Freiherr von Lüninck-Bonn, um schließlich mit demselben Kehrreim zu enden. Der Westen weiß nicht wohin mit seinem Wein. Organisation als Selbsthilfe empfahl der Redner und auch Okonomierar Schlote-Charlotten- hos in der T i e r z u ch t a b t e i l u n g. Ohne sich vom Bank kapital abhängig zu machen, haben die landwirtschaftlichen Viehverwertungsverbände im vergangenen Jahre schon einen Umsatz von 300 Millionen Mark für Schlachtvieh erzielt. Es liegt nur in der Hand der Viehzüchter, durch fort schreitenden Zusammenschluß die Durchsetzung rentabler Schlachtviehpreise in absehbarer Zukunft ganz in ihre Hand zu bekommen In der Hauptversammlung, mit welcher die „Grüne Woche" abgeschlossen wurde, begrüßte Oberpräsiden: von Halfern die Landwirte und würdigte die für den deutschen Osten besonders segensreich gewordene Arbeit der Deutschen Landwirtschafts- gesellschast. Die Herbsttagung findet I93l in Darmstadt statt. Der Präsident der Landwirtschaftskammer der Provinz Pom mern, Rittergutsbesitzer von Flemming, erstattete dann seinen Bericht über die Lage der osldenlschen Landwirtschaft und die zu erwartenden Auswirkungen des Ostprogramms. Er wies darauf hin, in welche besonders ungünstige Lage die Landwirtschaft des Ostens gegenüber der Mittel- und West deutschlands geraten ist. was sich besonders in den Versteige rungszisfern ausdrückt. Dennoch ist der Osten in der Lage, weitere elf Millionen Menschen mit Brotgetreide, 14 Millionen mit Kartoffeln und 1,5 Millionen mit Milch zu ernähren. Der Abwanderung aus dem Osten kann nur durch eine besondere Ostsiedlung begegnet werden, für die aber Voraussetzung ist, daß die Rentabilität der ge samten Landwirtschaft hergestelli wird. Die Osthilfe steckt noch in den ersten Anfängen; man kann über ihre voraussichtliche Wirkung nicht ohne Bedenken sprechen Zu begrüßen sind der Vollstrecknngsschutz und die Umschuldung. Aus der Umschuldung muß aber eine Eni schuldunq wer den. Das ist nur bei einer gleichzeiligen durchgreifenden Lasten- senkung und einer vollkommenen Umstellung der Wirtschafts politik möglich. Es handelt sich nicht allein um die Erhaltung der ost deutschen Landwirtschaft, sondern auch um die Rettung der Industrie, des Handels und des Handwerkes und die Sicherstellung der ganzen nationalen Zukunft Deutschlands! Scki Die Beisetzung des Prinzen Leopold von Bayern. Der Reichspräsident unter den Trauergästen. In München fand unter großer Anteilnahme der Bevölkerung die Beisetzung des verstorbenen Prinzen Leopold von Bayern statt. Berittene Reichswehr eröffnete die lange Reihe des Trauergefolges, und Reichs wehrtruppen mit aufgepflanzten Bajonetten begleiteten den Leichenzug. Im Trauergefolge sah man als Ver treter des früheren Kaisers den Prinzen Adalbert von Preußen. Die Reichswehr war vertreten durch ihren Ches, den Generaloberst H e y.e, und durch den Landeskommandanten von Bayern, General leutnant Leeb. An der Trauerfeier in der St.Michaels- kirche nahm der Reichspräsident von Hindenburg, der aus Dietramszell gekommen war, teil. Nach Beendi gung der geistlichen Feier, die vom Kardinal Faul haber zelebriert wurde, wurde der Sarg in die Gruft eingebracht. Drei Ehrensalven der Infanterie und der Artillerie ertönten, als sich die Fahnen der Jnhaber- regimenler über der Gruft senkten. Bei der Abfahrt der Trauergäste wurden dem Reichs präsidenten von der Menge stürmische Huldigungen dar gebracht. Bild links: Die Fürstlichkeiten im Trauerzuge. Vorn Kron prinz Rupprecht von Bayern (mit Marschallftab). Neben ihm Prinz Konrad, der jüngste Sohn des Verstorbenen. Dahinter Prinz Adalbert von Preußen (in Marineuniform) als Vertreter des Kaisers. Neben ihm die Erzherzöge Franz Salva tor und Joseph August. Bild rechts: Der Sarg auf einer Lafette inmitten des vom Reichsheer gestellten Ehrengeleits. (Telegra phiertes Bild.) 15 ....... Ein stummes Fragen. Und die Antwort? „Zot!" Einsilbiges Wort, doch lastend wie Blei, mit dem Schwer- llen beladen, was Menschen denken und aussprechen können Eine Begegnung scharf wie ein Hieb. Ein Heben von Händen, ein Entblößen von Köpfen. Kein Wort. Totenvarade! Ein Zucken von Lippen. Stummes Gedenken, Bei man- chem^wobl auch ein stummes Gebet. heran. Sie wollten ihn sehen, den toten v^^o.^^nen letzten Blick auf ihn werfen, den Gründer und Walter ihres unruhigen Gemeinwesens. Das'wa/die^M-n-^ "hob den Arm. Alle standen sofort. Manager ein^Ra^" Astern abend, das war wieder der Mrchenstilw^ 'einem Wort zu Andacht und „Liebe Freunde", sprach xx aedämvfter Stimme, so wie man in Trauerhäusern spricht MV Tote aufaebahrt liegen, „ich ehre Euer Empfinden,^ schäft entspringt. Doch müßt Ihr noch gedulden. Doktor Bayers hat nur aufgegeben, darüber zu wacken daß niemand das Zelt betritt, bis der Coroner dw Lewe nick a abaehalten und sein Urteil gefällt hat Ich wZ nim warum, doch ist es hierzulande wohl so Brauch Da kommt schon der Wirt vom Grand Saloon, die berufene Amts person. Ihr werdet ja hören." Ein stövlswenden, ein Murmeln, in dem Neugierde und Erwartung schwang. Wer wird in die Jury gewählt werden? Ein feder hielt sich für berufen Der Wirt kam sich -einer Bedeutung bewußt, langsam daher. ,Der Fettkloß'" brummte ein Ungeduldiger. Hufgetrappel klang aus. „Der Doktor! Der Doktor!" erscholl es aus mehreren Kehlen. Dis Erwartung stieg. Jetzt würde man alles er fahren Ja, es war Doktor Bayers, der auf seinem Braunen ! heransprengte. Toluca ging ihm entgegen. Sie wechselten ! hastige Worte, dis bis hierher nicht drangen. Sie kamen j näher. Der Arzt schwang sich aus dem Sattel. „Guten Morgen, Gentlemen!" „Guten Morgen. Doktor!" scholl es herzlich zurück. Der Mann war beliebt. Neue Begrüßung mit dem Wirt. Dieser berief mehrere aus der Menge zum Amt als Beisitzer. Mit diesen betrat er das Zelt. Der Arzt und Toluca ! folgten im Gespräch. Dieser sagte eben: „Ich fand ihn j schlafend, wie Sie ihn verlassen haben. Er ist nicht mehr ! erwacht." Das wurde aufgeschnappt und wettergegeben. Mehr ! war jetzt nicht zu erfahren. j Die Zeremonie der Totenschau war nur von kurzer - Dauer. Die Beisitzer überließen es dem Coroner, das Urteil zu formulieren. Es lautete: „Ermordet. Gefallen von unbekannter Hand." Durch Handaufheben stimmten die Beisitzer dem gefäll ten Spruch zu. Dem Gesetz war Genüge geschehen. Doktor Bayers trat jetzt vor. „Mister Coroner! Gentlemen!" sagte er ernst. „Ich habe Ihnen eine Mitteilung von Wichtigkeit zu machen." Staunen. Spannung. Fragende Blicke von einem zum anderen. Der Arzt entnahm seiner Brieftasche ein Papier, das er schweigend, umständlich, entfaltete. Die Zeltluft war mit Spannung bis zum Bersten geladen. „Ich habe hier", fuhr der Arzt bedächtig fort, „das Testament des Verstorbenen, das er mir gestern Nacht in die Feder diktiert hat." Hälse reckten sich. Augen glühten. Roberts war allein stehend Wer war der Erbe? Sie selbst vielleicht? Sie alle? Er war vor ihnen hier gewesen, allein. Er hatte Geld gemacht. Das war bekannt. Nur eine Frage brannte in aller Hirn: Wer?! „Mister Coroner, tck übergebe Ihnen das Testament. Bitte, verlesen Zie sS!" mgte der Arzt. Der Wirt nahm das Papier entgegen. Er streifte sich in Würde wie ein mittelalterlicher Ritter in Stahl und Eisen. Wirkte komisch bei seiner Kugelrundigkeit und seiner Schnapsnase unter den listig und lustig zwinkernden Aeug- lein Im hohen Dienst, unter lautlosem Atmen, verlas Seine Würden, der Mister Coroner, Roberts letzten Willen. Staunen. Kopfschütteln ringsum. Roberts verheiratet? Tochter Jeanne — Welch ein Name! — Alleinerbin! Zur Zeit unbekannten Aufenthalts. Donner noch 'mal! Heikle Sache. Daher seine Zurückhaltung, seine Wortkargheit! Armer Kerl! Ja, ja, die Weiber! „Ist das die Unterschrift von Roberts?" fragte der Arzt. „Ja", entgegnete der Wirt. „Ich habe sie in ver Ge meindeliste und kenne sie sonst auch genau. „Jeder Buch stabe!" bekräftigte er. „Bitte sie auch den anderen Gentlemen zu weisen. Es liegt mir daran, jeden Zweifel an der Echtheit auszu- schließen" Das Blatt ging von Hand zu Hand. Jeder Einzelne bestätigte die Echtheit in seiner be sonderen Ausdrucksweise. Der letzte meinte: „Gott ver damm' meine Augen, wenn das nicht Roberts' Klaue ist, dann will ich des Teufels Großmutter frei'n!"' Das war entscheidend. Flüche hatten am Bach noch Eideswert. Das Blatt wurde dem Doktor wieder ausgebändigt. Er steckte es ein. „Ich bitte nun den Mister Coroner, den im Testament erwähnten Leibgurt des Toten abzuschnallen, zu öffnen, und seinen Inhalt zu prüfen. Sic. Gentlemen. sind Zeugen." Wangen, die eben noch bleich gewesen, flammten auf, in vorgeschobenen Augen blitzte Begierde Es ging um Gold, zum Teil, vermutlich zum gröberen Teil, zu Papier verdünnt. Noten der Bank von England Wieviel mochte es sein? Der Wirt löste den Gurt von Roberts totem Körper, wo er immer gesessen hatte, auch nachts beim Schlaf. Gold gräberbrauch Er nahm Goldnuggets und Banknoten her aus. ganze Hände voll. Er legte alles aus den Tisch, ordnete, sichtete, zählte. Das ging ihm schnell von der Hand. Es war sein Geschäft. Wollust des Schauens. Das war Gold! Das war Geldl Soviel hatte man noch nie beisammen gesehen. Glückliche Erbin! Und weiß noch von nichts. Man wettete leise unter sich, wieviel Gold, wieviel in Banknoten. (Fortsetzung folgt.)