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MsdmfferÄMatt Nationale Tageszeitung für die ^andwütschast, Wochenblatt für Wilsdruff u, Umgegend Im Fall- Höherer Skwav, Krieg oder sonst. Betriebsstörungen besteht Lein s^pruch'au^cserung der Zeitung oderKürzung desBezugspreiies. — Rücksendung eingesandterSchriftstücke erfolgt nur, wennPorto beiliegt. für Lüraertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenprris: die 8 gespaltene Raumzeile 20 Rpfg., die 4gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Nrichs- pfennige, die 3gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 RMK. Nachwcisungsgebühr 20 Reichspsennige. Vor- geschriebeneErscheinungs- -e- rage und Platzvorschristen werden nach Möglichkeit AbkNjPLechbk: ÄlN? 9!^. 6 berücksichtigt. Anzeigen annahme bis vorm.10Uhr. ——————— —— — — Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übern, wir keine Garantie. Jeder Rabattanspruch erlischt, wenn der Betrag durch Klage eingezogen werden muß oder der Auftraggeber inKonkurs gerät. Anz. nehmen allcVermittlungsstelikn entgegen. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nr 236 89. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Wilsdruff-Dresden Po ich«k Dresden L640 Donnerstag, den 9. Oktober 1930 Cine geschästsführen-e Regierung und em rechtloser Landtag. Verworrene politische Lage in Sachsen Die latente sächsische Regierungskrise ist mit dem Per lauf der letzten Landtagssitzung etwa bis zur nächster Landtagswahl verlängert oder, wenn man will, bchobcr worden, je nachdem, ob man in der Lenkung des Staates durck eine geschäftsführende Regierung, die in absehbare. Kaffeerevolution. Nachdem nun auch der größte Staat Südamerikas Brasilien, den Massentanz der Revolutionen, Auf stände oder wie man sonst diese Vorgänge bezeichnen will milzumachen gezwungen ist oder sich entschlossen hat, ver dienen diese Dinge doch ein wenig größereAufmerksamkeit als die Welt sonst dem kriegerischen oder parteipolitischer Gelärme in Südamerika zu schenken pflegt. Namen dabe find, frei nach Goethe, unbedingt „Schall und Rauch"; we, da den Sieg oder die Niederlage davontrug, ist desweger nicht sehr interessant zu wissen, weil sich häufig in rech kurzer Zeil alles und alle wieder geändert haben, de, Sieger von heute Besiegter von morgen ist. Aber be Brasilien ist das alles wegen der Größe des Landes, seine, Einwohnerzahl von 40 Millionen und den ausge dehnten Wirtschaftsbeziehungen für uns nichl ohne Wichtigkeit. Auch deswegen, weil diedeutsch« Auswanderung nach Brasilien feit langen sehr stark ist. Wenn man will, kann man über den jüngsten Aufstan! nichl obne Berechtigung die Überschrift seyen: Kaffee r e v o l u i i o n. Zwar sind für sämtliche landwirtschast lichen Produkte die Preise in der ganzen Welt zurück gegangen, also auch für den fast reinen Agrarstaat Bra silier, Aber bei den drei wichtigsten Erzeugnissen diese, Ari in Brasilien, dem Zuckerrohr, dem Kautschuk und eber vor allem dem Kaffee, war der Rückgang kalastro p h a l. Und Brasilien erzeugt etwa 75 Prozent des ge samten Weltbedarfs an diesem sriedensfördernden Genuß mittel! Man Hai viel zuviel Kaffeeplantagen geschaffen die Vorräte stiegen und stiegen, schließlich waren sie st hoch angeschwollen, daß der brasilianische Kaffeehandels „trust" einfach nicht mehr in der Lage war, die auf gestapelten und den Produzenten natürlich teilweise be zahlten Massen nur langsam abfließen zu lassen und st den Weltpreis halten zu können. Der Preis siel dem gemäß nm etwa ein Dritte, und wäre noch viel weiter ab gerutscht, wenn nicht die Amerikaner mit 20 Mil lionen angekommen wären und den Preis ge stütz hätten. Aber die Folge dieser schweren Krise war eiw starke Erschütterung auch der brasilia Nischen Währung; außerdem sehr bald die Er fahrung, daß die Produzenten mit dem neuen, niedrigerer Weltmarktpreis nicht auskamen. Die Amerikaner Haber übrigens sich ihr Eingreifen auch nichl gerade schlecht be zahlen lassen. Die frühere wirtschaftlich so feste Lage au dem Kaffeemarkt Brasiliens war aber doch einer steigender Unsicherheit gewichen, da sich auch noch die Konknrrew anderer Länder Süd- und Mittelamerikas geltend machte Und schon längst ist es daher nicht mehr möglich, den Preis dadurch zu halten, daß man wie einst einen Teil der allzr hoch angeschwollenen Vorräte einfach ins Mee, warf. Das ist die eigentliche Art der „Kaffeevalori sation" gewesen! Aber auch auf dem internationalen Rohr zuckermarkt ist es zu einem hoffnungslos scharfen Preis rückgang gekommen, noch schärfer allerdings beim Kaut schul, dessen Preis heute nur etwa noch ein Achtel seine, Vorkriegshöhe beträgt. Unter solchen Umständen ist für einen südamerika Nischen Staat eine ordentliche Revolution sozusagen das Gegebene. Auffallend ist höchstens noch das eine: De, frühere englische Botschafter in Berlin, Lord d'Aberuon ist vor einiger Zeit in Südamerika gewesen, offiziell zr wirtschaftspolitischen Zwecken zugunsten Englands. Und jetzt hallt der Ruf durch die südamerikanischen Aufstände Los vom amerikanischen Kapital! Denn Nordamerika hatte den Weltkrieg gründlichst ausgenutzt um sich dort wirtschaftlich an die Stelle des ja anderweit beschäftigten Englands zu setzen. Dazwischen wimmelt es auch noch von ehrgeizigen Präsidentschaftskandidaten Provinzgouverneuren und Generalen mit allerhand per sönlichen Sonderintercssen. Wer die Armee hat, hat auck die Macht. In Brasilien, dem Staatenbnud von gewal tiger Ausdehnung, ist die Stellung der einzelnen Gon verncure auch noch besonders stark, die in Rio de Iancirc konzentrierte Bundesgewalt also sehr oft von mehr ode, ^"^u Aufständen bedroht gewesen. Und ma, ans langer Erfahrung, das dortigen Kämpfe, die Nachrichten "b/r - 1 -der einen bzw. der anderen Sei o .. .s-s sind. Eins aber kann man wohl scho beute sagen:Z u einer „Kafscevalorisation m dem Sinne, da,, nun in Brasilien und für diesen Stam die alte »rast M beherrschende Bedeutung auf diesen, Gebiet zuruulehrt, ist >n,olge der allgemeinen schwe ren Erschütterung infolge der „Kaffeerevolution" be stimmt nicht mehr zu rechnen. öMeruMMWU her deutM MOrie Der Finanzplan -er Regierung ein erster Schritt — Senkung der Produktions kosten das oberste Gebot Das Präsidium des Reichsverbandes der Deutschen Industrie hat sich in-einer außerordentlichen Präsidialsitzunfl mit dem Wirtschafts- und Finanzplan der Reichsregierung beschäftigt und dazu folgende Stellung genommen: „Der Wirtfchafts- und Finanzplan der Reichsregierung ifl als ein erster Schritt zu würdigen, die öffentlichen Finanzen Deutschlands in Ordnung zu bringen und die deutsche Wirt schaftspolilik den Verhältnissen anzupaffen, die durch die Ver änderungen auf dem Weltmarkt, durch die hohen Reparations- Verpflichtungen Deutschlands und die verfehlten Maßnahmen der Vergangenheit entstanden sind. Ter Plan ist geeignet, das öffentliche Vertrauen wiederherzustellen, wenn er tatträstsi dnrchgesührt wird und wenn alle Volksteile in dem Wunschr einig sind, unter Vermeidung von Experimenten den völligen Wirtschaftszusammcnbruch abzuwchren. Es ist nicht Aufgabe des Augenblicks, zu den Einzelheiten des Planes Stellung zu nehmen und aus die an manchen Stellen vorhandenen Lücken und Unstimmigkeiten hinzuweisen, weil die Gesetzentwürfe erst abgewartet werden müssen. Der Grundgedanke des Programms ist richtig, wenn er davon aus geht, daß in erster Linie unter äußerster Sparsamkeit und unter Eindämmung der wirtschaftsschädlichen Steuern eine einheitliche und zielsichere Gestaltung der öffentlichen Finanzpolitik und eine vollständige Ordnung der öffentlichen Finanzen, auch der Finanzen der Länder und der Gemeinden, geschaffen werden muß. Das kann nur erreicht werden, wenn die ässen! lichen Ausgaben denjenigen Einnahmen angepaßt werden, die unter Berücksichtigung der Veränderungen in den Preisverhält Nissen auf dein Weltmarkt von Wirtschaft und Bevölkerung aus gebracht werden können, ohne daß die Grundlagen ihres Daseins und eines Wiederaufbaues zerstört werden. Die Wiedereinsügung der Arbeitslosen in den Arbeits prozeß ist nur möglich, wenn die Höhe der öffentlichen Ausgaben und aller Bestandteile der Produktionskosten nicht mehr hemmend im Wege steht. Nur so kann auch der Preisabbau der Verbrauchsgüter und der Produktionsmittel verwirklicht werden. Neben der Einschränkung der Personalausgaben der öffentlichen Verwaltung ist dabei eine der Lage des jeweiligen Wirtschaftszweiges angepaßte Herabsetzung der Löhne und Bezüge aller in der Privatwirtschaft Tätigen wichtigste Vor aussetzung. Wenn es gelingt, auf diesem Wege die Produktionskosten zu vermindern und den Preisabbau zu sichern, dann bedeutet die Herabsetzung von Lohn und Gehalt keiner Verminderung der Kaufkraft und keine Beeinträchtigung der Lebenshaltung. Vielmehr bewirk, die dadurch ermöglichte Wiedereingliederung der Arbeitslosen in das Erwerbsleben eine Erhöhung der Gesamtkaufkraft und der des einzelnen. In keinem Programm für die Gesundung der innendxutschen Verhältnisse darf die Verwaltungs- und Verfassungsreform fehlen. Sie ist von entscheidender Bedeutung und darf nich, aufgeschoben werden. Die Förderung der nationalen Wirt schäft bedingt niclu nur die Pflege des inneren Marktes sondern auch die Fortführung der Handelspolitik auf der bis herigen Linie. Die Ordnung der öffentlichen Finanzen und die Beseitigung der Schwächepunkte der deutschen Volkswirt schäft ist auch die Voraussetzung sür eine vernünftige Repara tionspolitik mit dem Ziele, die deutschen Verpflichtungen aus ein erträgliches Maß zurückzuführen." Brümna beim Asichsprasiösnien. Einstimmigkeit des Kabinetts. Der Reichskanzler hat dem Reichspräsidenten über das Ergebnis seiner politischen Empfänge und über den Inhalt der Regierungserklärung Vortrag gehalten, die er in einer der ersten Sitzungen des neuen Reichstages, nach der Wahl des neuen Präsidiums abgebcn will. Es ist gewiß, daß das Kabinett in seiner gegenwärtigen Zu sammensetzung vor den Reichstag treten wird, und daß das laut gewordene Verlangen aus Ausscheidung der Reichsminister Dr. Wirth und Dr. Curtius keine Gegen liebe im Gesamtkabinett gesunden Hal. Es spricht nichts für die Annahme, daß in der Aus sprache zwischen dem Reichspräsidenten und dem Reichs kanzler irgendeine grundlegende Änderung der bisherigen Politik der Reichsregierung festgelegi worden ist. Wenn auch zu erwarten ist, daß die Vorstöße gegen die Minister Dr. Wirth und Dr. Curtius sich im Parlament alsbald wiederholen werden, so dürfte doch durch die Zustimmung des Reichspräsidenten zur gegenwärtigen Richtung der Politik diesen Vorstößen einstweilen die Spitze abge brochen sein. Am Montag findet im Reichstag lediglich der Na- mensausruf der 577 Reichstagsabgeordneten statt sowie die Bildung des Ältestenrates. Am Dienstag wird die Wahl des Präsidiums vorgenommen werden. Für Mitt woch, spätestens Donnerstag, ist dann mit der Abgabe der Regierungserklärung durch den Reichskanzler Dr. Brü ning zu rech,reu. so neue Gesche zur MchfWW res W!M!SWMW«S Berlin, 9. Oktober. Zur Durchführung des Wirlschafts- und Finünzplanes der Reichsregierung ist, wie der Demokratische Zeitungsdienst meldet, die Ausarbeitung und parlamentarische Verabschiedung von 30 Gesetzen erforderlich. An der Ausarbei tung dieser Gesetze werde gegenwärtig gearbeitet, die dann, be vor sie dem Reichsrat und dem Reichstag zugehen, noch das Ka binett passieren müssen. Cs kann natürlich kein» Rede davon sein, daß diese außergewöhnlich hohe Zahl von Gesetzen in der kurzen Zeit von der grundlegenden Festsetzung des Finanz- und Witt- schastsprogramms bis zum Zusammentritt des Reichstages aus- qeci beitet und vom Kabinett verabschiedet würden. Erhöhung der Rei-MMiskitt? Berlin, 8. Oktober. Wie die „D. A. Z." meldet, ist an zunehmen, haß in der zum Donnerstag einberufenen Sitzung des Zentralausschusses der Relchsbank eine Erhöhung des Neichs- bankdiskonts vorgeschlagen werden wird. Zeit nicht durch ein aus eine feste Mehrheit gestütztes po litisches Kabinett abgelöst werden kann, einen krisenhafter Zustand sieht oder nicht. - In seiner völligen Hilflosigkeit ging der Landtag mi einem Aufatmen in die Ferien, als der Reichstag aus gelöst worden war. Vom Ergebnis der Reichstagswahlei erhoffte man neue Fingerzeige auch für die sächsische Re gierungsbildung. Aber darin hatte man sich getäuscht. Di, Umrechnung der sächsischen Ergebnisse des 14. September auf die Landtagssitze ergab keine entscheidende Ver lagerung im Verhältnis der drei Gruppen Links, Rechts und Mitte. Das Spiel der Verhandlungen begann von neuem. Mi> peinlicher Parallelität vollzog sich alles genau so wie es sich schon zweimal vorher vollzogen hatte. Und die Wahi des Ministerpräsidenten ward nun abermals eine Gro teske; keiner der Bewerber erreichte die Mehrheit der ab gegebenen Stimmen. Unerschüttert blieb bei allem die Stellung des ge schäftsführenden Kabinetts Schieck. Sozusagen in einen unbewachten Augenblick hatten die ewig zersplitterte, Parteien die Mehrheit ihrer Stimmen auf den Prä sidenten des sächsischen Staatsrechnungshofes vereinigt von dem man wußte, daß er der Volkspartei angehörte der aber parteipolitisch nicht hervorgetreten war. Un mittelbar nachdem Schieck sein Kabinett vorgestellt hatte, das statt sechs nur vier Minister aufwies, und zwar samt lieh höhere Beamte des Landes, wurde der Landtag auf gelüst, und Schiecks Kabinett bekam dadurch den proviso rischen Charakter einer geschäftsführenden Regierung Aber das Land hatte wenigstens eine Regierung Schieck wird nach dieser ergebnislosen Wahl weiter iw Amte bleiben. Im einem Punkt freilich wird seine Stellung geklärl werden müssen: Schieck hat sich stets als den Statthalter einer kommenden, vom Vertrauen des Landtages ge tragene Regierung betrachtet. Er hat auch, nachdem eine Mehrheit der Parteien des Landtags zwar nicht ab stimmungsmäßig, aber durch Ausführungen der Frak tionsführer den vorläufigen Charakter seiner Amts führung unterstrichen hatte, sich zur Zurückhaltung in dev Entschließungen des Kabinetts bekannt und den Land tag.gebeten, in Rücksicht auf die schwere Lage des Landes, ein neues parlamentarisch fundiertes Kabinett zu bilden Der Landtag hat diesen Wunsch jetzt wieder nicht erfüllt. Der neuen Lage wird sich das Kabinett und wird sich der Landtag bewußt sein müssen: Bildet man keine neue Re gierung, dann muß auch der vorläufige Charakter des Kabinetts Schieck fallen. Eines oder das andere. Der Landtag hat sich damit in eine Lage begeben die einer völligen A u s s ch a l t n n g gleichkomntt. Es wird politisch und geschäftsordnungsgemäß nicht mög lich sein, das Kabinett in die Vollmachten, die ihm der Landtag abgesprochen hatte, auf dem Wege einer Ab stimmung wieder einzusetzcu, sondern das Kabiyett wird lediglich zu erklären haben, daß die bisher beobachtete Zu rückhaltung im Interesse des Landes fallen muß. Ver fassungsrechtlich wird sich nichts an der Tatsache ändern, daß das Kabinett Schieck gcschäftsführendes Ministerium ist, also Mißtraue ns anträge gegen seine Amtsführung nicht möglich sind. Die aktive Mitwirkung der Parteien an der Lenkung des Staates ist mit der Einsetzung eines nicht auf parteipolitische Gruppen gestützten Bcamtcnkabinetts hinfällig geworden. Ein Veto recht durch Mißtrauensanträge besteht auch nicht mehr: Der Landtag ist rechtlos.