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MsdmfferTageblati Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, V« »Wilsdruffer Tageblatt* erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in d« Geschäftsstelle und den Ausgabestellen 2 NM. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,30 RM.» bei Postbestellung r «M. zuzüglich Abtrag. ___ * , . gebühr. Einzelnummern lSNpfg.AllePostanstalten Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Postboten und unsereAus. träGerund Geschäftsstellen ' — nehmen zu jeder Zeit Be ¬ stellungen entgegen. ImFalle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Auz«I,kNprei»! di« 8-,espalteoe Roumzcil- 20»tpfg^ die 1 gkspaltcur Zeile der amtlichen Bekanntmachme,« 40 Reiche Pfennig, die d gespaltene SieklamezeUe im textlichen Teile 1 Rüchrmark. Nachweisungrgedühr A> Sieichm>sennige. ««» geschriebene Erscheinung«- —, , „ tage und Platznorschris»« werden nach MSglichkelt Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 berücksichtiat. «nzei^m «nnahmebis oorm.lOUHr. ' -> »,». Für hie Richtigkeit d« durch Fernruf übermitteUenAnzci gen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Aabattanspruch erlischt, wenn derBetrag durch Kle^ mngezogen werden muß oderderAuftraggeberin Konkurs gerat. Anzeigen nehmen alle Vermittlungsstellen eutgegau. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts- gerichts und des Stadlrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nr. 2»6 — 88. Jahrgang Telegr.-Adr.: .Amtsblatt" Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 SoNNabkNd, SkN 27. Skpt 1930 Lleberspitzungen. Prozesse. — „Flucht aus der Aktie." — Schobers Rücktritt Reichstag und Reichshallen. Die brausenden Fluten der „hochpolitischen" Pro zesse haben einen derartigen Lärm vollführt, daß siü demgegenüber sogar die Ereignisse an den deutschen Börsen kaum zu Gehör bringen, Beachtung erzwingen konnten. Und gerade darum darf und muß man du kühle Frage stellen, was denn nun eigentlich von größeres Bedeutung, von schwererem Gewicht für Deutschland ist ob also parteipolitische Auseinandersetzungen und Gegen sätzlichkeiten oder das schnelle Sinken des Wirtschafts barometers, der Börse. Natürlich sind jene Erregungen jene Debatten um Wesen, Ziel und politische Methoden vor allem um die politische Bedeutung der National sozialisten für die Weiterentwicklung in Deutschland nich ohne Rückwirkung auf die Börse- gewesen. Aber es iß doch mehr als fraglich, ob die Kurseinbrüche an der deutschen Börsen der Ausdruck einer Art Massenpanil unter den Besitzern von Wertpapieren waren, sind oder noü sein werden; liegt doch gerade die verhängnisvolle Schwäch: unserer Börsen darin, daß eine „zweite Hand", also eir Wertpapiere besitzendes breites Publikum, überhaupt nich oder nur in geringem Umsang vorhanden ist. Die „Fluchi aus der Aktie" ist fast restlos vollzogen, Käufer aus der Kreisen der mittleren und kleineren Kapitalbesitzer gib es so gut wie gar nicht mehr, so daß die Börse im Be wußtsein ihrer Schwäche überaus, geradezu mimosen haft empfindlich geworden ist. Besonders im Sinr eines tief ausgeprägten und daher nur schwer ausrott baren Pessimismus, dem es noch obendrein seit langen an einer allzu großen Leichtgläubigkeit nicht fehlt! Dc genügt jede bedenkliche Nachricht, jedes pessimistisch an gehauchte Gerücht, um rein spekulative Baisseaktioner auszulösen, für die es wegen absoluten Fehlens jeder Nachfrage aus dem Publikum keine Gegenbewegung gibt Eine Stützung ist — wenn sie überhaupt erfolgt — voll kommen abhängig von dem Willen und dem Können der Großbanken. Vielleicht ist es übertrieben, enthält aber überwiegend Wahres: An der Börse ist die Spekulation unter sich. Natürlich ist das ein Zustand, der Volkswirt schaftlich größte Bedenken hervorruft, schon seit langem besteht und daher leider auch wenig Hoffnung auf Besse rung zuläßt. Man darf alfo die deutsche Börse heute nur mit einigen recht wesentlichen Vorbehalten als Wirtschafts- barometer bezeichnen, ebenso übrigens, wie man dies hin sichtlich jener Sensationsprozesse etwa über die poli tische Situation in Deutschland sagen kann. Wenn das Tribunal zur Szene wird, dann wird das Echo sehr ofl überlaut. Wir kennen das in Deutschland aus der breiten Flut politischer Prozesse, bei denen sehr schnell immer die Frage der „politischen Zweckmäßigkeit" einc wichtige Nolle spielt und die rechtliche Seite in den Hinter grund treten läßt. Das erleben wir aber nicht nur in Deutschland, sondern auch die jetzt ausgebrochene Kabi nettskrise in Österreich, der Rücktrittder Reg ie rung Schober, ist äußerlich durch einen solchen politisch durchtränkten Prozeß herbeigeführt worden; denn seinc Folge war ein anscheinend unheilbar gewordener Konflik! zwischen Dr. Schober und seinem Parteigenossen, dem Vizekanzler und Heeresminister Vaugoin, und im An schluß daran eine Spaltung des Kabinetts. Natürlich wirkten dabei „u nterirdische" Differenzen über die politische Haltung der Regierung Schober letzten Endes entscheidend mit und werden — über jenes Persönliche hinaus — auch das Aussehen des kommenden Kabinetts wesentlich beeinflussen. Die innenpolitischen Vorkomm nisse haben es aber erreicht, daß Dr. Schober den größten Teil seiner parlamentarischen Gefolgschaft verlor, obwohl er außenpolitisch für sein Land unstreitig ganz ungewöhn lich große Erfolge erzielen konnte in dem nur einjährigen Zeitraum seiner Kanzlerschaft. Aber die Jnncnpoliti! sprach ein rauheres Wort. Was wir in Deutschland ja auch oft genug erlebt haben! Allerdings treibt diese innenpolitische Interessiertheit bisweilen recht sonderbare Blüten, die aber durchaus nichl immer einer reizenden Originalität entbehren. So ha: z. B. die Frage, wie die Massenderneuen Reichs tagsabgeordneten im Sitzungssaal des Wallot baues untergebracht werden sollen, dem Neichstagspräsi denten geradezu einc Flut von Vorschlägen aus „weitester Volkskreisen" eingebracht. Eine von diesen Zuschrifter z. B. behandelt dieses „Problem" so etwa L In gordischer Knoten: die Parteien sollen vereinbaren, daß sie alle nm 50 Prozent ihrer Abgeordneten in den Reichstag entsenden Ganz schön und gut gemeint und das deutsche Volk dürft: in seiner Mehrheit diese Selbstbeschränkung der Parteier mit außerordentlicher Fassung tragen. Bloß weiß mar nicht, wie denn nun diese Halbierung erfolgen soll, wenn die Fraktionsziffer eine — ungerade Zahl ist, sich also nich, halbieren läßt oder höchstens durch eine Exekution ar einem Abgeordneten! Und wie soll die Auswahl derer er folgen, die nun nach Berlin geschickt werden? Da wurde es doch wohl zu recht erheblichen — na, sagen wir: Ausetm andersetzungen in den Parteien kommen, weil man dock schließlich das „M. d. R." nicht bloß auf der Visitenkartc Eine Milliarde RWetkU im WWmhalt Berlin, 26. September. Man erwartet in unter richteten Kreisen, daß am Sonnabend anläßlich der Be kanntgabe des Sanicrungsprogramms der Reichsrcgierung auch genaue Mitteilungen über den zu erwartenden Fehl betrag im Reichshaushalt gemacht werden. Die Ziffern, die zur Zeit in den Kreisen, die der Reichsrcgierung nahe- stchcn, genannt werden, belaufen sich aus etwa 1 Milliarde Mark. Damit wird die Meldung, die noch vor einigen Tagen bestritten wurde, bestätigt. Im einzelnen schätzt man den Fehlbetrag bei der Arbeitslosenversicherung, wie be reits berichtet, auf rund 40V Millionen Mark, währxnd die Mindereinnahmen aus Steuern, Zöllen usw. infolge der Wirtschaftskrise auf 400 bis 500 Millionen Mark beziffert werden. Hinzu treten dann noch mindestens weitere 100 Millionen Mark als Mehraufwcndung für die Krisenfür sorge. Insgesamt glaubt man, daß ein zu deckender Betrag für den Reichshaushalt in Höhe von 600 bis 700 Millionen Mark verbleiben wird, wenn die Erhöhung der Arbeits losenversicherungsbeiträge um 2 v. H. die erhofften Mehr erträge in vollem Umfange erbringt. Da die Reichsregie rung ein weiteres Anziehen der Steuerschraube für wirt schaftlich wie politisch unmöglich hält, bleibt ihr somit kaum etwas anderes übrig, als den Fehlbetrag in seiner Gesamt- höhc von voraussichtlich 600 bis 700 Millionen Mark durch einen kurzfristigen Kredit abzudecken, soweit nicht kassen- technischc Mittel zur Verfügung stehen. Falls ein derartiger Ueberbrückungskredit, der natürlich über das Ende des laufenden Haushaltjahrcs hinaus ausgenommen werden müßie, sich als unvermeidlich erweist, dürfte die Neichsre- gierung, die lex Schacht, die den lausenden Etat mit 450 Millionen Mark belastet, auch im neuen Haushaltsjahr weiter durchführen müssen. Die LehIunMula«en be! der Reichsbahn Die Verhandlungen der Hauptverwaltung mit den Gewerkschaften. Wie die Deutsche Rcichsbahngescllschaft mitteilt, finden zur zeit bei der Hauptverwaltung der Reichsbahn Verhandlungen mit den Gewerkschaften über eine weitere Einschränkung der Arbeit er zahl bei der Reichsbahn statt. Eine Ver minderung der Arbeiterzahl hat sich durch den immer weiter zurückgehenden Verkehr als notwendig erwiesen. Eine Ver wendung der gesetzlich von der Reichsbahn jährlich an die Be amten äusgezahltcn Lcistungszulagcn für Arbciterlohnzweckc, wie cs die Gewerkschaften wünschen, kommt für die Reichs bahnverwaltung nicht in Frage. Diese Leistungszulagen, die mit Rücksicht aus die Finanz lage nur die Hälfte des Betrages ausmachen, der gesetzlich vor gesehen ist, haben sich für eine rationelle Betriebsführung als unentbehrlich erwiesen. Sie kommen der Beamtenschaft zugute, die insgesamt 300000 Köpfe ausmacht. Falsch ist dieBehauptung der Gewerkschaften, daß der größte Teil der Leistungszulageü auf die höheren Beamten entfalle. Richtig sei, daß von den etwa 20 Millionen Mark im Jahre nur 4 Prozent auf die obereu Beamten aller Ncichsbahndirektioncn kommen. „IeüWM hat übergenug bezahlt!" Berlin, 26. September. Zur Lage im Reiche schreibt heute die Baseler Nalionalzeittmg u. a.: Die wichtigste Ursache des Wahlausfalles vom 14. September ist leider gerade in Frank reich übersehen worden: Die durch Fortbestehen des Versailler Vertrages verschärfte Krise der deutschen Wirtschaft. Deutsch land hat nun genug und übergenug bezahlt, in Gold und Waren. Sind etwa die Kriegsschäden auf französischem Boden nicht längst repariert. Davon kann sich jeder überzeugen, der das ehemalige französische Kriegsgebiet besucht. Deutschland fliegt vor Kapital armut, Arbeitslosigkeit und Masscnhunger fast auf, während Frankreich moderne Festungen gegen Deutschland baut. So sieht der Mann aus dem Volke in großen Zügen die Lage. Ist sie falsch gesehen? Wenn nicht, ist Frankreich dann nicht mitschuldig an den Zuständen in Deutschland? haben, sondern dieses stolze Amt auch ausüben und in Sitzungssaal wenn auch nicht gerade ein Pult, so dock einen Sessel „besitzen" will. Oder ein anderer, entschieden geistvoller Vorschlag: Die Volksboten sollen, bis der Reichs tagsumbau fertig ist, in dem großen Berliner Variete „Die Reichshallen" tagen. Das kann hart und lieblos ge meint sein, kann vermuten lassen, daß der Vater dieses Vorschlages den Betrieb im Reichstag mit Varietovorfüh- rungen vergleicht, daß hier wie dort auch die Zuschauer ihi Amüsement haben - aber es kann auch anders gedach sein, ernsthafter und ohne diesen manchmal durchaus nich unberechtigten satirischen Spott: Einst hatte ja neben jener „Reichshallen" der Reichstag sein Heim, ehe er in der stolzen Prunkbau Wallols übergesiedelt ist. Und zwar ohne daß damals das räumliche Nebeneinander voi Reichstag und Singspieltheater zu solch spöttischen Ver gleichen führte. So daß man die Frage beinahe nich unterdrücken kann, woran und an wem es denn liegt, daf heute derartige Parallelen halb ernsthaft, halb humoristisck gezogen werden. Dr. Pr. Der Leidensweg Z,S Millionen Deutscher. Einspruch des Sudetendeutschen Heimatbundes. Der Sudetendeutsche Heimatbund, die Organisation der Heimattreuen Deutschen aus der Tschechoslowakei in Deutschland, erhebt vor der europäischen Öffentlichkeit nachdrücklichst Einspruch gegen die Deutschenverfolgungen in Prag. Diese unerhörten Deutschcnversolgungen und die Haltunc der tschechischen Regierung hierzu beweisen wiederum nur zr deutlich, welchen traurigen Leidensweg das 3,5 Millionen Menschen starke Sudetendeutschtum zu gehen gezwungen ist. Alle reichsdeutschen Kreise und Verbünde ohne Unter schied der parteipolitischen Stellung werden aufgefordert den Kampf der Sudetendeutschen um Recht und Freihei nun umso wärmer zu unterstützen, damit eines Tages das himmelschreiende Unrecht der Unterdrückung von 3,5 Millionen Grenzdeutschen sein Ende findet. Der deutsche Dringttchkeltsantrag zur Memelbeschwerde zugelassev. Genf, 26. September. Der Völkerbundsrat ist zu Sonn abend vormittag einberufen worden, um zu dem Bericht des Iu- ristenausfchusses über den deutschen Dringlichkeitsantrag in der Memelbeschwerde Stellung zu nehmen. Das Gutachten des Iu- ristenausschusses erkennt die Zulässigkeit des deutschen Dringlich- keitsantrages an und lehnt die Einwände der litauischen Regie rung als unbegründet ab. Man erwartet, daß der Völkerbunds rat am Sonnabend noch nicht in die sachlichen Beratungen der Beschwerden eintreten, sondern zunächst einen Berichterstatter ernennen wird, der sodann die üblichen Vermittlungsverhandlun gen zwischen den beiden beteiligten Regierungen zu führen hat. Es verlautet jedoch, daß von litauischer Seite bereits jetzt Ver ¬ suche gemacht werden, sich mit der deutschen Regierung zu ver ständigen, da man offenbar auf litauischer Seite nicht damit ge rechnet hatte, daß die Memelbeschwerde im Völkerbundsrat zur Behandlung gelangen würde. — Der Völkerbundsrat wird in der gleichen Sitzung eine Beschwerde des deutschen Volksbundes in Oberschlesien wegen der Nichtzulassung von 60 Kindern zu den Minderheitsschulen in Oberschlesien verhandeln. Angst vor der Avrüstungslonferenz. Frankreich möchte sich „nicht überstürzen". Genf, 27. September. Um die Einberufung der allgemeinen Abrüstungs konferenz für 1931 sand am Freitag im Abrüstungs ausschuß des Völkerbundes eine scharfe Auseinander setzung statt. Zur Verhandlung stand der Antrag der deut schen Regierung, die Konferenz 1931 einzubsrufen, sowie ein Gegenvorschlag des Berichterstatters, die Konferenz „sobald wie möglich" einzuberufen. Aer französische Un terstaatssekretär Heraud erklärte, die französische Regie rung verlange eine vorsichtige und nicht überstürzte Ent scheidung. General de Marinis, der italienische Vertreter, erklärte: Italien sei für eine möglichst baldige Einbe rufung der Konferenz und bereit, den Rüstungsstand aus einen so niedrig wie möglichen Stand herabzusetzen, wenn sämtliche übrigen Mächte sich den gleichen Bedingungen unterwerfen. , Graf Bernstorff hob hervor, daß bereits vor drei Jahren der Beschluß gefaßt wnoen sei, die Allgemeine Konserenz „sobald wie möglich" cinzuberusen, ohne daß jedoch diese Einberufung bisher erfolgt sei. Es wäre untragbar, heute von neuem eine derart unklare Ent schließung zu fassen, an deren Ernsthaftigkeit kein Mensch mehr glaube. Der Vorschlag Deutschlands, die Konferenz zu 1931 cinzuberusen, wurde gegen die Stimmen von Italien, Deutschland, Ungarn, Oesterreich, Holland, Dänemark, Schweden nnd China abgelehnt. Die Kommission nahm dann einstimmig eine Kompromißentschließung an, nach der der Wunsch an den Völkerbundsrat ausgesprochen wird, die Konferenz für 1931 einzuberusen. Der Völker bundsrat hat nunmehr freie Hand, die Konferenz 1931 einzuberusen — oder auch nicht. AM ES? Koma/// „Vas Se-e/E/s r/w M/a"