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Zum hundertjährigen Jubiläum des Hafens von Bremerhaven, der am 30. September 1830 eröffnet wurde und in den hundert Jahren seines Bestehens sich zum zweitwichtigsten Hafen Deutsch ¬ lands und zu einem der bedeutendsten Häfen der Welt überhaupt entwickelt hat. Bild links: Bremerhavens Hafenanlagen einst nach einem Bilde aus dem Jahre 1840. — Bild rechts: Jetzt. 2m Vordergründe die mustergültige Anlage des Columbuskais mit einem der Riesendampfer des Norddeutschen Lloyd. Ein Pflanzer verlekwanä in cler Alilänis. Der Wirklichkeit nacherzählt von G. W. Brandstetter. Drei Männer saßen an Deck des kleinen Regierungs dampfers, der von Australien nach den Häfen der ehemaligen deutschen Kolonie Kaiser-Wilhelm-Land fuhr. Der eine war der Distriktsvorsteher Smithers, der andere der Polizeimeister Roberts, und der Dritte hatte sich den beiden als Mister Blackwell vorgestellt, ein Sammler, der die Südsee bereiste, um Erzeugnisse eingeborener Kunst zu kaufen. An Steuerbord tauchte eine Insel auf. „Dort drüben auf Rossel Island", deutete der Distriktsvorsteher nach dem Strand, „erlebte ich ein Abenteuer. 1915 kamen wir aus einem Motorschoner von Sydney herauf. Da sahen wir auf dem Sand ein gestrandetes Fahrzeug liegen, eine chinesische Dschunke. Unser Kapitän schüttelte den Kopf: ,Dort muß etwas nicht in Ordnung sein!' Er war einverstanden, als ich ihm vorschlug, ich wollte mit dem Steuermann im Bei boot hinüberfahren und die Dschunke untersuchen. Drüben fanden wir in einem Käfig zwei dicke Chinesen. Dann entdeckten wir in einem Verschlag zwei gefesselte Mäd chen, die ich für Eingeborene von den Karolinen hielt. Wir kamen mit ihnen gerade noch rechtzeitig an Deck, um unsere vier Findlinge Hals über Kopf ins Boot zu stopfen und vor einer Melanesierflottille Reißaus zu nehmen. An Bord unseres Schoners erfuhren wir die Erlebnisse der Chinesen. Auf einer Fahrt nach der Südsee harren die fünfzehn Gelben, die ursprünglich die Besatzung der Dschunke bildeten, die bei den Mädchen auf einer Karolineninsel geraubt. Dann war ihr Schiff vor Rossel Island aus ein Äiff gelaufen und ge strandet. Die Insulaner fielen über die Chinesen her und .schlachteten fünf zum Festmahl. Die anderen wurden paar weise an Bord der Dschunke eingesperrt und regelrecht ge mästet. Alle vierzehn Tage kostete ein Kannibalenfest zwei Chinesen das Leben. Die beiden Mädchen, die sogar nach europäischen Begriffen als Schönheiten gelten konnten, waren allem Anschein nach als Leckerbissen aufbewahrt worden. Das ältere fiel mir besonders auf, denn es trug einen merk würdigen Halsschmuck, eine Kette aus Perlmuschelschalen, in die grüne Käferflügel eingelassen waren. In Rabaul mußten wir uns leider von den bald wieder vergnügt gewordenen Mädchen trennen und sie der dortigen Mission übergeben. Das ältere soll einen deutschen Pflanzer geheiratet haben." Der Polizeimeister hatte bei Erwähnung der Käfer flügelkette aufgehorcht. „Welch' ein Zufall", sagte er, als der Distriktsvorsteyer endete, „ich kann Ihnen die Fortsetzung zu dieser Geschichte erzählen. Ich kannte in Morobe auf Kaiser-Wilhelm-Land eine Karolinierin, die trug den von Ihnen beschriebenen einzigartigen Schmuck. Sie muß also mit dem älteren Ihrer beiden Mädchen von Rossel Island identisch gewesen sein, umsomehr, als sie mit einem deutschen Pflanzer namens Schneider verheiratet war. Der Mann hatte insofern eine gewisse Berühmtheit erlangt, als er einer schweren Schädelverletzung wegen eine silberne Platte über der Stirne trug. 1916 oder 1917 nahmen ihm die australi schen Behörden seine mustergültige Palmenpflanzung weg. Er trug den Schlag mit stoischer Ruhe und wurde Ange stellter einer Missionsgesellschaft. Die Frau dagegen haßte uns Engländer des Verlustes wegen. Mein Vorgänger wurde davon unterrichtet, daß sie mit einem der unruhigsten Stämme in Verbindung stand und diesen zum Aufruhr reizen wollte. Deshalb ließ er Schneider rufen und bat ihn, seine Frau zu verwarnen. Am nächsten Tage wurde der altersschwache Geldschrank der Distriktsverwaltung erbrochen und um 500 Pfund in Fünf- und Zehnpfundnoten beraubt. Der Ver dacht lenkte sich unwillkürlich auf Schneider. Sein Haus wurde durchsucht, freilich vergeblich. Doch ein Paar Tage später verschwand er, und die meisten glaubten, er habe seinen Raub in Sicherheit gebracht. Gewissermaßen zur Be stätigung dieser Ansicht revoltierte kurz darauf — nach einer neuerlichen Haussuchung in Schneiders Bungalow — der Stamm, mit dem die Karolinierin in Verbindung gestanden hatte. Ich löste damals gerade meinen Vorgänger ab und unterdrückte nun die Unruhen. Hierbei fiel meinen Leuten ein Fetisch in die Hand, ein eigenartiges Ding. Es stellte ein anderthalb Meter hohes Fabelwesen dar und bestand aus einem Holzgerippe, das mit Ton überzogen war. Als Kopf diente eine tönerne Ebermaske, die teils zur Erhöhung des grauenhaften Eindruckes, teils des besseren Haltes wegen über einen echten Totenschädel gestülpt war. Als ich letzteren betrachtete, erkannte ich, daß die Schädelhäut präpariert war und noch blonde Haare trug, von denen ein paar unter dem Ton hervorsahen. Ich verkaufte den Fetisch bald danach an eine australische Handlung. Er ging auf dem gleichen Schiff nach Sydney, auf dem Schneiders Frau dorthin reiste, um bei Verwandten ihres verschollenen Mannes zu leben." Dem Distriktsvorsteher war aufgefallen, daß Mister Blackwell, der Sammler, kaum warten zu können schien, bis der Polizeimeister seinen Bericht geendet hatte. „Wie merk würdig", rief Blackwell dann. „Wir drei kannten uns bisher nicht, und nun erzählen Sie, Mister Smithers, den Anfang eirwr Geschichte, die unser Polizeimeister fortsetzte und die ich nun beenden kann. Einen Augenblick bitte." Er sprang erregt auf und kam nach wenigen Augenblicken mit einer Tasche zurück: „Ich bin eigens beauftragt worden, das Ge heimnis zu lüften, das über diesem Gegenstände hier lag. Nun kenne ich es, dank der Schlüsse, die ich aus Ihren Be richten ziehen konnte." Er öffnete die Tasche. Ein Toten schädel lag darin. An der präparierten Kopfhaut hafteten noch blonde Haare, und über der Stirn wurde eine silberne Platte sichtbar. Der Polizeimeister fuhr auf: „Das ist ja der Schädel aus meinem Fetisch!" — „Ja", antwortete Blackwell. „Ich kam nach Sydney, nachdem das Götzenbild ein Paar Wochen vorher eingetroffen war. ,Sie fahren demnächst nach Mo robe', sagte der Händler zu mir. ,Sehen Sie zu, ob Sie das Rätsel lösen können.' Dann erzählte er mir, was sich ein paar Tage vorher ereignet hatte. Eine junge Frau, allem Anschein nach Karolinierin, war mit einem Schreiben zu ihm gekommen, in welchem stand, die Ueberbringerin, Frau Schneider, kenne die Sitten des Stammes, von dem der Fetisch herrühre, und sei in der Lage, Aufschlüsse zu erteilen. Der Händler führte die Frau in den Raum, wo der Fetisch stand. Er wollte sich gerade mit ihr in ein Gespräch ein lassen, als er dringend gerufen wurde. Er entschuldigte sich für einen Augenblick. Als er zurück kam, lag fein Besuch ohnmächtig auf dem Boden, neben der Frau der aus dem Fetisch stammende Totenschädel. Zwischen Nacken und Unter- Üefer quoll ein Bündel Fünf- und Zehnpfundnoten hervor. Frau Schneider kam langsam zu sich. Doch sie hatte den Verstand verloren und wurde in eine Anstalt gebracht. Nun aber genügen mir Ihre Erzählungen, meine Herren, uni das Rätsel zu lösen. Zweifellos hat Schneiders Frau den Geldschrank bestohlen. Bei der Haussuchung vergaß man, sich um sie zu kümmern. Kurz darauf ging Schneider zu dem Stamm, mit dem seine Frau in Verbindung stand, um diesen zur Einstellung der Feindseligkeiten zu veranlassen. Statt dessen wurde er erschlagen und sein Schädel zum Fe tischbauen benutzt. Die drohende zweite Haussuchung ver anlaßte Schneiders Witwe, die nichts von seinem Tode ahnte, ein Versteck für das gestohlene Geld zu suchen. Sie glaubte, die Banknoten bei dem Stamme, der ihr nahe stand, am sichersten aufgehoben, und versteckte sie im Totenschädel des eben vollendeten Fetisches. Als Sie, Polizeimeister, den Götzen erbeuteten und verkauften, reiste die Frau nach Australien, weil sie eine Gelegenheit zu finden hoffte, um das Geld wieder an sich zu bringen. Die Gelegenheit bot sich ihr dank eines gefälschten Empfchlungssckireibens wirklich. aber dann ritz sie in ihrer begreiflichen Aufregung zu stark an den Banknoten, und der Schädel fiel ihr 4n die Hand. Da erkannte sie den Kopf ihres Mannes. Dies war die merkwürdige Verkettung dreier Erlebnisse, von denen der Eingeborenenkommissar John E. H. Nolan er fuhr, als er auf der Fahrt von Australien nach Neuguinea den Distriktsoffizier Smiichers fragte: „Wie heißt die Insel dort?" — „Rossel Island." Volkes Ltimme. Groteske von Gustav Herrmann. Im neuen „Exzelsior-Cafs" zu X. spielte sich jüngst eine unerhörte Szene ab. Durch die große Drehtür wirbelte mit seltsamem Gebaren ein unstet blickender, glattrasierter Mann. Er mochte an die Vierzig sein und war lässig, aber mit einem gewissen künstlerischen Geschmack gekleidet. An seine Fersen geheftet, jede seiner Gesten wiederholend, so daß er fast einem Spiegelbilde glich, ein zweiter, etwa gleichaltriger, auch im Anzuge wenig unterschiedener Herr. Der erste begab sich an einen Tisch, murmelte unverständliche Worte und nahm dem friedlichen Tarockspieler die brennende Zigarette aus dem Munde. Der andere folgte dessen Partner gegenüber bis aufs kleinste, bis auf die grunzenden Laute wohliger Befriedigung beim Einatmen des blauen Rauches, dem Beispiel seines Vor gängers. Die beiden so herausgeforderten Herren sprangen empört auf, die sonderbaren Eindringlinge flohen hinter eine der großen Porphyrsäulen, um von dort aus wie zwei gereizte Affen ihre Verfolger anzufletschen. Aller Gäste bemächtigte sich eine ungeheure Aufregung, man schrie nach der Feuerwehr und dem Ueberfall-Kom- mando; gegen panikartige Flucht deckten die Zählkellner sämt liche Ausgangstüren mit ihren Leibern. Da erhob sich hinter einem Berge von Zeitungen der all wissende Berichterstatter des „Beobachters", wiegelte ab und gah befreiende Aufklärung: Der berühmte Kinoschauspieler und Regisseur Reklamowsky habe demnächst einen Verrückten zu spielen und sei auf den genialen Gedanken gekommen, sich einen richtiggehenden Irrsinnigen zu mieten, dessen Benehmen er ebenso gründlich studiere und nachahme, wie er gleich zeitig — für die zu drehenden Massenszenen — die Wirkung solchen Gebarens auf die Menge beobachte. Seit einigen Tagen bereits mache das „Künstlerpaar" die bevölkerten Gasthäuser und Unterhaltungsstätten unsicher, ohne immer zu so glän zenden Erfolgen zu gelangen wie hier. Gestern vormittag zum Beispiel in der „Matinee der Jüngsten" seien die beiden Herr schaften trotz scharfen Spieles gar nicht aufgefallen. Zwar löste sich auf diese Worte der bedrückende Bann in Heiterkeit auf, immerhin waren einige der Kaffeehausbesucher unzeitgemäß genug, zu behaupten, ein Verrückter gehöre nicht in die Oeffentlichkeit. Sie telephonierten an die nächste Sa nitätswache, der mit Händen und Füßen sich verzweifelnd wehrende Wahnsinnige wurde gebändigt und befand sich als bald auf dem Wege in die Landes-Irrenanstalt. Obwohl man ihm zn verstehen gab, daß sein Verhalten grobem Unfug sehr nahe komme, lud man doch aus begreif licher Kinobegeisterung den zurückgebliebenen Filmregisseur auf einen Mokka mit Schlagobers nebst einem Gläschen Kog nak ein — zur Herzensstärkung nach ausgestandener Auf regung. Der also Geehrte nahm gutmütig lächelnd Platz und schlürfte behaglich seinen Kaffee, nippte manierlich am Spitz glase und benahm sich in allem dermaßen nett, daß man sich zutuschelte: Eigentlich wäre es unbegreiflich, wie ein so takt voller Herr hätte auf solch abgeschmackte Idee kommen können Leider wurde das Idyll jäh unterbrochen. Wie sich mittlerweile herausgestellt hatte, war in der Hitze des Gefechts der Verkehrte abtransportiert worden. Der Herr, mit dem man gemütlich beisammen saß, war der echte Verrückte. Und es lagen keine Rechtsmöglichkeiten vor, ihn dem auf seinem Vertrage bestehenden Mieter noch weiterhin vorzuenthalten. Zur Jubelfeier der Berliner Museen, die die Feier des hundert jährigen Bestehens des Alten Museums mit dem Festakt der Er öffnung der neuen Museumsbauten am 1. u. 2. Oktober vereinigt. Bild links: Das Alte Museum, das — als erstes Museum der Residenz von Schinkel erbaut — am 3. August 1830 eröffnet wurde und Kunstwerke aus dem griechischen und römischen Alter tum enthält. — Bild rechts: Die Neubauten auf der Museums- insel, links bas Deutsche Museum, das die Schätze des deutschen Mittelalters enthält —> rechts das Vorderasiatische Museum — in der Mitte zwischen beiden das Pergamon-Museum, in dem antike Kunstwerke, namentlich der Pergamonaltar, Aufstellung ge funden haben.