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Tagesspruch. Wer da fährt nach großem Ziel, lern am Steuer ruhig sitzen, unbekümmert, wenn am Kiel Lob und Tadel hoch auffpritzen. L. Geibel. Sächsische Wahlergebnisse m den Vorfahren. Um unseren Lesern eine Uebersicht über die von den einzelnen Parteien bei den vergangenen Reichstagswahlen erzielten Gewinne oder Verluste und damit eine Vergleichs möglichkeit mit den Ergebnissen der jetzigen Wahl zu geben, bringen wir in Nachstehendem eine Aufstellung, der bei den Reichstagswahlen vom 6. 6. 1920, 4. 5. 1924. 7.12. 1924, 20. 5. 1928 und bei der Landtagswahl vom 22. 6. 1930 erzielten Stimmen und Mandate. Die Zahlen bedeuten 1.: Reichstagswahl 6. Juni 1920, 2.: 4. Mai 1924, 3.: 7. Dezember 1924, 4.: 20. Mai 1928, 5.: Landtagswahl 22. Juni 1930. Die Mandate sind in Klammern beigesügt. Wahlkreis Trcsdcn-Bantzcn: SPD. 1. 240 977 (4), 2. 334 615 (6), 3. 371560 (»), 4. 400 502 (7), 5. 329 212. Deutschnationale: 1. 149 843 (2), 2. 225 218 (4), 3. 234 086 (4), 4. 117 991 (2), 5. 53163. Zentrum: 1. 14580 (—), 2. 11782 l—), 3. 15338 (—), 4. 13 984. Kommunisten: 1. 10 307 (—), 2. 80 925 (1), 3. 64 669 (1), 4. 105 877 (2), 5. 101990. D. Volkspartei: 1. 172033, (3), 2. 126 274 (2), 3. 146 468 (2), 4. 112150 (2), 5. 85 356. Demokraten: (jetzt Staatspartei): 1. 96 022 (1), 2. 92139 (1), 3. 80 328 (1), 4. 62 657 (1), 5. 68 986. Wirtschaitspartei: 1. —, 2. — 3. 38523 (1), 4. 80 624 (1), 5. 106125. NSDAP.: 1. -, 2. 43 812 (—), 3. 15153 (—), 4. 18 245 (—), 5. 105 099. Deutsches Landvolk: 1. bis 3. —, 4. 1421 (—1. Volksrechtpartei: 1. bis 3. —, 4. 15 361 (—), 5. 6653. Deutsche Bauernpartei: 1. bis 3. —, 4. 1234 (—). Sachs. Landvolk: 1. bis 3. —, 4. 61915 (1), 5. 54 248. Christl.-Soz. Volksdienst: 1. bis 4. —, 5. 13918. Unabh. Soz.: 1. 188 406 (3), 2. 7241 (—), 3. 3285 (-), 4. 1269 (-). Wahlkreis Leipzig: SPD.: 1. 57 749 (1), 2. 211834 (3), 3. 258 707 (4), 4. 278 921 (4), 5. 257 503. Deutschnationale: 1. 107 928 (2), 2. 126 058 (2), 3. 133 684 (2), 4. 49 792 (1), 5. 28 057. Zentrum: 1. 2516 (—), 2. 3320 (—), 3. 4886 (—), 4. 4411 (—); Kommunisten: 1. 12 759 (—), 2. 109 646 (2), 3. 90 840 (1), 4. 121329 (2), 5. 112 579. D. Volkspartei: 1. 132 629 (2), 2. 115 936 (2), 3. 134 720 (2), 4. 98119 (1), 5. 87 961. Demokraten (jetzt Staatspartei): 1. 53 390 (1), 2. 50 420 (1), 3. 56192 (1), 4. 45 232 (1). 5. 30 291. Wirtschaftspartei: 1. bis 2. —, 3. 17 841, (—), 4. 53 047 (1), 5. 67113. NSDAP.: 1. —, 2. 55 317 (1), 3. 13 212 (—), 4. 14 6 01 (—), 5. 78 551. Deutsches Landvolk: 1. bis 3. —, 4. 3253 (—-). Volksrechtpartei: 1. bis 3. —, 4. 31255 (—), 5. 21115. Sächs. Landvolk: 1. bis 3. —, 4. -39163 (1), 5. 36 402. Christl.-Soz. Bolksd.: 1. bis 4. —, 5. 7133. Unabh. Soz.: 1. 267 520 (4), 2. 11676 (—), 3. 6098 (—), 4. 1684 (—). Wahlkreis Chemnitz-Zwickau: SPD.: 1. 283 052 (4), 2. 251335 (4), 3. 305 939 (5), 4. 319 998 (5), 5. 281296. Deutschnationale. 1. 155 685 (2), 2. 159 907 (2), 3. 179194 (3), 4. 86 705 (1), L. 45410. Zentrum: 1. 2465 (—), 2. 3672 (—), 3. 5669 (—), 4. 5124 (—). Kommunisten: 1. 82 044 (1), 2. 182 532 (3), 3. 138 949 (2), 4. 154 362 (2), 5. 141991. D. Volkspartei: 1. 143 600 (2), 2. 109 421 (1), 3. 128 538 (2), 4. 105 748 (2), 5. 53 958. Demokraten (jetzt Staatspartei): 1. 68 965 (1), 2. 58 283 (1), 3. 55 513 (1), 4. 34 956 (—), 5. 24 623. Wirtschaftspartei: 1. bis 2. —, 3. 67 829 (1), 4. 98381 (1), 5. 102303. NSDAP.: 1. —, 2. 70 717 (1), 3. 39 338 (1), 4. 41 497 (1), 5. 192 133. Deutsches Landv.: 1. bis 3. —, 4. 13 227 (—). Volksrechtp.: 1. bis 3. -, 4.40 929 (1), 5. 16217. Deutsche Bauernp.: 1. —, 2. 72 826 (1), 3. bis 5. —. Sächs. Landv.: 1. bis 3. -, 4. 26 497 (-),5.28 936 Christl.-Soz. Bolksd.: 1. bis 4. —, 5. 36322. Unabh. Soz.: 1. 153 558 (3), 2. —, 3. 2049 (-). 200 Jahre Eisenbahn. Eröffnung der ersten mit Lokomotiven betriebenen Strecke Der 15. September dieses Jahres ist der hundertste Geburtstag der Eisenbahn. Am 15. September1830 fuhr auf der Strecke Liverpool—Manchester der erste von einer Dampflokomotive gezogene Eisenbahnzug, der wirk lich dem Verkehr diente. Die Spurbahnen, aus denen die jetzigen Eisenbahnen hervorgegangen sind, waren die Holzbahnen, auf denen bei Bergwerken mit Rädern versehene Kasten, sogenannte Hunde, beladen zu Tal rollten, während sie zu Berg von Pferden gezogen oder von Menschen geschoben wurden. Derartige Holzbahnen waren bei den Bergwerken im Harz seit Jahrhunderten im Gebrauch, und deutsche Bergleute sollen sie zur Zeit der Königin Elisabeth nach England ge bracht haben. 1767 veranlaßte der Niedergang der Eisen preise in England einen Eisenwerkbesitzer zu dem Vor schläge, an Stelle der unablässig zerstörten hölzernen Lang schwellen Eisenplatten in die Spurbahnen zu legen. Bei etwaigem Steigen der Eisenpreise sollten dann die Platten wieder herausgenommen und anderweitig verwendet werden. Der Gebrauch der eisernen Schwellen an Stelle der hölzernen erschien aber so vorteilhaft, daß auch nach der Preissteigerung die eiserne Spurstraße belassen wurde. Die weiteren Verbesserungen der Spurbahnen führten zu der'Anwendung von besonders geformten gegossenen Schienen an Stelle der zuerst verwendeten Eisenblöcke. Als bewegende Kraft für die Fortschaffung der Lasten auf diesen Spurbahnen wurden zuerst hauptsächlich Pferde verwendet. Der erste Versuch, Kohlenwagen auf Spur bahnen mittels einer durch Dampf getriebenen, auf Rädern beweglichen Maschine fortzuziehen, wurde 1804 von Richard Trevethick auf einer Bahn in Südwales gemacht. Auch in Deutschland sind derartige Maschinen schon Anfang des 19. Jahrhunderts gebaut worden Trotz der Erfindung Trevethicks dauerte es aOer i"ch längere Die erste Bahn Liverpool—Manchester. Zeit, bis die Lokomotive — der Name kommt 1825 zum erstenmal vor — zur Beförderung auf Eisenbahnen Ein gang fand. Man glaubte allgemein, daß die Reibung der glatten Räder aus den Schienen nicht ausreichen würde, Steigungen zu überwinden und große Lasten zu ziehen. Erst 1814 ließ Georg Stephenson, der 1781 als Sohn eines Grubenarbeiters geboren wurde und erst mit 18 Jahren lesen und schreiben gelernt hatte, Versuche mit Maschinen auf glatten Nädern anstellen und befuhr mit Erfolg die Grubengleise bei Newcastle. Es ist aber durchaus falsch, wenn man Stephenson als den Erfinderder Lokomotive bezeichnet. Mit einer von ihm erbauten Maschine wurde auf der Stockton-Dar- lingwu-Bahn am 27. September 1825 der erste mit Per sonen besetzte Wagenzug, der aus 12 Kohlenwagen und 22 Personenwagen bestand, mit einer Geschwindigkeit von sechs englischen Meilen — ungefähr zehn Kilometer — in der Stunde befördert. Die erste Lokomotive im heutigen Sinne war die mit einem Schornstein (Blasrohr) und mit einem Röhrenkessel versehene Maschine „The Rocket", mit der Stephenson am 6. Oktober 1829 bei einer von der Liverpool - Manchester - Bahngesellschaft ausgeschriebenen Wettfahrt den Preis davontrug. Am 15. September 1830 wurde dann die Liverpool-Manchester-Bahn dem Verkehr übergeben, und Stephenson selbst führte mit der nach dem Vorbild der „Rocket" gebauten „Northumbrian" den „Festzug". Zehn Jahre später waren schon die Haupt städte Englands untereinander sämtlich durch Eisenbahnen verbunden wie denn überhaupt die Ausbreitung der Eisenbahnen seit dieser Zeit sehr schnell vor sich ging. Auf dem europäischen Festlande wurde die erste Lokomotivbahn iit Belgien, auf der Strecke Brüssel—Mccheln, eröffnet. Ein paar Monate später, am 7. Dezember 1835, wurde die erste Lokomotivbahn in Deutschland von Nürn- bergnach Fürth dem Verkehr übergeben. Der Schöpfer des heutigen Mexikos. Zum 100. Geburtstag von Porfirio Diaz. Mexiko feiert am 15. Sepren^er den 100. Geburtstag des im Jahre 1915 verstorbenen großen Staatsmannes Porfirio Diaz, den man mit Recht den Schöpfer des heu tigen Mexikos genannt hat. Zur Zeit des Regierungs antrittes dieses „ewigen" Präsidenten des Landes hatte Mexiko bei andern Nationen so wenig Ansehen und Achtung wie nur selten ein Staat. Stetig, beharrlich, aus eigener Kraft hat es sich dann emporgearbeitet, nicht durch fremde Hilfe, sondern einzig und allein durch das Ver dienst von Diaz, der der Stolz des Landes war. Am 15. September 1830 zu Oaxaca geboren, nahm Diaz als Siebzehnjähriger an dem Kriege gegen die Ver einigten Staaten teil und schloß sich 1854 dem Aufstande gegen den Präsidenten Santa Anna an. 1864 trat er dem unglücklichen Kaiser Maximilian, den sein Ehrgeiz' und das Zureden Napoleons lll. in das mexikanische Abenteuer gelockt hatten, als einer seiner entschiedensten Feinde ent gegen. Diaz erstürmte die Stadt Puebla und belagerte dann zwei Monate lang die Hauptstadt Mexiko, bis sic sich auf die Nachricht Pon der Erschießung Maximilians er gab. In den siebziger Jahren stand Diaz an der Spitze mehrerer Militärausstände und zog am 23. November 1876 mit einer siegreichen Revolutionsarmee in die Haupt stadt ein. Im Februar 1877 wurde er zum erstenmal zum Als Licht in meine Augen kam Roman von Marie Blank-Eismann. 40. Fortsetzqrm Nachdruck verboten „Verabschiedet?" „Ja, denken Sie sich, Frau Renate, er erhielt heute mor gen ein dringendes Telegramm von der Intendantur des Schauspielhauses und mußte bereits mit dem Mittagszug abreisen, da eine Aenderung des Spielplans sich notwen dig macht und Prüsmann schon in der ersten Vorstellung beschäftigt ist, zu der morgen vormittag die Proben be ginnen." Renate umkrampfte mit beiden Händen die Lehnen des Stuhles. Sie fühlte ein Flimmern vor ihren Augen. Müh sam schluckte sie die immer wieder aufsteigenden Tränen hin unter, „Er läßt Sie vielmals grüßen, Frau Renate," erzählte die Gräfin weiter. „Er hofft Sie bald in Berlin wieder zusehen. Schade, daß wir so rasch den angenehmen Gesell schafter verlieren mußten." Renate schien es, als hätte sich der Himmel mit einem Male mit dichten, schwarzen Wolken verdunkelt. Sie Hütte aufspringen und davonlaufen mögen, irgend wohin, wo keine Menschen waren, um ihren Schmerz hin auszuschreien, ihren Tränen freien Lauf zu lassen. Aber sie mußte sich zwingen, still neben der Gräfin sitzen zu bleiben und auf ihre Fragen zu antworten, während ihre Gedanken immer nur um einen Punkt kreisten. Täglich sollte sie an die Vorgänge der Nacht erinnert werden. Sie würde stets, wenn sie an dem Spielzimmer vorüber kam, die verzerrten, leidenschaftlichen Gesichter der Spieler fehen und jene entsetzlichen Minuten immer wieder aufs neue erleben. Konnte sie das aushalten? Warum war er nicht mehr hier, um mit seiner weichen, einschmeichelnden Stimme, mit seinen stürmischen Liebkosun gen die Gespenster der Nacht zu verjagen? Aber er würde schreiben, gewiß, er mußte schreiben und sie um Verzeihung bitten, weil er sie vernachlässigt hatte! Dieser Gedanke gab ihr Trost. Und täglich wartete sie mit fiebernder Ungeduld auf eine Nachricht von ihm. Endlich nach acht Tagen hielt sie einen Brief von ihm in der Hand. Wie gejagt eilte sie nach ihrem Zimmer. Sie wollte allein sein. Ihre Hände zitterten, als sie das Schreiben öffnete. Sie zog eine breite Leinenkarte heraus und las: Mein Liebling! Erst heute komme ich dazu, Dir zu schreiben. Ich bin durch Proben furchtbar in Anspruch genommen. „Don Carlos" ist in Vorbereitung, ich spiele natürlich den Car los, so daß Du mich bald in einer meiner besten Rollen bewundern kannst. Wenn nur die wahnsinnige Hitze nicht wäre, sie macht einen ganz elend. Hoffentlich ist Dein Kopfweh, das Du Dir sicher von der vielen Tanzerei am Geburtstag der Gräfin geholt hast, bald vergangen und fühlst Dich wieder ganz wohl. Genieße nur die schönen Tage in Hohenthal noch in vollen Zügen und denke manch mal an mich, der bereits wieder fest eingespannt worden ist und sich nach dem Wiedersehen mit Dir und Deinen Küssen sehnt. In Liebe! Dein Claus." Immer wieder las Renate diese Zeilen. War das der heißersehnte Liebesbrief? Mit keinem Wort erwähnte er die Vorgänge des verhäng nisvollen Abends. Kühl und gleichgültig war das Schrei ben. Was war nur geschehen? Oder war Claus nie anders gewesen und sie sah ihn nur mit anderen Augen, weil das Bild am Spieltisch, sein zorniges Gesicht, die harten brutalen Züge und dis bar schen abweisenden Worte sich unauslöschlich in ihr Gedächtnis gegraben hatten? Nein, nein, es mußte ja alles wieder gut werden! Sie liebte ihn doch! Und in seltsamer Unruhe zählte sie die Tage bis zur Abreise, die dann endlich doch ein Wiedersehen bringen mußte. Wie im Fieber lebte sie dahin, immer von der Angst gefoltert, das gräfliche Paar könnte die Abreise noch län ger verzögern, da die Herbsttage so selten schön und mild waren. Aber endlich wurden die Koffer gepackt. Renate atmete auf. Nun mußte ja endlich Erlösung von allen Zweifeln kommen! Die Liebe würde Siegerin sein! Vielleicht lachte sie Claus aus, weil sie den Vorfall im Spielzimmer so tragisch genommen hatte! Ach, wenn sie nur schon bei ihm wäre! Befreit von allen quälenden, folternden Gedanken, die ihr so viele schlaflose Nächte gebracht hatten. Und von frohen Erwartungen erfüllt, trat sie mit dem gräflichen Paar an einem wundervollen Herbstmorgen, der alle Schönheiten Hohenthals noch einmal im strahlenden Licht der goldenen Herbstsonne zeigte, die Heimreise nach Berlin an. 16. Kapitel. Schloß Lichtenfels, den 11. Oktober. Liebes Doktorchen, geliebtes, zukünftiges Onkelchen! Ja, ja, Du hast schon richtig gelesen und brauchst nicht erst wieder Deine Brillengläser zu putzen, was Du so gerne tust, wenn Dir etwas Ungewöhnliches vorkommt. Die Tat sache bleibt bestehen! Wenn der Frühling wieder in die Lande kommt, werde ich ein kleines, warmes Menschenkind in meinen Armen halten. Mein Eigenes! (Fortsetzung folgt.)