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Wilsdruffer Tageblatt : 02.10.1930
- Erscheinungsdatum
- 1930-10-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-193010023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19301002
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19301002
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1930
-
Monat
1930-10
- Tag 1930-10-02
-
Monat
1930-10
-
Jahr
1930
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 02.10.1930
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gewannen yave. Das spure man ln ven lungeren Schichten des Ossizierkorps. Der Verteidiger schloß mit der Erklärung, daß nichts anderes übrigbleibe, als den Gedanken an ein hoch oerräterisches Unternehmen der Angeklagten fallen zu lassen and aufsteigen zu lassen die Ehre des deutschen Soldaten. Rechtsanwalt Kamecke nimm! als zweiter Verteidiger das Wort. Der Angeklagte Ludin sei mit voller Begeisterung ins Heer eingetreten, die aber angesichts des mangelnden Schutzes der Offizlersehre durch die Regierung immer mehr erkaltet sei. Der Geiß, der in der Regierung zur Zeit der Tai geherrscht habe, sei gerade entgegengesetzt dem, was die Reichswehr eigentlich tun müsse, nämlich den Wehrgcist zu schassen und zu erhalten. Die Angeklagten hätten daraus hinwirken wollen, daß der Offizier wieder wie vor dem Kriege als Führer im Volk angesehen werde. Das Ltrteil gegen den Oberbürgermeister Böß. Geldstrafe in Höhe eines Monatsgehalts. Das Disziplinargericht in Berlin als Bcrufnngs instanz fällte gegen den Berliner Oberbürgermeister Bös folgendes Urteil: „Unter Aufhebung des Urteils erste, Instanz wird Oberbürgermeister Böß in eine Disziplinar strafe in Höhe eines Monatsgehaltes genommen." In der Begründung des Urteils "wird gesagt, daß dci Oberbürgermeister sein Amt korrekt geführt habe, daß ihm jedoch in der Angelegenheit des von den Sklareks geliefer ten Pelzes seiner Frau ein schwerer Vorwurf zu machen sei. Es verlautet, das; der Oberbürgermeister nunmehr ein Urlaubsgesuch einreichen und während der Urlaubszeit um seine Pensionierung einkommen werde. An eine Rückkehr des Oberbürgermeisters in sein Amt wird von Zeiner Seite mehr gedacht. Oie Sonderfonds des Oberbürgermeisters Döß. Wie die Wohlsahrtsgelder verwendet wurden. Der Untersuchungsausschuß des Preußischen Landtages jur Prüfung der Mißwirtschaft in der Berliner Stadtverwal tung begann mit der Zeugenvernehmung über die Sonder fonds des Oberbürgermeisters Böß. Der frühere Bureaudirektor des Oberbürgermeisters, Magistratsdircktor i. R. Schultze, bekundete, daß aus den Fonds, die für Wohlfahrtszwecke bestimmt gewesen seien, nicht nur Arme, sondern auch Künstler, Schriftsteller usw. unterstützt wurden. Kleinere Beträge seien einfach durch Einschreibebrief geschickt worden. Böß habe ost aus seinen eigenen Mitteln kleine Unterstützungen gezahlt und sich dann das Geld zurückgeben lassen. Seiner, des Zeugen, Meinung nach sei der Oberbürger meister nicht verpflichtet gewesen, bis ins einzelne über die Gelder, die ihm zur freien Verfügung überlassen worden seien, Rechenschaft abzulegen. Aus die Frage des Berichterstatters Könnecke, wie die Staatsregierung zu der Auffassung des Oberbürgermeisters stehe, daß er über die Wohlfahrtsfonds leine Rechenschaft habe ablegen müssen, erwiderte Oberregierungsrat von Stein (Oberpräsident), Böß habe Uber die städtischen Fonds Verfügungsberechtigung gehabt und sei nicht zur Rechnungslegung verpflichtet gewesen. Auf die weitere Frage, ob die Regierung es billige, daß der Oberbürgermeister in einer Vollmacht das Versügungsrecht über die Fonds für sich und seine Erben festgelegt habe, antwortete Oberrcgicrungsrat von Stein, der Oberbürgermeister hätte besser geschrieben, daß die Verfügungsgewalt ihm und seinen Nachfolgern zustehe. In der nächsten Sitzung des Untersuchungsausschusses soll der Oberbürgermeister selbst gehört werden. Die Welssnschahaussiellung. Das Kuppelreliquiar Heinrichs des Löwen. Der vielumstrittene Welfenschatz ist nun doch noch in Berlin ausgestellt worden. Nachdem das preußische Staatsministerium die Ausstellung im Schloßmuseum untersagt hatte, ist der Schatz in den Räumen der Deut schen Gesellschaft der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Der Neichslunstwart Dr. Rcdslob gab bei der Eröffnung der Ausstellung einen kurzen Über blick über die tausendjährige Geschichte des Schatzes und pries seinen materiellen und künstlerischen Wert. Das berühmteste Stück des Reliquienschatzes ist das Kuppel reliquiar (1175), das wahrscheinlich von Heinrich dem Löwen gestiftet wurde. In Gestalt einer byzan- tischen Kirche weist es auf vergoldeten oder emaillierten Platten einzigartige Schnitzereien aus Walroßzahn auf. Das „Welfcnkreuz". dessen Wert auch nicht annähernd an zugeben ist, ist von höchster künstlerischer Vollendung. Unter den zahlreichen Armreliquiaren fällt besonders das des heiligen Sigismund auf, eine der schönsten Arbeiten des elften Jahrhunderts. Dis Erbitterung über die Sieueremireiimngen. Die Gemeindevorsteher im Boptbenlegerprozetz. In den Verhandlungen im Bombenlegerprozetz erklärte u. a. Amtsvorsteher Roß, er sei im Herbst 1928 bei per Steuern Mch der Meinung einiger Leute vielleicht zu scharf vorgegangen Dabei habe er per sönlich aber weniger Schuld; bielmehr müsse Ler Gemeinde erheber aus Beschluß der Kirchspielvertretung die Steuern ein ziehen Er sei wiederholt bei der Regierung vorstellig ge worden, um Milderungen zu erreichen. Irgendein rigoroses Vorgehen habe ihm ferngelegen. Er habe sich auch nie zu einer rücksichtslose Steuereintreibung bekannt. kaaung der entschiedenen Schnlreformer. Eröffnungsansprache des preußischen Unterrichtsministers. Im Neuen Rathaus Berlin-Schöneberg tagt der öffentliche Kongreß des Bundes entschiedener Schnlreformer, dem das Thema „Frauenbildung und Kultur" zugrunde liegt. Der Kongreß wurde nach einer Begrüßung durch den Vorsitzenden des Bundes, Paul Ostreich, durch den preußischen Umerrichtsministcr Grimme eröffnet. Der Minister ging auf die heutige Krisis der Frau ein, die darin bestehe, daß sich die Frau augenblicklich noch nicht seelisch von der Vor stellung der ubcrmachtstellung des Mannes befreit und dadurch in einer falschen Abwehrstellung dem Mann gegenüber aus einem Platz abseits ihrer eigentlichen Bestimmung befinde. Sodann sprach Prof. Honigsheim-Köln über die Frau in der Kulturkrife der Gegenwart und führte die Krise auf die einseitige rationale Einstellung unserer Gesell schaft zurück. Im weiteren Verlauf der Verhandlungen er griffen Frau Ministerialrat Bäumer und Prof. Diesel das Wort. Lufischutzübung in Ostpreußen „Flugwarndienst" für die Zivilbevölkerung. In Königsberg i. Pr. findet eine dreitägige Lnft- schutzübung statt, die zum Zwecke die passive Abwehr von Flugangrifsen hat. An der Übung nehmen unter Leitung von General von Mittelberger zahlreiche Vertreter der zuständigen Ministerien, Abordnungen von den ver schiedenen Truppenteilen aus dem ganzen Reiche, ferner die Feuerwehren, die Sanitätskolonncn sowie die Schutz polizei und die Technische Nothilse teil. Die Übung sah am ersten Tage die Durchführung einer Meldeorganisa tion vom Süden der Provinz bis Königsberg vor. Ver bunden mit der Übung ist ein F l u g w a r n d i c n st , der die Bevölkerung veranlassen foll, die richtigen Maß nahmen zum Schutze gegen Bombenabwürfe zu ergreifen. Oeutsches Reich Der Reichspräsident in Süddcutschland. Reichspräsident von Hindenburg traf am Mitt woch in Begleitung seines Sohnes, Oberstleutnants von Hindenburg, mit dem fahrplanmäßigen FD.-Zug von Ber lin kommend in München ein. Der Reichspräsident setzte sofort im Kraftwagen der Landespolizei die Fahrt nach Dietramszell fort, wo er am Donnerstag seinen 83. Geburtstag in aller Stille begehen wird. Am Freitag wird der Reichspräsident an den Beisetzungsfeierlichkeiten für den Prinzen Leopold in München teilnehmen. Der General rat der Neichsbank. Der Generalrai der Reichsbank hat die nach dem Aus scheiden der ausländischen Vertreter erforderliche Ergän zung der verbleibenden sieben auf zehn Mitglieder vorge nommen. Es wurden — aus eigener Machtvollkommenheit durch Hinzuberufung — hinzugewäblt: der Vizepräsident der Reichsbank Dr. Dreyse, Müller-Orlinghausen von der Industrie und Flemming von der Landwirtschaftskammer Pommern. Die Reichsbankerklärung meldet das Einver ständnis der Reichsregierung. Der Generalrai besteht jetzt aus sechs Vertretern der privaten Großbanken, dem Prä sidenten und dem Vizepräsidenten der Reichsbank, einem Industrie- und einem Agrarvertreter. Ernährungskosten >46,9 Prozent gegen Friedensstand. Die Reichsinderzisfer für die Lebenshaltungskosten (Ernährung, Wohnung, Heizung, Beleuchtung, Bekleidung und sonstiger Bedarf) beläuft sich nach den Feststellungen des Statistischen Reichsamies für den Durchschnitt des Monats September auf 146,9 gegenüber l48,8 im Vor monat. Ausschlaggebend wa^ die Senkung der Ernäh- rungsausgaven. vier haben vor allem die Preise für Kar toffeln und Gemüse erheblich nachgegeben. Die Preise für Bekleidungsgegenstände haben ihren Rückgang verstärkt. Die Kosten der Heizung haben sich infolge Abbaues der Sommerrabatte, die Ausgaben für den sonstigen Bedarf besonders durch die Heraussetzung der Personentarife der Reichsbahn erhöht. Die Indexziffern für die einzelnen Gruppen betragen (1913/14 — 100) für Enährung 141,7, für Wohnung 130,5, für Heizung und Beleuchtung 152,4, für Bekleidung 160,8, für den sonstigen Bedarf einschließ lich Verkehr 195,5. Die neue Regierung in Braunschweig. In der Sitzung des Braunschweigischen Landtags am Mittwoch wurden für den Kandida ten der bürgerlichen Einheitsliste, Oberregierungsrat Dr. Küchenthal, und für den Kandidaten der National sozialisten, Amtsgerichtsral Dr. Frantzen, je zwanzig Stimmen abgegeben. Für den Kandidaten der Sozial demokraten, den bisherigen Staatsminister Dr. Jasper, stimmten seine siebzehn Parteifreunde. Die Kommunisten und der Vertreter der Staatspartei enthielten sich der Stimme. Dr. Küchenthal und Dr. Frantzen sind fomit zu Staatsministern gewählt worden. Das preussische Landwirtschastskammergesetz. Der Landtagsausschuß für die Vorberatung des Land wirtschaftskammergesetzes beendete die zweite Lesung der Vorlage, die als wichtigste Neuerung die Heranziehung der Arbeitnehmer zu den Landwirtschaftskammern vorsieht. Im wesentlichen wurden die Beschlüsse erster Lesung be stätigt. In der Schlußabstimmung des Ausschusses wurde das Gesetz mit den Stimmen der Regierungsparteien gegen die übrigen Parteien angenommen. Nationalsozialistische Ankündigungen. Der Völkische Beobachter wendet sich gegen die Aus führungen des bekannten Artikels der Kölnischen Volks zeitung, auf Grund deren der Regierung Brüning Diktaturabsichten vorgeworfen werden. Der Völkische Beobachter kündigt schärfste Mißtrauensanträge gegen die Regierung an und fügt hinzu: „Bekanntlich enthält die Ver fassung auch einen Artikel, der eine Anklage gegen den Reichspräsidenten vorsieht. Wir warnen Herrn von Hin denburg, sich im Interesse des Zentrums und einiger bankrotter „Politiker" gecfrn Deutschland zu stemmen. Geht die „Regierung" Brüning den angedrohten Weg, so ist sie illegal und rufr damit das Volk ebenfalls zur Illegalität auf." Tschechoslowake Verfahren gegen die schuldigen Polize'offizierc. Gegen die Polizeioffiziere, die dem Befehl des Polizei präsidenten aus tatkräftige Unterdrückung der deutschfeind lichen Unruhen nicht Folge geleistet haben, wird nach dem Abschluß der Untersuchung, die der Innenminister einge leitet hat, das Disziplinarverfahren eingeleitet werden. Als Strafe kommen je nach der Schwere der Verfehlung Über gehung im Vorrücken bis zur Dienstentlassung in Frage. Großbritannien Eröffnung der britischen Reichskonfcrenz. Die britische Neichskonferenz wurde im Ministerium des Auswärtigen eröffnet. An der Eröffnungssitzung nahmen teil die Mitglieder des englischen Kabinetts sowie die Vertreter der sechs Dominien und Indiens. Macdonalt führte den Vorsitz. Nach der Eröffnung ging die Konferenz zur Tagesordnung über. Es wird zunächst eine Reihe von Ausschüssen eingesetzt, die sich mit den Einzelfragev zu beschäftigen haben, so daß die Arbeit sofort beginnen kann. Eine große Menschenmenge hatte sich an dem Ein gang der Downingstreet versammelt, um der Anfahrt bei- zuwohnen. Die Verhandlungen werden unter Ausschluß der Öffentlichkeit geführt. Aus Zn- und Ausland Berlin. Zwischen Nationalsozialisten und Kom - mu nisten kam es zu einem Raufhandel. Im Laufe dieser Prügelei riß der 20jährige Tischler Herbert Patzeld, der der Nationalsozialistischen Partei angehört, einen Revolver aus der Tasche und gab mehrere Schüsse ab. Er verletzte den 23jährigen Arbeiter Erich Steinhauer, der der Kommunistischen Partei an- gehön. schwer. Eine Kugel schlug in eine Straßenbahn ein. Der Täter wurde von Passanten gestellt und der Polizei über geben London. Der deutsche Botschafter, Sihamer, überreichte am Mittwoch dem König sein Abberusungsfchreiben. Daraus waren Herr und Frau Sthamer Gäste des Königspaares zum Frühstück. London. Das australische Kabinett bat beschlossen, neben einer Erhöhung der Erbschafts- und Einkommensteuer die Einnahmen der Abgeordneten um 10 Prozent, der Minister um 15 Prozent und der Beamten um 2,50 bis 12,50 Prozent zu kürzen. Jetzt sah ich klar. Dies war ein Komplott, von langer Sand vorbereitet und zum gewollten Ende geführt! Der Baronei war der Anstifter. Seine unermeßlichen Reichtümer, seine über die ganze Erde verstreuten Besitzungen, standen ihr. seiner Geliebten, zur Verfügung, um sie vor mir zu schützen, sie zu verbergen. Sein schurkischer Diener, ihm sklavisch ergeben hatte sich, als ich schlief, in mein Zimmer geschlichen, mich betäubt und den Abschiedsbrief Silvains mir auf den Tisch gelegt. Vielleicht batte sie das alles auch selbst getan. Ich klingelte Bedienung herbei, fragte nach Boval. Er fet fort, sagte man mir. „Die gnädige Frau —" Die Erregung versetzte mir den Atem. Der Mann stutzte, sah mich verwundert an. Die gnädige Frau habe, Abschied nehmend, zum Direktor gesagt, sie reise mit dem Kinde nach Bombay voraus, da ich mich nickt ganz wohl fühle und hier noch ein Paar Tage ausruhen wolle, um ihnen dann zu folgen. Auch hätte ich hier Geschäfte. Doch das wisse ich ja. Zweifelnd, lauernd kam das. Hotelbedienstete sind über all dieselben, neugierig, hinterhältig, horchend und spähend, um Dinge zu erlauschen, die sie nichts angehen. „Stimmt!" sagte ich kurz. „Sie können gehen." Silvain hatte vorbeugend, mir eine Ausrede zudiktiert, die glaubhaft war und mich dadurch vor die Wahl gestellt, sie zu bestätigen oder Alarm zu schlagen und die Polizei auf ihre Fährte zu Hetzen. Sie wußte, daß ihr Brief mich davon abhallen würde. Bei ruhigem Nachdenken mutzte ich ja doch zu der Erkenntnis kommen, daß das Ansehen und die Machtmittel des Nabobs einem Vorgehen gegen ihn jedes erdenkliche Hindernis bereiten würden. Nein, dieser Weg war zu lang und aussichtslos. Der kürzere war, den Flücht lingen selbst nachzureisen, und zwar sofort, jetzt, wo die Fährte noch frisch war. Ein Mann wie Falconbridge konnte in seiner Heimat nicht reisen, ohne bemerkt zu werden. Ich griff in meine Vrusttasche. Ich hatte heut auf der Bank einen namhaften Reisescheck einkassiert. Das genügte für den Anfang. Weiteres Geld konnte ich von meiner Londoner Bank überweisen. Wieviel Geld hatte ich über haupt sofort verfügbar? Ich öffnete meine Brieftasche, die mir sehr schmal vorkam, griff hinein, hierhin, dorthin in gesteigerter Aufregung, in wachsender Angst. Umsonst. Das Geld war weg! Der ganze heut einkassierte Betrag! Man hatte mich, während ich betäubt war, bestohlen. Wieder witterte ich den Geist des Baronets. Die Hand war Bopals, seines schwarzen Gehilfen. Es blieb mir knapp soviel, um meine Hotelrechnung zu begleichen und eine Schiffskarte für die Rückreise zu lösen. O Silvain, die um das ab gehobene Geld wußte, hatte an alles gedacht, auch daran. Ihr grausames Vorhaben hatte der Kaufmann Falconbridge in Zahlen umgerechnet, und die Rechnung stimmte auf ein Haar. Den Diebstahl anzeigen hieß den damit verbundenen Skandal heraufbeschwören, den die Londoner Presse begierig aufgegriffen hätte, um damit Spalten und Spalten zu füllen. Das gehört dort zum Geschäft. Solche Presseskandale hatten einen Byron, einen Oskar Wilde in die Verbannung, ins Elend geschickt. Auch für mich, den Künstler, konnte ein solcher keinen anderen Ausgang haben. Doch ich war ja nicht nur Künstler, ich war auch Mensch, auch Vater! Der Schatten, der Fluch, der über Silvains Tat und Leben lag, tras dann auch mein Kind, schattete auch über seinem Leben, das heute noch unschuldig und rein war wie der anbrechende Tag. Mein Weib war verloren, doch mein Kind mußte ich retten, sein Herz mir zurückgewinnen. Jeanne galt es zu finden! Das war die Aufgabe, die mir jetzt erwuchs. Mein Kind, dieser unschuldige Engel, dem das Leben erst auf gehen sollte, das hilf- und willenlos der Macht und den Einflüsterungen seiner unwürdigen Pfleger ausgeliefert war, das ein reiner, edler Mensch werden konnte oder eine Dirne, wie seine Mutter es gewesen und wieder geworden war, das sollte ich, der Vater, sein Erzeuger, seinem Schick sal überlassen? Es mit der Erinnerung an dieses furcht bare Erleben aus meinem Gedächtnis auslöschen? Mein Herz schrie nach diesem Kinde, wie es vordem nach der Mutter geschrieen hatte. Ich mußte Jeanne retten, sie wieder ihrer Mutter entreißen. Alles mutzte ich daran setzen, mein Vermögen, meine Arbeit, meine Zeit und, wenn es sei, meine Gesundheit, mein Leben! Dazu tat ich in dieser Nachtstunde einen heiligen Schwur. Ich kehrte unverzüglich nach England zurück. Ich be traute die bewährtesten Detektive mit Nachforschungen, die mein Vermögen verschlangen, ohne mich meinem Ziele näher zu bringen. Dennoch gab ich mein Vorhaben nicht auf. Nun hieß es, neues Geld zu beschaffen. Ich versuchte es noch einmal mit Pinsel und Palette, umsonst. Meine künstlerische Kraft war gelähmt, zerbrochen, vernichtet. Freunde batte ich keine. Die Liebe zu Silvain hatte sie mir entfremdet. Ich verkaufte meine letzten Bilder, meine Besitzung, machte alles zu Geld. Ich zog selbst hinaus, um mein Kind zu suchen, von Weitende zu Weltende. Achtzehn Jahre gingen so hin. Achtzehn Jahre! Mein Kind, meine Jeanne, habe ich nicht gefunden! Jetzt wäre sie einundzwanzig. Ueberall habe ich nach Zügen geforscht, aus denen man die unvergleichlichen der Mutter hätte herauslesen können. Diese hatte ja einen anderen Namen angenommen. Und gewiß hatte sie mein Kind über seine Herkunft im Dunkeln gelassen, um nicht sagen zu müssen, was sie mir gewesen und wie sie an mir gehandelt hatte. Ihr Gesicht, dessen holdes Abbild das Kind gewesen, war das einzige Erkennungszeichen, das sich mir bot. Welche Veränderung mag auch das in den achtzehn Jahren eines vielleicht umherschweifenden Wanderlebens oder durch innere Wandlung erlitten haben! Einmal doch fand ich eine Spur, in Chile, dem einstigen Jnkareiche. Sie wies nach Australien. So kam ich hierher. Und nun zu denken, daß eine Maya, das ehemalige Temvelmädchen aus Puna, eine Addie Clifford, der Aus wurf des Londoner Dirnentums, dieses mein Kind sein könnte! Der bloße Gedanke flößt mir Grauen ein." Roberts bedeckte sein Gesicht, wie um auszulöschen, was er eben gedacht und gesagt hatte. „Mein Kind! Meine Jeanne! Mein Kind!" Seine Stimme brach. Tränen stürzten ihm aus den Augen Doktor Bayers war erschüttert. Welch ein Schicksal im Vergleich zu dem seinen! Auch er hatte seine Frau ver loren. auch er hatte eine erwachsene Tochter in fast dem- selber Alter wie diese Jeanne. Doch wie rein, wie heilig war die Liebe, die sie miteinander verband, noch über das Grab hinaus. Und sein Kind war daheim, es harrte seiner zu frohem Gruß, zu herzigem Kuß. (Fortsetzung folgt.)
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