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Wilsdruffer Tageblatt : 02.10.1930
- Erscheinungsdatum
- 1930-10-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-193010023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19301002
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19301002
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1930
-
Monat
1930-10
- Tag 1930-10-02
-
Monat
1930-10
-
Jahr
1930
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 02.10.1930
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Wilsdruffer Tageblatt 2. Blatt Nr 230 — Donnerstag, den 2. Olt. 1S30 Tagesspruch. Glauub allzuschnell an Liebesworte nicht — es ist gefährlich! Doch wer von seinem Haß bir spricht — meints sicher ehrlich! Franz v. Schönthan. SLmhWerk MLier DrL!Ä. Die wirtschaftliche Lage des Handwerks tm September. Vom Reichsverband des deutschen Handwerks wird geschrieben: Nach den Berichten der deutschen Handwerks- und Ge werbekammern war entsprechend der herrschenden allgemeinen wirtschaftlichen Depression auch die Wirtschaftslage des Hand werks im Monat September stark gedrückt. Nicht einmal in den Gewerben, für welche die Saison im Berichtsmonat beginnt, war eine merkbare Belebung zu spüren. Do wird vom Herrenschneiderhanvwcrk berichtet, daß die Mehrzahl der vorhandenen Betriebe noch durchaus un genügend beschäftigt war. Auch in den übrigen Bekleidungs- Handwerken hat unter dem Druck der geringen Kaufkraft der Bevölkerung, verstärkt durch die ungünstige Witterung, das Herbstgeschäft bisher nur zögernd eingesetzt. Die sonst um diese Jahreszeit übliche Belebung im Buchdruckerhandwerk ist vollkommen ausgeblieben. Das gleiche gilt für das Tape ziererhandwerk. Sogar die Nahrungsmittelhandwerke, vie in geringerem Matze Absatzschwankungen unterworfen sind, haben unter der großen Arbeitslosigkeit, durch die die Kaufkraft der Kundschaft stark beschränkt wird, zu leiden. Von mehreren Kammern wird berichtet, daß Vie Einführung des Brotgesetzes als unhaltbar be zeichnet wird, weil die Bevölkerung das sogenannte Mischbrot ablehnt. Das Gesetz habe bereits zur Folge gehabt, daß die ländliche Bevölkerung in erhöhtem Umfange dazu über gegangen ist, wieder selbst zu backen. ohne sich hierbei natürlich um die gesetzlichen Bestimmungen üher die Mischung des Mehles zu kümmern. Im Fleischer- Handwerk ist wie stets um diese Zeit mit dem Schluß der Ferien und der Reisezeit und dem Einsetzen der kühlen Witte rung eine leichte Steigerung des Absatzes etngetreten, jedoch hielt sich die Belebung in engeren Grenzen als sonst. Be sonders stark war die Depression im Baugewerbe sowie in den Baunebengewerben Die Bautätigkeit hat auch im Bertchtsmonat keineswegs befriedigt. In der Hauptfache gaben vie Fertigstellung früher begonnenner Bauten sowie Aufträge für Umbauten etwas Beschäftigung. Die Förderung des Klein wohnungsbaues durch Kredite des Reiches hat sich bislang praktisch nur wenig ausgewirkt. Auch die Hoffnungen, die an vas Ärbeitsbeschaffungsprogramm der Reichsbahn und der Retchspost geknüpft waren, haben sich tm allgemeinen nicht er füllt. Dagegen hat die von der Regierung geforderte Preis- abbauaktion verschiedentlich zur Stockung der Bautätig keit geführt, da unter dem Eindruck dieser Meldungen häusig von Bauvorhaben Abstand genommen wurde. Die Preisgestaltung verschlechterte sich weiterhin. Von einer Innehaltung innungs- mätziger Richtpreise kann nicht mehr die Rede sein. Die Geld- und Kreditverhältnisse blieben trotz einer gewissen Flüssigkeit der kurzfristigen Anleihen sehr gespannt. Der Arbeits- Mark t des Handwerks hat sich in der Hauptsache verschlechtert, da zahlreiche Betriebe zur Entlassung von Arbeitskräften schreiten mußten. Die Arbeitslosigkeit hat natürlich zu einer weiteren erschreckenden Zunahme der Schwarzarbeit geführt. In der Beschaffung von Materialien und Rohstoffen sind keine Schwierigkeiten eingetreten. Von den meisten Berufen wird ein langsames Sinken der Materialpreise gemeldet. Die Löhne blieben im allgemeinen auf dem bisherigen Stand. General ^orck von Warlenburg- Zur 1üli. Wiederkehr seines Todestages <4. Oktober). 1812. Napoleon war in Rußland geschlagen und der russische Feldzug war der Ansang vom Ende seiner Herrschaft. Die preußischen Hilfstruppen des Franzosen kaisers befehligte General Graf Uv ick, damals ein Mann von 53 Jahren. Er hatte noch ungefähr 13 006 Mann unversehrte Truppen in der Hand; nach dem Untergange des Hauptheeres besaßen sie einen ungeahnten Werl. Wenn Uorck seine Pflicht als Offizier tun wollte, mutzte er sich den Russen, die Napoleon verfolgten, entgegenwerfen, um ihren Einmarsch in Ostpreußen zu Verbindern. Dann aber wären die 13 000 Mann wahrscheinlich aufgerieben worden und die Russen wären als Feinde nach Preußen gekommen. Wenn Uorck sich aber umgekehrt den Russen anschlotz, so brach er seinen Soldateneid, so setzte er sein eigenes und seines Königs Leben aufs Spiel: denn dieser lag in Berlin unter den Grisfen der französischen Soldaten. Dann aber waren jene 13 000 Mann für den Kamps gegen Napoleon gerettet, dann konnten die Russen als Freunde in Ostpreußen einmarschteren. Aorck war wie Blücher unter Friedrich dem Großen wegen Ungehorsams im Dienste mit Festungshaft bestraft und aus dem Heere ausgestotzen worden. Als holländischer Offizier hatte er dann in Ostindien gedient, war aber nach dem Tode Friedrichs wieder in das preußische Heer eingetteten. Er war infolge- seiner Schroffheit und Strenge wenig beliebt, aber er war ein Mann von eiserner Willenskraft und glühender Vater landsliebe. Blücher und Gneisenau, die von seiner Tadel- sucht viel zu leiden hatten, nannten ihn den „Schwerenöter", schätzten ihn jedoch als einen, „der wohl brummt, aber auch beißt". Jetzt befand sich der alte „Schwerenöter" mit dem scharf ausgeprägten Pflicht- und Ehrgefühl in einem Seelenkampf zwischen Abfall und Treue. Von dem König von Preußen er hielt er aus wiederholte Anfragen nur den Bescheid, er solle „den Umständen gemäß" handeln. Und Aorck handelte „den Umständen gemäß": am 30. Dezember 1812 schloß er ln der Mühle von Poscherun mit dem russischen General Diebitsch die Konvention von Tauroggcn Sie bestimmte, daß die preußischen Truppen in dem Landstrich zwischen Memel, Tilsit und Haff eine neutrale Stellung einnehmen sollten, bis Friedrich Wilhelm III. das Abkommen billige oder verwerfe; in letzterem Falle sollten sie frei abziehen, aber bis zum 1. März 1813 nicht gegen Rußland kämpfen. Friedrich Wilhelm billigte in seinem Herzen, mißbilligte aber äußerlich: Dorck wurde für abgesetzt erklärt. Da der General jedoch nur durch Zeitungs nachrichten von seiner Absetzung erfuhr, behielt er ruhig den Oberbefehl. 1813. Aorck ist an vielen ruhmreichen Krtegstaten be teiligt, zieht am 17. März in Berlin ein, trägt am 26. August das meiste zum Siege Blüchers an der Katzbach bet, erzwingt am 3. Oktober den Elbübergang bei Warlenburg, erringt am 16. Oktober in der Völkerschlacht bei Leipzig die Ehre des Tages und drängt die geschlagenen Franzosen in der Verfol gung über die Unstrut. Auch tm Jahre 1814 ist er der Held vieler Schlachten. Die Schlacht bei Paris am 30. März war seine letzte. Aber seine Dienste werden nicht so anerkannt, wie er es erwarten durfte. Man verleiht ihm zwar den Ehrentitel „Aorck von Wartenburg", überträgt ihm aber bei Napoleons Rückkehr von Elba im Jahre 1815 nur das Kom mando über ein Reservekorps. Aorck sah darin eine Zurück setzung und nahm seinen Abschied. Sehr zurückgezogen lebte er fortan auf seiner ihm als Dotation verliehenen Besitzung Klein-Ols bei Breslau, wo er am 4. Oktober 1830 ge storben ist. In Berlin wurde ihm 1855 ein von Rauch ge schaffenes Bronzestandbild gesetzt. Die Berliner Museumsfeier. Festreden der Minister Wirth und Grimme. Anläßlich der Hundertjahrfeier des Alten Museums in Berlin fand in der Neuen Aula der Berliner Universität ein Festakt statt, dem Vertreter des Reichspräsi denten, des Reichskanzlers, der Reichsregierung, des Reichs tages und ves Reichsrates sowie Vertreter zahlreicher Museen des Auslandes und künstlerischer und wissenschaftlicher Gesell schaften und Institute beiwohnten. Nach der Festrede des Generaldirektors der Staatlichen Museen, Pros. Dr. Wätzoldt, sprach tm Namen der Reichsregierung der Reichsinncnministcr Dr. Wirth. Er feierte die hohe Kulturtal, die mit der Vollendung der neuen Museumsbauten in den Zeiten wirifchastltcher Not und poli tischer Zerklüftung befreiend und einigens zugleich wirken müsse. Nach ihm ergriff das Wort der preußische Kultusminister Dr Grimme. Er führte u. a. aus: Man dürfe der Frage nicht ausweichen, ob es angesichts des Massenelends der Gegenwart noch als Sache des Staates angesehen werden dürfe, der Kunst große Zuwen dungen zu machen. Als Antwort könne gesagt werden, daß man gegenüber einer kommenden besseren Zett die moralische Verpflichtung habe, ererbte Werte durch die Jahre des Tiefstandes hindurchzuretten. Es gebe eine Rechtfertigung dafür, daß der Staat Millionen zur Förderung der Pflege der Kunst ausschütte. Das fei die Überzeugung daß es außer dem religiösen Ergrissensein keine andere Kraft gebe, die den ein zelnen Menschen und ein ganzes Volk so zu formen vermag, wie das Erleben großer Kunst. Es sprachen dann noch Professor Ulrich von Wtla - mowitz-Möllendorfs, der Rektor der Berliner Uni versität Prosessor Dr. Schmidt und im Namen der Akademie der Künste Professor Max Liebermann Ein Glückwunschschreiben des Reichspräsidenten. Reichspräsident von Hindenburg Hal an den Generaldirektor der Museen das nachstehende Schreiben gerichtet; „Sehr geehrter Herr Generaldirektor! Zur heutigen Feier des hundertjährigen Bestehens der preußischen Staatlichen Museen spreche ich meine herzlichen Glückwünsche aus. Entstan den in schwerer Zeit, begehen die Staatlichen Museen nach glänzender Entwicklung wiederum in schweren Tagen ihre Jahrhundertfeier mit der Eröffnung dreier bedeutender Neu bauten. Möge der zähe kulturelle Lebenswille, der sich in der Durchführung der durch Zeitlage und Hemmnisse besonderer Art erschwerten baulichen und inhaltlichen Erweiterung der Museen bekundet, unserem Valerlande erhalten bleiben und auch in Zukunft reiche Früchte trägem Mit freundlichem Gruß gez. von Hindenburg." Zwei Zähre sechs Monate Festung gegen die ReWwehrosfiztere beantragt. Das Plädoyer des Reichsanwalts In dem Prozeß gegen die Ulmer Reichswehroffiziere be antragte der Reichsanwall gegen die drei Angeklagten eine Festungshaft von zwei Jahren sechs Monaten unter Anrech nung der Untersuchungshaft. Ferner beantragte er gegen die Angeklagten Ludin und Scheringer Dienstentlassung. Der Angeklagte Wendt gehört bekanntlich nicht mehr der Reichswehr an. Der Reichsanwalt erklärte bei Beginn seines Vortrages, daß er die Angeklagten nach wie vor der Vor bereitung eines hochverräterischen Unternehmens im Sinne der Anklage für schuldig halte. Es sei nicht alltäglich, daß sich Offiziere der Wehrmacht zu verantworten hätten unrer der Anschuldigung, einen Sturz der verfassungsmäßigen Reichsgewalt vorbereitet zu haben. Die Angeklagten seien von ihren Vor gesetzten als über dem Durchschnitt stehende hervorragende Offiziere geschildert worden. Sie hätten auch sehr lebhaftes politisches Interesse gezeigt. Es sei jetzt schwerer, ein zu friedener Soldat zu sein als früher. Das Deutsche Reich ver füge nicht mehr über das glänzende Heer der Vorkriegszeit, Sem keine Armee der Welt überlegen gewesen sei. Dem jungen begabten Offizier ständen nicht mehr viele Möglichkeiten offen. Heute sei auch der Mannschaftsdienst ein Beruf und der Rock des Soldaten verleihe seinem Träger nicht mehr wie früher in allen Volkskreisen schlechthin Ansehen. Wie trotzdem der gute alte Soldatengeist im Heere wachzuhalten sei, sei eine außerordentlich schwere Frage, deren Lösung teilweise über haupt nicht möglich sei. Rechtlich, so fuhr oer Reichsanwalt fort, sei bei den Angeklagten der Tatbestand der Vorbereitung des hochverräterischen Unternehmens erwiesen. Aus Zucht haus könne nicht erkannt werden, weil die Angeklagten nicht aus ehrloser Gesinnung gehandelt hätten, sondern nur aus falsch verstandener Vater landsliebe heraus. Es sei demnach auf Festungshaft zu er kennen. Die Strafe dürfe aber nickst milde sein. Die einzigen Milderungsgründe seien die Jugend der Angeklagten und die Tatsache, daß ihr Unternehmen im Keime erstickt werden konnte. Staatsanwaltschaftsrat Dr. Weyersberg ergänzte den Strafanirag des Reichsanwalts auf Grund des Militärstrafgesetzbuches dahin, daß er gegen den Angeklagten Scheringer wegen Gefährdung der Schlagsähigkeit und der Ausbildung oer Truppen eine weitere Festungshaft von zwei Monaten forderte, die mit der Hauptstrafe auf zwei Jahre sieben Monate Festung zusammengezogen werden solle. Als erster Verteidiger erhielt dann Rechtsanwalt Frank II-Münchcn das Wort. Die Offiziere, sagte er, die das Verbrechen begangen hätten, ihr volles Herz nicht gewahrt und in ihrer Seelennot auf verzweifelte Auswege gesonnen zu haben seien wie gemeine Übeltäter aus den Reihen der Kameraden geholt worden. Der Prozeß habe gezeigt, daß der Geist der Front des Heeres der gleiche geblieben sei. daß sich der Gei st der Führung aber 11 . sch mit dem geheimen Plan reiste, mich irgendwo «in- „ ä, "^n anzusiedeln, mein Leben neu aufzubaue-n, uud ziellos, ganz wie es seine Laune gebot, uns an. Ich merkte es bald, meine Frau war o r ihn anzog. Ich ahnte nichts von tieferen Zmammenhangen, nichts von Verabredungen, die die beiden getroffen hatten. Der Bilderkauf führte rhn damal-- in mein Agus. Zauberin Circe verstand es wohl, ^rmehrter Liebenswürdigkeit und stürmischer Hrngabe, metne Wachsamkeit einzuschläfern, mein immer rege» ^b-r^en mit abfälligen Bemerkungen über den „Baron durch ^.atentbrref , sonst nur Mister Edward Falconbrrdge, rn Vertrauen zu wandeln. Wir waren, was man ?o sagt, erne 'wrrgnugte Meßgenossenschaft". Falcon- brrdge. der große Gummrplantagen in den Straits, sowie Kaffeevlantagen rn Brasilien und auf Java besaß, war hier an Bord eine nnch wett überragende Persönlichkeit. Kein Geldprotz, sondern ern Mann von feinsten Umgangsformen, gebildet höflich, auch gegen Geringere. Er reiste mit einem indischen Kammerdiener, den Wissende seinen Leporello nannten, wie ihn einen Don -zuan. Dieser Diener war ein finster blickender, wortkarger Mensch, der eher den Eindruck eines Fakir als den eines verschmitzten Zwischen trägers machte. Unser erstes Reiseziel war Kapstad».. Von dort ging es nach Colombo auf Ceylon, das Tor zu dem Wunderland Indien, in dem Falconbridge beheimatet war. Er beredete uns, hier Aufenthalt zu nehmen, und gab Mir Adressen auf von ihm bekannten, vermögenden Kunstfreunden. Silvain, der es hier in der Palmenstadt ganz außerordentlich gefiel, überredete mit. Und so blieb ich. JÄ batte wieder Freude am Leben. , , Am dritten Tage fuhr ich allein zur Bank, wo ich Geld erhob, und machte dann ein Paar Besuche bei Leuten, die mir der Baronet, der auch in Colombo größtes An sehen genoß, als zu seinem Freundeskreise gehörend empfoh len hatte. Das nahm mich länger in Anspruch als ich gewollt und erwartet hatte. Im Hotel wieder angelangt, fand ich niemand zu Haus. Bopal, der vorerwähnte indische Kammerdiener des Barons, meldete mir, die Herrschaften hätten im Auto seines Herrn eine Spazierfahrt unternom men. Sie hätten längere Zeit auf mich gewartet. Kind und Wärterin, ebenfalls eine Inderin, die wir auf Emp fehlung des Barons in Dienst genommen hatten, begleiteten sie. Ich war beruhigt und froh, mal eine Stunde für mich allein zu haben, um meinen weiteren Plänen nachzusinnen. Ich ging auf mein Zimmer, um mich auszuruhen. Es war furchtbar heiß an dem Tag, und ich von der längeren Fahrt im Sonnenbrand stark ermüdet. Ich schlief bald fest ein. — Als ich erwachte, war es Nacht. Ich hatte Kopfschmerzen und eine Lähmung in den Gliedern, die es mir schwer machte, mich aufzurichten. Ich lag noch auf dem Diwan, auf dem ich mich gebettet hatte. Ich befand mich in einer Art Betäubung. War ich krank? Warum war Sil vain nicht bei mir? Dann kam mir die Erinnerung. Sie war ausgefahren, mit dem Kind und dem Nabob. Also noch nicht zurückgekehrt. Es war dunkel. Das Fenster stand offen. Ein kühler Wind strich vom Meer herüber. Eine Wohltat. Die Luft auf Ceylon ist mit betäubenden Wohlgerüchen geschwängert, damit überladen. Doch seltsam. Die Düfte strömten nicht vom Fenster herein, sie stiegen vom Boden auf. Ich beugte mich vor. Sie kamen aus meinem Taschentuch. Ich hatte es fallen lassen. Ich bückte mich, hob es auf. Ja, das war's. Wie kam dieser Duft da hinein? Nicht von meiner Hand. Ich ließ das Tuch wieder fallen und räkelte mich auf. Schwankend, torkelnd, als wäre ich betrunken, tastete ich mich zur Wand hin, aus der ein Weitzer Punkt hervorstach. Ich knipste Licht an. Blitzartig schoß es in das Dunkel. Ich war geblendet. Einen Augenblick nur. Schatten zerflossen. Raum engte sich ein bis zum Erkennen. Es war mein Hotelzimmer. Vom hellbeleuchteten Tisch her flog etwas Weißes mich an. Es hatte Format. Ein Brief! Ein Brief in weißem Um schlag. Wer haste den dahin gelegt, ohne mich zu wecken? Wie doch die Ahnung zu uns spricht! Oft lauter als ein gerufenes Wort. Böses lag, noch wort- und formlos, mir M Sinn. Wie ein Alb drückte das. Ich schwankte zum Trsch, stützte mich daraus. Der Brief war an mich adressiert. Srlvains Handschrift! Ohne ihn zu öffnen, war das, was er besagte, schon kn mir und um mich her. Stimmen flüsterten, klagten, klagten an. Mit bebenden Fingern löste ich den Umschlag, neigte mich vor, las, starrte. Las wieder, verstand, ohne zu lesen. Buchstaben, Worte, Zeichen, alles quirlte durch einander. Immer wieder setzte ich an, um den Inhalt zu meistern. Vor meinen Augen lag es wie ein Nebel, erst grau, dann schwarz, dann rot wie Blut. Durch diesen Llutnebel las ich Worte, die wie Flammen auf mich ein schlugen wie Tigertatzen, die mir die Brust zerfleischten. Noch immer rang ich mit dem Dämon des Verrats, der aus diesem Brief mich ansprang. Silvain hatte das ge schrieben Silvain! Geschrieben mit kalter Hand, mit keinem Gefühl der Reue, des Mitleids, des Erbarmens! Ich stöhnte, ich weinte, ich raste. „Silvain!" rief ich, und immer wieder: „Silvain!" „Mil letztem Gruß. Silvain." Das war das Schlußwort. Mit dumpfem Wehlaut sank ich aus einen Stuhl am Tisch, stützte den Kopf mit den geballten Händen und starrte ins Leere." Von der Erinnerung hingerissen, überwältigt, bot Roberts auch jetzt, schwer atmend, Tränen in den Augen, Sie Hände geballt, ein Bild der Verzweiflung, des Grauens vor dem Unfaßbaren. Und doch batte er dieses Unfaßbare erlebt. Doktor Bayers, mahnend, tröstend, mit Worten zu heilen suchend, redete an ihm vorbei. Ohne auf ihn zu achten, fuhr Roberts nach einer Pause ruhiger, gefaßter, fort: „Meine Frau hatte mich verlassen, endgültig, für immer! Die alten Instinkte, so schrieb sie mit brutaler Offenheit, seien in ihr wieder erwacht. Sie habe es satt, noch länger die anständige Dame zu spielen, die sie ja doch nicht sei. Sie wolle sich ausleben, so lange sie noch schön und begehrens wert sei. Ich solle mich nicht um sie bemühen. Ich würde ihren Aufenthalt nicht erfahren, und wenn, würde sie doch nichts bewegen, zu mir zurückzukehren. Jeds Spur erlösche mit ihrem Namen. Den würde sie ablegsn. Wenn ich wolle, solle ich auf Scheidung wegen böswilligen Verlassens klagen. Um mir darin zu helfen, schreibe sie mir diesen Brief. Von Sem Kind schrieb sie nichts. Sie hatte es mir entrissen, hatte es mitgenommen in das Leben der Schande, dem sie erneut zusteuerte! _ (Fortsetzung folgt.)
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