Volltext Seite (XML)
MsdmfferTageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft/ für Äürgertuw/ Beamte/ Angestellte u. Arbeiter D«, »Wilsdruffer Tageblatt- erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in d« Geschäftsstelle und den Ausgabestellen 2 RM. im Monat, bei Zustellung durch die Dolen 2,30 AM., bei Postbestellung 2«M. zuzüglich Abtrag- gebühr. Einzelnummern UMpsg.All-P°,tanft°lt°n Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Postboten und uns°r-Au-. träger und Geschäftsstellen ——— nehmen zu jeder Zeit Be ¬ stellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingefandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 Kluge eingezogen werden must oderder Auftraggeberin Konkurs gerät. Anzeigen nehmen alle Dernnttlnngsftellen entgeh. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meisten des Amts, gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt nnd des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Auftrieb? Das große Ereignis in Genf ist also vor sich ge gangen, Frankreichs Außenminister Briand hat dem Völkerbund seine Meinungen und Ansichten zu dem von ihm angeregten vielbesprochenen Europaplan vorgetragen. Er war dazu gezwungen, nachdem seine anfängliche Idee gescheitert war, den europäischen Bund bereits durch eine einzusetzende Sonderkonferenz bearbeiten zu lassen. England warf sein „Nein" dazwischen und so mußte der französische Staatsmann selbst das jetzt angewandte -Aushilfsmittel Vorschlägen, um überhaupt am bewegenden Hebel zu bleiben. Diese Art der Geschäftsvcrschiebung hat ihre tief liegenden Beweggründe. Unverkennbar schimmerte zwischen den anfänglich den Mächten unterbreiteten An regungen Frankreichs der Wille durch, die Pläne zu einer gewissen Vereinigung der europäischen Staaten abgetrennt zu behandeln, nicht in das weite dem Völkerbund überwiesene Aufgabengebiet einzugliedern. Fast mit Sicherheit schloß man im Auslande alsbald, daß in Paris Bestrebungen im Gange seien, bei der allgemeinen Welt wirtschafts krise Sicherungen zu finden gegen die wei tere Zerstörung des eigenen Industrie- und Kapitalmarktes. Solche Sicherungen können heute aber nicht gefunden wer den für den einzelnen Staat, sie können sich nur aus wirken im weiteren Kreise. In der Gegenwart sind die Bedrängnisse der Zeit nicht mehr an die Grenzen zwischen Land und Land gebunden, sie gehen mit ungehemmten Schritt über solche Zwirnsfäden hinweg und wandern von Kontinent zu Kontinent. Also einhelliges Zusammen wirken ganz Europas verspräche vielleicht Linderung sür jeden Beteiligten, auch für Frankreich. Dabei ließe sich unter Umständen die Politik ausschalten, denn Frank reich ist in dieser Beziehung einstweilen gesättigt. Daß Briand so gedacht hat in seiner hintersten Herzens kammer, braucht nicht behauptet zu werden, man darf so gar das Gegenteil zu seinen Ruhme ruhig annehmen. Doch die dargelegte Auslegung des Vorgehens war in der französischen Öffentlichkeit deutlich genug zu be merken. Wäre nun derart verfahren worden, so hätte man gleichsam den Völkerbund kaltgestellt, dem die Er reichung größerer Ziele zugewiesen bliebe. Denn dieser Völkerbund soll ja nicht nur die wirtschaftliche Be ruhigung bringen, er fall der Gesamtheit der Völker die wirkliche Befriedung der Welt, den Fortfall der verderb lichen Kriege, die Möglichkeit zum ungehinderten kultu rellen und zivilisatorischenLlufbau erschließen. — Das ist nur aus beiden Wegen zu erreichen. Wirtschaft und Politik sind so ineinandergewachsen, daß sie nicht mehr ge trennt behandelt werden können. Das haben der Weltkrieg und seine bis zum Augenblick anhaltenden verheerenden Folgen zur Genüge gezeigt. Diese Feststellungen dürfen ruhig gemacht werden, ohne sofort schärfere Vermutnugen in Betracht zu ziehen, wie etwa diejenige, Frankreich beab sichtige, nach seinen unzweifelhaften politischen Erfolgen diese für die Dauer als eine Art Oberherrschaft in Europa festzuhalten, nebenher die anderen Staaten zu Mitträgern des Schutzes der französischen Wirtschaft gegen Erschütte rungen zu werben. Im britischen Imperium, diesem Sammelbecken gewaltiger wirtschaftlicher Interessen, wurden derartige Erwägungen sicher nicht ganz in das Reich der Phantasie verwiesen. Deshalb der Einspruch, der zu der nuu in Genf sichtbar werdenden veränderten Front führte. Briand verhielt sich in der ihm zugewiesenen Position als seingeschulter Diplomat vorsichtig und zurückhaltend, konnte auch nicht anders, wollte er da heim nicht allen Boden verlieren. Er mußte gute Miene zum bösen Spiel aufstecken und tat es mit dem bei ihm gewohnten Anstand. Worte wie: „Solange ich lebe, werde ich keinen neuen Krieg mehr zulassen" findet so leicht kein anderer, wenn er schon diese Wendung aus aufrichtigem Willen herausznholcn die Absicht gehabt hätte, was bei Briand persönlich ohne weiteres an genommen werden kann. Ein Minister spricht je doch in dieser Eigenschaft niemals für seine Person, er bleibt der Herold des politischen Wollens der Nation. Und in dieser Beziehung mahnen die letzten Jahre der europäischen Entwicklung zur Behutsamkeit, wobei nicht einmal das unter dem Frieden von Versailles seufzende Deutsche Reich in den Vordergrund gerückt werden soll, obwohl reichlicher Anlaß dazu vorhanden wäre. Dem Völkerbund wird nunmehr das füh rende. Amt bei der Vorbereitung der Paneuropapläne nicht mehr bestritten. Das ist klar. Daß er den bei der Erfüllung seiner Berufung besser als bisher fühlbaren notwendigen Auftrieb erfahren wird, bleibt zu wünschen Meklwakler sinä wie Keule in einem brennenden 6auz, clie lagen. Was gebt mieb äaz an! Nr. 213 — 89 IützrgttNg Freitag, den 12. Sept. 1930 Amtsblatt" ÄZilSdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Vie Pflicht rm MiAwng Europas Vereinigung. Die Abrüstung. Im Völkerbund zu Genf ergriff Donnerstag unter allgemeiner Spannung Briand das Wort. Er wies dar auf hin, daß er die Tribüne des Völkerbundes als Ver treter Frankreichs und ferner als Beauftragter von 26 europäischen Mächten betrete, in deren Auftrag er dem Völkerbund einige Mitteilungen machen wolle. Briand ging in längeren Ausführungen auf die bisherigen Fort schritte des Ausbaues des Völkerbundes ein und erklärte, die Völker hätten in wachsendem Maße das Vertrauen, daß der Völkerbund das Werk des Friedens fortsetzen werde. Der Krieg sei jetzt, nach dem Abschluß des Kellogg- Paktes, als Verbrechen schlimmster Art erklärt worden. Auf dem Wege der Friedenssicherung seien große Fort schritte festzustellen. Solange er lebe, werde er jedenfalls keinen Krieg mehr zulassen. Jetzt gelte es, die Bestim mungen des Völkcrbundpaktes über die Abrüstung durch- zusühren. Briand wandte sich dann der Paneuropafrage zu. Er betonte, daß es heute keine Vereinigung von Völkern, keine Sondervereinbarung gebe, die lebensfähig sei, wenn sie nicht aufs engste dem Völkerbundpakt verbunden sei. Europa leide am schwersten unter den entsetzlichen Folgen des Weltkrieges. Gerade deshalb müßten sich auch die europäischen Völker, die die Sicherung des Friedens woll ten, in engster Fühlungnahme organisatorisch zusammen schließen. Es handele sich hierbei um eine Frage der Ver nunft und des gesunden Menschenverstandes. Jedes große Problem stoße anfänglich auf Schwierigkeiten. 26 euro päische Staaten hätten jedoch fcstgestellt, daß sie bereit seien zu gemeinsamer Arbeit. Sicherung des Friedens. Nach einem Überblick über die bisherigen Verhand lungen für die eingehende Untersuchung der Pancuropa- srage stellte der Redner fest, es habe keinen Augenblick ein Zweifel darüber bestanden, daß diese Frage vor den Völkerbund gebrächt werden müsse. Der Völkerbund sei jedoch eine universelle Organisation für Weltaufgaben, die sich E i n z e l f r a g e n nicht widmen könne. Alle Völker seien daran interessiert, daß die europäischen Völker sich zusammenfinden, sich wirtschaftlich und politisch vereinigen und zusammenarbeiten, um die Kriegsschäden zu über winden. Die europäischen Mächte erwarteten jetzt, daß der Völkerbund ihnen erkläre, Europa sei aus dem rechten Wege, auf dem es weftermarschieren müsse. * Scharfer Abröstungs-Vorstoß des englischen Antzenmnisters Der englische Außenminister Henderson hielt in der Nachmittagssitzung der Völkerbundversammlung eine Rede, die sich unerwarteterweise zu einem Vorstoß gegen die bisher noch immer nicht erfolgte Abrüstung der Sieger Mächte gestaltete. Hendersons Erklärungen sind durch ihre ungewöhnlich scharf formulierte Forderung der Erfüllung der Abrüstungsbestimmungen der Friedens- Verträge und des Völkerbundvertrages das Ereignis des Tages. Henderiou gedachte eingangs der seit der letzten Völkerbundversammlung verstorbenen Staatsmänner Bal-- four, Stresemann und Nansen. Wer die letzten Ausfüh rungen Dr. Stresemanns in der vorigen September versammlung gehört habe, habe sich davon überzeugen können, daß sich dieser große Führer für die Sache der Völkerverständigung in hohem Maße eingesetzt habe. Stresemann sei es zu danken, daß heute alle deutschen Ge biete von der militärischen Besetzung fn seien. Henderson sagte dann zur Abrüstungsfrage, nach der Auffassung der englischen Regierung seien Sicherheit und Abrüstung eng verbunden. . Nichts könne die Völker stärker vor den, Ausbruch eines neuen Krieges schützen, als ein allgemeines Ab rüstungsabkommen. Die Sicherheit sei undenkbar, solange das gegenwärtige Wettrüsten andauere. Das englische Volt sei sich darüber einig, die Maschinerie des Völker bundes in der Sicherheitsfrage nur dann weiter auszu- baucn, wenn die Abrüstung aufhöre, eine leere Phrase zu sein und endlich Wirklichkeit werde. Aus diesem Grund satz werde die künftige englische Politik aufgebaut sem. Die Schöpfer des Völkerbundvertrages hätten niemals an eine internationale Zusammenarbeit geglaubt, wenn die nationalen Rüstungen bestehen blreben. Deshalb sei m Artikel 8 Les Nölkerbundvertrages die Verpflichtung zu einer allgemeinen Herabsetzung und Beschränkung der nationalen Rüstungen ausgenommen worden. Schon elf Jahre werde die Abrüstunasfraae obne Jortscürrtt behmidelt. Jetzt sei der Augenblick gekommen, endlich zu handel n. Die AbrüsiungSbestimmungcn des Völkerbund- Vertrages bildeten einen Teil der Fricdensverträgc. Jede Negierung lei durch diese Verpflichtungen gebunden. In den Verhandlungen im Jahre 1919 sei diese Verpflichtung ausdrücklich wieder festgelegt und von neuem in der Schlußakte des Locarnovertrages bestätigt wordni. Vor zwei Jahren habe die Völkerbund- Versammlung feierlich festgestcllt, daß der gegenwärtige Stand der Sicherhei» den Abschluß eines allgemeinen Ab rüstungsabkommens erlaube. Die Londoner Flottenkonfe renz sei ein Erfolg. England habe sich verpflichtet, die Schlachtschiffe um 25 Prozent zu vermindern und bis 1936 neue Schlachtschiffe nicht zu bauen. England hoffe, daß beim Zusammentritt der Weltabrüstungskonferenz weitere wesentliche Herabsetzungender englischen Seestrcitkräfte erreicht sein würden. Die Herab setzung der Rüstungen einzelner Mächte sei keine Erfüllung der internationalen Abrüstungsverpflichtungen. Nur wenn ein allgemeines Abrüstungsabkommcn für die Land-, See- und Luftstreitkräfte ab geschlossen sei, könnten die Friedensverträge und der Völkerbundvertrag als erfüllt angesehen werden. Eng land erwarte, daß der Abrüstungsausschuß endlich zu einem praktischen Ergebnis gelangen werde, daß die Re gierungen ihren Vertretern Anweisungen geben würden, die einen Erfolg der Abrüstungsvcrhändlüngen sicherten. England erwarte ferner die Einberufung der Welt- abrüstungskonferenz zum Jahre 1931. Die Regierungen hätten die Pflicht, den nächsten Krieg unmöglich zu machen, der noch schreck licher sein würde als der letzte. Die englische Regierung rufe deshalb alle in Genf vertretenen Regierungen aus, ihre Kräfte gemeinsam zur Erreichung des Zieles einzu setzen, für das der Völkerbund geschaffen worden sei. Die Erklärungen Hendersons, insbesondere die Fest stellung, daß die Abrüstung eine bindende Verpflichtung der Friedensverträge darstelle, wurde mit stürmischem Beifall ausgenommen. Die Wirkung der Rede war weit stärker als die der Vormittagsrede Briands. * Der Eindruck der Rede in deutschen Völkerbundskreisen Genf, 12. September. Reichsaußenminister Dr. Curtius wird am Montag oder Dienstag nächster Woche vor der Bölker- bundsversammlung die übliche große Rede halten, in der er dem englischen Außenminister für die dem Andenken Dr. Stresemanns gewidmeten Worte danken wird. Aus deutscher Seite wird mit Befriedigung die Stellung Hendersons hervorgehoben, daß das Besetzungsrecht für Siegelstaaten mit der Rheinlandräumung end gültig erloschen sei. Ferner wird darauf hingewiesen, daß die Rede des englischen Außenministers unmittelbar an die 1928 auf der Völkerbundsverjammlung vom damaligen Reichskanzler Mül ler gemachten Ausführungen Wer die Abrüstungspflichten des Völkerbundes anknüpft. Entscheidende Bedeutung legt man der Tatsache bei, daß Henderson ausdrücklich die Annahme von Schiedsvergleichsverlrägen durch England von der Regelung der Abrüstungsfrage abhängig gemacht hat. * Oeuischland rollt die Minderheitenfrage auf. Reichsaußenminister Dr. Curtius hat beim Präsi deuten der Völkerbundversammlung den Antrag gestellt den Abschnitt des Jahresberichtes des Völkerbundes übei die Minderheitenfrage dem politischen Ausschuß bei Völkerbundversammlung zu überweisen. Die deutsch, Regierung hat damit die Initiative in der Minderheiten frage ergriffen. Der deutsche Antrag war notwendig, dc das Völkerbundsekretariat die Minderheitenfrage nich auf die Tagesordnung der diesjährigen Völkerbundver sammlung gesetzt hatte und somit ohne den deutschen An trag die Minderheitenfrage während des Septembers überhaupt nicht zur Sprache gekommen wäre. Dietrich über die Bedeutung der Neu wahlen sür dk zukünftige RMWM Berlin, 11. September. Reichssinanzmimster Dietrich sprach am Donnerstag über die Bedeutung der Neuwahlen für diezu- künftiae Finanzpolitik des Reiches. Der Münster wies zunächst die Gerüchte als aus der Lust gegriffen zuruck, wonach die deutsche Regierung eine 2 ft- Milliarden-Anleihe bei Frankreich aufnehmen wolle Ebenso unsinnig sei ein anderes Gerücht, das davon wißen will daß das Reich demnächst nicht mehr in der Lage sein werde, die Beamtengehälter zu zahlen. Er könne demgegenüber nur an seine kürzliche Erklärung erinnern, daß , die Kassenlage des Reiches für die nächsten vier Monate völlig gesichert sei.