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Kleines Glück Sie geht in aller Frühe, Noch eh' -die Dämmrung schwand, Den Weg zur Tagesmühe Im ärmlichen Gewand; Die dunklen Nebel feuchten Noch in der Straße dicht, Sonst sähe man beleuchten Ein Lächeln ihr Gesicht; Die Götter mögen wissen, Warum sie heimlich lacht — Es weiß es nur das Kissen, Was ihr geträumt heut nacht. Dom Dresdener Leben. Will man vom Dresdner Leben berichten, so muß man wohl dasselbe wie in einem Bericht über jede ander! Stadt an die Stütze stellen, — das Thema, das in oiesen Tagen alle Gemüter bewegt: die Reichstagswahl. Man müßte sich tätlichem wenn dieses Mal die Wahlbeteiligung nicht größer als sonst sein sollte; das Interesse vor der Wahl läßt jedenfalls solche größere Beteiligung er hoffen. Wahlversammlungen werden in Menge abgehalten, vier und fünf manchmal an einem Abend, und trotzdem sind sie fast alle sehr gut besucht. Man darf für Dres den lobend hervorheben, daß sie — bisher wenigstens, man soll ja nichts „beschreien" — sämtlich in Rnhe unk Ordnung verlaufen sind und vaß es die Polizei nicht nö tig hatte, mit geschwungenem Gummiknüppel für An stand und Mäßigung zu sorgen. Vor einigen Wochen noch sah es zwar mitunter auf den Straßen etwas ge fahrdrohend aus: dort nämlich, wo sich parteipolitisch aus gezogene Zeitungsstände befinden. Die Kommunisten, So zialdemokraten und Nationalsozialisten hatten sich dieß Einrichtung geleistet, und hier sammelten sich regelmäßig größere Gruppen an, die immer sehr rasch in erregt! Auseinandersetzungen gerieten. Da machte die Polizei kur zen Prozeß: sie verbot diese Zeitungsstände, und seit dem herrscht wieder überall Ordnung. Und diese Fest stellung ist für eine Stadt mit beinahe 70 000 Erwerbs losen immerhin nicht ganz nebensächlich. 70 000 Erwerbslose: das bedeutet ungeheuer viel Not. Aber auch damit ist das Elend unserer Zeit noch nicht erschöpft. Wer sonst nichts davon merkt, der kann jetzt säst jede, Woche einmal durch die sogen. Sammel tage daran erinnert werden. Man verkauft auf den Stra ßen kleine ganz billige Papierblumen zu zehn oder zwan zig Pfennig — der „Mildtätigkeit sind keine Grenzen ge setzt" —, und der Reinerlös fließt der ooer jener wohl tätigen Organisation zu. Manche ^fühlen sich dadurch belästigt, wenn sie um eine solche Spende immer wieder auf der Straße angesprochen werden, solange sie die Blume noch nicht im Knopfloch tragen: überlegen sic sich aber, wieviel Leid es zu lindern gibt, dann müssen sie williger werden. Etwa 20 000 bis 30 000 Mark er bringt eine solche Sammlung gewöhnlich, — in den Jahren des Krieges, wo ebenfalls viele derartige Veranstaltun gen gemacht wurden, überschritt man fast jedesmal die '100 000. Aber damals war man eben nicht nur gebe freudiger, sondern auch noch reicher. Trotz allem Elend gibt es auch noch erfreuliche Er scheinungen. Dazu gehört der Gesundheitszustand unserer Großstadtkinder. Nicht von statistischen Erhebungen soll hier gesprochen werden, es soll auch nicht geleugnet wer den, daß es noch immer Tausende von unterernährten und schwächlichen Kindern gibt. Aber es ist seit den Tagen der Kriegsblockadc eben doch sehr vieles besser geworden. Wer sich davon überzeugen wollte, der hätte das Ende ,August abgehaltene,, drei Tage dauernde Sportfest oer Dresdner Volksschulen besuchen sollen. Sahen die meisten Kinder nur deshalb so frisch und gesund aus, weil die Sonne ihre Haut braun gebrannt hatte? Nun, Sonne ist selbst Gesundheit, und wenn diese Großstadtkinder braune Körper zeigen können, so weiß man, daß sie sich fleißig im Freien, in Sonne, Luft und Wasser ge tummelt haben, daß sie sich fest gemacht haben gegen alle die Krankheitskeime, die in den staubigen Straßen der Großstadt auf sie einstürmen. Und wer diese quick lebendigen und frohen Kind sah, der sagte sich wohl auch, daß der neuzeitliche Schulbetrieb doch nicht in allen Fällen abgelchnt werden darf. Schafft er gesunde Kinoer, oanu hat er wirklich ein gewaltiges Plus für sich. Leipziger Allerlei. Die Messeonkels, die wie Zugvögel allherbstlich regel mäßig zur Weltherbstmesse in Leipzig eintreffen, sink wieder in alle Winde verflogen. Wohl kein Aussteller, der nicht sensationelle Neuheiten anzubieten hatte, ist zu dieser Messe mit überspannten Erwartungen gekom men. So dürfte das still ausgefallene Meßgeschäft in Zeichen der Weltwirtschaftskrise auch nicht sonderlich ent täuscht haben. Nun zeigen Meßhäuser, Meßhallen uni die Straßen der Messecith wieder ihr alltägliches Ge präge. Zu Messestörungen ist es diesmal glücklicherweist nicht gekommen. Jndeß ist wie überall die erbitterte Reichstagswahlschlacht in vollem Gange. . . Auch in den ersten Septembertagen vor genau 106 Jahren gingen im biedermeierlichen Leipzig die Wogen der Empörung hoch. Infolge der auch damals schlechten Wirtschaftslage kam es sogar zu einem erheiternd win zigen Revolutiönchen, das nach drei Tagen die vom Rai gebildete „Kommunalgarde" mit ihren dem Theater ent liehenen Waffen niederdrückte. Anlaß zu diesen Aus schreitungen gab die Feier eines Polterabends, die zwei Stadtpolizisten zu hindern suchten. Als Antwort wur den dem Polizeipräsidenten die Fenster cingeworfen, 2k Straßenlaternen zertöppert, das Landhaus eines Rats herrn verwüstet und das Haus einer Madam Schneider sollte nach der Plünderung angezündet werden. Nicht nur der Janhagel beteiligte sich am Aufruhr, sondern auch die über die Ratsmißwirtschast empörten Bürger, Studen ten und Handwerker; die letzteren, weil ein Ratsherr im nachbarlichen, billiger arbeitenden Markranstädt 30 Eisen bettstellen in Auftrag gegeben hatte. Idyllische Bieder meierzeit, die eine Revolution noch mit Theaterschieß prügeln niederschlagen konnte! Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen. Auch jener Reichswehrangehörige kann von seiner 115 Kilometer langen Reise etwas erzählen, die er. im Eil marsch in 18 Stunden von Leipzig nach Dresden aus führte. Unter Berücksichtigung der Ruhepausen erreichte er eine Stundenleistung von 8 Kilometern. Jeder Wan dersmann, der in fröhlicher Wanderfahrt 5 Kilometer pro Stunde wandert, wird oiese nicht alltägliche sport liche Leistung gebührend zu schätzen wissen. Die Jpa, die ihre Hallen Ende September schließen wird, schließt mit einem voraussichtlichen Defizit von 720 000 Mark. Die Einnahmen sind weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Statt der erhofften Zwei- Millionen-Befuche besichtigten die Ausstellung nur 900 000 Die Gedächtnistafel für Max Schreiber den verdienstvollen Führer des Sächsischen Landvolkes am Landbundhaus in Meißen. Gäste. Einsichtigen dürste das Defizit der Jpa kaum unerwartet kommen; in solch wirtschaftlicher Notzeit dürfte eine solche Fachausstellung kaum mit Gewinn schließen. Für die Masse der Bevölkerung — 65 000 Arbeitslose in Leipzig — ist auch der Eintrittspreis von 1 Mark an „billigen" Sonntagen noch unerschwinglich. Nun geht es mit Riesenschritten in den Herbst hinein. Die Rummelmesse auf den Frankfurter Wiesen blüht wieder. Auch der „Tauchsche", das traoitionelle abeno- liche Septembervolksfest der Leipziger Räbchen beiderlei Geschlechts, ist bereits gestartet. Die Drachen hängen wieder allerorten in den Radiodrähten uuo die Schwalben zwit schern reiseselig. Gewandhaus und Theater geben ihre Spielpläne bekannt. Im Neuen Operettentheater erscheinen u. a. drei Uraufführungen, die neuen Operetten Lehars, Kalmans klassische Stücke von Strauß, Millöcker und die „Fledermaus". Nun kann die „Saison" beginnen! Konrad aus Lipsk. Sächsische Wirtschastsnachrichten. Tarisverhandlnugen in ocr Metallindustrie. Die den Arbeitnehmern und Arbeitgebern in der sächsischen Metallindustrie von der Schlichterkammer auf gegebenen freien Verhandlungen beginnen am Mittwoch dem 17. September d. I. vormittags 11 Uhr in Dresden. Betriebsstillcguugsanzcigcn. Die Zahl der beim sächsischen Arbeits- und Wohl-- sahrtsministerium eingereichten Anzeigen über beabsich tigte Betriebsstillegungen, die im Juni 265 und im Juli 377 betrug, ist im August auf 391 gestiegen. Im einzelnen sind daran beteiligt die Gewinnung und grobe Bearbei-* tung von natürlichen Gesteinen mit 20, die Ziegeleiindu strie mit 23, die Glasindustrie mit 7, die Eisen- uno Me tallgewinnung mit 20, die Herstellung von Eisen- und Metallwaren mit 22, von anderen Metallwaren mit 15, der Maschinenbau mit 86, die feinmechanische und optische Industrie mit 10, die Wollindustrie mit 16, oie Baumwoll industrie mit 26, die Wirkerei und Stickerei mit 21, das Vervielsültigungsgewerbe mit 10, die Herstellung von Holzbauten und von Möbeln mit 12. Eine Anzahl wei terer Industriezweige ist mit einer geringeren Zahl be teiligt. Beschäftigt waren 51455 Arbeiter und 11788 Angestellte. Entlassen wurden 10 865 Arbeiter und 1034 Angestellte. Meder em dettmKW ReisMw. GefcllschastS.eßende müssen die ^ei n a rt selbst bezahlen. Die Gutgläubigkeit, mit der Reiselustige ihr oji sauer erspartes Geld bei unhelamuen Reise-Unternehmen, die übrigens allerorten wie Pilze aus der Erde schießen, einzahlen, hat wieder einmal zu einem bösen Reinfall geführt. Auf Grund von Anzeigen wurde von der Dresdner Kriminalpolizei das Verkehrsbüro „Hansa", Breite Straße, revidiert. Es wurde im Mai d. I. eröffnet zur Ver mittlung von Gesellschaftsreisen nach Per Nord- und Ost see. Schon bei der zweiten Reise kam das Unternehmen in Geldschwierigkeiten. Die Teilnehmer hatten zwar ihre Reise bezahlt, mußten aber die Rückreise von der Insel Helgoland zum Teil aus ihrer eigenen Tasche bezahlen, weil die Kasse des Berkehrsbüros leer war. Ein großer Teil der Regenden hat bis heute das ausgelegte Gelo nicht wieder erhalten. Diese Schwierigkeiten hielten jedoch die Unternehmer nicht ab, für weitere Gesellschaftsreisen zu propagieren und das Geld oer Reiselustigen anzunehmen. Die Veranstaltung einer weiteren Reise war aussichts los. lieber zwanzig Personen wurden um das Reisegeld geschädigt. Das System solcher durchaus unsundierten Unter nehmen dürste darin bestehen, aus den für kommende Reifen bereits eingelaujenen Geldern zunächst einmal schon verpulverte Gelder für gegenwärtige Reisen zu ersetzen, soweit das Geld dazu noch langt natürlich Dieses Ver fahren erinnert stark an das Wettkonzernsystem Klante unseligen Angedenkens und dürfte zu besonderer Vor sicht mahnen. Aus Sachsens Gerichissälen. Immer wieder Bierpantscherci. Dresden. Der Bierausgeber Ernst Locke war kw Restaurationsbetrieb von Tymians Thalia-Theater tätig und soll etwa drei Monate lang in ekelerregender Weis! Bier gemischt haben, indem er stehengebliebene Neigen und Tröpfelbier mit frischem Bier vermengt ausschänkte Er hat wegen Vergehens gegen das Lebensmittelgesetz einen Monat Gefängnis durch Strafbesehl erhalten, diesen aber angesochten. Im Termin bestritt der Angeklagte fein Schuld. Die Anzeige sei ein Racheakt. Der frühere Oeko- nom des Theaw'' Restauraocs mG ein K^Umr belast nen Bild links: Wieder eine Zlugzeugkatastrophe. Die Trümmer eines Flugzeuges der Deutschen Verkehrssliegerschule Braunschweig, das am 11. September bei dem mecklenburgischen Dorfe Rastvw aus großer Höhe abstürzte und zerschellte. Der Pilot — der ein zige Insasse — wurde auf der Stelle getötet. — Bild rechts: Ein schweres Streßenbahnunglück in Zürich, das folgendermaßen cnlstand: in einem Straßcnbahnhof kamen drei aneinanderge- koppeite Wagen in Bewegung, rollten aus dem Bahnhof und die abschüssige Straße hinab, trafen in rasender Fahrt auf einen vollbesetzten Straßenbahnwagen und schoben ihn — immer schneller, immer schneller — vor sich her. In einer Kurve spran gen die Wagen aus den Gleisen und zerschellten an einer Stütz mauer. Aus den Trümmern würden zwei Tote und zehn Schwer verletzte geborgen.