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ver Schrecken Das Geschlecht der Tartarins ist noch nicht ausgestorben. — Riesentreibjagd im französischen Dschungel. — Ein vor geschichtliches Stahlmantelgeschoß. Von Alex C o u t e t - Toulouse. Oft genug hören wir es: Wir leben im glücklichen Zeit alter des Flugzeuges und des Radios. Schön. Aber wie ver trägt sich mit diesem vielgerühmten hohen Stande unserer Zivilisation die Tatsache, daß ein wildes Tier unsere idyllischen südfranzösischen Gefilde in Schrecken versetzen konnte? Zwei Monate lang habe ich alle die Angst und die zagen Hoffnungen geteilt, zwischen denen die Gemüter der friedlichen Land bewohner von Castelculier und Chaudordh schwankten. Wer trägt hieran die Schuld? Das Schreckgespenst der Gascogne, das wilde Tier von Agen! Wie Du sicher weißt, lieber Leser, ist die Gascogne die Heimat jener Helden, die sich nicht scheuen, von ihren Taten ju erzählen. Ja, manchmal wird sogar behauptet, die Gas rogner übertrieben ein wenig, und bei ihnen sollen Scherz und Legende blühen. Sollte das Tier von Agen nicht auch ein Hirngespinst sein? Erlauben Sie mal! Hier find die Tatsachen: Eines schönen llbends rief die Präfektur in Agen mich Ahnungslosen an: „Zwei Löwen spazieren in aller Freiheit in den Wäldern der Umgebung herum. Kommen Sie sofort! Das ist sicher etwas für Sie, der Sie sich für wilde Tiere interessieren." So ist es eigentlich ganz überflüssig, zu bemerken, daß ich mit zu denen gehörte, die am nächsten Tage unter Wahrung der in solch gefährlichen Situationen erforderlichen Vorsicht in die Wälder um Agen eindrangen. Das Wetter war herrlich. Wir vergaßen darüber beinahe alle Schrecken, die uns be gegnen konnten. Außerdem hatte ja auch die Obrigkeit die Spitze übernommen, vorn der Gendarmeriehauptmann, dann »ter seiner karabinerbewehrten Getreuen. Trotzdem war es ein Glück, daß sich die Löwen nicht sehen ließen. Denn ich glaube, wir wären trotz des behördlichen Schutzes bis auf die zähen Stiefel aufgefressen worden, die Gendarmerie natürlich ausgenommen. Außerdem bin ich nicht ganz sicher, ob ein Schuß aus deren Donnerbüchsen nicht irgend einen friedlichen Bauern, ein paar Kilometer von uns mtfernt, das Leben gekostet hätte. Weil gerade von Landwirten die Rede ist, so fällt mir nn, daß es ein Hofbesitzer aus der Nähe war — Bielle heißt »er Brave —, welcher der Präfektur die wilden Tiers gemeldet gatte. Seinen Söhnen sollten sie bei verschiedenen Gelegen heiten über den Weg gelaufen sein. Einmal waren sie drei hundert Meter entfernt am Waldrande aufgetaucht, doch die mngen Herren konnten leider nicht feststellen, welcher räu berischen Tiergattung sie angehörten. Unter diesen Umständen ^forderte es allein schon die Vorsicht, gleich an Löwen zu »enken. Was denn auch prompt geschah. Natürlich herrschte in der ganzen Umgebung Helle Auf regung. Nachts wagte sich niemand aus dem Hause. Die Linder schlenderten nicht mehr auf schönen, heckenbestandenen Wegen zur Schule, und in den Wald ging schon gar niemand. !lch, und dabei war es doch schön unter dem grünen Walddach. Doch nur die Schreckenstiere erfreuten sich der herrlichen ftatur und durchstreiften sie in aller Gemütlichkeit. Davon zeugten die entsetzlich großen Spuren auf der nassen Erde. So ziemlich überall sollte der Landschrecken aufgetaucht jein. Manche Leute hörten die Tiere sogar heulen. Nur wir zünftigen Jäger und Zeitungsleute zählten nicht zu diesen Glücklichen. Deshalb waren wir darauf angewiesen, den ver schiedenartigsten Kommentaren schweigend zu lauschen. Die merkwürdigsten Vermutungen über die Gattung der schreckenstiere wurden geäußert: Löwen, Bären, Panther, sZumas, Hyänen, Wölfe, weiß der Kuckuck, was alles noch. Freiwillige stellten sich. Junge Leute trieben sich die ganze flacht in den Wäldern herum, vom ehrlichsten Willen besessen, tuf echt afrikanische Urwaldmanier zu jagen: eine starke Taschenlampe am Tropenhelm befestigt, um die wilden Tiere mt dem Lichtkegel zu überraschen und zu blenden. Ich habe mit diesen unerschrockenen Leuten gejagt. Zweimal schossen sie auf geheimnisvolle Augen, die im Lichtschein aufglühten. Was sie getroffen haben, weiß ich nicht. Ein Löwe oder gar zwei wilde Tiere — über die Zahl konnte man sich sowieso nicht einigen — waren es sicher nicht. Das tat aber dem Idyll, das wir erlebten, keinen Ab druch. Eichhörnchen, Kaninchen, Füchse und Schlangen tum melten sich in Wald und Dickicht, und das nächtliche Konzert »er Eulen, Frösche und Nachtigallen begrüßte uns. Wunder hübsch. Aergern konnte man sich nur, wenn man daran dachte, Die das dumme Schreckgespenst im Schutze der Nacht über uns lachen mußte. Denn am nächsten Morgen fanden sich natürlich überall, wo wir gewesen waren, zahllose neue Spuren, tief in den Weichen Tonboden der Waldwege eingedrückt. Das ging so unmöglich weiter. Also wurde beschlossen, zu einem großen Schlage auszuholen. Die ganze Gascogner Jä gerei, Linie und Landsturm, wurde zusammen getrommelt. Doch nur die ganz Beherzten, diejenigen, die schon mit dem Leben abgeschlossen hatten und es für die Allgemeinheit opfern wollten, stellten sich Pünktlich ein. Es waren rund fünfzig Mann unter dem Befehl des Oberehrenwaldhegers des De partements Lot-et-Garonne, alle von oben bis unten mit furchterregenden Patronentaschen und -riemen behangen und von Hunden aller möglichen Rassen begleitet. Diese Meute wurde sofort losgelassen. Sie jagte die armen, zu Tode geängstigten Kaninchen auf, so da^, diese und aüerneueften fest. Mer die muß eben! Dieser Tage nun ist wieder einmal ein scharfer Angriff auf die zurzeit gültige Rechtschreibung versucht worden. Die deutschen Buchdrucker — Leute also, die sich täglich mit den verschie densten Orthographien herumschlagen müssen — sind es, die den Kampf gegen die Irrungen und Wirrungen unserer Schreibungen aufnehmen wollen. Ihr Bildungsverband faßte in Magdeburg und in Braunschweig Beschlüsse, die auf eine Vereinfachung der Rechtschreibung Hinzielen. Vor allem geht es diesmal gegen die Hauptwörter, die wir be kanntlich groß schreiben. Die Buchdrucker aber meinen — und mit ihnen meinen das noch viele andere —, daß die vielen großen Buchstaben dem Volke das Schreiben un nötigerweise erschweren und daß mit Ausnahme der Satz anfänge (nach einem Schlutzpunkt) und der Personen- und Eigennamen alles ganz gut klein geschrieben werden könnte, wie das in den meisten andern Sprachen der Fall sei. Es wurde bei dieser Gelegenheit darauf hingewiesen, daß es in dem heiligen, unantastbaren Duden nicht weniger als 1274 Dsppelschreibungen gibt, und daraus soll der Mensch nun dann so klug werden, daß er richtig schreibt! Der mit Recht so gefürchtete Duden, der im übri gen schon seit langem ein toter Mann ist, kann ja wohl nichts dafür, aber die Tatsache der Verwirrung der Köpfe bleibt bestehen, und darum soll geändert werden. Es gibt, wie man weiß, jetzt schon Leute von Bedeutung, die kon sequent und zum Teil mit einer gewissen Eitelkeit das Alleskleinschreiben betreiben: der „Naturmensch" gustaf nagel schrieb sogar seinen Namen klein, der bekannte Schauspieler Alben Bassermann machte das ebenso und der Dichter Stephan George dichtet grundsätzlich nur mit kleinen Buchstaben, was auch daun sensationell wirkt, wenn man die Gedichte an sich nicht versteht. Mary heiratet Sträflinge. Mary Sullivan ist eine wohlhabende Amerikanerin in den Dreißigern, die sich schon seit Jahren auf der Suche nach einem Ehemanns befand. Das ist, wie jeder zugeben muß, etwas durchaus Normales. Anormal aber ist Marys Neigung für Männer, die wegen irgendeines Kapitalverbrechens zum Tode verurteilt sind. Nur einem solchen wollte Mary ihre Hand zum ewigen Bunde reichen, wobei jedoch die Ewigkeit des Bundes natürlich nur kurz bemessen sein konnte. Wo immer sie hörte, daß ein noch lediger Mann seiner Hin richtung entgegensehe, erschien Mary bei dem Gefängnis- direktor, um eine Unterredung mit dem Todeskandidaten zu erreichen und diesem Herz und Hand anzubieten, weil sie das furchtbar interessant fand. Sie erbot sich dann immer, während der Zeit bis zur elektrischen Erledigung des Mannes für dessen leibliches Wohl in ausreichender Weise zu sorgen. Jahrelang blieben ihre Bemühungen jedoch vergeblich, denn die Verurteilten, die vernünftiger waren als sie, fragten sie zunächst einmal, ob sie verrückt sei, wodurch sie sich regelmäßig sehr gekränkt fühlte, ob wohl sie ja wohl tatsächlich übergeschuappi ist. Kürzlich aber ist der überglücklichen Mary der große Streich ge lungen: der Raubmörder Bernd Gorman zu Portland im Staate Oregon erklärte beherzt, daß er es mit ihr wagen wolle, ließ sich mit ihr trauen und wurde einen Tag später vom Leben zum Tode befördert. Mary, die jetzt richtige Witwe ist, sucht bereits einen neuen Sträfling „zu Heiratszwecken". Freie Bahn den Schwiegermüttern. In London haben sich die Schwiegermütter zu einem Klub vereinigt, um ihre berechtigten Interessen wahrzunehmen. Die Ver anlassung zur Bildung dieses gefahrdrohenden Klubs bot ein Prozeß, in dem eine Schwiegermama gegen ihren bösen Schwiegersohn auf 100 000 Mark Schadenersatz klagte, weil er ihr verboten hatte, seine Wohnung zu be treten. Außerdem forderte sie von dem Gerichtshof die gesetzliche Ermächtigung, zu jeder Tages- und Nachtzeit ihre Tochter zu besuchen. Der Anwalt der Schwieger mutter schilderte in erschütternder Weise die irdischen Leiden dieser Menschengattung. Sogar der Mutterliebe der Tiere werde größere Achtung bezeugt als der Liebe der Menschenmütter, wenn sie zu Menschenschwieger müttern herabsinken. Sie könnten ihren armen ver heirateten Töchtern selten nur mütterlichen Trost ins Haus bringen, denn das Gros der Schwiegersöhne sei boshaft und brutal von Natur und reif, ausgerottet zu werden. Der Anwalt der unterdrückten Schwiegermutter fand jedoch in dem Anwall des Schwiegersohnes einen eben bürtigen Gegner. Er behauptete kurz und bündig, daß schlechthin sämtliche Männer Opfer ihrer Schwiegermütter feien und sich dauernd im Zustand der Notwehr befänden. Alle Ruhe, alle Harmonie einer Ehe entschwinde, sobald eine Schwiegermutter am Horizont erscheine. Dieser schrecklichen Ansicht schien ein bißchen auch der Richter zu fein. Er erklärte, daß eine Mutter, die ihre Tochter einem Manne anvertraue, drei Viertel ihrer Rechte verlustig gehe. Ein Schwiegersohn müsse zwar gestatten, daß seine Schwiegermutter ihre Tochter zwei- bis dreimal besuche, aber Schadenersatzansprüche gebe es nickt gegen einen unfreundlichen Schwiegersohn. Dieses Urteil war es, das die Londoner Schwiegermütter derart aufgebracht hat, daß sie mit dem Wahlspruch: „Offene Tür den Schwieger müttern!" den Schutz- und Trutzbund gegen die Schwieger söhne gründeten. Wie steht es aber mi: den Schwieger müttern der anderen Partei, mft denen der Schwieger töchter? Sind die auch so schlimm? Bild links: Von der Leichtathletik-Olympiade der Frauen, zu der sitzt es statt der Tragflächen zwei Rotoren aus Duraluminium, die den nötigen Auftrieb geben sollen, lieber die schon unternomme nen Probesiüge wird strengstes Stillschweigen bewahrt. nach hartem Kamps Fräulein Dolinger - Nürnberg. — Bild rechts: Das erste Rotor-Flugzeug, das völlig geheim in Amerika sich die Vertreterinnen von 17 Nationen in Prag versammelt ... haben: Fräulein Hitom i-Iapan schlägt im 200-Meter-Vorlauf gebaut wurde. Nach dem Zlettner-Rotor-System konstruiert, be- Ein Erdrutsch auf der Schwarzwaldbahn ging bei dem unteren Eingang des Triberger Quertunnels Zwischen Triberg und Nußbach nieder. Die Ursache ist in den Tunnel instandsetzungsarbeiten und in der langen Regenzeit zu suchen. aer Saseogne zwischen die Beine der'Gendarmeriepfcrdc hindurch flüchteten, deren Reiter den Wald in weitem Kreise umstellt hatten. Doch auf uns Jägern lastete das Bewußtsein einer weit größeren Gefahr, der Todesgefahr. Denn wo ime hinsahen, starrten uns Gewehrläufe entgegen. Nur ein Schuß brauchte zu fallen, um Menschenleben zu vernichten. Doch glücklicherweise ließen sich die Schreckenstiere oder Gespenster nicht sehen. Ein fürchter licher Lärm hob an. In jeden Busch wurde hinein gebrüllt und mit Stöcken hinein geschlagen. Die Hunde heulten im Dickicht, bis sie heiser wurden. Ohrenzerreißende endlose Pfiffe klangen dem verborgenen Grauen entgegen, das überall lauern konnte. Jagdhörner gellten, und inmitten alles Lärmes er schollen Schlagermelodien und volkstümliche Kehrreime, denn die vorsichtshalber mitgeführten Feldflaschen leerten sich lang sam. Und dann sammelten wir uns auf einer schönen grünen Lichtung, legten uns ins Gras und besprachen das Unter nehmen in lautem Brustton der Ueberzeugung, unsere Pflicht getan zu haben. Der Oberehrenwaldheger aber, der die De batte leitete, erklärte amtlich: „Keine Spur gefunden, kein Schuß gefallen. Also sind die Tiere aus unserer Gegend ge flüchtet." So ganz wohl war aber nicht allen unter uns. Konnte es nicht sein, daß uns die Schreckenstiere aus irgend einem dornenumwehrten Felsloch heraus beobachteten! Ach was, denken wir nicht daran! Mit uns und unserer Haltung zu frieden zogen wir heimwärts. Seitdem hat niemand mehr etwas vom Schrecken der Gascogne gehört. Sollte er vielleicht aus Angst vor unserem Lärm gestorben sein? Doch, wie war es mit den Spuren? Ja, von denen haben wir verschiedene Abdrucke genommen und dem Leiter des Naturhistorischen Museums in Toulouse gebracht. Dieser ge lehrte Herr Prüfte sie eingehend und gelangte zu dem Schluß: Es handelt sich um eine gefleckte Kaphyäne, die wahrscheinlich aus irgend einer Menagerie ausbrach und sich in die Wald einsamkeit um Agen zurückzog. Das ist alles schön und gut. Aber wir Gascogner sind, was Hyänen anbelangt, ein wenig skeptisch. Ein Paar Jahre ist es her, da schenkte ein Professor für Vorgeschichte — eine Koryphäe in seinem Fache — dem Toulouser Museum den Schädel einer Höhlenhyäne, ein kostbares Ueberbleibsel der vordiluvialen Tierwelt. Der Konsertator behandelte das teure Stück mit'der nötigen respektvollen Sorgsalt, untersuchte es ein wenig genauer, um sein Wissen zu bereichern, und fand in der Schädelwand ein — Stahlmantelgeschoß. Seitdem ist man bei uns hier ein wenig mißtrauisch geworden. . Üermilchtes . s Kampf gegen die Rechtschreibung. Unsere Rechtschrei bung kann es offenbar noch immer nicht allen recht machen. Jeder fast hat etwas an ihr auszusetzen. Viele schwören heute noch auf die alte „Orthographie", andere möchten Kompromisse zwischen alter und neuer schaffen, und nur die Schuljugend hält unentwegt an der jeweiliae!?7neuen