Volltext Seite (XML)
Wilsdruffer Tageblatt 2.Blatt.-Nr.203 - Montag, Leu I.September 1930 Seäsn unä Dannenberg. Zwei Tage leuchten flammenumglüht Durch Knechtschaft und Wetterdrang Und singen des Volkes Heldenlied Von Tannenberg und Sedan. Zwei Tage flammen durch dunkelste Nacht, Wie Sterne so licht und klar, Zwei Tage, da Helden Geschichte gemacht Und das Schwert unsre Seele war. Zwei Tage. Der eine, der Deutschland gebar, Der die Einheit mit Blut sich errang, Der andre, der, sie zu erhalten, die Schar Der Russen zu Boden zwang, Und beide getragen von einem Geist, Von der deutschen Seele durchloht — Zwei Tage, die keiner den Herzen entreißt 3n Trübsal, in Nacht und in Not. Und ob Helotengeist sie vergißt, Der schuld an all unsrer Not — Die stürmende deutsche Seele ist Auch in der Wolfszeit nicht tot! Der Geist von Tannenberg und Sedan Kann nimmermehr untergehn And wird aus Fron und aus Untergang Noch emmst leuchtend erstehn! Ob wir, dir wir todwund und fieberkrank, Ob die Endl bezwingen die Macht — Der Zweikang Sedan und Tannenberg wird Dereinst zun Dreiklang gemacht! Es kommt ier Tag, da in Sturm und Drang Ein Mvrgn beendet die Nacht Und der Gist von Tannenberg und Sedan Noch einml zu Helden uns macht! Felix Leo Göckeritz. Napoleons KspÄrMü'on. Zur Mjährhen Wiederkehr der Schlacht bei Sedan. Ein jedes Efchehnts von irgendwelcher Bedeutung Hai ein Recht daran in der Erinnerung der Nachwelt fortzu leben, und alle Gegebenheiten, welche die Welt bewegten, bilden in ihrer zeitlichen Anreihung den Inbegriff der Geschichte. Ihr Audium har einen unleugbaren Sinn und entspricht zudem einem unausrottbaren Bedürfnis des Menschen, zu ein«n möglichst umfangreichen Wissen von alle dem zu gelange», was je von Menschen getan und geleistet Ivorden ist. Dart» haben die geschichtlichen Gedenktage ihre Berechtigung. Überschattet, aer nicht ausgc-löfchi von den Feuernebeln der Erinnerung a> die schreckensvollen Jahre des gewaltigsten Ringens, das je >ie Erde überdröhnie, leuchtet heute aus einer Zeitwerte v« 60 Jahren vom Geschichtshimmel der Ster» von Ssan in den aufgegangcnen zweiten Sep tembertag hinein. Zwei ritterlich Armeen standen sich ln ehrenvollstem Kampfe gegenüber. Marschall MacMahon, bei dessen Heer sich Kaiser Napoleon band, war auf seinem Marsche zum Entsatz von Metz, in desse Festung sich die französische Hauptarmee unter Bazaine sche kricgscntschcidcnd eingeschlossen sah, aus das rechte Maasufebcki Sedan zurückgedrängt worden. Die dritte und vierte Aice unter den Kronprinzen von Preuße» und Sachsen hatten h dem Gegner vorgelegt. Moltke sandte am 1. September d 5. und 11. Korps mit der württem- bergischen Division » Reserve in den Rücken des Gegners, während die preußist Garde, das 4. und 12. und die beiden bayerischen Korps wer Front angrifscn So sahen sich die Franzosen schon balstach Beginn der Schlacht trotz tapferster Gegenwehr von akn Seiten eingeschlossen. Ein feuerspeiender Ringon Geschützen umgab die eingekeilte Armee. Heroische Bbruchsversuche, wie der Retterangriff, der selbst die Bewuerung der deutschen Heeresführung Hervorrics, zerschelltem» deutschen Schnellfeuer. Es gab kein Entrinnen Da erschien in er beginnende» Abenddämmerung die weiße Flagge über ft brennenden Sedan und Kaiser Napo leon entsandte einen arlamcntär an de» König von Prenße» mit de»t berühmten chreiben, das mit den Worten begann: „Da es mir nicht vcinnt ist, an der Spitze mcmer Truppen zu sterben, so übergcüch Eurer Majestät meine» Degen . . ." Als deutscher Parlantär hatte Oberstleutnant von Bronsart die Aufforderung zurbergabe der Armee und Festung Sedan überbracht. Boni Ker, von dessen Anwesenheit in Sedan übrigens die Deutsck zunächst nichts wußten, an General Wimpssen, den Nächster des durch einen Granatsplitter ver wundeten Oberbefehstbers MacMahon, gewiesen, erhielt er von Wimpssen die Werung zur Annahme der Kapitulations- bedingungcn, die Wissen auch Moltke gegenüber bei einer noch am Abend des September in Donchery abgehaltenen Unterredung wicderh». Da suchte am Morgen des 2. Sep tember Kaiser Napon bei einer Zusammenkunft mit Bismarck eine Miltcung der Bedingungen zu er reichen: Diese Unterredung fand in dem sogenannten Weber häuschen bei Donchöry statt, brachte aber den Bemühungen des Kaisers keinen Erfolg, vielmehr wurde ihm bedeutet, daß die Kapitulation bis 10 Uhr vormittags erfolgt sein müsse, andernfalls würde die deutsche Artillerie das Feuer sofort wieder eröffnen. Da unterzeichnete eine Stunde später General von Wimpssen als Unterhändler Napoleons im Schloß Bellevue bei FrSnois unweit Sedan die Kapitulationsurkunde, welche die gesamte im Raume von Sedan zusammengedrängte französische Armee für kriegsgefangen erklärte. In demselben Schlosse empfing dann König Wilhelm den geschlagenen Kaiser der Franzosen, wobei die Degenübergabe erfolgte. Die kapi tulierte Armee umfaßte über 100 000 Mann, 50 Generale, 5000 Offiziere. An Gefallenen hatten die Franzosen 17 000 Mann, die Deutschen 5500 Mann und 460 Offiziere. Die Bayern hatten dabei die größte» Verluste Durch die in der Kriegsgeschichte bis dahin beispiellose Wafscnstreckung eines so großen Heeres sowie durch die Ge fangennahme des nach Schloß Wilhelmshöhe eskortierten Kaisers Napoleon übertraf der Sieg von Sedan alle anderen Ereignisse des Krieges an dramatischer Wucht. Nur der ge nialen deutschen Führung und der heldenhaften Hingabe der ihr unterstellten Truppenmassen konnte der Sieg über einen Gegner zufallen, der an Tapferkeit und Todesmut so Unglaub liches leistete, wie es zum Beispiel die Verteidigung eines Wirtshauses in Bäzeilles bewies, wo eine Kompagnie fran zösischer See-Infanterie unter Major Lambert bis zur Er schöpfung ihrer Munition in tigerhafter Verzweiflung focht, bis die "letzte Patrone verschossen war. Ein hünenhafter bayerischer Hauptmann setzte sich in Ehrung solcher gegne rischen Tapferkeit dafür ein, daß dem verbliebenen Rest der heldenmütigen Wirtshausbesatzvng nach deren unvermeidlich gewordener Ergebung die Waffen belassen wurden. Durch ein bekanntes Gemälde von Alphonse de Neuville „ttos ämmörss eurtouedos" (Die letzten Patrone»), in welchem diese Episode aus dem zweitägigen blutigen Ringe» um Sedan künstlerisch festgehaUen ist, hat das so heiß umstrittene französische Wirts haus eine Weltberühmtheit erlangt. Mit den, siegreiche» Tage von Seda« war aber der Friede »och nicht geschlossen. Am 18. Januar 1871 kapitulierte Paris, und am 10. Mai 1871 erst wurde der Friede unterzeichnet. Der 2. September 1870, der Tag von Sedan, lebt in Ge schichte und Erinnerung aber als ein Gedenktag von besonderer Bedeutung fort, denn mit seiner entscheidenden Wafsentat hatte er die Grundlage zum geeinigten Deutschland und zu dem machtvollen Deutschen Kaiserreich gelegt, das im Spiegelsaal von Versailles unter dem Ausbruch höchster vaterländischer Begeisterung ausgerufen ward — in demselben Versailles, in den, cs nach dem furchtbare» Weltkriege später eingesargt Das Zusammentreffen Bismarcks und Napoleons am 2. September auf der Chaussee bei Donchöry zu der Besprechung, in der Napoleon eine Milderung der Kapitu lationsbedingungen zu erreichen versuchte. (Nach einem Gemälde von Camphausen.) ANS Ker WaUbeweguna. Tie Kandioaten der Staatspartci im Wahlkreis Leipzig. Die Deutsche Staatspartei hat in den sächsischen Wahl kreisen an erster bis sechster Stelle dieselben Kandidaten aufgestellt. Von der siebenten Stelle an hat jeder Wahl kreis Kandidaten aus seinem Bereich gesetzt. Für Leip zig sind demnach die ersten zehn Kandioaten: Journalist August Abel, Berlin: Reichsminister a. D. Dr. jur. Wilhelm Külz, Dresden; Staatsminister Curt Spiegel hauer, Eppendorf, Sa.; Fabrikbesitzer Hermann Menzel jun., Großröhrsdorf; Frau Dr. Phil. Else Ulich-Beil, Dresden; Landwirt Reinhold Müller, Piegel, Post Kie ritzsch; Kaufmann Friedrich Emil Koch, Taura bei Burg städt; GesängnisinspekGr Richard Schulze, Markranstädt; Kausm. Abteilungsleiter Fritz Mlynarczyk, Leipzig, u. a. Die Kosten der Reichstagswahlcn. Die durch die Retchstagswahleu bei den Reichs-, Landes und Gemeindebehörden entstehenden Kosten (baren Auslagen) iverden in der Hauptsache voi» Reiche getragen. Das Reich erstattet den Ländern die bei ihren Behörde» entstandenen Kosten voll und vergütet den Gemeinden vier Fünftel ihrer Aufwendungen, während ein Fünftel von den Gemeinde» selbst getragen wird. Bei den Maiwahlen 1928 betrugen die Auf wendungen des Reiches 1582 000 Mark Davon wurden den Gemeinden erstattet 1 136 000 Mark. Die Kosten der Landes behörden betrugen 372 000 Mark, die der Reichsbeüörden 74 000 Mark. Außerdem wurden 284 000 Mark von den Gemeinden selbst getragen. Mithin betrug die Gesamtausgabe der öffent lichen Hand 1 866 000 Mark. Mit der Reichslagswahl 1928 waren in verschiedenen Ländern, z. B. Preuße«, Bayern, Würt temberg, Landeswahlen oder Wahlen zu kommunalen Körper schaften verbunden. Hierdurch haben sich die Aufwendungen des Reiches aus einen der Zahl der verbundenen Wahlen ent- t sprechenden Bruchteil verringert. Mit der Retchstagswahl im September 1930 werden nur die Landeswahle» m Braun schweig verbunden. Dementsprechend werden dte Aufwendun gen des Reiches für diese Wahl höher sein Sie werden aus 2 350 000 Mark und die Gesamtaufwendungen der öffentlichen Hand auf 2 800 000 Mark geschätzt. Wahlvorstand und politische Abzeichen. Der Reichsminister des Innern gibt bekannt, daß die Mit glieder des Abstimmungsvorstandes "zu strengster Unparteilich keit verpflichtet sind. Die Mitglieder des Äbsttmmungsvor- standes haben, gleichviel welcher politischen Partei sie an gehören, bei ihrer Amtsführung diejenigen Rücksichten zu nehmen, die durch ihre Stellung als Mitglieder eines staat lichen Organs bedingt sind. Sie haben besonders parteiliche Kundgebungen zu vermeiden, die, wie z. B. dos sichtbare Tragen gewisser Abzeichen, geeignet sind, bei Andersdenkenden berech tigten Anstoß zu erregen. Der Abstimmungsvorsteher wird zur Vermeidung von Unzuträglichkeiten den Mitgliedern des Ab stimmungsvorstandes, die mit parteipolitischen Abzeichen er scheinen, nahezulegen haben, das Abzeichen während der Aus übung ihrer Tätigkeit als Mitglieder des Absümmungsvorstan- des abzulcgen. Wird diesem Ersuche» »ich, entsprochen, so hätte der Abstimmungsvorsteher den Beisitzer lm Interesse der Ausrcchterhaltung von Ruhe und Ordnung während der Ab- Mmmnngshandlnng durch eine» anderen Wähler zu ersetzen. Rerchstagsprüsident Löste in Breslau. Reichstagspräsident Löbe setzte sich in einer Rede in Breslau mit dem Zentrum, insbesondere mit dem Reichs kanzler, auseinander. Das Zentrum habe behauptet, dir Sozialdemokratie drücke sich vor der Verantwortung in dem Augenblick, wo es brenzlich zu werden anfange. Brü- nung habe die Notverordnung entgegen der Verfassung erlassen, weil angeblich Ruhe und Ordnung gefährdet sei. Glaube er aber, daß Ruhe und Ordnung gesichert seien, wenn den Arbeitslosen die Bezüge gekürzt würden, wenn die Krankenkassen von ihren Versicherten neue La sten forderten und so weiter? Warum suche er nicht die notwendigen Summen durch Herabsetzung des Wehr haushalts und der Offizierspensionen zu erlangen und gegen den Preiswucher der Trusts vorzugeben? Das Finanzprogramm der Negierung sei völlig ungenügend. Kandidaten der Deutschen Staatspartei in Ostsachsen. Die Liste enthält anschließend an die sechs für ganz Sachsen ausgestellten Kandidaten folgende Namen: Walter Klinger, Kaufmann, Bischofswerda: Reinhold Hübner. Be zirkszollkommissar, Zitrau; Lore Simon, Hausfrau, Dres den; Richard Zimmer, Gutsbesitzer, Bautzen: Traugott Ak- lermann, Landwirt, Cölln bei Bautzen; Karl Mensing, Pfarrer i. R.> Dresden u. a. m. Trcviranus und Ho et sch in Frankfurt am Main. In Frankfurt a. M. sprachen in einer Wahlversamm lung der Konservativen Volkspartei Reichsminister Tre- viranus und Prof. Dr. Hoetzsch. Trcviranus betonte den Willen der Negierung, die notwendigen Reformen durchzuführen. Die Flucht aus der Verantwortung habe der Sozialdemokratie das Recht genommen, der Regie rung Vorwürfe zu machen. Prof. Hoetzsch betonte die positive Einstellung der Partei zum jetzigen Staat, dessen Hauptfehler darin be stehe, daß maii ihn in Weimar einseitig formal-demo kratisch konstruiert und das konservative Element, das in die amerikanische und englische Verfassung eingefügt sei, ignoriert habe. Brüning über die deutsche Außenpolitik. Reichskanzler Dr. Brüning sprach auf einer Kundgebung der Zentrumspartei in Trier. Er behandelte zuerst die vor zeitige Räumung der dritten Zone, die als ein besonderer Ein schnitt in der deutschen Geschichte dastehe. Nach der Räumung stehe Deutschland vor großen außenpolitischen Ausgaben. Die Wirtschaftskatastrophe, die über die Welt hercingebrochen sei, dränge zu einer Lösung. Briands Denkschrift versuche, einen Weg aufzuzeigen und die deutsche Rcichsregwrung habe den Willen zur Zusammenarbeit offen bekundet. Die Endziele der deutschen Außenpolitik müßten sich aus der heutigen Gesamt- lage Deutschlands von selbst ergeben. Um diese Endziele zu erreiche», brauche »ran in erster Linie Stabilität und innere Folgerichtigkeit, die eine gesetzmäßige Einstellung zur Außen politik bringen müßten. Man dürfe sich aus keine politischen Abenteuer einlassen und von einem Streben nach Popularität dürfe keine Rede sein. Verantwortungsvolle Außenpolitik müsse nüchtern abschätzen und vorhandene Mittel einsetzen. Die Reichsregierung werde die bisherige Linie mit Festigkeit und Energie weiter beschreiten, um das Vcrirauen des Jn- und Ausländes zu erwerben. Eine Voraussetzung sei aber, daß die inneren Verhältnisse sich befestigen. Geheimrat Hugenberg in Görlitz. Der Vorsitzende der Deutschnationalen Volkspartei, Geheim rat Hugenberg, sprach in der Görlitzer Stadthalle über die Stellung der Deutschnattonalen Volkspartei zu de» großen Fragen der Innenpolitik. Der Redner betonte u. a., wir müßten endlich zu einer grundsätzlichen Revision unserer bis herigen Handels- und Zollpolitik kommen. Das Steuer der Außen- und Innenpolitik müsse energisch hcrumgeworfen werden. Eine Gesundung der öffentlichen Finanzen könne durch neue Steuern nicht erreicht werde». Äußerste Sparsam keit bei allen Ausgaben der öffentlichen Hand sei erste Voraus setzung für eine Sanierung der Finanzen. Es sei ein Unding, die Einnahme» nach den Ausgabe» festzusetze». Das »m- gckchrte Prinzip müsse mir aller Schärfe durchgeführt werden. Der Redner schloß mit den Worten: „Wir kämpsen nicht, um zu kämpscm, sondern wir kämpfen, um Deutschland wieder fr und gesund, wieder groß und glücklich zu machen."