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MsbmfferTageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Dar »Wilsdruffer Tageblatt* erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in der Geschäftsstelle und den Ausgabestellen 2 RM. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,30 RM., bei Postbestellung 2«M. zuzüglich Abtrag- ___ . gebühr. Einzelnummern Mpfg.AllePostanstalten Wochenblatt für Wrlsdruff u. Umgegend Postboten und unsereAus. träger und Geschäftsstellen > nehmen zu jeder Zeit Be ¬ stellungen entgegen. ImFalle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8 gespaltene Raumzeile 20Rpfg., die 4 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs pfennig, die 3gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 Reichsmark. Nachweisungsgebühr 20 Aeichspfennigc. Bor geschriebene Erscheinungs- tage und Platzvorschriften werden nach Möglichkeit KerN sv k L M Lk : Amt Wilsdruff Nr. 6 berücksichtigt. Anzeigen annahme bis vorm.10 Uhr. —- - - - Für die Richtigkeit der durch FernrufübermitteltenAnzeigen übernehmen wir keine Garantie. I^derRabatlansproch erlischt, wenn der Betrag durch Klage eingezogen werden muß oderderAuftraggeberin Konkurs gerät. Anzeigen nehmen alle Vermittlun gsstellen entgegen. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Mittwoch, den 25. Juni 1930 Nr. 145 — 89. Jahrgang Telegr.-Adr.: .Amtsblatt- Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Neue Klippen. In den drei Monaten, seitdem das Kabinett Brüninc am Leben ist, hat sich sein Verhältnis zu den Parteier in einer Beziehung jedenfalls recht deutlich umgekehrt damals, als es überaschend schnell ins Dasein trat, wollt es von den Parteien sozusagen nichts wissen, vergewaltigt sie förmlich durch die Drohung mit der Reichstagsauf lösung und dem Artikel 48, erklärte, unabhängig von den Wohl- oder Mißwollen dieser Parteien regieren zr wollen. Das ging auch eine ganze Zeitlang; knurren! und murrend gaben die Parteien dem Kabinett die not wendige „parlamentarische H i l f s st e l l u n g" bis eben die Leistung, die man vor allem auf dem Gebiet der Finanz- und Wirtschaftspolitik von der Regierung Brüning erwartete, infolge immer neu auftauchendei Schwierigkeiten ausblieb. Die radikalen Vorschläge, di« zur Überwindung dieser Schwierigkeiten gemacht wurden, stießen nun auf einen so umfassenden Widerspruch, das auch in den Parteien selbst der Widerstand gegen dae Kabinett ganz gewaltig anschwoll und sich zu entsprechen den Beschlüssen innerhalb der Fraktionen des Reichstages usw. verdichtete. Jetzt mutzte der Reichskanzler gut« Miene zu diesem für ihn recht bösen Spiel Machen, um die Parteien werben, — denn er braucht je schließlich eine Mehrheit im Reichstag! Es blieb ohm Erfolg. Die Volkspartei verlangte den Rücktritt Dr Moldenhauers, die Demokraten drückten erst auf Dr Höpker-Aschoff, dann aus den jetzigen Wirtschaftsministei Dr. Dietrich, sich nicht auf den verlassenen Ministersessel zu setzen, und nun droht die Deutsche Volkspartei gar uocl, — nicht zuletzt wohl im Hinblick auf das für sie höchf unangenehme Wahlresultat in Sachsen . sie wolle mii oem Kabinett Brüning gar nichts mehr zu tun haben werde z^r Opposition gehen, wenn nicht das ganz« Notopfer der Beamten und der Festbesoldeten ebensl re st-wie sang- und klanglos im Papier korb v e r s ch w ände, — wo ja schon einige ander« Stcucrcrhöbnngs- und . sonstige Finanzvorschläge des Kabinetts liegen! Geschieht das nun, dann will die Volks- Partei bereit sein, nötigenfalls, aber ungern, wieder einen Finanzminister zu stellen; sonst aber würde vielleicht auck Dr. Curtius, der Außenminister, „aus der Regierung her ausgenommen" werden, wie man die steife Haltung dei Partei zu der gegenwärtigen Lage deutet. Aber auch in den anderen Regionen der „hinter dei Regierung stehenden Parteien" gibt es überall Disso Nanzen, die ausgelöft sind durch die wirklichen oder dü angeblichen Finanzpläne des Kabinetts, namentlich durcl den anscheinend immer noch nicht ganz begrabenen Ge danken jenes „Notopfers". Im Zentrum sollen die Be amtenorganisationen ihre starke Unzufriedenheit zurr Ausdruck gebracht haben und die Demokratische Partei ist über die Verhandlungen alles andere als entzückt, die der Reichskanzler mit deni Reichswirtschaftsministei Zwecks Übernahme der Nachfolgerschaft Dr. Moldenhauers seit einigen Tagen angekündigt hat. Aber auch hierbei kommt es eben ganz darauf an, ob und welchen Ausweg aus dieser Situation das Kabinett findet angesichts de: Tatsache, daß es für ein „Notopfer" in der jetzt immer nock offiziell vorgeschlagenen Form eine Mehrheit im Reichs tag nicht zusammenbringt. Unter diesen Umständen wir! don der allseitigen Kritik mit scharfem Auge verfolgt wer den, inwieweit eine wirkliche Abkehr von den bis herigen Vorschlägen vor sich geht. In dem Durcheinander schält sich doch immerhin Nne Tendenz deutlich heraus: weitestgehende Abstriche bei den Ausgaben des Reichshaushalts. Wenn dies in einem wirklich überzeugendem Maße geschieht, dann werden etwaige Neubelastungen zur Tilgung eines trotzdem noch nicht ganz gedeckten Defizits leichter hin- Tenommen werden. Aber wenn man auf diese Weise in der Steuer- und Finanzfrage einen Ausweg doch noch findet — ein zweites Etatsnwgesetz schafft jetzt wenigstens Aeit für entsprechende Beschlüsse —, so sind damit die Schwierigkeiten sozialer und wirtschaftspolitischer Art ja eigentlich erst in Angriff genommen. Denn es sind noch andere, innenpolitisch bedeutsam« Gesetzentwürfe bereits durch den Reichsrat gegangen also reif für die Neichstagsberatung! Die gegenwärtiger Umstände lassen daher den Glauben nicht auskommen °aß die Fahrt durch diese neuen Klippen hindurch mb sicherer, fester Hand gesteuert wird. Denn sowenig wi« ach Dr. Brüning auf die volksparteiliche Bemannunc mnes Regierungsschiffes verlassen kann, ist ihm das bs der Demokratischen Partei möglich. Auch diese kam »Meutern", eines Tages nicht mehr mitmachen wollen ^umal man immer noch nicht weiß, welcher Kurs über Haupt „anliegt", oder — weniger bildlich gesprochen - swe man denn nun den finanziellen, sozialen und Wirt ahaftspolitischcn Nöten und Schwierigkeiten endgültig zi >^lbe gehen will. Gar mancher freilich glaubt, schon dai Gebrüll der — „Brandung", also einer Reichstagsauf Bung zu hören und rüstet sich zu einem für die Parte rechtzeitigen Absprung vom jetzigen Regierungsschiff. Und nach acht Tagen sollen die Besrciungsfeiern in Rheinland beginnen! Ob es bis dahin gelingen wird stbLecke in dem recht beschädigten Kabinett Brüning zi opfen und dieses Schiff wieder in Fahrt zu bringen...! Noel) keine RachWung des Reichskabinetts. Das Reichskabmett trat zu einer Sitzung abens- 8 Uhr zusammen, üie bis in die späten Nachtstunden an> dauerte. Der bisherige WirtschastSminister Dietrich, dei allgemein als der künftige Reichsfinanzminister angefeher wird, entwickelte sein Programm zur Sanierung der Fi nanzen. Die Lage Art sich insofern noch nicht geklärt, al- der volksparteiliche Fraktionsführer Scholz dem Kadinetz eine formulierte Stellungnahme seiner Partei überbrachte Sie vorläufig noch geheim gehalten wird. Es steht indessen fest, Satz ser Gegensatz zwischen den Dictrich'schen Finanz plänen und den Forderungen der Volkspartei fortsauert Ueber das Programm des Kabinetts und des Ministers Dr. Dietrich wird im einzelnen noch bekannt, daß das Notopfer in Gestalt einer wirklichen Gehaltskürzung der Beamten erhoben werden soll, und zwar in Höhe von 3 v. H., was einen Ertrag von 160 Millionen erbringen würde. Außerdem kommt ein all gemeiner Zuschlag zur Einkommensteuer bei Einkommen in Be tracht, die über 8400 Mark, also außerhalb der Grenze der Ar beitslosenversicherung liegen. Die Ledigensteuer soll, wie im Mol- denhauerschen Programm, aus 1 v. H. bemessen werden. Bon der Gehaltskürzung sollen die kleinen Einkommen bis zu 2000 Mark freibleiben. Die Sitzung des Kabinetts, in der über die programm- matischen Fragen beraten wurde, dehnte sich bis nach Mitternacht aus. Darauf wurde folgende rein formale amtliche Meldung dar über ausgegeben: Das Reichslabmett beriet am Dienstagabend bis in die spä ten Nachtstunden unter dem Vorsitz des Reichskanzlers Dr. Brü ning über die gesamtpolitische Lage. Die Verhandlungen werden am Mittwoch 18 Uhr fortgesetzt. Am Freitag wird das Kabinett die entscheidenden Beschlüsse sassen. Am Donnerstag wird sich der Reichskanzler zum Reichspräsidenten von Hindenburg nach Neudeck begeben, um über die Beschlüsse des Kabinetts Bericht zu erstatten. Nach der Rückkehr des Kanzlers wird alsdann am Freitag die getroffene endgültige Entscheidung bekanntgegeben. Reichsregierung und Parteien. Das Zentrum hält weiter zu Brüning. Die Zentrumsfrakkion des Reichstages hielt abend- eine Sitzung ab, um sich mit der politischen Lage zu be schäftigen. Beschlüsse wurden nicht gefaßt. Allgemein kan aber die Auffassung zum Ausdruck, daß das Kabinett Brüning zu halten sei und sein Programm durchfuhrer müsse. Die Deutsche Volkspartei beharrt auf ihrem Slanopuntt Die Reichstagsfraktion der Deutschen Volkspartei hiel Dienstag abend eine Sitzung ab, in der die Lage er örtert wurde., Die Fraktion beschloß, eine formulierte Er- kntlcheickung riarung, Sie oem Reichskanzler zu Beginn der KabinettA sitzung übermittelt wurde. Für den Inhalt der Erklärum wurde die Vertraulichkeit beschlossen. Es wird jedoch ve-x sichert, daß die Fraktion auf ihrem Standpunkt beharrt und daß die sachlichen Gegensätze zwischen Kabinett unk Fraktion unverändert fortbestehen. Ins Programm der SeMea BMWtei das heute abend vom Abgeordneten Dr. Scholz dem Reichs kanzler überreicht wurde und das einen der Gegenstände der Ka binettsberatung bildet, umsatzt folgende sieben Punkte: 1. Kürzung der beweglichen Ausgaben des Etats um 5 v. H. Diese beweglichen Ausgaben belaufen sich im Gesamtetat von 11 Milliarden auf 2,6 Milliarden und die Ersparnis macht infolge dessen 125 Millionen aus. 2. Kürzung der Ueberweisungen an die Länder um 5 v. H., so daß die Länder ihre Ausgaben herabsetzen müßen. Dasür sollen die Länder das Recht haben, eine sogenannte Bürgerabgabe (Kopfsteuer) einzusühren. Dagegen soll in den Ländern die Er höhung der Realsteuer vermieden werden. 3. Sofortige Durchführung des von der Reichsanstalt für Arbeitslosenversicherung vorgeschlagenen Resormprogramms, das 120 Millionen Ersparnisse bringen soll. Die Volkspattei wünscht, daß die Beitragserhöhung in der Arbeitslosenversicherung nur v. H. betragen soll und daß sie auf den 1. April nächsten Jahres begrenzt wird. Ein eventuellr Mehrbedars soll etatmäßig ange- sordert werden. 4. Die Reform der Krankenversicherung soll gleichzeitig mit der Resvrm der Arbeitslosenversicherung durchgeführt werden. 5. Die Betriebe der öffentlichen Hand sollen der Besteuerung zunächst bei der Vermögenssteuer und der Umsatzsteuer unterwor fen werden. 6. Die von einigen Spitzenverbänden der Wirtschaft empfoh lenen Streichungsmaßnahmen, die sich auf die Einlösung der Rentenbankscheine, aus die Wochenhilse, auf Steuerrückzahlungen usw. erstrecken und die zusammen 80 Millionen ausmachen, sollen durchgeführt werden. 7. Die Reichsregierung soll bei der Lockerung des Lohn- und Preissystems und bei der Verbilligung der Produktion sowie bei der Schaffung neuer Arbeitsmvglichkeiten mitwirken. Auch wird eine Senkung der Personalausgaben in Reich, Ländern und Gemeinden verlangt. Solange alle diese Maßnahmen nicht durchgesührt sind, glaubt die Volkspartei, -er Erschließung neuer Steuerquellen, ins besondere der Einführung des sogenannten Notopfers, nicht ru- stimmen zu können. * Verlängerung des Rvthaushatts. Die Regierungsparteien haben im Reichstag einer Gesetzentwurf zur Verlängerung des Nothaushalts uw einen Monat, also bis zum 31. Juli eingebracht. Sie offizielle Feier des W jährigen Ge dächtnisses der Augsburger Kousrssion Augsburg, 24. Juni. Am Dienstag abend nahm die offi zielle Feier des 400jährigen Gedächtnisfes der Augsburger Kon fession unter großer Beteiligung aus dem In- und Ausland mit einem Festgottesdienst ihren Anfang. Im Hotel „Drei Mohren" sand sodann der Begrüßungsabend statt, auf dem Präsident D. Dr. Kapler sprach. Anschließend überreichte Reichsminister Dr. Bredt persönliche Grüße des Reichspräsidenten und Reichskanz lers. Die Augsburger Konfession, so sagte er, sei nicht allein ein ofsizielles Glaubensbekenntnis, sondern ein Rütli-Vertrag, in dem sich die evangelischen Fürsten und Stände zusammenschlossen. Heute sei nach der Weimarer Verfassung das Deutsche Reich nicht religionsfeindlich. Während der alte Staat ein christlicher war, sei der neue ein weltanschaulich neutraler. Ein fester Zusam menschluß des Protestantismus nach innen und außen sei heute das Gebot der Stunde. Der bayerische Kultusminister Dr. Gol- denberger sagte, die bayerische Staatsregierung sei sich wohl be wußt, daß dieser Kirchentag für das Leben des deutschen Pro testantismus große Bedeutung habe. Kirchenpräsident D. Vau- München entbot den Gruß der evangelisch-lutherischen Landes kirche rechts des Rheines. Sodann sprach eine Anzahl von aus ländischen Kirchenverlretern. Ihre Ausführungen gipfelten dar in, daß die gesamte evangelische Welt verbunden sei im deutschen Lutherthum in der gegenwärtigen Not- und Schicksalsstunde. „Lieber Konsessions- und VMgrepM hinweg." Die Grüße des Reichspräsidenten und Dr. Wirths zur Konfessionsfeier. Zur 400-Jahr-Feier der Augsburger Konfession fand in Auasbura am Dienstag abend ein offizieller Bearüklmgsakt statt. Der Präsidcni des Deutschen Evangelischen Kirchen ausschusses v. Dr. Kapier verlas ein Schreiben des Reichs präsidenten, in dem dieser nach Versicherung seiner Anteil nahme dem Wunsch Ausdruck gibi, daß die Erinnerung an das Bekenntnis von Augsburg dazu beitragen möge, die christliche Gesinnung im denischen Volke zu stärken. Weiter gab Dr. Kapler ein Schreiben des Reichsministers des Innern, Dr Wirth, bekannt, dessen Schluß lautet: „Möge die Versammlung an historischen Ställen zu Stärkung im Sinne des christlichen Gemeinschaslsgedankens führen und die Ge wißheit festigen, daß die kulturelle Krise der Gegenwart nur dann überwunden werden kann, wenn über allem Tren nenden hinweg die religiösen Ewigkeitswerte wieder zu domi nierendem Einfluß gelangen und bei der Gestaltung der Zu kunft über Konfessions- und Volksgrenzen hinweg entscheidend Mitwirken." Das A. A. soll sparen! Streichungen am Etat des Auswärtigen Amtes. Der Haushaltsausschuß des Reichstages nahm eine Reihe erheblicher Streichungen an dem Etat des Aus wärtigen Amtes vor. Zunächst wurden die drei neuen Botschafterstellen in Rio de Janeiro, Santiago und Buenos Aires gegen die Stimmen der Demokraten und der Deutschen Volkspartei gestrichen. Ein Antrag, auch den Botschafterposten beim Heiligen Stuhl zu streichen, wurde abgelehnt. Im Besoldungsplan des Auswärtigen Amtes wurden rund 2A4 Millionen Mark an Auslands zulagen gestrichen. Bei den persönlichen Verwaltungsausgaben für die Vertretung des Reiches im Auslände wurden rund eine halbe Million Mark gestrichen. Der Posten für die Ge sandtschaft in Tirana wurde ebenfalls gestrichen. Es soll in Tirana lediglich ein Konsulat errichtet werden.