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MdmfferTageblatt für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Tekegr.-Adr.: „Amtsblatt" Sonnabend, den 7. Juni 1930 Nationale Tageszeitung für die Landwirtschast, Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend P°L)c„un^ !Eer^eitun!"n^8n Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht dein Anspruch auf Lieferung § ° Bezugspreises. - Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beilicgt. „ Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts- ^nchts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstreniamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Ar. 131 — 89. Jahrgang Anzeigenpreis: die 8gespaltene Raumzeile 20Rpfg., die 4gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen ^Reichs- Pfennig, die 3 gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 Reichsmark. Nachweisungsgebühr 20 Reichspfennige. Vor geschriebene Erscheinungs- tage und Platzvarschriften werden nach Möglichkeit Ak kN s V VL M bk : AM^ 2I-UH0^Us? Nk. 0 berücksichtigt. Anzeigen annahme bis norm.10 Ubr. — Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übernehmen wir keine Garantie. J-derRabatlanspruch erlischt, wenn dcrBetrag durch Klage eingezogen werden mutz oderderAuftraggeberin Konkurs gerät. Anzeigennehmen alle Vermittlungsstellen entgegen. Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2840 pfingflüberraschung. Das Reich als Ehcstister. — Wermut im Schadenfreuden- bccher. — Der „Strohmann". Man mag ja zu Pfingsten nur ungern ein politisches Äd singen, weil das ja, einem bekannten Spruch Goethes jstolge, ein „garstig" Lied ist, also nicht recht paßt zum .lieblichen Fest". Aber dieses garstige politische Lied kird jetzt überall gesungen werden, da ja gerade die "men Steuererhöhungsvorschläge herausgekommen sind. Tabei wird es allerhand Disharmonien geben! Vor "llem wegen der „L e d i g e n st e u e r*. Da kann es doch für "lle, die von ihr bedroht sind, nur ein „Gebot der Stunde", "ur eine „Parole bes Tages" geben, die in lauten Tönen "inausgesungen werden mutz: Junggesellen, Jung gesellinnen Deutschlands, vereinigt euch! Wahret eure "eiligsten Güter!" Denn der Fiskus geht um wie ein brüllender Löwe und hat sich als nächstes Opfer die Obigen ausgesucht, die nun l Prozent Einkommensteuer ">ehr bezahlen sollen, als Strafe dafür, daß sie die so genannten „süßen Fesseln" bzw. das „Joch der Ehe" nicht tragen wollen oder zu tragen brauchen, auch wenn sie es tun wollten. Und „so geht ein neuer tieser Riß" durch das deutsche Volk: Hie Eheleute — hie Ledige! Jene neuen sich und reiben sich schmunzelnd die Hände, rufen "cherlich der Reichsregierung ein stürmisches Bravo zu und alle Schwiegermütter in spo hoffen auf ein geradezu mimisches Emporschnellen der Verlobungszifser zu Mngsten, jetzt, da das Reich dem und der Ledigen ^oht: „Heirate oder zahle eine höhere Steuer!" Reich kann also als Grund für die Ledigensteuer — "Men der Notwendigkeit, die leere Reichskasse zu füllen — "llerhand bevölkerungspolitische Absichten Vorbringen; es A alles Interesse daran, sozusagen als Ehcstister in die Meinung zu treten. Kann ferner darauf verweisen, daß ^"uch sonst in seiner Steuerbelastung dem Ehemann A^siach Erleichterungen einräumt, daß erfreulicherweise W dem verehelichten Lohn- und Gehaltsempfänger im sittlichen Dienst, aber auch in der Privatwirtschaft be fere Zuwendungen für Frau und Kind gewährt Alden. Manch' Hartgesottener bekommt ein bekanntes über das Verheiratet- bzw. Nichtverheiratetsein seicht trotzdem nicht aus dem Kops. Aber der Staat ^"IMt eben auf Privatansichten und -gefühle besonders Ann keine Rücksicht, wenn es sich um Geldsachen handelt; "" hört gerade für ihn jede Gemütlichkeit auf. Wenn das Reich also jetzt zu Pfingsten den Verheirate- die reinste Freude, nämlich die — Schadenfreude be- Aen, so hat es doch gleich auch noch eine Menge Wermut in den Wein dieser Schadenfreude gegossen: Erhöhung der Arbeitslosenbeiträge um I Prozent, so daß Arbeitgeber und Arbeitnehmer je ^50 Prozent mehr zahlen sollen — „vorläufig" bis zum V- März 193t — und die Erhebung des „Notopfers", das mit der Ledigensondersteuer zusammen den Titel »Reichs Hilfe" trägt. Auch diese soll ja dabei mit- Alsen, das Loch im Reichshaushalt zu verstopfen, das die tlrbeiislosenversicherung, Krisenunterstützung und sonstige Dolgen der Erwerbslosigkeit gerissen haben. Eine »vorübergehende" Mehrbesteuerung soll das alles An, von der also insgesamt erfaßt werden: Arbeitgeber und Arbeitnehmer, dazu die Festbesoldelen öffentlichen Dienst und in der Privatwirtschaft — Gerdings hier wohl erst in den Einkommensstufen, aus Aden man nicht mehr beitragspflichtig für die Arbeits- 'vsenversicherung ist — und schließlich, als eine Art »sozialen Ausgleichs", dieAufsichtsratsmitglieder hinsicht- ihrer Tantiemen. »Auch das ist ein steuerlicher Sonder- iuschlag, da sie ja bereits der Einkommensteuerpflicht Unterliegen, außerdem auf die Höhe der Tantiemen auch Körpcrschaftssteuer sehr erheblich einwirkt. Bekannt ist, Ae laut und heftig gegen den Gedanken des „Notopsers", "er im Winter d. I. auftauchte, protestiert worden ist, Aveit und weil er sich nur auf die Festbesoldeten be ranken sollte. Man stellte ihm den Vorschlag eines wirk- "ch allgemeinen Rotopfers aller Bevölkerungskreise ent- Men, etwa, soweit sie überhaupt einkommensteuerpflich- 5.8 sind, natürlich auch hier erst mit der Beschränkung aus von der Beitragspflicht zur Arbeitslosenversicherung Mreiten. Aber — es bleibt auch so wohl nur noch ein «Amlich kleiner Kreis in Deutschland, der von dem zwange befreit ist, zur „Reichshilfe" beizusteuern. Und ist ja schließlich Gedanke und Ziel dieser „Reichs- "üfe", daß alle jene helfen sollen, denen es besser geht als en Arbeitslosen. Daß diese Ncubelastung namentlich > dem großen Umfang, den sie erreichen soll, auch ihre gedenken hat, werden die kommenden Debatten allein Aon erweisen, ist übrigens in dem bisherigen zwischen Widerspruch und Empfehlung hin- und herschwankenden »erdcgang dieses Vorschlags eines »Rotopfers deutlich ^nug bereits berührt worden. ist aber bei den Steuern so, daß es immer Leute »,"5 ^'.jich drücken wollen. Wie oft solche »Versuche kli> "i ist "vtürlich nicht feststellbar, aber nicht gerade . len komm: es nach dem Tode des Defraudanten doch st "Hs — neben einigem andern! Bei Erbschafts- " > t i g k e i t e n. Und dann freut sich der dritte, also Jie Opfer für die Arbeitslosen Zwei Millionen Arbeitslosen soll geholfen werden. Der Rcichsarbeitsminister über die Neuregelung. Reichsarbeitsminister Dr. Stegerwald äußerte )ch ausführlich über die Neuregelung der Arbeitslosen versicherung. Die gegenwärtigen Beiträge und die Mittel, die im Reichshaushalt bereitständen, reichten zur Unter stützung von etwa 1,4 Millionen Arbeitslosenhauptunter stützungsempfängern und Krisenfürsorgeberechtigten aus. Um den Haushalt der Arbeitslosenversicherung und den Reichshaushalt ins Gleichgewicht zu bringen, müßten je doch Mittel beschafft werden für etwa 1,6 Millionen Hauptunterstützungsempfänger und 400 000 Krisenfürsorgeberechtigte. Daneben erweise sich noch ein Arbeitsbeschaffungsprogramm von Reichsregierung, Reichspost und Reichsbahn für mehrere hunderttausend Arbeiter als erforderlich. »Alles in allem sei hierfür ein Aufwand von über zwei Milliarden Mark notwendig. Für die Neuordnung der »Arbeitslosenversicherung fehlten insgesamt 850 Millionen Mark, die durch lausende und einmalige Einnahmen sowie durch Reformen der Ar beitslosenversicherung zu beschaffen seien. Diese Mittel seien nunmehr auf folgende Weise gefunden. (Die nach stehenden Angaben gelten für die Zeit vom 1. Juli 1930 bis 31. Mürz 1931): 1. Erhöhung der Beiträge zur Arbeits losenversicherung 220 000 000 Mark. 2. Ersparnisreformen zur »Arbeitslosen versicherung 115 000 000 »Mark. 3. N o t o p f e r der Festbesoldeten in der öffentlichen und der »Privatwirtschaft, der Ledigen und der Aufsichts- räte 350 000 000 Mark. 4. »Verlauf von »Vorzugsaktien der Reichs bahn 100 000 000 »Mark und' 5. Umgruppierung der Zahlungstermine für die Zigaretten steuer 50 000 000 »Mark. Der Rest soll durch Einsparungen im Reichshaus- halt gewonnen werden. Wie der Minister weiter ausführte, müssen die Er höhung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung auf 4X- Prozent, die in Aussicht genommenen Ersparnis reformen und die in Vorschlag gebrachten Steuern, ins besondere das Notopfer für die Festbesoldeten, als eine Einheit angesehen werden. Sozial und am gerechtesten wäre die Einführung eines allgemeinen Notopsers gewesen. Damit wäre aber bei der deutschen Kapitalverknappung derKapital- flucht ins Ausland Vorschub geleistet, die Heran ziehung fremden Kapitals erschwert und praktisch einer Vermehrung der Arbeitslosigkeit in die Hände gearbeitet worden. Die jetzige Regelung belaste die Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit der Beitragserhöhung, die besser bezahlten »Versicher ten, sofern sie keine 52 Wochenbeiträge geleistet Habens mit einer Verringerung ihrer Unterstützungssätze, die über 21 Jahre alten Ledigen mit der Einführung einer Wartezeit von 14 Tagen und ferner die Festbesolde - ten in der öffentlichen und privaten Wirtschaft mit einem Notopfer von 4 Prozent ihres. Einkommens (nicht der Einkommensteuer). Daneben werden noch die Ledigen und die N u f s i ch t s r ä t e zum Notopfcr herangezogen. Was im übrigen das zusätzliche Bcschaffungsbauprogramm der Reichsregierung angehl, so sollen der Reichswirtschafts-, Neichsfinanz- und Reichsarbeitsminister vor Inangriffnahme dieses Pro gramms mit den Baustoffinteressenten, den Arbeitgeber verbänden und den Gewerkschaften des Baugewerbes Verhandlungen darüber führen, wie die Baukostenricht zahl, die seit langer Zeit um 20 bis 30 »Punkte über der allgemeinen Teuerungsrichtzahl liegt, diesem angenähert werden könne. Wie die Reichspoff helfen wird. Die Neichspost hat für ihr Arbeitsbeschaffungs programm einen Fonds von 120 Millionen Mark zur Verfügung. Die Arbeiten sollen nach Maßgabe der Vor dringlichkeit verteilt werden. Sie erstrecken sich auf Fern sprech-, Kabel- und Telegrammdienst, Waggonbau, Bahn postwagen, Kraftfahrzeuge, Lastwagen, Omnibusse, Hoch- und Sicdlungsbauten. MldechMk iidw das MmMMim Berlin, 6. Juni. Reichssmanzminister Moldenhauer äußerle sich am Freitag abend in einer Besprechung ausführlich über die in der Donnerstag-Kabinettssitzung beschlossenen Del- kungspläne. Der Minister stellte erneut fest, daß man mit einen: Fehlbetrag von rund 750 000 000 RM. rechnen müsse, der zum größten Teil auf unvorhergesehene Arbeitslosigkeit zurückzuführen sei. Von einer Reform der Versicherung erwarte man 250 bis 300 Millionen RM. Es verblieben dann 450 Millionen RM.. von denen etwa 150 Millionen als Zuschuß für die Arbeitslosen versicherung geleistet werden müßen. Weitere 100 Millionen RM. würden als Kredite an die Reichsanstalt für Arbeitsver mittlung gegeben, die in den beiden nächsten Jahren diese Summe zu gleichen Teilen zurückzuzahlen habe. Der Rest entfalle auf die Krisensürsorge und auf die Einnahmeaussälle. Die Deckung des oben genannten Fehlbetrages von 450 Millionen RM. soll wie folgt vor sich gehen: Von der Verkürzung der Fristen für die Zi garettenindustrie von zwei Monaten auf einen Monat erwarte man einen Betrag von etwa 50 Millionen RM. Diese Maß nahme werde eine Erhöhung der Preise nicht zur Folge haben. Der Restbetrag wird dann einmal aufgebracht werden aus Er sparnissen am Haushalt in Höhe von etwa 60 Millionen RM. von denen noch 25 Millionen RM. gestrichen werden müßten. Von dein dann noch verbleibenden Betrag von rund 350 Milli onen RM. würden durch die Reichshilfe der Festbesoldeten 300 Millionen RM. aufgebracht, während die Ledigensteuer 45 Mil lionen RM. erbringen werde. Unter den Festbesoldeten seien die Beamten und Angestellten der öffentlichen Verwaltungen und die Festangestellten der Wirtschaft zu verstehen, deren Einkommen über 8400 RM. liege, ferner die Mitglieder der Aufsichtsräte von Gesellschaften, die sich in einer ähnlichen Lage befänden wie die Festbesoldeten. Besonders hervvrgehoben zu werden in diesem Zu sammenhangs verdient die Feststellung Molden hauers, daß das Notopfer nicht, wie ursprünglich angenommen wurde, bis zum 31. März 1931 be fristet ist, sondern, falls es die Regierung für not wendig erachtet, in gemildertem Maße fortgeführt werden kann. Lediglich das Notopfer der Ledigen ist bis zum 31. März 1931 befristet. Der Minister erklärte alsdann, daß man es bei diesen Plä nen der Regierung keineswegs mit einem Notbehelf zu tun habe, sondern daß man die Pläne unter großen und umfaßenden Ge sichtspunkten behandelt habe. Das Endziel bestehe darin, daß die Schaffung niedrigerer Löhne und Gehälter kommen müsse. Man ziele auf die Ermäßigung der Erzeugungs- kosten hin. Was jetzt in der Gruppe Nordwest als erster Versuch unternommen werde, werde die Re gierung auf anderen Gebieten, wie beispielsweise im Bauwesen, fortsetzen. Unter diesen großen Ge sichtspunkten sei auch das Ausgabensenkungs gesetz zu verstehen. Die Gesetzentwürfe werden bereits am heutigen Sonnabend dem Reichsrat zugeleilet. Das Gesetz soll möglichst noch vor dem 1. Juli vom Reichstag beschlossen werden. der Steuerstskus. Dem Ware es natürlich eine besondere Pfingstfreude, wenn es sich feststellen ließe, wie die Sache mit der Hinterlassenschaft des verstorbenen Berliner Stadtrats Busch liegt. Ist der Holländer Lutki, der schon ein paarmal Verhörte, wirklich der „Strohmann" Buschs gewesen, der nur die Aufgabe hatte, die ihm von Bufch angeblich oder wirklich überwiesenen Gelder in den Geld schrank zu stecken, drüben, jenseits der Grenze und der deutschen Steuerhoheit? Diese Gelder also nun — man verzeihe das hier wohl nicht ganz passende Wort — „zu treuen Händen" zu empfangen, während der steuer- und sonstiges scheuende Herr Siadtrat Eigentümer blieb? Tie Erben bejahen das zweite, Herr Lutki bestreitet vieles, aber nicht alles, will vor allem auspacken, allerdings nicht das Geld. Er will nicht nur Strohmann gewesen sein. Vielleicht wird sich nun Untersuchungsausschuß und Steuerfiskus eher durch das Dickicht dieser Geschäfte durch finden, wenn eine Seite in diesem Streit beginnt, offen herzig zu werden. „Lieblich" ist er jedenfalls nicht, dieser Streit, und kein „Fest", was in dieser Beziehung schon vor Pfingsten bekannt wurde. Aber an König Nobels Pfingstfest gab es ja auch — einen Fuchs. Dr. Pr.