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«etzaktioneller Teil. X- 212, 29. September 1919. wahren wüßten, namhaft gemacht hatte, wandte er sich in längeren Ausführungen gegen die Artikel in Nr. 163 und 183 des Börsen blattes über die Frage des Teuerungszuschlags, in denen er den Beweis erbracht sehen wollte, daß das Börsenblatt aus schließlich die Geschäfte des Verlags besorge. Unnötig zu sagen, daß er in ihnen — sie rühren, nebenbei bemerkt, beide von der Re- dakiion her — jedes Verständnis für die Bedürfnisse des Sorti ments vermißt, keine Spur eines neuen Gedankens darin findet und seine Aufforderung, den 207»igen Tcuerungszuschlag ohne jede Rücksicht auf die O.-M. 1919 eingegangene Verpflichtung ein- zusühren, für die natürlichste Sache von der Welt hält. Sei die Erhöhung einmal vorgenommen, so würden sich der Börsen- verein, das Publikum und die Behörden damit ebenso abfinden, wie dies mit dem 197oigen Teuerungszuschlag der Fall gewesen sei. Es fehle dem Vorstände des Börsenvereins eben an dem guten Willen, dem Sortiment zu Helsen, obwohl er die Über zeugung haben müsse, daß der Gewinn gesunken sei und das Sortiment sich in einer Notlage befinde. Deshalb müsse es sich selbst helfen, müsse kaufmännisch denken lernen und seinen Weg ohne Börsenverein und Verlag, allein der eigenen Kraft vertrauend gehen. Wie Herr Nitschmann sich diesen Weg denkt, der wahrscheinlich letzten Endes in die seinerzeit von ihm propa gierte Genossenschaft unter der Devise: Jedermann sein eigener Verleger mündet, muß vorerst noch als sein Geheimnis ange sehen werden. Weniger zurückhaltend erwies er sich, in An knüpfung an unsere Bemerkung in Nr. 183, daß sich das Sorti ment nicht ausschließlich nach rein kaufmännischen Grundsätzen orientieren könne, in der Darlegung seiner Ausfassung kauf- männischer Betriebsführung, aus der man den Eindruck ge winnen konnte, als spräche ein ausschließlich auf Gewinn aus gehender Börsenmakler zu seinen Leuten, nicht aber ein Vertreter des deutschen Sortiments. Das Schicksal des Ladenpreises, der durch die Preisaufschläge immer mehr in die Brüche zu gehen droht, kümmert ihn wenig, ja man geht Wohl nicht fehl in der Annahme, daß er ihm lieber heute als morgen den Todes stoß geben möchte, um jene Bewegungsfreiheit zu haben, die ihm allein das Gedeihen des Sortiments verbürgt. Erheblich viel Wasser schüttete Herr Gottfried Spemann in den von Herrn Nitschmann kredenzten Wein, indem er alle die Gründe anführte, aus denen heraus der Verlag, dessen Stel lungnahme nicht allein von dem Interesse auf das Sortiment, sondern auch von Rücksichten auf das Publikum bestimmt werde, sich ablehnend verhält. Die Bücherpreise hätten schon jetzt eine Höhe erreicht, in der eine Gefahr für den Absatz zu erblicken sei, ganz abgesehen von der Frage, ob eine Erhöhung des Teuerungs zuschlags im Interesse des Sortiments liege, das jetzt schon über die ständig zunehmende Konkurrenz klage, wie sie ihm durch den immer mehr Boden gewinnenden Auchbuchhandel, das Emporkommen von Versandgeschäften sowie die Gründungen von Konsumvereinen und Bücherämtern erwachse. Nicht alle Sortimenter erblickten das Heil in der Erhöhung des Teuerungs- zuschlags, wie aus der Enquete hervorgehe, vielmehr stehe ein großer Teil auf dem Standpunkt, daß jede weitere Erhöhung auch ein Schritt Weiler auf dem Wege zur Abschaffung des Ladenpreises sei und eine weitere Absaybeschränkung bedeute. Rücksichten auf die Konkurrenz hätten auch den Verlag bei seinen Preisfestsetzungen zu leiten, der durchaus nicht so souverän hinsichtlich der Kalkulation sei, wie das Sortiment vielfach glaube. In sehr energischer Weise wandte sich der Erste Vorsteher des Börsenvereins Herr Hofrat vr. Meiner gegen die demagogische Be redsamkeit des Herrn Nitschmann, die Wohl eher in einer Volksver sammlung als in einer Berufsvereinigung am Platze sei. Durch aus nicht empfindlich gegen sachliche Ausstellungen, müsse er sich doch mit Entschiedenheit gegen persönliche Angriffe verwahren, wie sie in dem Vorwurfe der Parteilichkeit und dem Hinweis« auf angeblich vom Börscnvcrein bestellte Arbeit gefunden wer den müsse. Er habe als Vorsteher des Börsenvereins kein an deres Interesse, als nach bestem Wissen und Gewissen seine Pflicht zu tun, und werde sich von diesem Wege durch keinerlei Drohung oder Nötigung abbringen lassen. Diese Pflicht heiße tvn, nicht das oft unter recht engherzige und kleinliche Ge sichtspunkte gestellte Interesse einer Berufsgruppe bei seinen Ent schließungen zu berücksichtigen, sondern von höherer Warte als von der Zinne der Partei aus zu urteilen und, Wirkung und Gegenwirkung abwägend, das Gesamtinter esse des Buchhandels zur Richtschnur seiner Handlungen zu nehmen. Aus dem Material, das in der Versammlung vom 4. Juli, in der über die Erhöhung des Teuerungszuschlags be raten worden sei, Vorgelege» habe, hätte der Vorstand des Bör senvereins nicht die Überzeugung gewinnen können, daß der Zeitpunkt für die beantragte Maßnahme bereits gekommen sei, so wenig, wie er diese Überzeugung aus der Rede des Herrn Nitschmann habe schöpfen können. Dieser habe mit seinen An griffen auf den Vorstand nur die Fadenschcinigkeit seiner Gründe verdecken wollen, da er wesentlich neues Material nicht habe bei- bringen können. Im übrigen müsse man die Birnen reif werden lassen, wenn man sie pflücken wolle, und besser als oratorische Leistungen arbeite die Zeit für den 207->igen Teuerungszuschlag. In die gleiche Kerbe schlug Herr Geheimrat Siegis- mund, nachdem Herr Ernst-Berlin sich noch gegen den 297°igen Tcuerungszuschlag ausgesprochen und daraus hingewiesen hatte, daß sein Absatz, an der Friedenszeil gemessen, gegenwärtig nur ein Drittel der früheren Höhe betrage, seine Firma also keines wegs zu den Kriegsgewinnlern gehöre. Wenn ihn, so führte Herr Geheimrat Siegismund in längerer Rede aus, nicht sein Pflichtbc- wutztsein in dieser schweren Zeit auf dem Posten des 2. Vor stehers hielte, so würde er längst sein Amt niedergelegt haben. Es sei geradezu unerhört, daß dem Vorstand von Herrn Ritsch mann vorgeworscn werde, er fälsche geflissentlich das Material zur Beurteilung der Berechtigung des 207°igen Teuerungszu schlags, während doch der Börsenvcrein gern bereit sei, zu helfen, sobald hierzu di« Voraussetzungen vorlägen. Wie es aber damit bestellt sei, gehe am besten daraus hervor, daß nicht nur der Verlag seine Stimme gegen eine Erhöhung des Teuerungszu schlags erhoben habe, sondern vor allem aus den Reihen des Sortiments selbst eindringlich davor gewarnt werde. Diese Stel lungnahme gäbe um so mehr zu denken, als eine wesentliche Ändc- rung in den Verhältnissen des Sortiments seit Einführung des 107°igen Teuerungszuschlags nicht eingetrcten sei und es schwer sein dürste, den Kriegswucherämtern und Preisprüsungsstellen gegenüber die Notwendigkeit einer solchen Maßnahme zu be gründen. Dort rechne man vielmehr, wie aus an den Börsen verein ergangenen Anfragen und Besprechungen, die er in den verschiedenen Ämtern mit maßgebenden Personen gehabt habe, hervorgehe, mit einem baldigen Abbau der Teuerungszuschläge und der Rückkehr zum Ladenpreise. Sei daran auch vorläufig nicht zu denken, so werde doch der 107°ige Teuerungszuschlag, dem man erst mühsam zur Anerkennung verholfen habe — nur Bayern mache noch immer Schwierigkeiten —, schwer gefährdet, wenn man jetzt mit neuen Forderungen hervorträte, ohne sic ausreichend begründen zu können. Bei voller Kenntnis der Sachlage werde man daher ein so gefährliches Experiment heule nicht durchführen können, ohne Schwererrungenes aufs Spiel zu setzen. Auf breitem Hintergründe führte dann Herr Geheimrat Siegismund aus, welche Bedeutung dem Ladenpreise für un seren Beruf und seine Organisation sowie für den Bestand der gegenwärtigen Betriebe beizumessen sei, und wie sich in kurzer Zeit das Bild ändern werde, sobald einmal das freie Spiel der Kräfte proklamiert werde und der feste Ladenpreis nur noch der Vergangenheit angehöre. Ein Blick aus den Buchhandel des Auslandes, der Deutschland immer um seine Organisation beneidet und sich — seit dem Kriege mehr noch als früher — eifrig bemüht habe, sie nachzubilden, zeige jedem Kundigen, wohin wir ohne den Kompaß des festen Ladenpreises steuern würden. In dem Augenblick, wo der Ladenpreis verschwinde, würde sich ein Heer von Auchbuchhändlern über den Buchhandel ergießen und, das Buch zum Reklameartikel herabdrückend, binnen kurzem die Grundlagen unseres Berufs zerstören. Damit aber werde zu gleich die Axt an unser Kulturleben gelegt, dessen Blüte auf der Dezentralisation unseres Geisteslebens beruhe, darauf, daß auch in kleineren Städten den geistigen Interessen ein Mittelpunkt in den heute dort vorhandenen Buchhandlungen gegeben werden könne.