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Wilsdruffer Tageblatt 2.Blatt.—Nr. 116 - Dienstag den20.Mai 1930 Herzensmelodie Oh, daß mich ließ ein seltsam Ahnen Zu deinem reichen Herzen geh'n! Froh wehen meines Glückes Fahnen: „Vertrau'»" und „inniges Versteh'»". Wie mich die Tage auch umkosen — Was kümmern diese Stimmen mich? Ich hab mein Glück, hab meinen großen Und ganzen Himmel: ich hab d i ch! Und würde mir mein Himmel dunkel. Müßt einsam ich durchs Leben geh'n: Du bliebst als Helles Sterngefunkel Lieb über meinen Wegen steh'n. O. Z. Sie Milderung des sächsischen Slempelsteuergefehes. Senkung der bisherigen Tarifsätze. . Der Verband Sächsischer Industrieller hat seit Jahren ^ne Reform des sächsischen Stempelsteuergesetzes, insbe sondere auch der die Industrie betreffenden hohen Tarif- iotze, gefordert. Por einiger Zeit hat das Kabinett Bün- 8er dem Landtage eine Vorlage zur Änderung des Stem- polsteuergesetzes zugeleilet, die inzwischen vom Rechtsaus- Mß beraten worden ist. In der Gesamtvorstandssitzung Verbandes Sächsischer Industrieller vom 9. Mai gab ^andtagsabgeordneter Dr. Frucht einen eingehenden glicht über den Stand dieser Beratungen. Er wies ein- Mend darauf hin, daß die Höhe der sächsischen Tarifsätze "sher zu einer empfindlichen Sonderbelastung der sach lichen Industrie gegenüber den außersächsischen Kon- surrenzindustrien geführt habe, bei denen es sich um zum '-eil außerordentlich hohe Beträge handelt. Die Regie rungsvorlage und die Beschlüsse des Rechtsausschnsses ?ungen nunmehr in solgenden die Industrie besonders interessierenden Angelegenheiten eine Senkung der bis- m,gen Tarifsätze. Während der Generalvollmachtstempel bisher in seiner Me unbegrenzt war und sich nach Promillesätzen des Aktivvermögens des Auftraggebers richtete, ist für den Mmachtstempel nunmehr eine Höchstgrenze von 1000 festgesetzt worden, die sich bei Angestellten und Fa- lulnenängehörigen auf ein Viertel dieses Satzes ermäßigt. . Die bisher bestehende Stempelsteilerpflicht für Stun- o»ngsverträge für Zahlungen an das Reich bedeutete eine ^psindliche Benachteiligung, insbesondere der sächsischen ^bakindustrie. Die Regierungsvorlage hebt die Steucr- Mcht für derartige Verträge auf und bringt somit die Gleichstellung Sachsens mit den übrigen deutschen Ländern. . Darüber hinaus ist bei den Beratungen im Rechts- .Mchuß eine ganze Reihe von Anträgen angenommen de, r ' ^e eine Erleichterung der bisherigen Belastung tächsjschen Wirtschaft bedeuten. Insbesondere er- >^.7" die Rechtsgeschäfte zwischen Banken und der Wirt- ltimn ialls die Beschlüsse des Rechtsausschusses die Zu- hal, "8 der Plenarversammlung des Landtages er- ru,i ""e starke Entlastung. Eine wesentliche Erleichte- 8 bringt die vorgesehene Gleichstellung der Grund- D "d mit der Sicherungshypothek. Die Senkung des ^ersatzes für Pachtverträge auf die Hälfte des bis- g si8en Tarifsatzes wurde im Rechtsausschuß zwar ab- UMtt, doch ist auch hier die endgültige Zustimmung des >'mums zu erhoffen. Eine Erleichterung bedeutet es Menn der Pachtstempel künftig nicht mehr bei Ab- Muß des Pachtvertrages für die Gesamtdauer des Ver- >,,,8es, sondern alljährlich erhoben wird. Durch Erhöhung ."Freigrenze für Miet- und Pachtverträge auf 800 Mark künftig ein wesentlicher Teil der auf der Leipziger k. D geschlossenen Mietverträge in den Genuß der Steuer- ""heit kommen. d Die Beschlüsse des Rechtsausschusses bedürfen noch Zustimmung -es Landtagsplenums, die vor Beilegung ."Regierungskrise leider nicht zu erreichen war. Es ist ^ Zoffen, daß nunmehr unverzüglich vom Landtag die .^stehend skizzierten Anträge, die geeignet sind, der schwer /lasteten und unter besonders ungünstigen Produktions- lngungen arbeitenden sächsischen Industrie gewisse Er- 'Merungen zu verschaffen, angenommen werden. Ak AW dkl M LUW. Roman von I. Schneider - Foerstl. 18, Fortsetzung Nachdruck verboten .. Alles andere ging unter in dem Orkan tausendfachen Stimmengewirrs der Begeisterung, der Freude, des Bei les, der Huldigung. , . Die Finger des Kapitäns legten sich um die kalten, blut ten, die an dem dunklen Anzug herabhingen. „Sie sind lu Held, junger Mann!! Aber kommen Sie, ich muß Tie schützen . . Er konnte nicht fertigsprechen. Wie eine brandende Woge wrmten die Passagiere der ersten und zweiten Klasse auf W ein. Frauenlippen neigten sich über seine bleichen, Menden Lippen, die schweigend aufeinandergepreßt lagen, le schmalen Hände wurden zwischen warm pulsierende ge- vinmen und bis zum Schmerz gepreßt. Hilflos suchten die lauen Augen nach dem Mann, der dort, von einer Meute ?ensations- und Neugierhungriger umringt, auf tausend vragen Antwort geben mußte. w kann — nicht mehr!" Erschöpft bis zur Be- Mtlosigkeit glitt er seitwärts, fühlte, wie zwei Arme ihn Mten und hörte wie durch undurchdringlichen Nebel die nmme Smiths an sein Ohr klingen. i, --Harr Kapitän, wenn Sie eine freie Kabine haben, bitte Ne, uns dieselbe anzuweisen. Wenn nicht, ersuche ich b- " . Passagiere im Namen der Menschlichkeit, wenig- meinem Retter ein paar Stunden Schlafes in seinen 8enen Räumen zu ermöglichen." v Die Rufe, die wiederum orkanartig anschwollen, ver- austen undeutlich im Ohr des Knaben. Er fühlte einen .sim, der sich unter seine Achsel schob, dann nach Minuten u Gleiten auf etwas Weiches, Daunengleiches. Eine zärt- ye Hand legte ihm das Haupt zurecht. Ein Lippenpaar, und zersprungen wie das eigene, drückte sich für n Bruchteil einer Minute auf seinen Mund. Dann hob Oie Konkurrenz -er Verkehrsmittel. Deutscher Reichstag. (167. Sitzung.) 68. Berlin, 19. Mai. Der Reichstag beginnt die zweite Beratung des Haushalts des Reichsverkehrsministeriums. Abg. Dr. Klönne (Dtn. Arbeitsgem.): Die Notwendigkeit mancher Kanalbauten ist zu bezweifeln. Besonders ins Ge wicht fällt hier der Rhein-Main-Donau-Kanal. Dringend not wendig ist der Ausbau des Dortmund-Ems-Kanals dagegen. Tariferhöhung bei der Reichsbahn wird sicher einen Verkehrs rückgang zur Folge haben. Allein durch einen Abbau der Beförderungssteuer kann der Reichsbahn geholfen werden. Reichsvcrkehrsminister von Guörard: Die Ausgabe des Verkehrsministertums bleibt es, die ver schiedenen Zweige des Verkehrs in ihrer Eigenart zu erkennen und eine volkswirtschaftlich schädliche Zersplitterung zu ver hindern. Selbstzweck ist der Verkehr nicht, er soll der Wirt schaft dienen. Möglichst gleiche Bedingungen müssen für die verschiedenen Verkehrsmittel eingerichtet werden. Im Konkurrenzkampf der Reichsbahn mit dem Krastwagcnverlehr ist das angewandte System der Kampftarife nicht ohne Be denken. Im Luftverkehr kann die Sicherheit gefördert werden durch dauernde Verbesserung der Motoren. Am schwersten leidet die Reichsbahn unter dem Rückgang des Verkehrs, da die Bahn mit so großen Reparationslasten beschwert ist. Deshalb ist die Finanzlage der Reichsbahn besorgnis erregend. Der Reichsverkehrsminister bemerkt, die Reichs regierung habe sich ihre Stellungnahme zur beantragten Erhöhung der Personentarife vorläufig Vorbehalten. Wenn die Reichsbahn lebensfähig bleiben soll, wird die dauernde Beibehaltung der Beföroe- rungssteuer in ihrem jetzigen Umfang kaum möglich sein. Bei den Wasserstraßen beschränkt sich die Regierung im wesent lichen auf die Fortführung der begonnenen Bauten. Be sonders dringlich sind bei der Notlage des Ostens die Arbeiten zur Oderregulierung. Noch in diesem Etatsjahr ist die Fertig stellung des Königsberger Seekanals zu erwarten. Durch Ver handlungen mit den Ländern hosfen wir, eine Reform der Wasserstraßenverwaltung in bezug aus Vereinfachung und Ver billigung zu erreichen. Die erhöhten Ausgaben für die Luftfahrt verteidigt der Minister mit dem Hinweis, daß die Luftfahrt unter den Streichungen im Vorjahre stark gelitten hat. Die Luftfahrtindustrie darf nicht der Verkümmerung preisgegeben werden. Abg. Schumann-Frankfurt (Soz.) verwirft den Konkur renzkampf zwischen der Reichsbahn und dem Kraftverkehr. Mittel für die Erhaltung der Flugplätze seien angebracht. Abg. Hartmann (Dtn.) verlangt Beseitigung der Beförde rungssteuer. Mit der Schließung von Eisenbahnwerkstätten loll man möglichst vorsichtig vorgehen. Abg. Groß (Ztr.) erklärte, die Verfügungen der Reichsbahn- gefellschaft „gegen die wohlerworbenen Rechte der Beamten" seien zu verwerfen. Abg. Dr. Wieland (Dem.) fordert Umwandlung des Reichs verkehrsministeriums in ein Ministerium für öffent liche Arbeiten. Abg. Mollath (Wirtschaftspartei): Die Veränderung der Stückgütertarife wird der Reichsbahn die erwarteten Mehr einnahmen nicht bringen. Die Reichsbahn übt auf manchen Ge bieten nicht die nötige Sparsamkeit. Bei einer Besichtigungs reise in Schlesien hatte der Präsident einer schlesischen Eisen bahndirektion seinen eigenen Schlafwagen beständig auf den Stationen stehen. Die Abgeordneten gingen zu Fuß, der Direktionspräsident fuhr nnt telegraphisch herbeigerufenem Kraftwagen. (Hört, hört!) Dann wird die Weiterberatung auf Dienstag vertagt. Eine Fanfare Mussolinis. Kriegerische Rede in Florenz. Vom Balkon eines Palastes in Florenz, wo er aus seiner Rundreise angelangi war, hielt Mussolini eine Anrede an das versammelte Volk, die wegen ihres zugespitzten Charakters verständliches Aufsehen erregt. Mussolini sagte u. a., indem er mit deutlicher Bezugnahme aus die Mißhelligkeiten mit Frankreich hinwies: „Es gibt Leute jenseits der Grenzen, die noch glauben, daß wir ein kleines Volk seien, und nicht merken, daß wir uns einer Bevölkerungszahl von 43 Millionen nähern. Man glaubt auch, unsere Bewegung sei die Reaktion, während es eine Revolution ist. Man glaubt, daß es sich um eine Tyrannei handle, während ein ganzes Volk sich selbst regiert. Es gibt nichts Beleidigenderes für den Stolz des italienischen Volkes als die Verdächtigung, daß unser neues Flottenprogramm eine Sache sei, die nicht verwirklicht werde. Ich sage hier nochmals, daß dieses Programm Tonne um Tonne verwirklicht werden wird. Es aibt jenseits der Gren- MW MW» MB» MB riss sttdswSNfls zen Menschen, die meinen, uns isolieren und einen Krieg durch Dritte gegen uns entfesseln zu können. Sie sollen uns nur kommen! Wenn etwas Derartiges sich zufällig abspielen sollte, dann wären wir, Voll, Schwarz. Hemden, Armee, Kriegsteilnehmer an unserem Platz mit- nie gesehener Begeisterung. Das faschistische Italien ist jetzt in allen seinen Kräften derart organisiert, daß man es nicht ohne Lebensgefahr angreifen kann. Ihr werdet hier eine sehr imponierende Truppenschau sehen. Ich habe das gewollt, denn Worte sind etwas sehr Schönes, aber Gewehre, Maschinengewehre, Schisse, Flugzeuge und Kanonen sind etwas noch Schöneres. Nur ein machtvoll bewaffnetes Italien wird die einfache Alternative stellen: Ent weder wertvolle Freundschaft oder sehr bittere Feindschaft." Die Worte Mussolinis entfesselten ungeheuren Zustimmunas- sturm bei der Menge. Die angekündigte Truppenparade nahm er in der Uniform eines Kommandierenden Generals entgegen. Frankreich ist betroffen. Die französische Presse äußert die lebhafteste Empörung über die Auslassungen Mussolinis Das sei die kriegerischste Rede, die seit dem Ende des Weltkrieges in Europa, ja in der Welt gehalten worden sei. Das Blatt „Avenir" fragt: „Euro päer, sagt, wo sind die Menschen guten Willens? Ihr werdet antworten, daß Mussolini selbst eine Erklärung für seine Ner vosität gegeben hat: „Wir können uns nicht setzen." — Nun wohl, dann soll er sich legen!" — „L a R ö P u b I i q u e" schreibt: „Noch niemals hat ein Regierungschef sich zu derartigen offi ziellen Erklärungen gegen die Grundsätze der Gerechtigkeit und Freiheit hinreißen lassen. Mussolini schüttelt die Faust und richtet an die Welt eine Herausforderung. Und Italien ist Mitglied des Völkerbundes. Wird der Völkerbund, der doch die Sprache des Friedens reden muß, antworten, wenn man die Sprache des Krieges spricht?" Die ilntersuchung der Calmelle- Erlranlungen. Calmettes Mitarbeiter Guörin protestiert. Das Gesundheitsamt Lübeck hat über die durch eine Kommission des Reichsgesundheitsamtes vorgenommenen Untersuchungen der Lübecker Säuglingserkrankungen einen amtlichen Bericht herausgegeven. Es heißt darin: „Die Kommission hat festgestellt, daß die Todesfälle und auch die Erkrankungsfälle der schutzgefütterten Säuglinge auf eine Führung mit Tuberkulosematerial zurückzuführen sind. Wie die Tuberkelbazillen in den Schutzstoff Hinein gekommen sind, ist noch nicht geklärt. Offenbar waren sie schon zu Beginn des ganzen Verfahrens in ihm enthalten. Einen Umschlag von der unschädlichen Form in die schäd liche Form des Tuberkelbazillus hält die Kommission für sehr unwahrscheinlich. Vielmehr bleibt der Verdacht, daß es sich entweder schon bei Ler aus Paris übersandten Originalkultur um echte Tuberkelbazillen gehandelt Hal oder daß solche sich in den späteren Abimpfungen be funden haben. Ein Nachweis, daß eine Verunreinigung der Kulturen durch eine Nachlässigkeit im Lübecker Kranken hauslaboratorium stattgefunden habe, hat sich nicht er bringen lassen." Dieser Bericht des Lübecker Gesundheitsamtes scheint in Paris große Erregung hervorgerufen zu haben. Cal mettes Mitarbeiter, Pros. Gudrin, protestiert gegen die Behauptung, daß die Tuberkelbazillen in dem Schutzmittel schon zu Beginn des ganzen Verfahrens in Lübeck ent halten gewesen seien; diese Behauptung sei eine Beleidi gung der französischen Wissenschaft. Es wird darauf hin gewiesen, daß in den letzten fünf Jahren 225 000 fran zösische Kinder das Serum bekommen haben und daß nicht eine einzige Unannehmlichkeit berichtet worden sei. Weiter wird der Vorwurf erhoben, daß man bei der Untersuchung der Lübecker Todesfälle keinen Beauftragten des Pariser Pasteurinstitutes hinzugezogen habe. Schwere Autounglücksfälle. Verkehrsunfälle in England. Aus der Lübe ck—T ravemünderLaud st ratze verunglückte in der Nähe von Jsraelsdors ein Hamburger Auto. Wahrscheinlich infolge Versagens der Steuerung fuhr der mit fünf Erwachsenen und zwei Kindern besetzte Wagen gegen einen Baum und wurde völlig zertrümmert. Fünf Personen wurden dabei schwer verletzt und mutzten dem Lübecker Krankenhaus zugeführt werden. Einer der Verletzten ist seinen Verletzungen erlegen Auf der Rückfahrt vom Gautrcffen des Reichsbanners in Rostock verunglückte ein Lastauto mit 30 Rcichsbanner- leuten. 19 Personen wurden verletzt, davon sechs schwer. Aus Schkölen bei Zeitz wird berichtet: Acht Gäste einer Hochzeitsgesellschaft unternahmen in gehobener Stimmung in einem Auto, das nur für vier Personen be stimmt war. eine Spazierfahrt. Während der Fahri löste jemand seine Hände und ließ sie behutsam auf etwas wohl tuend Kühles gleiten. „Gute Nacht!" hörte er an seinem Ohr flüstern und glaubte zu fühlen, wie ein zweiter Körper sich leise neben den seinen hinstreckte. Kaum merklich begann die Maschinen zu vibrieren. Ganz sachte wurde der Schiffskolvß auf und nieder gewiegt. Der Kolumbus stampfte den Weg zurück, den er herbeigeeilt war, mit dem Kurs nach Newyork. Der Radiotelegraphist aber saß am Apparat und kün dete der horchenden Welt, daß der deutsche Dampfer Ko lumbus den amerikanischen Ozeanflieger Harald Swith an Bord genommen habe. Die Neue Welt könnte sich rüsten, den Helden am Samstag gebührend zu empfangen. Sonnenfunken brachen sich an den Bullaugen und such ten vergeblich die herabgelassenen Seidenrouleaux zu durch dringen. Den ganzen Nachmittag, die ganze Nacht, bis um neun Uhr morgens hatte sich nichts in der Kajüte der beiden an Bord Genommenen gerührt. Nun schob sich Harald Swiths Arm vorsichtig über die Decke, seine Finger tasteten und zogen sich lautlos wieder zurück. Behutsam richtete er sich in den Ellenbogen auf und neigte sich über das fein gerötete Antlitz, das da unweit von ihm in die Kissen geschmiegt lag. Die Züge sprachen von einer Seele, die rein und unberührt von allem Häß lichen durch die Tage der Kindheit gegangen war. Swith hob die Rechte und strich vorsichtig das Blond haar aus den Schläfen zurück. Die sichelförmig gezeichneten Brauen standen schmerzhaft zusammengezogen, um den weich geschwungenen Mund irrte ein hilfloses Zittern, als träume er von ganz Entsetzlichem. Unruhig suchten die Finger der linken Hand über die bastfarbene Seide der Daunendecke. „Sag, Christoph warum haßt sie mich?" Swith fuhr zurück. War es möglich, daß dieses halb« Kind schon in «ine Liebesaffäre verwickelt war, deren tragi sches Ende ihn den Tod auf dem Wasser hatte suchen lassen? — Er sah unverwandt nach den sich noch immer bewegenden Lippen. Aber er konnte nur mehr den Namen „Bastian" heraushören. Christoph und Bastian. Es war immerhin etwas, an das sich anknüpsen ließ, wenn auch vorläufig jeder Zu sammenhang fehlte. Vielleicht glückte es ihm, sein Vertrauen zu gewinnen. Dann würde er ihm sicher auch erzählen, was ihn zu seinem Tun bewogen hatte. Als der Pilot in der Kabine Umschau hielt, lächelte er. Einer der Stewards mußte in der Zwischenzeit hier gewesen sein. Es lag sowohl Wäsche als auch ein Anzug bereit. Auf dem eingebauten Waschtisch war jede Kleinigkeit vorhanden. Sogar die Zahnbürste fehlte nicht. Der Kapitän war aufmerksam. So fatal es blieb, als Schiffbrüchiger mit nur halb voll brachter Leistung nach der Heimat zurückkehren zu müssen, es war doch ein Hochgenuß ohnegleichen, zu wissen, daß man lebte und sich zu neuen Taten rüsten konnte. Und erst die Mutter, wie würde sie sich freuen, wenn sie ihren bereits tot beweinten Einzigen am Samstag zurück bekam. Vorsichtig turnte er vom Rand des Bettes und begann in das Beinkleid zu schlüpfen. Als er etwas später vor dem Spiegel stand, um mit dessen Hilfe seinen äußeren Menschen zu verschönern, warf dieser ein junges Gesicht zu rück, das sich erstaunt in den Kissen aufgerichtet hatte. Mit zwei Schritten stand der Flieger neben ihm. „Guten Morgen, mein Freund." „Guten Morgen." Der Knabenkörper schob sich langsam auf. Das noch traumerfüllte Gehirn arbeitete angestrengt. Wie kam er in dieses Zimmer? Wahrscheinlich hatte man im Excelsior eine Umquartierung vorgenommen. Komisch, daß er gar nichts davon wußte. „Würden Sie die Güte haben, mein Herr, und nach Friedrich läuten?" fragte er höflich bittend. „Wer ist Friedrich?" „Der Kammerdiener." (Fortsetzung folgt.)