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Nr. 106 — 88 Jahrgang Wilsdruff-Dresden Donnerstag, den 8. Mai 1930 Telegr.-Adr.: »Amtsblatt* Postscheck: Dresden 2640 Baldige Hilfe für den Osten Dos Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshanptmannschaft Meißen, des Amts gerichts und des Stadlrats zu Wilsdruff, des Forstreniamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. EiniWg Acr Lie TribllMleihr Paris, 7. Mai. Die in Paris tagenden Vertreter der BIZ. sowie der Schatzämter der Gläubigerstaaten und des deut schen Finanzministeriums haben die Beschlüsse der Bankierkon ferenz am Mittwoch angenommen. Die Aoung-Obligationen wer den demnach zu 5^ vom Hundert verzinst und vermutlich zu 2v. H. unter Pari, d. h. zu 98 v. H. aufgelegt. Die Anleihestücke, de nen die Halbjahreszinsscheine angefügt sind, sollen im Laufe von 35 Jahren getilgt werden. Die Verteilung unter den an der Zeich nung beteiligten Mächten wird in der bereits bekannten Weise erfolgen. Die BIZ. soll für ihre bankmäßige Vermittlungstätig keit, die sie im Auftrage der einzelnen Regierungen ausübt, eine Vergütung von "/», v. H. erhalten. Man nimmt an, daß die BIZ. ihre Tätigkeit bereits am 15. Mai aufnehmen wird. Schieck sucht Minister. Letzte Schwierigkeiten. Man war am Montag abend sehr gewiß, daß am nächsten Tage die Ministerpräsidentenwahl im Landtage glatt verlaufen würde, und man wußte auch, daß der bis herige Innenminister Richter gewählt werden würde. Seine Hand hätte freilich niemand dafür ins Feuer zu legen gewagt, denn man ist während sächsischer Regie rungskrisen allzusehr an Überraschungen gewöhnt. Und sie sind auch diesmal wieder nicht ausgeblieben. Kurz vor der Plenarsitzung am Dienstag sah es sogar noch einmal ganz so aus, als würde die Ministerpräsidentenwahl wie der nicht zustande kommen und als bliebe nichts als die Landtagsauflösung übrig. Und dieses Gespenst droht auch jetzt noch, obwohl der Ministerpräsident endlich da ist. Nicht Richter, sondern der Präsident des Staats- rechnungshofes Schieck ist es geworden, nicht mit der Mehrheit aller im Landtag vorhandenen Stimmen, die 49 beträgt, sondern nur mit 46 Stimmen, da die Na tionalsozialisten weiße Zettel abgaben. Obgleich sie eben noch den Erfolg erreicht hatten, daß nicht Richter, den die Demokraten und Altsozialisten vorgeschlagen hatten, sondern Schieck präsentiert wurde. Der Minister präsident gefällt ihnen schon, nicht aber sind sie einver standen mit der Art, in der er sein Kabinett zusammen stehen soll. Man weiß ja: ein „unpolitisches Be amt e n k a b i n e t t" soll es werden, und es soll so un politisch sein, daß die in Frage stehenden Beamten von den Parteien möglichst gar nichts wissen, jedenfalls nicht selbst Politiker sein sollen. Den Nationalsozialisten ist es freilich gelungen, in diese Wunschfront Bresche zu legen, indem sie die Wahl Schiecks durchsetzten. Schieck nämlich ist Mitglied des Vorstandes der Deutschen Volkspartei in Dres den, wenn er auch niemals als solches irgendwie hervor getreten ist. Zu einer Partei gehört er aber eben doch. Und das kann man auch allerdings wirklich nicht als „Mangel" bezeichnen: wer ist denn heute tatsächlich noch völlig „unpolitisch"? Man hat sich also damit abgefunden, will aber nun erst recht Minister haben, die keiner Partei angehören. Da stellen die Nationalsozialisten erneut ihre Forderung: Die alten Minister sollen wiederkehren, d. h. vor allem Dr. Bünger und Dr. Krug v. Nidda. Auch diese Forderung ist sicherlich nicht leicht von der Hand zu Wersen, denn beide sind alte, als solche höchst bewährte Beamte, die auch als Minister niemals die Parteiinteressen vor die sachlichen Interessen gestellt haben. Nur Beamte, ohne jegliche parteimäßige Bindung, sind der Innenminister Richter und der Justizminister Dr. Mannsfeld. Darüber, daß sie bleiben sollen, besteht nirgends die geringste Meinungsverschiedenheit. Sehr schwierig aber liegen die Verhältnisse beim letzten der jetzigen Minister, dem Finanzminister Weber, der nur als Vertreter der Wirtschaftspartei in sein Amt gekommen ist. Ihn sucht natürlich besonders die Wirtschaftspartei zu halten, während sich die anderen Parteien an ihm „desinteressieren" und es am liebsten hätten, wenn der GrMWiche EiWW im ReichskMett Das Reichskabinett setzte unter dem Vorsitz des Reichs kanzles Dr. Brüning und in Anwesenheit des Reichs- banlpräsidenten Luther die Erörterung über das Ost hilfegesetz fort. Die Beratungen führten zu einer grundsätzlichen Eini gung, auf Grund deren die endgültigen Gesetzentwürfe von Ressorts unter Führung des Reichsministeriums des In nern in den nächsten Tagen vorgclegt werden sollen. Das Rcichskabinett wird alsdann am nächsten Mittwoch über die endgültige Gestaltung des Gesamtprogramms Beschluß fassen. Am Beobachtungsstand. Ein recht rauhes „Mailüfterl" weht über die Gefilde der deutschen Innenpolitik und wirbelt dort hohe Staub wolken auf; man bekommt ordentlich das Niesen, wenn Man ein bißchen näher herangeht. Selbst den pfiffigsten Politischen Propheten ist's unmöglich, zu sagen, was nun eigentlich werden, wer recht behalten wird. Auf der einen Seite stößt die Sozialdemokratie im Reichstag immer schärfer gegen die Regierung vor, benutzt die Gelegenheit der Etatsberatung zu heftigen Angriffen, auch zu ent scheidenden Anträgen, die die Ausgaben zunächst einmal des Wehretats erheblich kürzen sollen, — und aus der anderen Seite findet die Regierung bei den Parteien, von denen sie in den Sattel gesetzt wurde, eine nur matte Unterstützung oder gar ziemlich unverhohlenen Wider spruch. Wegen des Wehretats ist es schon jetzt zu sehr unzweideutigen Erklärungen gekommen und das dürfte erst der Auftakt zu den „kommenden Dingen" werden. Denn das Kabinett Brüning ist, parlamentarisch gesehen, eben nur sozusagen auf Flugsand gebaut. In der Demo kratischen Partei, also auf dem linken Flügel der „Re gierungsmehrheit", sind die Debatten über die künftige Politische Haltung ebenso umfangreich wie auf dem rechten. Und was dazwischenliegt an Parteien und Parieichen, rückt und rutscht gleichfalls hin und her. Da läßt man zweckmäßigerweise die Finger von jeglichem Prophezeien über das Aussehen dieser Zukunft, über die Aussichten bzw. das Schicksal des Reichstages. * Die Negierung freilich arbeitet aufweitereSicht und — muß es auch tun, wenn sie jetzt an die Aus arbeitung, vor allem aber an eine sichere finanzielle Fun damentierung des Ostprogramms wirklich herangeht. Man mußte sich dabei natürlich an die Möglichkeiten halten, die als Grenzen von der Lage der Reichsfinanzen gesetzt sind. Und diese Grenzen sind beträchtlich enger ge zogen, als allzu früh erweckte Hoffnungen dies glauben ließen. Trotzdem bleibt das Programm umfangreich genug, läßt sich auch heute noch nicht sagen wie weit allein der kreditpolitische Teil, also vor allem die Umschuldungs- bzw. Besitzbesestigungsaktion, gehen wird und gehen kann. Das muß sich natürlich auch nach der Höhe der zur Ver fügung stehenden oder gestellten Mittel richten; vielleicht wird man hierbei auch die bekannten Hilfsvorschläge der deutschen Industrie wieder hervorziehen und für die Landwirtschaft nutzbar machen können. Denn an staat lichen Mitteln — die nicht eine neue Belastung der Aus gabenseite des Reichsetats darstellen würden — hat man für 1930 nur rund 100 Millionen zur Hand. Weil man aber nun gar nicht weiß, inwieweit die spätere Ent wicklung der Reichsfinanzen die Flüssigmachung noch größerer Mittel ermöglichen wird, man die Schwierig keiten aber in Rechnung stellen muß, so scheint innerhalb der Regierung vorläufig eine Einigung über den zeitlichen, den lokalen und den materiellen Umfang des Ost programms noch gar nicht hergestellt, die Dinge, Vor schläge, Pläne scheinen erst noch stark im Werden zu sein. * Hoffentlich redet man nicht inzwischen alles und jedes tot! So etwas ist heutzutage im Zeitalter der politischen Vielrederei durchaus nicht aus geschlossen. So hat sich z. B. der preußische Ministerpräsi dent darüber beschwert, daß im Lause des Jahres 1929 die Herren Abgeordneten „seines" Landtages nicht weniger als 1400 Stück der mehr, meist minder berühmten „KleinenAnsragen" an die Regierung gerichtet haben. Diese nun derart mißbräuchliche Einrichtung stammt aus dem englischen Parlamentsgebrauch. Aber dort war sie ein auf dem Boden langer Entwicklung und Erfahrung ausgewachsener Brauch. „Nur nichts Schrift liches!" Sondern eine wirklich „kleine", nur mündlich gestellte Frage, die in kurzer, knapper, ost witziger Form, in Rede- und Antwortspiel behandelt wurde. Die bisweilen sogar von der Regierung bei der Opposition bestellt war und damit Gelegenheit geben sollte, in wichtigsten außen- oder innenpolitischen Angelegenheiten kurze Gelegenheit zur Kennzeichnung der Regierungsansichten und -absichten zu geben. Bei uns ist das zwar nicht im Reichstag, wohl aber in den Landtagen etwas ganz anderes geworden, vor allem zu einem Kampfmittel der Opposition, das nach außen hin bisweilen nur agitatorisch wirken soll. Gewiß ist das ein Recht, aber ob es immer ein „gutes" ist, wird vielfach bezweifelt. Sehr oft muß die „angefragte" Negierung erklären, daß eine Beantwortung nur Arbeiten der Behörden von unmöglichstem Ausmaß verursachen würde und in gar keinem Verhältnis zu dem angestrebten Rutzen der Aufklärung stünde. Von Schlim merem soll noch gar nicht geredet werden; so, wenn z. B. der rein parteiagitatorische Zweck sozusagen gleich aus den ersten Worten der Anfrage hervorleuchtet. Das mag man in den Ausschüssen des „Hohen Hauses" erledigen und von hier aus, wenn man durchaus will, die An gelegenheit parteiagitatorisch ausmünzen. Aber niemand Wird bestreiten können, daß der Verwaltungsapparat heute schon mit Überflüssigkeiten mehr als nur überlastet ist; man soll deswegen ihm nicht noch mehr an diesen Mißbräuchen ausladen. Neuregelung -er Einfuhrscheine. Die Sperrermächtigung des Finanzministers. Durch Verordnung wird bei Roggen, Hafer und im Inland erzeugter Gerste mit einem Hektolitergewicht von mehr als 67 Kilogramm der Wertbestimmung des Einfuhrscheins ein Betrag von 9 Reichsmark zugrunde ge legt. Bei lebendigen Schweinen wird der Wertbektim- müngdes Einfuhrscheins ein Betrag von 27 Reichsmark, bei Schweinefleisch ein Betrag von 36 Reichsmark, bei Schweineschinken ein Betrag von 48 Reichsmark zugrunde gelegt. Bei der Ausfuhr von Rindvieh und Schafenso wie von Rindfleisch und Schaffleisch werden Einfuhrscheine neu eingeführt. Entsprechend der Bestimmung des Gesetzes über Zoll änderungen vom 15. April 1930, wonach die Belastung der Reichskasse durch Einfuhrscheine nicht höher als im letz ten Rechnungsjahre sein darf, ist der Reichsminister der Finanzen ermächtigt, die Ausstellung von Einfuhrscheinen bei der Ausfuhr von Roggen, Roggenschrot und Hafer mit einwöchiger Frist zu fperren. Ministerialdirektor im Finanzministerium, der „wirkliche Finanzminister" seit langen Jahren, Dr. Hedrich, an Webers Stelle träte. Was soll werden? Niemand will jetzt nachgeben, — aber man denkt Wohl daran, daß man Zeit zum Ver handeln hat, denn die nächste Landtagssitzung wird ja erst am Dienstag stattfinden. Die Nationalsozialisten drohen am lautesten: sie sagen, wenn ihnen Schiecks Ka binett nicht gefiele, dann würden sie eben für die Aus lösungsanträge stimmen. Also geht das Gespenst der Neuwahlen immer noch um . . . Aber niemand er schrickt vor ihm. Man hat jetzt gesehen, daß keine Partei Lust zu Neuwahlen hat, und man vertraut daher überall darauf, daß man sich schon noch einigen wird. Daß auch nichts anderes im Volksinteresse liegt, braucht nicht be sonders dargelegt zu werden. ziehen sind. Dieser Betrag ist bereits mit 51 Millionen in den Reichshaushalt eingesetzt. Der Rest soll auf gebracht werden in Höhe von 30—40 Millionen aus dem Verkauf oder der hypothekarischen Beleihung von Reichs grundstücken im ehemaligen besetzten Gebiet, 20 Millionen ans dem Reservefonds der Bank für In dustrie-Obligationen, der Rest aus Mitteln der produk tiven Erwerbslosenfürsorge, die auch bisher schon viel fach für Siedlungszwecke in Anspruch genommen wurde. Einzelne sofortige Maßnahmen. Von den im Reichsetat 1930 enthaltenen 51 Millionen ist über eine Summe von 20 Millionen bereits verfügt. Von den übrigen Mitteln sowie bei 75 Millionen neuer Mittel sollen die folgenden Beträge ausgeworfen werden: 6 Millionen für Zinsverbilligung usw., 30 Millionen für die Lastensenkung, d. h. für Ermäßigung oder Erlaß der Grundvermögenssteuer, der Gewerbesteuer, für Frachten verbilligung und ähnliches, 50 Millionen für die Siche rung gefährdeter landwirtschaftlicher Betriebe, 10 Mil lionen für gewerbliche, soziale und kulturelle Zwecke. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8 gespaltene Raumzelle 20 Rpfg., die < gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 10«eich». Pfennig, die 3 gespaltene Reklame,eile im textlichen Teile 1 Reich,mark. Nachweisungsgebühr 20 «eieh»psenni,e. B«r< geschriebene Erscheinung-. — . „ , tage und Platzvvrlchrisw» »erden nach MS,lichKUt Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 berücksichtigt. Anzei,««. annadme bi» aormUSUHr. - - - Für die Richtigkül der durch Fernruf übermittelteuAnzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Radatlanfpruch erlischt, wenn der Betrag durch «läge eingezogen werde» muß oderbcr Austra,, cd er irRvnkur-gerät. La,eigen nehmen allc Dermi»luug-stelIen ent,e,rn. SenMist über das Osi-wgramm. Das Rcichskabinett beschäftigt sich gegenwärtig mit ! dem angekündigten O st h i l s c g c s e tz. Es soll dabei Einverständnis herrschen darüber, das gesamte Osthilfe programm noch vor der Sommerpause des Reichstages von diesem erledigen zu lassen. Mit der Bearbeitung der Einzelheiten ist bereits begonnen worden. Es ist jedoch nicht damit zu rechnen, daß vor nächster Woche die endgültigen Vorlagen fertiggestellt sein werden. Eine Teilung in ein Sofortprogramm und ein Ge sa mtprog ramm könnte — unbeschadet der Erledi gung auch des Gesamtprogramms noch vor der Sommer pause des Reichstages — in Betracht kommen, wenn aus technischen Gründen der sorgfältigeren Vorbereitung einzelne Teile nicht sofort abschließend geklärt werden können. Den Vorlagen, die dem Kabinett zugegangen sind, ist eine ausführliche Denkschrift zur Begründung bei gegeben. Nach den Anforderungen der einzelnen be teiligten Ressorts würden sich die Gesamtkosten im Laufe von fünf Jahren auf fast 700 Millionen Mark stellen, und zwar werden verlangt 200 Millionen für langfristige Bürgschaften für die Beleihung landwirt schaftlicher Grundstücke, 300 Millionen für den Um- schuldungsprozetz, 130 Millionen für Eisenbahnneubauten und sonstige Verkehrsmaßnahmen. Darüber hinaus er hebliche Beträge sür gewerbliche, soziale und kulturelle Zwecke. Neben einem Rahmengesetz sind sechs Einzel gesetze vorgesehen. Lleber 100 Millionen schon 1930. Die Angaben über das, was schon 1930 ausgewendet werden soll, schwanken noch einigermaßen. Jedoch stim men im großen und ganzen die Mitteilungen insofern überein, als etwa 100 bis 120 Millionen in Betracht zu Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Tageblatt- erscheint an alle» Werkt-, en nachmittags s Uhr. Bezugsprei«: Bei Abholung in ' S?,e,chchtsstclle und den Ausgabestellen 2 RM. im Manat, be, Zustellung durch dir Bate» 2,3V RM., de« Postdestcllung IS.».- Abtrov'' w* gebühr. Einzelnummern ^-«.AcheBosranftalten Wochenblatt für Wilsdruff u. Umaeaend Postboten und unsereAus- und Geschäftsstellen —- - 2 —- nehmen zu jeder ^eit Be "Nvkn entgegen. 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